emotionen – erfahrungen - Ferdinand-von-Steinbeis Schule - Ulm
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16 | <strong>Ferdinand</strong>-<strong>von</strong>-<strong>Steinbeis</strong>-<strong>Schule</strong><br />
Bildkomposing: Martin Blaas, 3 BKGD 3<br />
An die Lesesucht, sich in wahnhafte,<br />
unwirkliche Welten zu verlieren,<br />
dieses über 200 Jahre alte Schlagwort,<br />
erinnerte Dr. Mahler <strong>von</strong> der Schulpsychologischen<br />
Beratungsstelle <strong>Ulm</strong><br />
zum Auftakt der eintägigen Fortbildung<br />
„Computer, Internet & Co <strong>–</strong> neue<br />
Medien, neue Chancen, neue Gefahren“,<br />
um im gleichen Atemzug mit Recht die<br />
Frage zu stellen, in welchem Maße das<br />
Tagungsthema heutzutage eine völlig<br />
andere Dimension und Situation beinhalte.<br />
Dies kompetent zu beantworten<br />
war die Aufgabe dreier Referenten.<br />
Markus Greski, Polizeihauptmeister<br />
und zuständig für Polizeiliche Prävention,<br />
referierte über Team-<strong>Ulm</strong>,<br />
Communities, Cyber-Mobbing und die<br />
Rechtsfolgen. Wenn auch durchaus „die<br />
schwarze Wolke über unserer Region“,<br />
müsse dieses Online-Magazin ernst<br />
genommen werden, allein schon weil<br />
hier über 400.000 User angemeldet<br />
sind <strong>–</strong> viele mehrfach. Abends seien<br />
gleichzeitig bis zu 15.000 User online,<br />
da<strong>von</strong> 75% über 17 Jahre alt, und die<br />
elterliche Aufforderung „gafk“ (go away<br />
from keyboard) laufe meist ins Leere.<br />
An sich ist, so Greski, nicht der Chat<br />
das Problem, sondern wie ich mich<br />
<strong>–</strong> mehr oder weniger offenherzig <strong>–</strong><br />
präsentiere. Oft werde verkannt, wie<br />
sehr sich der Einzelne hier preisgebe<br />
oder unwissentlich in anderen Profilen<br />
auftauche. Das Geschäft mit der Liebe<br />
Computer,<br />
Internet & Co<br />
münde all zu oft in Pornographie oder<br />
Pädophilie <strong>–</strong> in Straftatbestände. An<br />
dieser Grenze kratzten, sogar darüber<br />
hinaus gingen Mobbing, Happy Slapping<br />
oder Snuff (eine Schlägerei oder<br />
Hinrichtungsszene wird online gestellt)<br />
sowie Dissen (Schlechtmachen).<br />
Das Team <strong>von</strong> Team-<strong>Ulm</strong>.de versucht<br />
dem entgegenzuwirken, z.B. durch<br />
Verwarnung, Löschung des Beitrags<br />
oder Sperrung des Nutzerkontos.<br />
Pascale Sorg, Familientherapeutin<br />
und Sozialarbeiterin <strong>von</strong> der Caritas<br />
<strong>Ulm</strong>, thematisierte die Internetnutzung<br />
der Jugendlichen. Seit 2002 zeigt sich<br />
ein starker Useranstieg bei den 12- bis<br />
19-Jährigen. Vielfältig sei deren Nutzung,<br />
das Internet diene der Information,<br />
Selbstdarstellung, Kommunikation,<br />
Unterhaltung, dem Ein- und Verkauf.<br />
Als Suchmaschine und für Online-<br />
Communities nutzten es über 70%, für<br />
Spiele 30%. Bei der Frage nach der Problematik<br />
solcher Aktivitäten kommt vor<br />
allem die Nutzungsfrequenz ins Spiel.<br />
Obenan stehen die 18- bis 19-Jährigen,<br />
<strong>von</strong> denen 72% täglich online gingen:<br />
Die Partizipationsmöglichkeiten, der<br />
soziale Austausch, die positive Selbstdarstellung,<br />
der Lebensweltbezug<br />
und der Zeitvertreib faszinierten.<br />
Obwohl es bisher keine verbindliche<br />
Krankheitsdiagnose für Computersucht<br />
gibt, so Sorg, lassen sich<br />
bei dieser „substanzungebundenen<br />
Störung“ fünf Merkmale beobachten:<br />
• Einengung des Verhaltensraums<br />
(PC-Nutzung statt anderer<br />
Aktivitäten)<br />
• Kontrollverlust (Reduzierung<br />
der PC-Nutzung unmöglich)<br />
• Toleranzentwicklung (wöchentliche<br />
PC-Nutzung steigt<br />
<strong>von</strong> 10 auf über 35 Stunden)<br />
• Entzugserscheinungen (Nervosität,<br />
Gereiztheit, Ungeduld)<br />
• negative soziale Konsequenzen<br />
(Ärger mit der Familie,<br />
Leistungsabfall)<br />
In Chats (35,2%), bei Spielen ohne<br />
Geldeinsatz (11,1%), nicht zuletzt<br />
bei Erotik und Sex (9,9%) „wer-<br />
den Freunde gesammelt, die ich<br />
in der Wirklichkeit nicht habe.“<br />
Daraus lassen sich einige Erklärungen<br />
ableiten, die diesen Wunsch<br />
nach Flow, Rausch, Zeitvergessenheit<br />
und Versunkensein in der virtuellen<br />
Welt <strong>–</strong> der letztlich ja auch ein Verlorensein<br />
aufzeigt <strong>–</strong> erklärbar machen:<br />
Es ist die Neugier, sind Bedürfnisse<br />
nach Bindung und Zugehörigkeit,<br />
nach Selbstwertsteigerung, nicht<br />
zuletzt nach Lustgewinn, aber auch<br />
nach Kontrolle und Orientierung.<br />
„Computersucht“ bedinge nicht<br />
selten andere Krankheiten bzw. trete<br />
oft komorbid mit ihnen auf, so mit<br />
ADHS, Depressionen, Ängsten, einer<br />
Substanzabhängigkeit sowie Persönlichkeitsstörungen.<br />
Insofern sei es<br />
sehr wichtig, auf die Anzeichen (u.a.<br />
Übermüdung, Aufmerksamkeitsdefizite,<br />
geringe Frustrationstoleranz, wenig<br />
Anstrengungsbereitschaft, Verzögerung<br />
bei der Erledigung <strong>von</strong> Arbeitsaufträgen)<br />
zu achten, zu reagieren und<br />
professionelle Hilfe bei Sucht- und<br />
Erziehungsberatungsstellen, selbst<br />
bei Psychotherapeuten zu suchen.<br />
Neben Surfern und Chattern ganz<br />
besonders genau den Gamern auf die<br />
Finger schaute in dem letzten, das<br />
Tagesthema abrundenden Referat<br />
„Computer- und Internetsucht <strong>–</strong> Wege<br />
in und aus einer Verhaltenssucht“ der<br />
Medienpädagoge und neue Mitarbeiter<br />
der Drogenhilfe <strong>Ulm</strong>/Alb-Donau e.V.<br />
Jürgen Eberle. Ihm ging es zunächst<br />
einmal darum, die gängigen und oft<br />
benutzten Spiele aufzulisten, Marktanteile<br />
zu benennen und zwei der wohl<br />
bekanntesten beispielhaft vorzustellen.<br />
Dass Blizzard Entertainment 2009<br />
weltweit über 4 Milliarden Dollar<br />
Umsatz machte, auch mit dem Massen-<br />
Mehrspieler-Online-Rollenspiel „World<br />
of Warcraft“, kann den nicht wirklich<br />
überraschen, der versteht, warum<br />
reines Spielen einen derart hohen<br />
Abhängigkeitsfaktor in sich birgt. Die<br />
enge Vernetzung der Spieler als „Gilde“<br />
stärke den emotionalen Erlebnischarak-