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PDF-Ausgabe - Bergischer Bote

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Savvas Diakostamatiou Eltern<br />

schickten ihn als Kind zurück<br />

nach Afandou, damit er dort in die<br />

Schule ginge. „Er hat viel geweint“,<br />

sagt sein Vater Michalis. Aus dem<br />

Kind, das seine Eltern vermisste, ist<br />

der stellvertretende Bürgermeister<br />

von Rhodos geworden. Mit Geld für<br />

die Partnerschaft sehe es derzeit<br />

schlecht aus, aber die Gastfreundschaft,<br />

die sei immer da. Neben<br />

Sport und Kultur kann er sich Workshops<br />

mit Gummersbacher Studenten<br />

vorstellen<br />

Frank Helmenstein Die Mutter des<br />

Bürgermeisters von Gummersbach<br />

stammt von der Insel Korfu. Auch<br />

wenn er nie in Griechenland gelebt<br />

hat, sagt er: „Ich habe einen deutschen<br />

Verstand und ein griechisches<br />

Herz - und das hat mich mein<br />

ganzes Leben lang bewegt.“ Die<br />

Partnerschaft mit Afandou ist für<br />

ihn etwas sehr Besonderes, „denn<br />

sie wurde durch die Menschen begründet,<br />

die hier gelebt haben.“<br />

Michalis Papanastasiou Wir haben<br />

Afandou aufgebaut“, sagt Michalis,<br />

in dessen Hotel „Tina Flora“<br />

auch viele Gummersbacher zu Gast<br />

sind. Während seiner Karosserielehre<br />

bei der Firma „Faulenbach“<br />

fuhr er zur Kölner Berufsschule<br />

mit einer Kreidler Florett über die<br />

Dörfer. Die A4 gab es noch nicht. Er<br />

erzählt gern und etwas wehmütig<br />

von jenem Tag, an dem die offizielle<br />

Partnerschaft gefeiert wurde.<br />

„Afandou Platz war voll“, sagt er.<br />

Ioannis Moschous Nach einer Kellnerlehre<br />

arbeitete Ioannis im Hotel<br />

„Lindenhof“ in Gummersbach und<br />

in der „Post“ in Wiehl. Vergilbte<br />

Fotos, sein Berufsschulzeugnis und<br />

einen dicken Stapel Briefe, die ihm<br />

seine Lehrerin Inge Kiesewetter 30<br />

Jahre lang schrieb hat er in einer<br />

Schublade seines Juweliergeschäfts<br />

ordentlich aufbewahrt. „Ich wollte<br />

für immer in Deutschland bleiben“,<br />

sagt er, „aber dort zu heiraten war<br />

schwierig.<br />

Bundespräsidenten und wer in Gummersbach<br />

war, kennt den Begriff des Kölschen Klüngels.<br />

Eigene Schuld weisen sie nicht zurück, aber<br />

fremden Hochmut und Besserwisserei.<br />

Ich setze mich zu Vasilis in seine Taverne<br />

gleich gegenüber dem Rathaus. „Absolutes<br />

Halteverbot“, sagt er und zeigt dorthin, wo die<br />

Rathaus-Angestellten ihre Autos in Zweierreihen<br />

geparkt haben. „Das ist nicht die Schuld der<br />

Deutschen. Wir müssen auch unsere Mentalität<br />

ändern und begreifen, dass wir ein Teil des<br />

Problems sind. Wir brauchen mehr Verantwortungsgefühl<br />

und Integrität.“ Dann sprudelt er<br />

vor Ideen, wie sich mit dem Tourismus mehr als<br />

nur fünf Monate Geld verdienen ließe. „Kreativer,<br />

professioneller, effizienter“, sagt er. Ich fra-<br />

Kleiner Hafen von Kolymbia bei Afandou<br />

ge ihn, warum er nicht in die Politik ginge. „Im<br />

Moment wollen sie solche nicht, die reden wie<br />

ich, aber die Zeit wird kommen und dann geh<br />

ich“, sagt er und nickt mit dem Kinn Richtung<br />

Rathaus.<br />

In der Grundschule 100 Meter weiter ist gerade<br />

Pause und sofort umringt mich eine Traube<br />

fröhlicher Kinder. Die zwölfjährige Danae fragt<br />

mich in gutem Englisch, wer ich bin, woher ich<br />

komme und ob ich ein Foto von ihnen machen<br />

könne. Es werden viele Fotos und mein Notizbuch<br />

füllt sich mit in kindlicher Handschrift eingetragenen<br />

Email-Adressen. „Ich will Sängerin<br />

werden“, erzählt Danae, „und meine beste<br />

Freundin Katerina wird meine Managerin.“ Zum<br />

Abschied pflückt sie eine Hibiskusblüte und<br />

schenkt sie mir. Ich schaue noch im Klassenraum<br />

vorbei, in dem Panagiotis gerade Unterricht<br />

gibt. „Es geht um Freundschaft“, erklärt er. „Wir<br />

haben Religion, aber ich mache keine Religion.<br />

Ich habe gerade erklärt, dass man Freundschaft<br />

erkennt, wenn man in Schwierigkeiten ist.“<br />

Am Abend treffe ich mich mit Panormitis<br />

Bakiris und seinen Freunden im Café Gummersbach.<br />

Es wird zehn Uhr bis alle da sind. Viele<br />

arbeiten bis die Touristen fertig sind mit Essen.<br />

„Ich mag alle Deutschen, nur nicht Merkel“, begrüßt<br />

mich Michalis, über den seine Freunde sagen,<br />

er sei einst der beste Fußballer von Rhodos<br />

gewesen. Dann lacht er schallend. In einem Mix<br />

aus Deutsch, Englisch und Griechisch reden sie<br />

wort- und gestenreich über Fußball, Politik und<br />

das, was sie sonst noch bewegt. Die Flüchtlinge<br />

aus Asien und Afrika zum Beispiel. Drei Millionen<br />

sind es, die über die griechische Grenze in<br />

die EU kamen – bei elf Millionen Einwohnern.<br />

Lindos: Kultur, Geschichte und Einkaufsbummel<br />

Manche arbeiten auf Rhodos illegal, für zehn<br />

Euro am Tag. „Wir sind keine Rassisten“, sagt<br />

Panormitis. „Leider gibt es aber schon für uns<br />

keine Arbeit. Das ist nicht lustig.“<br />

Nicht nur lustig finden sie auch das Thema<br />

All-Inclusive-Hotels. „Viele Geschäfte und Tavernen<br />

mussten zumachen. Das Leben in den Orten<br />

hat sich verändert“, sagt Panormitis. Immer<br />

mehr Urlauber sehen in Rhodos ausschließlich<br />

Strand, Pool und Hotel-Restaurant. Im Ort konsumieren<br />

sie kaum, vielleicht ein paar Postkarten<br />

oder einen „I love Rhodos“-Anhänger. Fern<br />

vom Land und dessen großartiger Kultur verspeisen<br />

sie ihren „Greek salad“, der mit Balsamico-Essig<br />

und Rucola höchstens noch ein entfernter<br />

Verwandter desselben ist.<br />

Griechisch essen geht anders. Die obligatorische<br />

Plastikdecke wird am Gummizug festgemacht<br />

und das Essen kommt in die Mitte. Einzelbestellungen<br />

gibt es nicht. Sie schieben mir die<br />

Teller hin, reden, lachen und schenken Souma<br />

ein, einen auf Rhodos hergestellten Schnaps<br />

mit besorgniserregendem Alkoholgehalt. „Aber<br />

man merkt nichts am nächsten Tag“, verspricht<br />

Panormitis. An jenem nächsten Tag soll ich zum<br />

Fußballstadion kommen und mir das Spiel der<br />

„Veteranoi“ ansehen. Am Morgen treffe ich Panormitis<br />

Vater und frage schon mal nach dem<br />

Weg. Er erklärt ihn mir nicht, er steigt auf sein<br />

Kräuter wachsen und trocknen vor den Häusern<br />

Moped und fährt mich hin.<br />

„Philoxenia“, die Gastfreundschaft ist tief<br />

verwurzelt in der griechischen Geschichte und<br />

Kultur, und hier in Afandou ist sie ist ohne jeden<br />

Zweifel weit mehr als nur ein Wort. Genau<br />

wie jenes „Carpe diem“ – lebe den Tag, das sich<br />

die Deutschen als Leitspruch an den Kühlschrank<br />

pappen, aber selten realisieren können. Der römischen<br />

Dichter Horaz hat den Spruch übrigens<br />

vom Griechen Epikur, der schon 400 Jahre früher<br />

über den Weg zu individuellem Glück und<br />

Seelenheil philosophierte. Ob es nun an den<br />

Philosophen, den Genen, dem „warmen Herz“<br />

oder dem warmen Wetter liegt: Touristen, die<br />

auf Gespräche mit den Griechen über die Krise<br />

verzichten, werden sie zu Hause als glückliche<br />

Menschen beschreiben. Afandou lebt, Kommunikation<br />

ist allgegenwärtig und es wird deutlich<br />

mehr gelacht als bei uns. „Was wäre das, wenn<br />

wir nichts mehr zu lachen hätten!“, sagt Ioannis<br />

Koumnakis, und auch darüber lacht er wieder.<br />

Für die Schwermut darin muss man zweimal<br />

hinhören.<br />

Am letzten Tag zeigt der Musiker Giorgos<br />

Chatziantonis mir Rhodos Stadt, führt mich zum<br />

„Europäischen Haus“, in dem Ehrenamtler EU-<br />

Projekte zur Völkerverständigung organisieren,<br />

schleust mich durch Gassen und durch Türen.<br />

„Haben Sie einen Tisch bestellt?“, werden wir<br />

in einer halbleeren Taverne gefragt und der Besitzer<br />

lacht über seinen gelungenen Witz über<br />

die deutsche Mentalität. Dann gibt er eine Flasche<br />

Retsina aus. Wir trinken und reden über die<br />

Vom letzten Geld wird die Grundschule renoviert<br />

Möglichkeiten, der Städtepartnerschaft auf privater<br />

und Vereinsebene mehr Leben zu geben,<br />

denn Afandou ist in der Krise und Gummersbach<br />

im Nothaushalt. Hier wie dort kein Geld für die<br />

Völkerverständigung.<br />

Bei einem letzten Spaziergang denke ich an<br />

jene, die ihr „Griechenland gehört nicht in die<br />

EU“ verkünden, als hätten sie den Satz gerade<br />

auf dem Berg Sinai auf einer Tontafel bekommen.<br />

Hier in Afandou wirkt das geradezu absurd.<br />

Mit seiner Geschichte, seiner Offenheit<br />

und munteren Mehrsprachigkeit, den Touristen,<br />

aber auch unzähligen Ehen zwischen Griechen<br />

und anderen Europäern könnte Afandou europäischer<br />

kaum sein. Einzig auf den Blickwinkel<br />

kommt es an.<br />

Auf dem Parkplatz am Flughafen tue ich wie<br />

mir gesagt wurde: Schlüssel unter die Matte,<br />

Auto offen lassen. Im Flieger zieht die Woche<br />

an mir vorbei. „Du brauchst einen Griechen für<br />

einen Tag und du hast deine Zeitung für ein Jahr<br />

voll“, scherzte einer meiner Gesprächspartner<br />

beim wortreichen Abendessen. Er hatte Recht.<br />

Es gibt zu viel darüber zu schreiben, wie begeisternd<br />

und bereichernd eine europäische<br />

Gemeinschaft sein könnte, wenn es statt nur<br />

um Geld und Verträge um Menschen<br />

und Verständnis ginge.<br />

Ich kam mit zwei Handynummern<br />

und ging mit einem Füllhorn<br />

an Gedanken und Gefühlen.<br />

Vielen Dank, Afandou<br />

- ευχαριστώ πολύ! III<br />

„ Ich will<br />

später Sängerinwerden<br />

– und<br />

meine beste<br />

Freundin<br />

Katerina<br />

wird meine<br />

Managerin<br />

“<br />

Danae (10),<br />

Schülerin<br />

Mal mit<br />

Freunden<br />

wieder<br />

so richtig:<br />

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Die Bahn macht mobil.<br />

20 <strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong> 3-2012<br />

<strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong> 3-2012<br />

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