velozine radgeber mEchanisch auFklärEndEs und gEistig ErhEllEndEs läuft’S wie GeSchmiert? mEchanikEr max, unsEr ErFahrEnEr schrauBEr, grantElt* FÜr uns aus dEm wErkzEugkästchEn. Da sitz ich in der Sonne vor der Werkstatt, und schon wieder kommt so einer daher, man hört ihn schon von weitem. Ein Zirpen, ein Quietschen, auch Rattern oder Krachen. Das Geräusch einer sträflich vernachlässigten <strong>Fahrrad</strong>kette, die sich am Zahnkranz reibt. Eine Ganslhaut** zieht es mir da auf! Falls Situation und erkennbare Kommunikationsbereitschaft des Pülchers*** eine Kontaktaufnahme zulassen, komme ich direkt aber ohne aufzustehen zur Sache und biete meine fachmännischen Dienste an: „Brauchen’s ein Öl?“ Wobei: Es ist natürlich auch wichtig, welches Öl wohin, aber am allerwichtigsten ist das Schmieren an sich! Schmierstoffe verringern die Reibung, sorgen für Funktionieren der mechanisch-metallischen Komponenten des <strong>Fahrrad</strong>es und senken den Kraftaufwand zur Fortbewegung ebenso wie sie die Lebensdauer der Bestandteile erhöhen. Ein pief… deutscher Kollege hat mal gesagt: „Prinzipiell ist selbst Penaten- Chreme besser <strong>als</strong> gar kein Schmierstoff!“ Prinzipiell richtig, im Detail liegt der Hund. Am intensivsten benötigt die Kette eine regelmäßige Ölung, und eben nicht nur die letzte, denn meist ist die Kette ungeschützt der Witterung preisgegeben. Ausnahme: Geschlossene Kettenkästen bei Hollandrädern oder deren dänischen Kollegas, denn dort ist Radfahren Alltag und der ist nun eben oft verregnet. Im heimischen Normalfall jedoch ist die Kette nackert, und wenn es sich auch noch um eine Kettenschaltung handelt, sind die Belastungen enorm. Nabenschaltungen 18 velosophie.at und schaltungslose Räder**** sind weniger betroffen, da dort die Kette nicht so stark beansprucht wird. Aber regelmäßig und rechtzeitig geschmiert müssen sie alle werden, und zwar im besten Fall mit speziellem Kettenöl, dickflüssig, hochviskos, druckbeständig und kriechend. Nähmaschinenöl war mal, das wird der modernen Kettenschaltungsbelastung nicht mehr gerecht. Das Öl sachte auf die Innenseite der Kette auftragen und dann mit einem Lappen überschüssiges Öl abwischen, während man die Kurbel rückwärts dreht. Zuviel Öl oder zu klebrige Fabrikate ziehen nämlich Schmutz an und verkleben erst recht den Antrieb. Zur Schmutzabwehr kann danach noch zusätzlich Silikonspray oder Sprühwachs aufgetragen werden, aber nie <strong>als</strong> Schmierersatz! Sollte doch vorher eine Reinigung der Kette nötig sein – und das ist sie oft –, ist von Kettenreinigungsmaschinchen mit Fettlöseflüssigkeit abzuraten, da diese auch das Fett aus den Kettenlagern spülen und die Kette somit innerlich austrocknen. Die Lebensdauer leidet sehr darunter. Das gilt übrigens auch für das ansonsten wirkungsvolle Wundermittel WD-40: Als Rostlöser ja, Schaltungsproblembeheber sicher, Kettenpflegmittel: nein! Etwas Spülmittel-Wasser in Kombination mit der alten Zahnbürste hilft, gleichzeitig ist auch eine Reinigung der Zahnkränze zu empfehlen, mit denselben Mitteln. Und dann: regelmäßig ölen! Befiehlt: Der Max. * Wienerisch für: schimpfen ** Gänsehaut: vom vegetativen Nervensystem gesteuerte Kontraktion des Haarbalgmuskels *** Strolch, Gauner **** Single Speed, Fixed Gear, Waffenrad: Für Max alles eins Dr. siGi B. FrieND, CYCLoaNaLYsT VElosophiE giBt rad auF dEr couch Lieber Dr. Sigi B. Friend, Wenn alles krächzt und knirscht und im Leben einfach so gar nichts mehr wie geschmiert läuft: Ist das nur eine vorübergehende Phase oder ist größere Besorgnis angeraten? Mfg, Dieter R. Lieber Dieter! Vielleicht hilft dir ja meine allgemeine Antriebstheorie weiter, dich reibungslos einzuordnen und dadurch geschmeidig zu restabilisieren: Gehörst du etwa zu den Rad-Maniacs, die für jedes Rädchen, jeden Zug das richtige Mittelchen auf Lager haben, koste es was es wolle? Oder zählst du zu den Rad-Brachioten: Kettensägenöl ist dir das Allerliebste und die Lieblingsassoziation zu Kette sowieso Massaker? Als Rad-Normalo wiederum wärst du dir der nötigen Pflegegriffe nur unterbewusst, gleichwohl käme es zu Frühjahrsbeginn und vor der Fahrt in die Werkstatt zu Überkompensationen mittels Ölbad. Bist du Rad-Fleckmatiker, dann sind Schmier und Fetzen auf immer verloren, du würdest nur mehr vom Rad- Nihilisten übertroffen werden. Beide sind <strong>als</strong> therapieresistent einzustufen, Letzterer wird zusätzlich vom Todesantrieb in Richtung egozentrischer Antriebsverschleiß gelenkt. Dass du dich an mich gewandt hast, zeigt: Du bist bereit. Jetzt geht es weiter. Beginn einfach mal mit dem ersten Glied der Kette! B<strong>als</strong>am für die Seele und Öl für die Kette wünscht, Dein Cycloanalyst Fragen an Dr. Sigi? sigi@velosophie.at ART: ralf hauser
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