Radzeit Nr. 36 - ADFC Kreisverband Wolfenbüttel

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Historisches Als Radfahrer die Straße eroberten… Heute nutzen wir das Fahrrad im Alltag, in der Freizeit und als Sportgerät. Je nach Gegebenheit fahren wir auf dem Radweg, auf der Straße oder auf Feld- und Wirtschaftswegen. Und jedes Rad im öffentlichen Straßenverkehr muss verkehrssicher sein (Beleuchtung vorne/hinten, zwei Bremsen, Reflektoren,…). Das war vor mehr als 100 Jahren nicht so. Nur wenige Menschen besaßen ein Fahrrad. Das neue Fortbewegungsmittel diente zunächst als Sportgerät. Und deshalb hatten die Radfahrer es sehr schwer (ähnlich wie heute die Inline-Skater), von Fußgängern, Pferdefuhrwerken oder Droschken akzeptiert zu werden. 1875 hatte der „Radfahrverein Braunschweig“ 33, der „Velocipedclub BS“ neun Mitglieder. Um 1890 werden der „Schöninger Radfahrverein“ und der “Verein älterer Radfahrer Braunschweigs“ erwähnt, 1895 der „Deutsche Radfahrerbund“, das „Kartell der deutschen Fahrrad- 16 RadZeit Sommer 2012 und Motorwagenverbände“ - die ersten Autos tauchen auf- und 1897 der „Radfahrerschutzverband für das Herzogthum BS“. Zwischen 1893 und 1908 steigt die Mitgliederzahl des ARB (= Arbeiter-Radfahrerbund) von 11.000 auf 100.000.¹) So sah sich das Herzogthum BS veranlasst ein Regelwerk zu erstellen, um Konflikten im Straßenverkehr vorzubeugen. Es ist erstaunlich, dass 21 + 5 Gebote in dieser winzigen Broschüre Platz finden: Auszüge daraus, die uns eine vage Vorstellung vom Radfahren damals vermitteln und uns vielleicht schmunzeln lassen, möchte ich hier vorstellen: § 1 Bei dem Fahren mit Fahrrädern dürfen nur die für Fuhrwerke und Reiter bestimmten Straßen, …benutzt werden; die Benutzung von Fußwegen und Banketts zum Fahren mit Fahrrädern darf je− doch nicht während der Dunkelheit oder bei starkem Nebel erfol− gen. … § 3 Uebermäßig schnelles Fahren, Umkreisen von Fuhrwerken, Men− schen und Thieren und ähnliche Handlungen, welche geeignet sind, Menschen oder Eigenthum zu gefährden, den Verkehr zu stören, Pferde oder andere Thiere scheu zu machen, sind verboten. § 4 Innerhalb der Ortschaften und überall da, wo ein lebhafter Ver− kehr von Wagen, Reitern, Radfahrern oder Fußgängern stattfindet, sowie auf steilen und gefährlichen Strecken haben die Radfahrer langsam zu fahren. … § 6 Jedes Fahrrad muß mit einer sicher wirkenden Hemmvorrichtung und einer helltönenden Glocke versehen sein. § 7 Jedes auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen benutzte Fahr− rad muß mit einer gegen Erstattung der Herstellungskosten von der Ortspolizeibehörde zu beziehenden Nummer versehen sein. ¹) Quelle: Fahrradverkehr im Herzogtum BS, Polizeirechtliche & soziale Aspekte, S. 101ff. Stefan Brüdermann aus: Braunschweigisches Jahrbuch Bd. 76, 1995, NLA WF, Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins, Hrsg. Horst-Rüdiger Jarck
§ 8 Jeder Radfahrer ist verpflichtet, einen genügenden Ausweis über seine Person beim Radfahren bei sich zu führen und den Polizeibe− amten auf Verlangen vorzuzeigen. … § 9 Der Radfahrer hat entgegenkommende, zu überholende, in der Fahrrichtung stehende oder die Fahrrichtung kreuzende Menschen, insbesondere auch die Führer von Fuhrwerken, Reiter, Treiber von Vieh u.s.w. durch deutlich hörbares Glockenzeichen rechtzeitig auf das Nahen des Fahrers aufmerksam zu machen…. Mit dem Glo− ckenzeichen ist sofort aufzuhören, wenn Pferde oder andere Thiere dadurch unruhig oder scheu werden. § 10 Entgegenkommenden Fuhrwerken, Reitern, Radfahrern, Fußgängern, Viehtransporten u.s.w. hat der Radfahrer rechtzeitig und genügend und, soweit nicht örtliche Hinderniße entgegenstehen, nach rechts auszuweichen…. § 11 Beim Ueberholen von Fuhrwerken, … hat der Radfahrer, soweit nicht örtliche Hinderniße entgegenstehen, links vorbeizufahren. … § 12 Wenn ein Pferd … vor dem Fahrrade scheut oder wenn sonst durch das Vorbeifahren mit dem Fahrrade Menschen oder Thiere in Gefahr gebracht werden können, hat der Radfahrer langsam zu fahren und erforderlichen Falls sofort abzusteigen. § 15 Bei der Begegnung im Dunkeln auf nicht oder schwach erleuchteten Straßen haben die Führer von unbeleuchteten Fuhrwerken, Reiter, Treiber von Vieh u.s.w. sich dem herannahenden Radfahrer in an− gemessener Entfernung durch Anrufen u.s.w. bemerkbar zu ma− chen. § 18 Das Führen und Tragen von Fahrrädern auf Fußwegen außerhalb der Ortschaften ist erlaubt. Innerhalb der Ortschaften dürfen Fahrräder auf Fußwegen nur geführt oder getragen werden, um von einem Grundstücke auf die Straße oder von dieser auf ein Grundstück zu gelangen. … Die Landespolizeibehörden sind befugt, das Führen und Tragen von Fahrrädern auf bestimmten Fußwegen und Fußgängerbrücken dauernd oder zeitweilig zu verbieten. … § 20 Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz und die zur Ausführung desselben getroffenen Bestimmungen werden, … mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder Haft bis zu 14 Tagen bestraft. Urkundlich unserer Unterschrift und beigedruckten Herzoglichen Geheim−Canzlei−Siegels/Camenz, den 22.Oct.1898/(L.S.) Albrecht,Prinz v. Preußen²) RadZeit Sommer 2012 17 Historisches
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