Ausgabe 3 / 2010 hier als PDF. - IG Fahrrad
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ein Picknick ist eine Mahlzeit, die<br />
im Freien eingenommen wird,<br />
meistens gemeinschaftlich in einer<br />
Gruppe. Oft ist ein Picknick verbunden<br />
mit einem Ausflug: Was im Lexikon<br />
trockene Tatsache ist, kann zu feuchter<br />
Realität werden, wenn man sich auf<br />
Einladung von Brooks in die englischen<br />
Midlands begibt. Die saftig grünen Wiesen<br />
auf den sanften Hügeln rund um<br />
Birmingham beziehen ihre Lebenskraft<br />
aus Regen, und diesen gibt es momentan<br />
in rauen Mengen. Eine ausgewählte<br />
Schar radbegeisterter Menschen aus<br />
einigen Kontinenten hat sich versammelt,<br />
ihre feinsten Tweed-Klamotten<br />
angelegt und die Schmuckstücke aus<br />
der Radsammlung mitgebracht: Picnic<br />
Ride! Startpunkt ist die traditionelle<br />
Produktionsstätte der Brooks-Sättel in<br />
Smethwick, wo das Erbe des Fabriksgründers<br />
weiter getragen wird.<br />
Die Legende von der Geburtsstunde<br />
der britischen Ledersättel erzählt man<br />
sich am knisternden Torffeuer der lokalen<br />
Pubs ungefähr so: John Boultbee<br />
Brooks brach 1865 aus seinem Heimatort<br />
Hinckley in Leicestershire Richtung<br />
Birmingham auf, in seiner Tasche gera-<br />
8 velosophie.at<br />
de mal 20 Pfund. Dort angekommen,<br />
erarbeitete er sich eine kleine Werkstatt<br />
für Pferdegeschirr und Lederwaren<br />
in der Great Charles Street, die er<br />
1866 eröffnete. Die Geschäfte gingen<br />
wohl nicht allzu gut, denn <strong>als</strong> sein einziges<br />
Pferd 1878 das Zeitliche segnete,<br />
war John finanziell nicht zum Ankauf<br />
eines nagelneuen Gaules im Stande.<br />
Also borgte er sich ein <strong>Fahrrad</strong>, um zur<br />
Arbeit zu gelangen. Und dieser Akt des<br />
frühen Alltagsradelns brachte ihn zu<br />
einer schmerzhaften Erkenntnis: Der<br />
Sattel des <strong>Fahrrad</strong>es war höllisch unbequem,<br />
daher machte John sich daran,<br />
diesem Umstand Abhilfe zu verschaffen.<br />
Am 28. Oktober 1882 meldete er<br />
sein erstes Patent für <strong>Fahrrad</strong>sättel an.<br />
Er hatte wohl einen wunden Punkt getroffen,<br />
seine Produkte fanden rasenden<br />
Absatz und viel Bewunderung. Er<br />
expandierte mit Ledertaschen und anderen<br />
Rad-Accessoires und baute damit<br />
ein Familienunternehmen auf, das ihm<br />
großes Ansehen und ebenso große Anwesen<br />
in England einbrachte.<br />
Viele der Patente, die JB Brooks & Co.<br />
entworfen haben, nahmen schon vor<br />
einem Jahrhundert Entwicklungen vor-<br />
weg, die in unserer Zeit wieder aktuell<br />
wurden: Aussparungen im Dammbereich<br />
zur besseren Durchblutung, Bemühungen<br />
um Fahrkomfort durch Federung.<br />
Letztere wurde durch prächtig<br />
gedrehte Stahlfedern erreicht, die seit<br />
1898 immer noch zu den Markenzeichen<br />
der schweren, bequemen Produktlinien<br />
gehören. Die Rennsättel der<br />
Schienen „Swallow“ und „Swift“ wiederum<br />
bestechen durch schlanke Linien,<br />
Leichtgewicht und Eleganz. Ihr Design<br />
geht auch schon aufs Jahr 1937 zurück,<br />
<strong>als</strong> die Brooks Company seine erste<br />
Hochblüte erreicht hatte. Nach einigen<br />
Wirrnissen und T<strong>als</strong>ohlen steht die<br />
Marke im 21. Jahrhundert wieder in<br />
vollem Saft, hat <strong>als</strong> Teil des Selle Royal-<br />
Konzerns italienische Raffinesse vor<br />
allem im Bereich der Taschenmodelle<br />
und des Marketings dazugewonnen.<br />
Die Sättel werden aber weiterhin im<br />
britischen Smethwick bei Birmingham<br />
produziert, in denselben alten Backsteingebäuden<br />
an denselben Maschinen<br />
wie in den 1960ern.<br />
Bob wäre aus diesen Hallen ebenso<br />
wenig wegzudenken wie jede einzelne<br />
der stampfenden und zischenden Pres-