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N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Vorwort<br />
Seit über zehn Jahren fördert die Zoologische<br />
Gesellschaft Frankfurt (ZGF)<br />
unter dem Titel „Biotop- und Artenschutz<br />
im Biosphärenreservat Rhön“<br />
Naturschutzvorhaben in der Rhön – <strong>als</strong><br />
Geldgeber gleichermaßen wie <strong>als</strong> Träger<br />
für <strong>Dr</strong>ittmittelprojekte. Aus diesem<br />
Anlass und zum Abschluss der Förderung<br />
der Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />
(DBU) für das Projekt „Rhön im Fluss“<br />
fand im „Haus der Schwarzen Berge“ in<br />
Wildflecken-Oberbach eine Tagung statt,<br />
die in dieser Broschüre dokumentiert<br />
wird. Damit wird eindrucksvoll Bilanz gezogen<br />
über sehr unterschiedliche Ansatzpunkte<br />
effektiven Naturschutzes – vom<br />
spezifischen Schutz einzelner Arten <strong>als</strong><br />
Stellvertreter von Lebensgemeinschaften<br />
bis hin zu integrierten Ansätzen gemeinsam<br />
mit der Landwirtschaft. Leitlinie dabei<br />
bildet ein Zielartenkonzept, welches<br />
für die Arbeit auch des Biosphärenreservats<br />
bedeutsam ist.<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
Regierung von Unterfranken<br />
Bayerische Verwaltungsstelle<br />
Biosphärenreservat Rhön<br />
Managementzentrum<br />
Oberwaldbehrunger Straße 4<br />
97656 Oberelsbach<br />
Telefon (0 97 74) 9 10 20<br />
E-Mail Postmaster@brrhoenbayern.de<br />
Internet www.biosphaerenreservat-rhoen.de<br />
Zoologische Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V.<br />
Bernhard-Grzimek-Allee 1<br />
60316 Frankfurt<br />
Telefon (069) 9 43 44 60<br />
E-Mail info@zgf.de<br />
Internet www.zgf.de<br />
Redaktion: Priv.-Doz. <strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong> Jedicke, Bad Arolsen<br />
www.jedicke.de<br />
Layout: Ludwig & Höhne GmbH, Schweinfurt<br />
www.ludwig-hoehne.de<br />
<strong>Dr</strong>uck: Rötter <strong>Dr</strong>uck, Bad Neustadt/Saale<br />
www.roetter-druck.de<br />
Auflage: 1.000 Exemplare<br />
Foto Umschlagseite: naturnaher Abschnitt mit Schotterbänken<br />
und Erlen-Bachauenwald an der Brend – Vorbild<br />
für Maßnahmen zur Revitalisierung der Fließgewässer<br />
(Foto: <strong>Eckhard</strong> Jedicke)<br />
Bei allen Erfolgen im Detail wird aber<br />
auch deutlich, dass im Naturschutz in der<br />
Rhön noch viel zu tun bleibt. Wir dürfen<br />
uns <strong>als</strong>o nicht auf Erfolgen ausruhen,<br />
sondern sollten diese <strong>als</strong> Ansporn für das<br />
weitere Handeln verstehen. Naturschutz<br />
ist <strong>als</strong> ernst zu nehmender Partner und<br />
Motor auch für eine erfolgreiche Regionalentwicklung<br />
zu verstehen. Gerade<br />
hierbei kommt es auf eine offene, vorbehaltlose<br />
Zusammenarbeit zwischen<br />
Naturschutzverbänden, Verwaltungen,<br />
Lobbyisten und Unternehmen aus Land-<br />
und Forstwirtschaft, Gastronomie, Tourismus<br />
usw. an. Denn der Schutz von<br />
Schwarzem Apollo, Eisvogel, Schwarzstorch,<br />
Wildkatze und Rhön-Quellschnecke<br />
erfordert einerseits in manchen Fällen<br />
Einschränkungen. Eine vielgestaltige und<br />
artenreiche Landschaft ist aber andererseits<br />
das Kapital der Rhön – und so kann<br />
gerade dieser Verzicht auch wirtschaftlich<br />
gesehen ein Motor für die Regionalent-<br />
wicklung sein. Hier gilt es noch manche<br />
Fronten abzubauen.<br />
Als gemäß Verwaltungsabkommen<br />
zwischen den drei Bundesländern, an<br />
welchen die Rhön Anteil hat, derzeit<br />
federführende Verwaltung danke ich der<br />
ZGF und der DBU für die entscheidenden<br />
Impulse, die sie mit ihrer finanziellen<br />
Förderung und fachlichen Anstößen für<br />
die Entwicklung des Naturschutzes in der<br />
Rhön gegeben haben. Wir hoffen auch<br />
weiterhin auf die Unterstützung beider<br />
Förderinstitutionen bei unseren gemeinsamen<br />
Zukunftsaufgaben in der Rhön!<br />
Michael Geier<br />
Regierung von Unterfranken, Leiter der<br />
Bayerischen Verwaltungsstelle des<br />
Biosphärenreservats Rhön, Oberelsbach
Grußwort<br />
Der Fokus der Förderung der Deutschen<br />
Bundesstiftung Umwelt im Bereich Naturschutz<br />
liegt auf der genutzten Landschaft.<br />
Dazu zählen auch die historisch<br />
gewachsenen Kulturlandschaften der<br />
Mittelgebirge in Deutschland. Die Bewahrung<br />
dieser einmaligen Landschaften,<br />
wie in der Rhön, dem Land der offenen<br />
Fernen, setzt die Entwicklung zukunftsfähiger<br />
Nutzungskonzepte voraus, welche<br />
vor dem Hintergrund der agrarstrukturellen<br />
Veränderung in der EU auch<br />
mittel- bis langfristig umsetzbar sind. In<br />
der Rhön fördert die DBU in diesem Sinne<br />
das Vorhaben „Grünlandschutz und<br />
Landschaftsentwicklung durch großflächige<br />
Beweidung“. Ein anderer Komplex,<br />
den die DBU in der Rhön aufgegriffen<br />
hat, ist das Thema „Hochwasser- und<br />
Naturschutz“. Die bisherigen Ergebnisse<br />
des Projekts „Rhön im Fluss“ machen<br />
deutlich, dass es durchaus möglich und<br />
sinnvoll ist, Synergismen zwischen<br />
Hochwasserschutz und Naturschutz<br />
zu nutzen. Wie bei der Erstellung von<br />
Beweidungskonzepten gilt es auch hier,<br />
strategisch Allianzen zwischen Schützern<br />
und Nutzern zu gründen und weiter zu<br />
entwickeln.<br />
Ein wesentliches Augenmerk liegt bei der<br />
Fließgewässerrevitalisierung auf der Wiederherstellung<br />
der Durchgängigkeit <strong>als</strong><br />
einer Basisfunktion von Fließgewässern in<br />
Biotopverbundsystemen. Landseitig gilt<br />
es, fragmentierte Lebensräume – wenn<br />
nicht anders möglich – durch Korridore<br />
miteinander zu verbinden. Dies geschieht<br />
z.B. im durch DBU und ZGF geförderten<br />
Wildkatzen-Projekt des BUND-Landesverbands<br />
Thüringen, welches die Vernetzung<br />
von Waldlebensräumen mit der<br />
Wildkatze <strong>als</strong> Zielart erreichen möchte.<br />
Im Biosphärenreservat Rhön – und nicht<br />
nur dort – hat sich eine hervorragende<br />
Kooperation der DBU mit der Zoologischen<br />
Gesellschaft Frankfurt entwickelt,<br />
die es auch zukünftig fortzusetzen gilt.<br />
Gemeinsame Aktivitäten gibt es auch<br />
im internationalen Bereich, sowohl auf<br />
der Projektebene <strong>als</strong> auch im internationalen<br />
Stipendienprogramm. Ich möchte<br />
allen Verantwortlichen in den Projekten,<br />
stellvertretend für all die anderen, die sich<br />
<strong>als</strong> Partner beruflich und ehrenamtlich<br />
engagieren, danken. Zudem beglückwünsche<br />
ich die Zoologische Gesellschaft<br />
für ihr dauerhaftes Engagement in der<br />
Rhön– verbunden mit der Hoffnung auf<br />
eine weiterhin sehr gute Zusammenarbeit<br />
für den Naturschutz in Deutschland und<br />
Europa.<br />
<strong>Dr</strong>. Volker Wachendörfer<br />
Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Abt. Umweltforschung<br />
und Naturschutz, Osnabrück<br />
MATTHIAS METZGER UND ECKHARD JEDICKE<br />
Rhön im Fluss – ein Projekt zur Revitalisierung von Fließgewässern im Biosphärenreservat 4<br />
MARTIN REISS UND STEFAN ZAENKER<br />
Quellenerfassung im Biosphärenreservat Rhön 10<br />
STEPHAN KNEITZ<br />
Die SINNallianz – ein Naturschutzprojekt für das Lebensraumnetz Sinn 14<br />
KARL-HEINZ KOLB<br />
Der Schwarze Apollo in der bayerischen Rhön 17<br />
JULIA GO<strong>MB</strong>ERT UND PETRA LUDWIG<br />
Offenhaltung von Steintriften für die Berghexe und das Bundesgroßprojekt „Thüringer Rhönhutungen“ 23<br />
TORSTEN KIRCHNER<br />
Maßnahmen gegen den Stromtod von Großvögeln im Biosphärenreservat Rhön 25<br />
BURKHARD VOGEL, THOMAS MÖLICH UND SABINE JANTSCHKE<br />
Ein Rettungsnetz für die Wildkatze – Verbund von Waldlebensräumen 27<br />
ECKHARD JEDICKE, KARL-HEINZ KOLB UND KATJA PREUSCHE<br />
Fressen für den Naturschutz – großflächig-extensive Beweidung in der Rhön 33<br />
ECKHARD JEDICKE<br />
Die Rhön <strong>als</strong> Vorbildlandschaft des Naturschutzes? Ergebnisse einer Perspektivplanung zum Zielartenkonzept 39<br />
WOLFGANG FREMUTH<br />
Ausblick 51<br />
3
4<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Rhön im Fluss –<br />
ein Projekt zur Revitalisierung von Fließgewässern im Biosphärenreservat<br />
Von Matthias Metzger und <strong>Eckhard</strong> Jedicke<br />
1. Einleitung<br />
Seit 1996 fördert die Zoologische Gesellschaft<br />
Frankfurt (ZGF) Artenschutzprojekte<br />
im Biosphärenreservat Rhön.<br />
In diesem Zusammenhang wurde <strong>als</strong> informeller<br />
Kreis eine länderübergreifende<br />
Arbeitsgemeinschaft Artenschutz unter<br />
Beteiligung amtlicher und ehrenamtlicher<br />
Naturschützer gegründet. Im Rahmen<br />
der Arbeitsgemeinschaft wurden Schwerpunktthemen<br />
des Artenschutzes im<br />
Biosphärenreservat Rhön formuliert und<br />
Strategien zur Umsetzung von Maßnahmen<br />
erarbeitet. Schutz und Entwicklung<br />
der Fließgewässer bilden hierbei einen<br />
Schwerpunkt.<br />
Zur Umsetzung länderübergreifender<br />
Renaturierungsmaßnahmen an den<br />
Fließgewässersystemen Ulster, Streu<br />
und Brend wurden Projektmittel bei<br />
der Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />
(DBU) eingeworben. Das Projekt mit<br />
dem Titel „Revitalisierung und Verbund<br />
ausgewählter Rhön-Fließgewässersysteme<br />
– Verknüpfung von Naturschutz und<br />
Hochwasserschutz“, kurz RHÖN IM<br />
FLUSS, begann im Juni 2003 mit einem<br />
Förderzeitraum von drei Jahren, welcher<br />
kostenneutral um sieben Monate verlängert<br />
wurde. Die ZGF führt das Projekt<br />
nach Auslaufen der DBU-Förderung<br />
vorerst weiter.<br />
2. Ausgangsituation<br />
Die Auen in der Rhön sind wie in fast<br />
allen Regionen Deutschlands stark durch<br />
den Menschen überformt. Bäche wurden<br />
begradigt, die Feuchtwiesen größtenteils<br />
melioriert und landwirtschaftlich genutzt.<br />
Weiterhin finden sich zahlreiche Verbauungen,<br />
vor allem Querbauwerke, in den<br />
Fließgewässern, die eine lineare Durchgängigkeit<br />
verhindern. Die menschlichen<br />
Beeinflussungen wirken sich sowohl negativ<br />
auf die ökologische Funktionsfähigkeit<br />
wie auch auf das Retentionsvermögen der<br />
Auen aus. Die kleinen Fließgewässer sind<br />
durch extreme Abflussschwankungen<br />
gekennzeichnet, die immer wieder auch<br />
Hochwasserprobleme verursachen<br />
(Abb. 1).<br />
Allerdings finden sich an den ausgewählten<br />
Fließgewässersystemen vielerorts<br />
noch naturnahe, strukturreiche Gewässerabschnitte<br />
mit einer mindestens guten<br />
Wasserqualität. GREBE & BAUERN-<br />
SCHMITT (1995) heben die Rolle der<br />
Fließgewässer im Biosphärenreservat<br />
Rhön <strong>als</strong> wichtige Lebensadern und Verbundelemente<br />
hervor und bescheinigen<br />
hierbei der Ulster nationale Bedeutung.<br />
3. Projektziele<br />
Aus der geschilderten Ausgangssituation<br />
im Spannungsfeld zwischen Nutzungsansprüchen<br />
einerseits und einer Verbesserung<br />
der Natur- und Hochwasserschutzsituation<br />
andererseits wurden folgenden<br />
Projektziele formuliert:<br />
• Verbesserung der Längsdurchgängigkeit,<br />
• Etablierung von Uferrandstreifen,<br />
• Förderung der Eigendynamik,<br />
• Revitalisierung von Quellbiotopen,<br />
• Ersatz nicht standortheimische Ufer-<br />
gehölze,<br />
• Optimierung der Auennutzung für den<br />
Naturschutz,<br />
• Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbil-<br />
dung,<br />
• Monitoring,<br />
• Vorbildprojekt zur Gewässer-Revitali-<br />
sierung.<br />
Folgende faunistischen Zielarten wurden<br />
durch ALTMOOS (1997/1998) für<br />
die Fließgewässer in der Rhön definiert:<br />
Schwarzstorch (Ciconia nigra), Wasseramsel<br />
(Cinclus cinclus), Eisvogel (Alcedo<br />
atthis), Feuersalamander (Salamandra<br />
salamandra), Blauflügelige und Gebänderte<br />
Prachtlibelle (Calopteryx virgo und<br />
C. splendens), Bachforelle (Salmo trutta<br />
f. fario), Groppe (Cottus gobio), Bachhaft<br />
(Osmylus fulvicephalus), Fluss-Schlammfliege<br />
(Sialis fuliginosa), Zweigestreifte und<br />
Gestreifte Quelljungfer (Cordulegaster<br />
boltoni und C. bidentatus) sowie Rhön-<br />
Quellschnecke (Bythinella compressa).<br />
4. Projektbüro und<br />
Projektmanagement<br />
Zur Koordination des Gesamtprojektes<br />
wurde ein Projektbüro in der Bayerischen<br />
Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats<br />
in Oberelsbach mit einer Außenstelle<br />
für die Umweltbildung im Landschaftsinformationszentrum<br />
(LIZ) Rasdorf<br />
eingerichtet. Das Projektteam besteht aus<br />
dem freiberuflich tätigen Projektleiter PD<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong> Jedicke und dem Projektmanager<br />
Diplom-Forstingenieur Matthias<br />
Metzger, der im Rahmen einer befristeten<br />
Vollzeitstelle im Projekt tätig ist. In erster<br />
Linie zur Umsetzung der Umweltbildungsarbeit<br />
wurde eine Stelle im Freiwilligen<br />
Ökologischen Jahr eingerichtet.
Abb. 1: Hochwasser am an sich schmalen Oberlauf der Ulster am Ortsrand von<br />
Ehrenberg-Wüstensachsen. Maßnahmen zur Revitalisierung dienen auch einem<br />
Wasserrückhalt in der Fläche.<br />
Im LIZ Rasdorf ist Dipl.-Geol. Matthias<br />
Kaeselitz <strong>als</strong> freier Mitarbeiter u.a. für<br />
die Besucherbetreuung und Ausstellungskonzeption<br />
zuständig. Das Team wird<br />
unterstützt durch Dipl.-Ing. Pia Maul, die<br />
<strong>als</strong> freie Mitarbeiterin das Geografische<br />
Informationssystem (GIS) des Projektes<br />
bearbeitet.<br />
Der Aufgabenschwerpunkt des Projektmanagements<br />
umfasst die Koordination<br />
des Gesamtprojekts, insbesondere die<br />
Vor- und Nachbereitung von Arbeitssitzungen,<br />
Maßnahmenplanung und<br />
-umsetzung, Verwaltungsaufgaben,<br />
Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung<br />
sowie Monitoring und Akquise von<br />
Finanzmitteln.<br />
Im Rahmen des Projektes erstellte Dipl.-<br />
Geogr. Torsten Metzger an der Universität<br />
Mainz, Fachgebiet Geoinformatik,<br />
eine Masterarbeit zum Aufbau eines<br />
Fließgewässerinformationssystems.<br />
5. Ergebnisse<br />
Einen Überblick der Zielsetzung, hierzu<br />
realisierter Maßnahmen sowie jeweils<br />
erreichter und nicht erreichter Ziele<br />
vermittelt Tab. 1. Hierbei gewonnene,<br />
auf andere Projekte übertragbare Erfahrungen<br />
sind ausführlich bei JEDICKE et<br />
al. (2007) dargestellt. JEDICKE (2007)<br />
wertet Erfahrungen bei der Partizipation<br />
und Kommunikation bei RHÖN IM<br />
FLUSS und anderen Projekten im Biosphärenreservat<br />
Rhön aus. Der vorliegende<br />
Beitrag konzentriert sich im Unterschied<br />
dazu auf die konkreten umgesetzten<br />
Maßnahmen.<br />
Längsdurchlässigkeit<br />
Die Längsdurchlässigkeit der ausgewählten<br />
Fließgewässersysteme konnte während<br />
der Umsetzungsphase des Projektes<br />
erheblich verbessert werden. So wurde<br />
durch das Staatliche Umweltamt Suhl<br />
an der Ulster insgesamt fünf Querbauwerke<br />
in raue Rampen umgebaut und<br />
somit die Längsdurchlässigkeit der<br />
Ulster insgesamt weitgehend hergestellt,<br />
nachdem in den Jahren vor dem<br />
Projekt bereits im hessischen Abschnitt<br />
die wesentlichen Querbauwerke mittels<br />
Fischaufstiegsanlagen durch die zuständigen<br />
Behörden und Kommunen längsdurchlässig<br />
gestaltet wurden. Lediglich<br />
im Mündungsbereich der Ulster besteht<br />
noch dringender Handlungsbedarf. Hier<br />
wird der Aufstieg von Fischen durch ein<br />
Wehr und die Einleitung sowohl von<br />
salzhaltigen Abwässern wie auch von<br />
Warmwasser der K+S AG massiv behindert.<br />
Ein letztes Querbauwerk im Mündungsbereich<br />
der Ulster soll auf Initiative<br />
des Projektbüros mit Unterstützung des<br />
Regierungspräsidiums Kassel ebenfalls<br />
längsdurchlässig gestaltet werden.<br />
Am Weidbach, einem Nebengewässer<br />
der Ulster und Nahrungshabitat des<br />
Schwarzstorches, wurde zur Wiederherstellung<br />
der Längsdurchlässigkeit<br />
eine ehemalige Grenzsicherungsanlage<br />
abgebaut. Die Maßnahme wird in Kooperation<br />
mit dem Landkreis Schmalkalden-<br />
Meiningen und dem Thüringer Landesverwaltungsamt<br />
umgesetzt.<br />
An der Brend wurden nach Erarbeitung<br />
eines Gewässerentwicklungsplans mit<br />
finanzieller Unterstützung der Allianz<br />
Umweltstiftung und der Kurt Lange Stif-<br />
Abb. 2: Mit der Sprengung eines ehemaligen Wiesenwehres begann lautstark<br />
das Teilprojekt zur Wiederherstellung der Längsdurchgängigkeit der Brend.<br />
tung fünf Querbauwerke im Unterlauf<br />
des Gewässers längsdurchlässig gestaltet<br />
(Abb. 2 und 3). Durch die Maßnahme ist<br />
die Brend in ihrem Unterlauf auf etwa 20<br />
km Strecke wieder längsdurchlässig.<br />
Für die Streu und ihre Nebengewässer<br />
wurde im Rahmen eines Gewässerentwicklungsplanes<br />
die Lage der Querbauwerke<br />
komplett erfasst. Das Projektbüro<br />
bemüht sich auch hier um Finanzmittel<br />
zur Umgestaltung der wichtigsten Querbauwerke.<br />
Quellen<br />
Innerhalb des Einzugsgebietes von Ulster,<br />
Streu und Brend wurden durch den<br />
Landesverband für Höhlen- und Karstforschung<br />
in Hessen (Stefan Zaenker,<br />
Martin Reiss) in Kooperation mit dem<br />
Projektbüro mehr <strong>als</strong> 300 Quellbereiche<br />
untersucht und in einer Datenbank<br />
erfasst, weitere Quelluntersuchungen<br />
realisierte dieser mit Förderung der drei<br />
Verwaltungsstellen des Biosphärenreservats,<br />
u.a. in Kernzonen (s. Beitrag REISS<br />
& ZAENKER). Das Vorhaben soll in<br />
den nächsten Jahren auf weitere Quellgebiete<br />
in den genutzten Landschaftsbereich<br />
ausgedehnt und durch Renaturierungsmaßnahmen<br />
flankiert werden.<br />
Erste Renaturierungen fanden bereits im<br />
Gemeindegebiet Stockheim (Streu) statt,<br />
wo Fichten in einem Kalkquellbereich<br />
entnommen wurden, um eine natürliche<br />
Sukzession einzuleiten. Die Maßnahme<br />
erfolgte nach Erstellung eines Gutachtens<br />
zur Situation der Quellen in Stockheim<br />
durch das Projektbüro in Kooperation<br />
mit Stefan Zaenker und Martin Reiss.<br />
Die Ergebnisse des Gutachtens wurden<br />
öffentlichkeitswirksam durch Führun-<br />
5
6<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
gen, Vorträge und Presseinformationen<br />
publiziert.<br />
Uferrandstreifen<br />
In den letzten Jahren erfolgten durch<br />
die Naturschutz- und Forstverwaltung<br />
im Landkreis Fulda Flächenankäufe im<br />
Oberlauf der Ulster mit dem Ziel der<br />
Anlage ungenutzter Uferrandstreifen, um<br />
eine Förderung der Eigendynamik des<br />
Gewässers zu ermöglichen. Im Rahmen<br />
des Projektes wurden die in öffentlichem<br />
Besitz befindlichen Flächen in einem<br />
Geografischen Informationssystem (GIS)<br />
erfasst und in Zusammenarbeit mit den<br />
Fachbehörden ein Managementplan<br />
erstellt. Ziel ist der Tausch geeigneter<br />
Flächen im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen<br />
mit den Landwirten, um möglichst<br />
durchgängige Uferstreifen zu erhalten.<br />
Erste Vereinbarungen dazu wurden<br />
durch die Hessische Verwaltungsstelle<br />
des Biosphärenreservats im Gemeindegebiet<br />
Ehrenberg getroffen. Problematisch<br />
erweisen sich allerdings Flächen, die<br />
schon seit mehreren Jahren der Sukzession<br />
unterliegen und nun <strong>als</strong> Tauschflächen<br />
nicht mehr geeignet erscheinen.<br />
Vorschläge einer naturschutzfachlichen<br />
Maßnahmenplanung, die die Naturschutzbehörden,<br />
das Biosphärenreservat<br />
und das Projekt gemeinsam formulierten,<br />
wurden an der thüringischen Ulster<br />
im Rahmen einer Agrarstrukturellen<br />
Entwicklungsplanung (AEP) auf ihre<br />
Akzeptanz und Umsetzbarkeit hin<br />
geprüft. Dabei wurden auch Uferstreifen<br />
ausgewählt, die einer natürliche Sukzession<br />
überlassen bleiben sollen. Die Flächen<br />
werden wie andere Maßnahmen aus der<br />
AEP, bei denen Konsens mit der Landwirtschaft<br />
festgestellt wurde, sukzessive<br />
durch die Behörden umgesetzt, teilweise<br />
mit Beteiligung des Projekts.<br />
Förderung der Eigendynamik, Renaturierungen<br />
Im Rahmen des Projektes wurden<br />
insgesamt 15 ha Flächen zur Wiederherstellung<br />
naturnaher Auenflächen<br />
erworben. Teilweise wird durch Entnahme<br />
von Uferbefestigungen und gezielte<br />
Strömungslenkung eine eigendynamische<br />
Entwicklung gefördert, wie an zwei<br />
Ulsterabschnitten im sog. „Ulstersack“<br />
nördlich Wenigentaft und südlich Motzlar<br />
sowie an der Taft bei Wenigentaft.<br />
Weiterhin ist eine Wiederherstellung von<br />
Altarmen durch Entnahme von verfülltem<br />
Bodenmaterial und Abflachung von<br />
Uferbereichen vorgesehen, wie an der<br />
Ulster bei Schleid und an der Streu bei<br />
Nordheim.<br />
Im Zusammenhang mit den Maßnahmenplanungen,<br />
die RHÖN IM FLUSS<br />
anregte, entstand auch das Modellvorhaben<br />
zur exemplarischen Realisierung<br />
eines Bewirtschaftungsplans im Rahmen<br />
der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />
in Thüringen. Hierzu wurden im<br />
Flurbereinigungsverfahren Buttlar unter<br />
Federführung des Amtes für Landentwicklung<br />
und Flurneuordnung Meiningen<br />
und des Staatlichen Umweltamtes<br />
Suhl durch die Gesellschaft für Landentwicklung<br />
Weimar (GfL) 35 ha Flächen<br />
zur Wiederherstellung eines etwa 500 m<br />
langen naturnahen Ulsterabschnittes<br />
erworben (Abb. 4 und 5). Die Renaturierungsmaßnahmen,<br />
die die Förderung<br />
eigendynamischer Entwicklungen wie<br />
auch die Wiederherstellung ehemaliger<br />
Bachabschnitte beinhalten, werden durch<br />
das Projektbüro in Kooperation mit der<br />
Universität Karlsruhe im Rahmen eines<br />
Monitorings begleitet.<br />
Ersatz nicht standortgemäßer Ufergehölze<br />
Im Thüringer Ulsterabschnitt wurde mit<br />
der Entnahme von Hybridpappeln durch<br />
das Staatliche Umweltamt Suhl begonnen.<br />
Innerhalb der nächsten zehn Jahre ist<br />
die sukzessive Umwandlung der Bestände<br />
in standortgerechte bachbegleitende<br />
Auenwälder vorgesehen.<br />
In Naturschutzgebiet „Lange Rhön“ werden<br />
unter Federführung des Landkreises<br />
Rhön-Grabfeld Fichtenaufforstungen<br />
auch im Quellbereich von Brend und<br />
Zuflüssen der Streu in standortgerechte<br />
Waldbestände überführt oder zur Verbesserung<br />
der Birkwildhabitate gerodet. In<br />
diesem Zusammenhang hat das Projektbüro<br />
in Kooperation mit dem Projektbüro<br />
„Birkwild“ der Wildland GmbH einen<br />
Arbeitseinsatz des Bergwaldwaldprojekt<br />
e.V. organisiert, bei dem unter anderem<br />
ein Fichtenbestand im Oberlauf der Els<br />
entnommen wurde. Eine längerfristige<br />
Zusammenarbeit mit dem Bergwaldprojekt<br />
e.V. wird angestrebt.<br />
Optimierung der Auennutzung für den<br />
Naturschutz<br />
Gemeinsam mit den Kreisbauernverbänden<br />
Fulda und Rhön-Grabfeld werden<br />
in Kooperation mit dem von der DBU<br />
geförderten Grünlandprojekt Flächen<br />
für eine großflächige Beweidung der<br />
Auen <strong>als</strong> Alternative zur herkömmlichen<br />
intensiven Auennutzung ausgewählt. Die<br />
Realisierung ist mittelfristig geplant.<br />
Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung<br />
Die Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung<br />
im Rahmen des Projektes beinhaltete<br />
folgende Arbeitsschwerpunkte:<br />
• Schulkassen- und Gruppenführungen;<br />
• Beteiligung an einer Dauerausstellung<br />
der Thüringer Verwaltungsstelle des<br />
Biosphärenreservats im Grenzmuseum<br />
Point Alpha;<br />
• Betreuung des Landschaftsinformati-<br />
onszentrums Rasdorf mit Sonderaus-<br />
stellungen, Führungen und Jugend -<br />
camps;<br />
• Filmbeiträge in mdr, HR und BR sowie<br />
Erstellung eines eigenen Projektfilms<br />
der ZGF;<br />
• Vorträge und Messeauftritte mit Info-<br />
stand, Ausstellungswand und künstli-<br />
chem Bachlauf;<br />
• öffentlichkeitswirksame Veranstaltun-<br />
gen, wie Wehrsprengung an der Brend<br />
oder Baggerarbeiten an ehemaligem<br />
Grenzbauwerk an der Weid;<br />
• Pressearbeit;
• Internetauftritt www.rhoen-im-fluss.de;<br />
• Organisation eines „Geo-Tages der<br />
Artenvielfalt“ im Ulsteral 2004.<br />
Monitoring<br />
Ulrike Schade, Universität Karlsruhe,<br />
Institut für Geographie und Geoökologie,<br />
erarbeitete in ihrer Diplomarbeit<br />
ein Monitoringkonzept zur Erfolgskontrolle<br />
von Fließgewässerrenaturierungen<br />
und führte die Baseline-Aufnahme am<br />
Beispiel ausgewählter Maßnahmen durch.<br />
Das modulare Konzept bietet ein breites<br />
Spektrum zur Erfolgskontrolle erforderlicher<br />
Methoden. An Brend und Ulster<br />
erfolgt eine exemplarische Anwendung,<br />
die durch Integration der beiden Maßnahmen<br />
in ein bundesweites DBU-Projekt<br />
des Forschungsinstituts Seckenberg<br />
u.a. Partner zur Erfolgskontrolle von<br />
Revitalisierungen ergänzt wird.<br />
6. Fazit<br />
Durch das Projekt RHÖN IM FLUSS<br />
wurden im Biosphärenreservat Rhön<br />
länderübergreifend Maßnahmen zur Revitalisierung<br />
von Fließgewässern mit dem<br />
Ziel der Verbesserung des Natur- und<br />
Hochwasserschutzes geplant, umgesetzt<br />
und teilweise evaluiert. Mit einem<br />
Mitteleinsatz der DBU von gut 333.000<br />
€ wurden Investitionen <strong>Dr</strong>itter von mehr<br />
<strong>als</strong> 1,5 Mio. € ausgelöst. Weitere geplante<br />
Maßnahmen-Realisierungen werden <strong>als</strong><br />
direktes Projektergebnis folgen.<br />
Positiv ist zu vermerken, dass die Fließgewässer<br />
und Hochwasserschutz verstärkt<br />
Abb. 3: Ein neues Umgehungsgerinne erlaubt den<br />
Fischaufstieg – hier an der Brend.<br />
in den Fokus der Fachbehörden und der<br />
Öffentlichkeit gerückt und die Grundlagen<br />
für umfassende Renaturierungen an<br />
den Fließgewässersystemen Ulster, Streu<br />
und Brend geschaffen wurden, deren<br />
Umsetzung durch die zuständigen Behörden<br />
weitergeführt werden soll. Kritisch<br />
ist festzustellen, dass viele Maßnahmen<br />
einen erheblichen Abstimmungs- und<br />
Zeitbedarf erforderten, der im Vorfeld<br />
des Projektes in diesem Umfang nicht<br />
absehbar war; somit erfolgten weniger<br />
konkrete Maßnahmenumsetzungen <strong>als</strong><br />
geplant.<br />
7. Ausblick<br />
Zur verstärkten Einbeziehung der Auen<br />
in das Projekt ist in Zusammenarbeit mit<br />
dem Grünlandprojekt die Erprobung extensiver<br />
ganzjähriger Beweidungsmodelle<br />
vorgesehen. Die ZGF prüft Möglichkeiten<br />
der Projektfortführung, konkret<br />
insbesondere durch ein Naturschutzgroßprojekt<br />
des Bundes für Fließgewässer und<br />
Auen in der bayerischen Rhön. In Hessen<br />
und Thüringen werden die Behörden<br />
weitere Maßnahmen umsetzen.<br />
Literatur<br />
ALTMOOS, M. (1997): Ziele und<br />
Handlungsrahmen für regionalen zoologischen<br />
Artenschutz – Modellregion<br />
Biosphärenreservat Rhön. Hessische<br />
Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz,<br />
Hrsg., Echzell, 235 S.<br />
ALTMOOS, M. (1998): Maßnahmenkonzept<br />
und Praxisanschub für zoologischen<br />
Artenschutz im Biosphärenreservat<br />
Rhön, hessischer Teil. 254 S. und<br />
Anhangsbände, unveröff., hrsg. von der<br />
Hessischen Gesellschaft für Ornithologie<br />
und Naturschutz (HGON), Echzell. Bericht<br />
im Auftrag der Stiftung Hessischer<br />
Naturschutz, Wiesbaden.<br />
GREBE, R., BAUERNSCHMITT, G.<br />
(Bearb., 1995): Biosphärenreservat Rhön<br />
– Rahmenkonzept für Schutz, Pflege und<br />
Entwicklung. Neumann, Radebeul.<br />
JEDICKE, E. (2007): Partizipation und<br />
Kooperation zur Realisierung von Naturschutzprojekten<br />
im Biosphärenreservat<br />
Rhön. Beiträge Region und Nachhaltigkeit<br />
4, 85-98.<br />
JEDICKE, E., METZGER, M., FRE-<br />
MUTH, W. (2007): Management der<br />
Revitalisierung von Fließgewässern<br />
– Bilanz eines länderübergreifenden<br />
Projekts im Biosphärenreservat Rhön.<br />
Naturschutz und Landschaftsplanung 39,<br />
(11), 329-336.<br />
Anschriften der Verfasser: Dipl.-Forsting.<br />
(FH) Matthias Metzger, Projektbüro<br />
RHÖN IM FLUSS, c/o Bayerische Verwaltungsstelle<br />
Biosphärenreservat Rhön,<br />
Oberwaldbehrunger Straße 4,<br />
97656 Oberelsbach, E-Mail metzger@<br />
rhoen-im-fluss.de, Internet www.rhoen-imfluss.de;<br />
PD <strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong> Jedicke, Jahnstraße<br />
22, 34454 Bad Arolsen,<br />
E-Mail jedicke@rhoen-im-fluss.de.<br />
Fotos: <strong>Eckhard</strong> Jedicke (2), Matthias Metzger (3)<br />
Abb. 4 und 5: Ulster vor und nach der Revitalisierung eines 500 m langen Abschnittes im Rahmen eines<br />
Modellvorhabens zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie des Freistaats Thüringen.<br />
7
8<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Nr. Teilziel<br />
Erläuterung<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
Eigendynamik fördern<br />
Längsdurchgängigkeit verbessern<br />
nicht standortheimische Ufergehölze<br />
Quellbiotope revitalisieren<br />
Förderung natürlicher Fließgewässerdynamik<br />
an Haupt- und<br />
Nebengewässern mit Erosions-<br />
und Sedimentationsprozessen<br />
– durch behutsame Herausnahme<br />
einzelner Verbauungen nach<br />
(wo erforderlich und realisierbar)<br />
Schaffung ungenutzter Uferrandstreifen,<br />
lokal Einsatz von Totholz<br />
zur Förderung der Eigendynamik<br />
Schaffung einer Längsdurchgängigkeit<br />
der Fließgewässer, vor<br />
allem der Nebengewässer – durch<br />
Rückbau von Querverbauungen<br />
oder Bau von Fischaufstiegshilfen/Umleitungen;<br />
dabei durch<br />
Dialog mit KleinkraftwerksbetreibernMindestwasserführung<br />
gewährleisten<br />
Entnahme von Fichten im<br />
Uferrandbereich insbesondere in<br />
den Quellbachregionen sowie von<br />
Pappeln auf Feuchtwaldstandorten;<br />
Flächen i.d.R. der natürlichen<br />
Sukzession überlassen<br />
- Vermeidung von Nähr- und<br />
Schadstoff-Einträgen, von<br />
Entwässerung und nachteiligen<br />
Vegetationsveränderungen vor<br />
allem im land- und forstwirtschaftlichen<br />
Einflussbereich<br />
erwarteter naturschutzfachlicher<br />
Effekt<br />
- Erhöhung der räumlichen<br />
Habitatdiversität mit vielfältiger<br />
strukturierten limnischen und<br />
angrenzenden terrestrischen<br />
Habitaten<br />
- damit Erhöhung der Naturnähe<br />
und des Lebensraumpotenzi<strong>als</strong><br />
für Arten und Biozönosen von<br />
z.T. nationaler Bedeutung<br />
- Beitrag zum vorsorgenden<br />
Hochwasserschutz durch Verlangsamung<br />
des Wasserabflusses/<br />
verstärkte Wasserrückhaltung<br />
- Ermöglichen bislang erschwerter<br />
oder unterbundener Austauschprozesse<br />
im Längsgradienten<br />
der Gewässer, z.B. Ausgleichswanderungen<br />
für Verdriftungen,<br />
Verbund für Gewässerorganismen<br />
(insbesondere Fische)<br />
- damit Erhöhung der Überlebensfähigkeit<br />
von Populationen und<br />
verbesserte Wiederbesiedlungsfähigkeit<br />
- Steigerung der Naturnähe der<br />
gewässerbezogenen Lebensraumtypen,<br />
insbesondere Regeneration<br />
standortgerechter Auenwälder<br />
(Galeriewälder)<br />
- Verringerung der Versauerung<br />
von Quellbächen<br />
- Verbesserung des Lebensraumpotenzi<strong>als</strong>,<br />
Zielart u.a. Schwarzstorch<br />
(Ciconia nigra)<br />
- Beitrag zum Hochwasserschutz<br />
- Verringerung anthropogener<br />
Störeinflüsse und damit Erhöhung<br />
der Naturnähe<br />
- Verbesserung des Lebensraumpotenzi<strong>als</strong><br />
für die quelltypische<br />
Flora und Fauna – Zielarten: u.a.<br />
Rhön-Quellschnecke (Bythinella<br />
compressa)<br />
erreichte Ziele nicht erreichte Ziele<br />
- an jedem der drei Fließgewässersysteme<br />
örtliche Revitalisierungen<br />
- unterschiedliche Maßnahme-<br />
„Intensitäten“ von der Schaffung<br />
kleiner Initiale für erwartete<br />
natürliche Entwicklungen bis zur<br />
weitgehenden Ausformung neuer<br />
Fließstrecken<br />
- Einsatz aller geplanten Methoden<br />
(Uferrandstreifen, Entnahme<br />
Verbauungen, Totholz-Einsatz)<br />
- an Ulster und Brend (dort<br />
Unter- bis Mittellauf ) Längsdurchgängigkeit<br />
weitgehend<br />
wieder hergestellt<br />
- Erfolgskontrolle begonnen<br />
- die wichtigsten Konfliktpunkte<br />
wurden beseitigt (zumindest an<br />
den Hauptgewässern)<br />
- bundesweit herausragend<br />
intensive Quellenkartierung zur<br />
Bestandsaufnahme durch Landesverband<br />
Hessen für Höhlen- und<br />
Karstforschung realisiert (1 154<br />
Quellen), dabei u.a. erheblich<br />
erweiterter Kenntnisstand zur<br />
Verbreitung der Rhön-Quellschnecke<br />
- exemplarische Maßnahmen<br />
realisiert<br />
- Information des Rhönklubs <strong>als</strong><br />
wichtiger Partner (Wanderer)<br />
- Analysen zur verträglichen<br />
Extensiv-Beweidung von Quellbiotopen<br />
- Zahl realisierter Maßnahmen<br />
könnte wesentlich größer sein:<br />
trotz detaillierter Planung diverse<br />
Umsetzungshindernisse<br />
- erwartete Effekte konnten bislang<br />
nur punktuell und ansatzweise<br />
nachgewiesen werden<br />
(mangels Finanzmitteln und infolge<br />
zu kurzen Projektzeitraums)<br />
- Beitrag zum Hochwasserschutz<br />
nicht quantifiziert (hierfür<br />
waren auch keine Finanzmittel<br />
vorgesehen)<br />
an der Streu trotz hohen<br />
Bedarfs bisher nicht realisiert,<br />
da Bestandsaufnahme i.R. des<br />
Gewässerentwicklungsplans erst<br />
im Herbst 2006 abgeschlossen<br />
werden konnte (u.a. infolge anderer<br />
Prioritätensetzung innerhalb<br />
RHÖN IM FLUSS aus Kapazitätsgründen)<br />
und da derzeit keine<br />
Finanzmittel bereit stehen<br />
- Restdefizite in der Umsetzung<br />
bleiben, jedoch nachrangig in der<br />
Priorität<br />
- keine Erfolgskontrolle (mangels<br />
Finanzmitteln)<br />
Defizite in Umsetzungsbeispielen<br />
für erfolgreiche Revitalisierungsmaßnahmen<br />
von Quellen (aus<br />
Kapazitätsgründen des Projektmanagements)
Nr. Teilziel<br />
Erläuterung<br />
5<br />
6<br />
7<br />
Nutzung der Auen für den Naturschutz optimieren<br />
Umweltbildung zur Gewässerdynamik<br />
Vorbildprojekt zur Revitalisierung<br />
soweit notwendig und möglich:<br />
- Veränderung von Nutzungszeitpunkten<br />
und -intensitäten im<br />
Grünland<br />
- Verringerung der Ackernutzung<br />
in der Aue, insbesondere im<br />
gewässernahen Bereich<br />
Information der im Projekt<br />
beteiligten Zielgruppen und der<br />
breiten Öffentlichkeit über Ziele<br />
und Wege der Gewässer-Revitalisierung<br />
Schaffung und Demonstration<br />
von Musterlösungen und Umsetzungserfahrungen<br />
in Fließgewässer-Landschaften<br />
der Mittelgebirge<br />
unter vorrangiger Nutzung<br />
vorhandener Finanzierungsinstrumente<br />
unter den Rahmenbedingungen<br />
dreier unterschiedlicher<br />
Bundesländer<br />
erwarteter naturschutzfachlicher<br />
Effekt<br />
- Reduktion von Bodenerosion<br />
und des Eintrags von Bodenmaterial,<br />
Nähr- und Schadstoffen<br />
in die Fließgewässer<br />
- Verbesserung des Erhaltungszustands<br />
von Pflanzen- und<br />
Tierarten des Auengrünlands<br />
- Zielarten u.a.: Trollblume<br />
(Trollius europaeus), Braunkehlchen<br />
(Saxicola rubetra),<br />
Schwarzer Moor-Bläuling<br />
(Maculiniea nausithous)<br />
- Beitrag zum vorsorgenden<br />
Hochwasserschutz<br />
- Wissens- und Akzeptanzförderung<br />
für die Förderung von<br />
Gewässerdynamik/Prozessschutz<br />
sowie über ökologische Zusammenhänge<br />
in den Auen<br />
- damit erleichterte Umsetzung<br />
von Zielen des Natur- und Hochwasserschutzes<br />
- Motivation in der Rhön und<br />
bundesweit zur Realisierung von<br />
Projekten zur Revitalisierung von<br />
Gewässern<br />
- damit vermehrte Initiativen<br />
zum Naturschutz an Fließgewässersystemen<br />
unter Einbeziehung<br />
von Zielen des vorsorgenden<br />
Hochwasserschutzes<br />
- zugleich erhöhter Umsetzungserfolg<br />
solcher Initiativen<br />
erreichte Ziele nicht erreichte Ziele<br />
Konzentration auf Schaffung von<br />
Uferrandstreifen; hierfür einzelne<br />
Umsetzungsbeispiele (Ulster)<br />
sowie Flächenkäufe ohne nachfolgende<br />
Umlegung<br />
umfassende Öffentlichkeitsarbeit<br />
durch<br />
- > 100 Exkursionen und<br />
Schulklassenführungen mit 1 500<br />
Teilnehmern<br />
- > 120 Presseartikel<br />
- www.rhoen-im-fluss.de<br />
- Projektfilm<br />
- Dauerausstellung in Point Alpha,<br />
diverse andere Ausstellungen<br />
und Beteiligung an Veranstaltungen/Tagungen<br />
- Lehrpfad an der Brend<br />
- diverse Finanzierungsinstrumente<br />
eingesetzt<br />
- Erfahrungsbericht liegt vor<br />
- Konzept der Uferrandstreifen<br />
schwer realisierbar, auch wenn<br />
Flächen in öffentliches Eigentum<br />
übergingen, außerdem Konfliktpotenzial<br />
- flächige Optimierung der Auennutzung<br />
nicht realisierbar, da<br />
neue Agrarumweltmaßnahmen<br />
vorübergehend nicht förderfähig<br />
waren (Neuausrichtung<br />
der Förderprogramme)<br />
geplanter Wassererlebnisbereich<br />
an der Streu bei Nordheim noch<br />
nicht umgesetzt<br />
9
1 0<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Quellenerfassung im<br />
Biosphärenreservat Rhön<br />
Von Martin Reiss und Stefan Zaenker<br />
1. Einleitung<br />
Seit 1996 kartiert der Landesverband für<br />
Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V.<br />
mit Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft<br />
in Frankfurt (Projekt RHÖN<br />
IM FLUSS) und den Verwaltungsstellen<br />
des Biosphärenreservats Rhön Quellbiotope<br />
im Biosphärenreservat. Der Schwerpunkt<br />
der Kartierung liegt dabei auf der<br />
faunistischen Besiedelung der Quellen.<br />
Daneben werden physikalische Parameter<br />
(Temperatur, pH-Wert, Leitfähigkeit) gemessen,<br />
das Pflanzenvorkommen an den<br />
Quellen erfasst und Gefährdungen für die<br />
Quellstandorte aufgezeigt.<br />
2. Bedeutung von Quellen<br />
Für den Menschen besitzen Quellen seit<br />
jeher einen hohen Symbolgehalt. Sie sind<br />
oder waren wichtige Wirtschafts- und<br />
Kulturelemente (Trinkwassernutzung,<br />
Kultstätte, touristisches Ausflugsziel), in<br />
deren Nähe häufig Siedlungen gegründet<br />
oder auch Kultbauten errichtet wurden.<br />
Aus naturkundlicher Sicht sind Quellen<br />
kleinräumige, in ihrer Ausprägung vielgestaltige<br />
und in ihrem ökologischen Wirkungsgefüge<br />
komplex vernetzte Landschaftselemente<br />
(Abb. 1). Als Grenzsaum<br />
zwischen Grundwasser und Oberflächengewässer,<br />
<strong>als</strong> Schnittstelle zwischen<br />
unterirdischen und oberirdischen<br />
Einzugsgebieten sind Quellen wichtige<br />
Messpunkte zur Kennzeichnung von<br />
Komponenten des Landschaftswasserhaushaltes<br />
(z.B. Abfluss und Interflow).<br />
Quellen sind einzigartige Lebensräume,<br />
in denen Spezialisten an die besonderen<br />
Umweltbedingungen angepasst sind und<br />
enge Verwandtschaften zum Grundwasserlebensraum<br />
und zum hyporheischen<br />
Interstitial (Lebensraum Gewässersohle)<br />
aufweisen. Die Arten, die in diesen Kleinsträumen<br />
existieren können, reagieren in<br />
der Regel empfindlich auf Störungen<br />
der meist konstanten Lebensverhältnisse<br />
(Abb. 2 und 3).<br />
Die Erforschung von Quellökosystemen<br />
ist notwendig, weil hier Monitoring von<br />
Umweltbelastungen in Einzugsgebieten<br />
mit oberflächennahem Grundwassertransport<br />
betrieben werden kann: „So<br />
können Quellen <strong>als</strong> eine Art Trichterauslass<br />
ihrer Einzugsgebiete angesehen werden“<br />
(BEIERKUHNLEIN & GOLLAN<br />
1999: 1). Mit Blick auf die Ziele und<br />
Forderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie,<br />
d.h. vor allem die<br />
„Vermeidung einer weiteren Verschlechterung<br />
sowie Schutz und Verbesserung des<br />
Zustands der aquatischen Ökosysteme<br />
und der direkt von ihnen abhängenden<br />
Landökosysteme und Feuchtgebiete im<br />
Hinblick auf deren Wasserhaushalt“<br />
(EU-WRRL 2000: Artikel 1, a), sollte den<br />
Quellen eine besondere Bedeutung <strong>als</strong><br />
Forschungsobjekt zugesprochen werden,<br />
da sich aus den zu gewinnenden Erkenntnissen<br />
(speziell im Hinblick auf Wasserhaushalt,<br />
Verbreitung von Organismen,<br />
Strukturgüte) Maßnahmen zur Sicherung<br />
und Verbesserung des Gewässerschutzes<br />
ableiten lassen.<br />
3. Schutz der Quellen<br />
Nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes<br />
2002 zählen Quellberei-<br />
che zu den besonders geschützten Biotopen.<br />
Schutzmaßnahmen an Quellen sind<br />
deshalb besonders nötig, weil Quellräume<br />
<strong>als</strong> kleinflächige, isolierte, seltene und<br />
empfindliche Biotope gegenüber geringsten<br />
Störungen sehr anfällig reagieren.<br />
Die Bedeutung der Quellen spiegelt<br />
sich insbesondere in folgenden Punkten<br />
wider:<br />
• Quellen dienen der Trinkwasserversor-<br />
gung für Menschen.<br />
• Sie sichern die Wasserversorgung für<br />
Pflanzen und Tiere.<br />
• Quellen sind Lebensräume für Tiere<br />
und Pflanzen, die nur in Quellen und<br />
Quellbächen vorkommen.<br />
• Von Quellen aus können geschädigte<br />
Bäche neu besiedelt werden.<br />
• Quellen garantieren den Niedrigwasser-<br />
abfluss der Fließgewässer.<br />
• Sie haben eine Speicherungsfunktion<br />
bei starken Niederschlagsereignissen.<br />
• Im Winter dienen Quellen <strong>als</strong> Wasser-<br />
stelle und Rückzugsgebiet für Lebewesen.<br />
Als Maßnahmen zum Schutz der Quellen<br />
sollten folgende Überlegungen einbezogen<br />
werden:<br />
• Die Wasserneubildung im näheren und<br />
weiteren Quellumfeld darf nicht einge-<br />
schränkt werden, um ein Versiegen der<br />
Quelle zu verhindern. Von besonderer<br />
Bedeutung ist in diesem Zusammen-<br />
hang der Erhalt einer intakten Humus-<br />
schicht, in der Wasser langsam versi-<br />
ckern und zu Grundwasser werden kann.<br />
• Die Reinheit des Quellwassers muss erhalten<br />
bleiben. Vermieden werden<br />
sollten daher Einträge aus der Land-
wirtschaft in das Grundwasser, Ab-<br />
wassereinleitungen in den Quellbereich,<br />
Einträge durch Niederschlagswasser etc.<br />
• An der Quelle sollte eine standortge-<br />
rechte Vegetation erhalten werden, um<br />
eine Erwärmung des Wassers zu verhin-<br />
dern. Dies gilt auch für den Bereich des<br />
Quellbaches. Hier sollte beispielsweise<br />
durch Entfernung eines dichten Fich-<br />
tenbestandes an einigen Quellstandor-<br />
ten einer zunehmenden Versauerung<br />
des Quellwassers entgegengewirkt wer-<br />
den.<br />
• Eine Nutzung des Quellbereiches <strong>als</strong><br />
Viehtränke sollte vermieden werden.<br />
Durch die Trittschäden kann unter<br />
Umständen die gesamte Vegetation<br />
zerstört werden. Dies gilt auch für das<br />
Umgraben verschiedener Quellbereiche<br />
durch Wildschweine.<br />
• Die Quelle muss unter Umständen vor<br />
Erholungssuchenden geschützt werden.<br />
Dies geschieht dadurch, dass Wander-<br />
wege in weitem Abstand um Quellbereiche<br />
herumgeführt werden. Auch<br />
Picknickplätze sollten nicht im Quell-<br />
bereich angelegt werden. Eine sinnvolle<br />
Maßnahme kann außerdem die Infor-<br />
mation der Erholungssuchenden (z.B.<br />
durch aufgestellte Tafeln) sein, um die<br />
Akzeptanz für den Quellschutz zu<br />
steigern.<br />
• Quellen sollten von Einfassungen und<br />
Quellbauwerken jeglicher Art befreit<br />
werden (Abb. 4). Hierzu gehören nicht<br />
mehr benötigte Sammelbehälter für<br />
die Trinkwassergewinnung, traditionelle<br />
Einfassungen in Stein (jahrzehntelang<br />
von Wander- und Heimatvereinen<br />
durchgeführt), <strong>Dr</strong>ainagen etc.<br />
• Das Quellwasser darf weder im Bereich<br />
der Quelle noch im Bereich des Quell-<br />
baches zu Teichen aufgestaut werden.<br />
Abb. 1: Naturnahe Quelle am Kesselrain bei<br />
Wüstensachsen. Hier konnten zahlreiche seltene<br />
Tierarten nachgewiesen werden.<br />
Abb. 2: Muschelkrebse besiedeln das Grundwasser<br />
und die Quellen des Biosphärenreservats und halten<br />
durch den Abbau von Schadstoffen unser Trinkwasser<br />
sauber. Diese Krebstiere werden nur selten<br />
größer <strong>als</strong> 1 mm.<br />
Abb. 3: Höhlenflohkrebse der Gattung Niphargus<br />
verlassen in der Dunkelheit das Grundwasser um in<br />
Quellen Nahrung aufzunehmen.<br />
Abb. 4: Gefasste Quelle am Jakobsweg in der Nähe<br />
der Schwedenschanze. Hier haben nur wenig quellbewohnende<br />
Tierarten eine Überlebenschance.<br />
Dieses würde z.B. den Larven des Feu-<br />
ersalamanders den Lebensraum entzie-<br />
hen.<br />
• Um den Quellschutz zu gewährleisten,<br />
müssen unter Umständen Ankauf,<br />
Pacht, eine Nutzungseinschränkung im<br />
Umfeld oder die Unterschutzstellung<br />
der Quelle erwogen werden.<br />
4. Ziele des Projekts<br />
Artenschutz ist vor allem der Schutz des<br />
Lebensraums <strong>als</strong> Grundlage der Existenz<br />
für viele Arten. Ziel des Projekts „Quellenkartierung<br />
im Biosphärenreservat<br />
Rhön“ ist es daher, anhand der faunistischen<br />
Besiedelung des Quellbiotops,<br />
verbunden mit einer Einschätzung des<br />
Quellumfeldes unter Einbeziehung verschiedener<br />
physikalischer Parameter, eine<br />
Zustandsbeschreibung des Lebensraumtyps<br />
„Quelle“ zu erreichen. Daran sollten<br />
sich – bei beeinträchtigten Quellen – im<br />
Optimalfall Maßnahmen zur Verbesserung<br />
des Quellbiotops anschließen.<br />
Hier erscheint es <strong>als</strong> sehr wichtig, die<br />
vorwiegend ehrenamtlichen Aktivitäten<br />
des Landesverbandes für Höhlen- und<br />
Karstforschung Hessen e.V. mit den<br />
behördlichen Strukturen (Verwaltungsstellen<br />
des Biosphärenreservats, Untere<br />
Naturschutzbehörden) zu verbinden.<br />
5. Methoden<br />
Nur wenige der im Biosphärenreservat<br />
liegenden Quellaustritte sind aus der<br />
topographischen Karte ersichtlich. Meist<br />
bekommt man hier nur einen Anhaltspunkt<br />
für vorhandene Quellgebiete. Der<br />
1 1
1 2<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Abb. 5: Leitfähigkeit und pH-Werte wurden mit<br />
modernen elektronischen Messgeräten bestimmt.<br />
tatsächlichen Untersuchung einer Quelle<br />
geht demnach zuerst eine teilweise recht<br />
aufwendige Suche im Gelände voraus.<br />
Anhaltspunkte für Quellaustritte sind<br />
hier zumeist Geländeeinschnitte und<br />
vegetationskundliche Auffälligkeiten, z.B.<br />
über bestimmte Zeigerarten für Feuchtgebiete<br />
sowie Leitarten der Quellvegetation.<br />
Die Quellen werden nach einem einheitlichen,<br />
länderübergreifenden Kartierungsbogen<br />
erfasst (Abb. 5 und 6). Hier werden<br />
u.a. die genauen GPS-Koordinaten,<br />
Wasser- und Lufttemperatur, pH-Wert<br />
und elektrische Leitfähigkeit ermittelt. Im<br />
Quellumfeld werden die Umgebungslage,<br />
die Vegetation, das Bodensubstrat in der<br />
Quelle sowie das Fließverhalten festgehalten.<br />
Zur Zustandsbeschreibung wird<br />
eine Fotodokumentation angefertigt und<br />
durch Hinweise auf Beeinträchtigungen<br />
des Quellstandorts und durch Maßnahmenvorschläge<br />
ergänzt.<br />
Die faunistische Untersuchung der<br />
Quelle erfolgt in drei Schritten. Die<br />
Wasserbewohner werden mittels eines<br />
sehr feinen Handkeschers gefangen und<br />
in die Konservierflüssigkeit überführt.<br />
Der semiaquatische Lebensraum (feuchte<br />
Quellränder) wird substratbezogen mit<br />
einer feinen Federstahlpinzette untersucht.<br />
Fluginsekten werden über der<br />
Quelle mittels eines Insektenkeschers<br />
gefangen. Alle Tierproben werden später<br />
unter einem lichtstarken Binokular aussortiert<br />
und nach Tiergruppen geordnet.<br />
Die endgültige Artbestimmung erfolgt in<br />
der Regel durch international anerkannte<br />
Experten.<br />
6. Bisherige Ergebnisse<br />
Mit Stand vom November 2007 sind<br />
im Biosphärenreservat Rhön insgesamt<br />
1.154 Quellen kartiert (Hessen: 618;<br />
Bayern: 329; Thüringen: 207). Bei den<br />
ausgewerteten Quellen konnten bislang<br />
Abb. 6: Zur Untersuchung der Quellfauna wird ein<br />
sehr feinmaschiger Wasserkescher verwendet.<br />
1.295 Taxa nachgewiesen werden, wobei<br />
ein Großteil der Tiere aber noch nicht<br />
bis zur Art bestimmt ist. Es ist davon<br />
auszugehen, dass sich die Artenzahl nach<br />
den Bestimmungsarbeiten noch deutlich<br />
erhöhen wird. Der Schwerpunkt<br />
der Untersuchungen lag bisher auf den<br />
weitgehend unberührten Kernzonen und<br />
den Weideflächen des Biosphärenreservats<br />
und soll nach und nach auf weitere<br />
anthropogen beeinflusste Teile der Rhön<br />
ausgeweitet werden.<br />
Das Zielartenkonzept des Arten- und<br />
Biotopschutzes im Biosphärenreservat<br />
Rhön nennt <strong>als</strong> wichtige Leitarten die endemisch<br />
nur in der Rhön und im Vogelsberg<br />
vorkommende Rhön-Quellschnecke<br />
(Bythinella compressa; Abb. 7) und die<br />
Gestreifte Quelljungfer (Cordulegaster<br />
bidentata). Die Rhön-Quellschnecke<br />
kommt bevorzugt in Quellaustritten mit<br />
guter Wasserqualität und einem intakten<br />
Quellumfeld vor und eignet sich nach den<br />
bisherigen Untersuchungen hervorragend,<br />
um den ökologischen Zustand einer
Quelle einzuschätzen. Die nur 1 bis 2 mm<br />
große Quellschnecke kann leicht mit<br />
einer Lupe an Totholz oder in der Quelle<br />
liegenden Steinen gefunden werden.<br />
Damit ist auch die methodisch leichte<br />
Erfassbarkeit dieser Art gewährleistet. Zu<br />
beachten ist allerdings, dass die Rhön-<br />
Quellschnecke eine sehr enge geographische<br />
Verbreitung hat und im Nordteil des<br />
Biosphärenreservats Rhön gar nicht mehr<br />
vorkommt.<br />
Die Gestreifte Quelljungfer, eine Libellenart,<br />
hat eine ausgeprägte Bindung an<br />
kleine Quellen und Quellbäche sowie<br />
Nieder- und Hochmoore mit Sickerquellen<br />
und Hangvernässungen. Die Quellen<br />
müssen mäßig bis schwach schütten und<br />
dabei ein feinkiesiges bis schlammiges<br />
Substrat, niedrige Wassertemperatur und<br />
geringe Strömung besitzen. Die Imagines<br />
benötigen freien Flugraum über den<br />
Gewässern und die Nähe von Waldlichtungen<br />
oder Waldwegen <strong>als</strong> Jagdgebiete.<br />
Als Zielart ist sie von ihren Ansprüchen<br />
her wenig geeignet. Hinzu kommt noch<br />
die methodisch sehr schwierige Erfassbarkeit<br />
der Art.<br />
Als ein Ergebnis kann festgehalten werden,<br />
dass nicht der Nachweis einzelner<br />
Zielarten, sondern vielmehr die Summe<br />
aller in Quellbiotopen nachgewiesenen<br />
Taxa den ökologischen Zustand einer<br />
Quelle beschreibt. Physikalische Parameter<br />
sind zumeist nur <strong>als</strong> Ergänzungen<br />
zur faunistischen Erfassung geeignet,<br />
zumal es sich dabei nur um Momentaufnahmen<br />
handelt. Eine ökologisch intakte<br />
Quelle kann z.B. auch nach stoßweisen<br />
Nitrateinträgen durch die Landwirtschaft<br />
wieder besiedelt werden, wenn das Umfeld<br />
keine bzw. nur geringe ökologische<br />
Beeinträchtigungen aufzeigt. Probleme<br />
bereiten dabei immer wieder so genannte<br />
Wanderbarrieren wie Verrohrungen und<br />
Sohlschwellen, welche die faunistische<br />
Besiedelung sowohl aus dem Grundwasser<br />
<strong>als</strong> auch aus dem Quellbach – insbesondere<br />
durch fehlende Substratauflage –<br />
verhindern.<br />
7. Künftiger Handlungsbedarf<br />
Eines der Ziele des Biosphärenreservats<br />
Rhön sollte die vollständige Erfassung<br />
aller Quellaustritte und deren Arteninventar<br />
sein. Bei Beeinträchtigungen von<br />
Quellbiotopen sollte in enger Absprache<br />
mit den Grundstückseigentümern und<br />
Behörden versucht werden, diese ökologisch<br />
aufzuwerten. Wünschenswert wäre<br />
dabei ein anschließendes Monitoring, das<br />
den Erfolg der einzelnen Maßnahmen<br />
dokumentiert und Hinweise auf künftige<br />
Maßnahmenplanungen gibt.<br />
Literatur<br />
BEIERKUHNLEIN, C., GOLLAN,<br />
T. (1999): Forschung zu Quellökosystemen<br />
an der Universität Bayreuth – eine<br />
Einführung. In: BEIERKUHNLEIN, C.,<br />
GOLLAN, T., Hrsg., Ökologie silikatischer<br />
Waldquellen in Mitteleuropa,<br />
Bayreuther Forum Ökologie 71, 1-8.<br />
EU-WRRL (2000) = Richtlinie<br />
2000/60/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates zur Schaffung eines<br />
Ordnungsrahmens für Maßnahmen der<br />
Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik.<br />
Luxemburg, den 23. Oktober 2000.<br />
PE-CONS 3639/1/00 REV 1.<br />
Abb. 7: Das Gehäuse einer Rhön-Quellschnecke im<br />
Vergleich zu einem Streichholzkopf.<br />
Untersuchungsberichte aus der Rhön:<br />
REISS, M., ZAENKER, S. (2004):<br />
Quellenkartierung in der Gemeinde<br />
Stockheim/Unterfranken. Unveröff. Untersuchungsbericht,<br />
Fulda, 1-89.<br />
REISS, M., ZAENKER, S. (2005):<br />
Quellenkartierung im Biosphärenreservat<br />
Rhön (Kernzonen in Hessen). Unveröff.<br />
Untersuchungsbericht, Fulda, 1-144.<br />
REISS, M., ZAENKER, S. (2005):<br />
Quellenkartierung im Biosphärenreservat<br />
Rhön (Kernzonen in Thüringen). Unveröff.<br />
Untersuchungsbericht, Fulda, 1-378.<br />
ZAENKER, S. (2006): Datenbank des<br />
Biospeläologischen Katasters von Hessen.<br />
Fulda , unveröff.<br />
Anschriften der Verfasser: Martin Reiss,<br />
Landesverband für Höhlen- und Karstforschung<br />
Hessen e.V., Ockershäuser Allee 50,<br />
35037 Marburg, E-Mail mreiss2@web.de;<br />
Stefan Zaenker, Landesverband für Höhlen-<br />
und Karstforschung Hessen e.V., Königswarter<br />
Straße 2a, 36039 Fulda, E-Mail stefan.<br />
zaenker@hoehlenkataster-hessen.de.<br />
Fotos: Klaus Bogon (1), Stefan Zaenker (6)<br />
1 3
1 4<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Die SINNallianz –<br />
ein Naturschutzprojekt für das Lebensraumnetz Sinn<br />
Von Stephan Kneitz<br />
1. Das Projekt<br />
Eingeläutet von einer Pressefahrt startete<br />
am 03.07.2002 die Kreisgruppe Bad Kissingen<br />
des Bund Naturschutz in Bayern<br />
e.V. (BN) das auf fünf Jahre (2002 bis<br />
2007) ausgelegte Naturschutz-Projekt<br />
„Sinnallianz“ im oberen Sinntal/Rhön<br />
(Landkreis Bad Kissingen, Bayern).<br />
Dank der finanziellen Unterstützung<br />
des Bayerischen Naturschutzfonds und<br />
der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt<br />
(ZGF) setzt sich im Rahmen des<br />
ABSP- (bayerisches Arten- und Biotopschutzprogramm)<br />
bzw. BayernNetzNatur-Projektes<br />
„Oberes Sinntal/Rhön, Lkr.<br />
Bad Kissingen“ der Bund Naturschutz in<br />
Bayern e. V. (BN) über seine Kreisgruppe<br />
Bad Kissingen für den Erhalt und die<br />
Entwicklung eines Biotopverbundsystems<br />
entlang von Sinn und den ausgewählten<br />
Zuflüssen Oberbach, Mittelbach und<br />
Disbach ein. Das Projektgebiet umfasste<br />
die Talauen der genannten Rhöner Wildbäche<br />
(insgesamt ca. 50 Flusskilometer)<br />
zwischen den Ortschaften Wildflecken<br />
(im Norden) und Zeitlofs (im Süden).<br />
Das Naturschutzprojekt wurde vom<br />
Bayerischen Naturschutzfonds mit<br />
einer verbindlichen Förderzusage vom<br />
07.05.2002 bewilligt. Das BayernNetz-<br />
Natur-Projekt stellte im genannten<br />
Zeitraum hinsichtlich Flächenausdehnung<br />
und Finanzvolumen (568.000 €)<br />
das größte Naturschutzprojekt des BN in<br />
Unterfranken dar.<br />
2. Das Projektgebiet<br />
Das Gewässersystem der Oberen Sinn<br />
zwischen Wildflecken und Zeitlofs mit<br />
einem Einzugsbereich von 155 km 2 ist<br />
Teil eines der längsten noch intakten<br />
Bachökosysteme Bayerns und <strong>als</strong> Vernetzungselement<br />
zwischen den umliegenden<br />
FFH-Lebensräumen der „Schwarzen<br />
Berge“ und des „Truppenübungsplatzes<br />
Wildflecken“ von besonderer Bedeutung.<br />
Mehr <strong>als</strong> 60 verschiedene nach der bayerischen<br />
bzw. der deutschen Roten Liste<br />
gefährdete Arten konnten im Projektgebiet<br />
bereits nachgewiesen werden. Als<br />
„Highlights“ seien hier Biber (s. Abb. 1),<br />
Wasseramsel, Eisvogel, Schwarzstorch,<br />
Schwarzblauer Ameisenbläuling, Schwalbenschwanz,<br />
Gebänderte und Blauflügelige<br />
Prachtlibelle und die Schachblume<br />
stellvertretend für die große Artenvielfalt<br />
in der von Grünlandflächen unterschiedlicher<br />
Nutzungsintensität und einer fast<br />
durchgängigen Ufergalerie aus Erlen und<br />
Weiden charakterisierten Wildbachlandschaft<br />
genannt.<br />
Diese „Perlen“ unterstreichen die hohe<br />
regionale Bedeutung des Raumes für den<br />
Arten- und Biotopschutz. Von einzigartiger<br />
Bedeutung sind die naturnahen<br />
Quellregionen und Oberläufe. Hier leben<br />
z.B. die endemische Rhön-Quellschnecke<br />
und die Alpenspitzmaus <strong>als</strong> Relikt zurückliegender<br />
Eiszeiten.<br />
Trotz seines naturnahen Charakters<br />
ist das Sinntal eine über Jahrhunderte<br />
gewachsene Kulturlandschaft, in der es<br />
durch menschliche Einflussnahme eine<br />
Reihe von Schwachstellen gibt. Die wichtigsten<br />
sind:<br />
• Wiesennutzung bis an die oft schmale<br />
Ufergalerie heran, abschnittsweise<br />
Gülledüngung;<br />
• gestörte Fließgewässerdynamik durch<br />
Steinschüttungen und Verbauungen an<br />
den Ufern;<br />
• Blockade der Durchgängigkeit für<br />
Fließgewässerarten durch Wehre, hohe<br />
Sohlschwellen und geringe Restwasser-<br />
mengen an Kleinkraftwerken, Ausleitungen<br />
für Fischteichanlagen;<br />
• massiver Hochwasserschutzausbau in<br />
den Siedlungen;<br />
• Einleitung unzureichend geklärter Sied-<br />
lungsabwässer aus den Kläranlagen und<br />
Straßenentwässerungen;<br />
• häufige Stoßbelastungen mit ungerei-<br />
nigtem Mischwasser aus Regenüberläu-<br />
fen.<br />
3. Was will die Sinnallianz?<br />
Über den Ankauf von Grundstücken entlang<br />
der Bäche soll das Biotopverbundsystem<br />
im Projektgebiet <strong>als</strong> Grundlage der<br />
Abb. 1: Der Biber hinterlässt seine Spuren im Tal<br />
der Sinn – auch durch Aufstauungen, welche eine<br />
wertvolle Lebensraumdynamik verursachen.
Abb. 2: Hohe Gewässerdynamik der unverbauten<br />
Sinn in einer durch den Biber mitgestalteten und<br />
großflächig beweideten Aue – ein interessantes<br />
Experiment, dass durch Flächenaufkauf ermöglicht<br />
wurde.<br />
Natur- und Artenvielfalt verbessert oder<br />
sogar wiederhergestellt werden. Ein wichtiger<br />
Aspekt hierbei ist die Verbindung<br />
der abschnittsweise vorhandenen Auwälder,<br />
Feuchtwiesen und Hochstaudenfluren<br />
mit breiten Uferrandstreifen. Ziel ist,<br />
dass Sinn und ihre Nebenbäche in dieser<br />
Kulturlandschaft wieder ihre Wildbachdynamik<br />
„ausleben“ können. Wie wichtig<br />
die Verbesserung eines solchen „natürlichen<br />
Hochwasserschutzes“ ist, beweist<br />
eindrucksvoll das Hochwasserereignis<br />
Anfang Januar 2003. Deutliche Schäden<br />
traten in den Siedlungsbereichen und hier<br />
besonders in den Talabschnitten auf, die<br />
ihrer natürlichen Überflutungsbereiche<br />
beraubt sind (z.B. Stadtumgehung Bad<br />
Brückenau). Über Vereinbarungen mit<br />
örtlichen Landwirten will die Sinnallianz<br />
ergänzend die extensive Bewirtschaftung<br />
der blütenreichen Wiesen sichern bzw.<br />
ausweiten. Gleichzeitig soll über ein<br />
mit der Landwirtschaft abgestimmtes<br />
Vermarktungskonzept die regionale<br />
Wertschöpfung gefördert werden, die im<br />
Moment so gut wie nicht mehr vorhanden<br />
ist. Auch der naturverträgliche<br />
Tourismus soll hier eine Rolle spielen.<br />
Über gezielte Öffentlichkeitsarbeit will<br />
das Projekt ferner zur nachhaltigen Nutzung<br />
der Wasserressourcen anregen und<br />
eine Verbesserung der Wasserqualität<br />
erreichen.<br />
4. Erfolge des Projekts<br />
Eine Allianz für den Lebensraum<br />
„Sinntal“<br />
Als „SINNallianz“ konnte das Projekt<br />
aktiv alle betroffenen/zuständigen<br />
Behörden, Kommunen, Institutionen,<br />
Nutzergruppen und Bürger hinsichtlich<br />
kooperativer Maßnahmen zum Wohle<br />
der Natur im Projektgebiet einbinden.<br />
Hierbei spielte das Projektbüro in Bad<br />
Brückenau <strong>als</strong> Anlaufstelle eine wichtige<br />
Rolle. Mit seinem Besprechungsraum für<br />
das achtköpfige Projektteam um Franz<br />
Zang (Projektleitung, 2. Kreisgruppenvorsitzender)<br />
und <strong>Dr</strong>. Stephan Kneitz<br />
(hauptamtlicher Mitarbeiter) war es zugleich<br />
<strong>Dr</strong>eh- und Angelpunkt sämtlicher<br />
Entwicklungen im Projektgebiet.<br />
Aktivitätsvielfalt<br />
Die gewählten Strategien und Instrumente<br />
erwiesen sich rückblickend <strong>als</strong> geeignet,<br />
die Ziele des Projektes – Schutz, Erhaltung<br />
und Vernetzung der wertvollen<br />
Feucht- und Wasserlebensräume – zu<br />
erreichen. Ein Großteil der im Projektkonzept<br />
vorgeschlagenen Maßnahmen<br />
konnte im Berichtszeitraum bearbeitet<br />
und teilweise abgeschlossen werden. Über<br />
150 im gesamten Projektgebiet durchgeführte<br />
Maßnahmen und Aktionen<br />
spiegeln die Aktivitäts-Vielfalt wider.<br />
Dauerhafte Natursicherung durch<br />
Flächenerwerb<br />
Trotz einiger Schwierigkeiten konnte das<br />
Projektteam im Sinntal sowie am Ober-<br />
und Mittelbach 87 Grundstücke (ufernahe<br />
Wiesen, Auwaldreste, Feuchtbrachen)<br />
in einem Gesamtumfang von ca. 30 ha<br />
erwerben und dauerhaft <strong>als</strong> Lebensraum<br />
für Biber, Wasseramsel und andere<br />
sichern. Aber auch für den ökologischen<br />
Hochwasserschutz und den bachbegleitenden<br />
Biotopverbund sind die Ankäufe<br />
mit Schwerpunkten zwischen Eckarts<br />
und Wernarz sowie zwischen Oberbach<br />
und Wildflecken von höchstem Wert. Da<br />
die Ankäufe erst in der zweiten Projekthälfte<br />
vorgenommen werden konnten und<br />
deren Abwicklung sich zeitlich stark in<br />
die Länge zog, konnten keine konkreten/<br />
aktiven Maßnahmen hinsichtlich Erhalt<br />
und Stärkung des bachbegleitenden Biotopverbunds<br />
umgesetzt werden.<br />
Pflege- und Entwicklungskonzept<br />
Ein in Arbeit befindliches Pflege- und<br />
Entwicklungskonzept der BN-Kreisgruppe<br />
soll in Absprache und Zusammenarbeit<br />
mit örtlichen Landwirten<br />
und zuständigen Behörden die abwechslungs-<br />
und artenreiche Kulturlandschaft<br />
„Sinntal“ auf den Ankaufsflächen nach<br />
Projektende langfristig sichern. Die<br />
Entwicklungs- und Pflegekonzeption<br />
sieht für die Flächen im Raum Eckarts-<br />
Wernarz eine sehr extensive (Ganzjahres-)Beweidung<br />
in geringer Dichte (0,5<br />
GV/ha) vor (Abb. 2), für den Großteil<br />
der restlichen Flächen eine einmalige<br />
Mahd abzüglich eines 5 bis 10 m breiten<br />
Uferrandstreifens. Auf einigen Einzelflächen<br />
soll die Sukzession zu einem<br />
Auwald zugelassen sein.<br />
Intensive Öffentlichkeitsarbeit und<br />
Umweltbildung<br />
Vor allem in den ersten vier Projektjahren<br />
bestimmte eine intensive Öffentlichkeits-<br />
und Umweltbildungsarbeit die Tätigkeit<br />
der Teammitglieder. Erste sichtbare<br />
Zeichen setzte das Projektteam mit der<br />
Einrichtung eines publikumsfreundlichen<br />
Büros in Bad Brückenau, der Entwicklung<br />
eines eingängigen Logos, der Konzeption<br />
eines Projekt-Faltblatts und der<br />
Einrichtung einer Internetpräsentation.<br />
Ergänzend wurde in Kooperation mit<br />
dem Informationszentrum „Haus der<br />
Schwarzen Berge“ in Oberbach die<br />
Ausstellung „Die Sinn – ein Wildbach<br />
stellt sich vor“ konzipiert und von Juni bis<br />
Oktober 2003 der Öffentlichkeit präsen-<br />
1 5
1 6<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
tiert. Eine tragende Säule der Öffentlichkeitsarbeit<br />
war von Beginn an die sehr<br />
kooperative Zusammenarbeit mit der<br />
örtlichen Presse (Main-Post, Saale-Zeitung/Brückenauer<br />
Anzeiger, Main-Echo)<br />
und deren hervorragende Berichterstattung.<br />
Die kontinuierliche Medienpräsenz<br />
mit ca. 150 Zeitungsartikeln, einem<br />
Fernseh- und drei Radioberichten sorgte<br />
im Projektzeitraum für einen hohen<br />
Bekanntheitsgrad.<br />
Die Resonanz auf das Projekt fiel und<br />
fällt deshalb im Gebiet selbst, aber auch<br />
im gesamten Landkreis Bad Kissingen<br />
und darüber hinaus (Biosphärenreservat<br />
Rhön), sehr positiv aus. Weite Bevölkerungskreise<br />
und insbesondere Kinder<br />
und Jugendliche konnten mit dem Wasser<br />
im Allgemeinen und den Lebensräumen<br />
„Wildbach Sinn“ und „Aue“ im Speziellen<br />
vertraut gemacht werden. Hierbei spielte<br />
ab 2004 das Umweltbildungsprojekt<br />
„RHÖNer WASsER-LEBEN“ der<br />
BN-Kreisgruppe Bad Kissingen eine bedeutende<br />
Rolle (Förderung: Bayerischer<br />
Umweltfonds). Mehr <strong>als</strong> 2.000 Teilnehmer<br />
konnten mit vielen Aktionen rund<br />
um das Wasser begeistert werden. Ein<br />
Highlight war der GEO-Tag der Artenvielfalt<br />
2003 im Staatsbad Brückenau mit<br />
mehr <strong>als</strong> 40 Experten, mehreren Hundert<br />
Teilnehmern und Besuchern sowie 1.100<br />
gefundenen Arten.<br />
Grundlagenerhebungen zur Artenvielfalt<br />
Neue Erkenntnisse zur ökologischen<br />
Situation in den Fließgewässern brachten<br />
grundlegende Untersuchungen des<br />
Makrozoobenthos durch das Forschungsinstitut<br />
Senckenberg (2004), zu Artenbestand<br />
und Struktur der Fischfauna<br />
durch den bayerischen Landesfischereiverbandes<br />
(Ausführung: Bernd Tombeck,<br />
Büro Geise & Partner, Prosselsheim,<br />
2003) und zur Vorkommenssituation<br />
heimischer und ausländischer Krebsarten<br />
(Bearbeitung: Stefan Kaminsky, Büro<br />
Geise & Partner, Prosselsheim, 2002).<br />
Ferner wurden zwischen 2003 und 2007<br />
alle Ankaufsflächen vom Arbeitskreis<br />
Botanik der BN-Kreisgruppe auf Pflanzenvorkommen<br />
kartiert sowie (Zufalls-)<br />
Daten zu vorkommenden Tierarten<br />
erfasst. 2005 und 2006 erfolgte zudem in<br />
Zusammenarbeit mit der Akademie für<br />
Naturschutz in Laufen (<strong>Dr</strong>. Klaus Neugebauer)<br />
die Einrichtung eines botanischen<br />
Monitorings auf zukünftigen Weideflächen<br />
im Raum Eckarts. Ergänzend dazu<br />
wurden 2004 bis 2006 rund 200 Quellen<br />
im Einzugsgebiet der Sinn detailliert untersucht<br />
(chemische Werte, Flora, Fauna)<br />
und deren Zustand dokumentiert (Eva<br />
Reichert-Nelkenstock, Projektteam).<br />
5. Fazit<br />
Zusammenfassend haben sich für den Erfolg<br />
des SINNallianz-Projektes folgende<br />
Faktoren <strong>als</strong> bedeutsam erwiesen:<br />
• starke Unterstützung für das Projekt<br />
(Auftaktveranstaltung und Projektbüro-<br />
Eröffnung mit zahlreichen Bürgermeistern<br />
und Vertretern von Behör-<br />
den, Institutionen, Nutzergruppen<br />
und Verbänden);<br />
• professionelles Projektmanagement<br />
durch einen hauptamtlichen Pro-<br />
jektbeauftragten, unterstützt durch ein<br />
Mitarbeiter-Team von ehrenamtlichen<br />
BN-Mitgliedern aus dem Projektgebiet;<br />
• Planung und Durchführung von Maß-<br />
nahmen im Konsens („SINNallianz“);<br />
• Prinzip der Freiwilligkeit;<br />
• intensive Öffentlichkeits- und Umwelt-<br />
bildungsarbeit, besonders für Kinder-<br />
und Jugendliche („RHÖNer WASsER-<br />
LEBEN);<br />
• kontinuierliche Medienpräsenz;<br />
• sehr gute (persönliche) Kontakte zur<br />
Lokalpresse sowie zu lokalen Entschei-<br />
dungsträgern;<br />
• detailliertes Rahmenkonzept mit Ein-<br />
bindung von Kooperationspartnern<br />
und Unterstützern von Anfang an.<br />
Ein Blick in die Zukunft: Auch nach Projektende<br />
im Juni 2007 wird das Vorhaben<br />
von der Bund Naturschutz-Kreisgruppe<br />
Bad Kissingen kontinuierlich fortgeführt<br />
werden. Neben der konkreten Umsetzung<br />
der Pflege- und Entwicklungskonzeption<br />
in Kooperation mit örtlichen Landwirten<br />
und deren langfristigen Überwachung<br />
(Monitoring der Veränderung in der Vegetationsstruktur<br />
sowie der Entwicklung<br />
der Artenvielfalt) wird auch die Öffentlichkeit<br />
durch Vorträge, Informationsveranstaltungen<br />
und Exkursionen über die<br />
Weiterentwicklungen im Projektgebiet<br />
informiert.<br />
Dank<br />
Ein herzliches Dankeschön gilt allen<br />
Förderern und Unterstützern innerhalb<br />
und außerhalb des Bund Naturschutz<br />
in Bayern, v.a. der BN-Kreisgruppe<br />
Bad Kissingen. Ohne deren kooperative<br />
Mitarbeit und Diskussion wäre die<br />
„Allianz zum Wohle der Sinn“ nicht<br />
so lebendig geworden und ein Projekt<br />
dieser Größenordnung nicht zu stemmen<br />
gewesen. Ein besonderer Dank geht auch<br />
an alle Grundstücksbesitzer, die mit dem<br />
Verkauf ihrer Flächen zum nachhaltigen<br />
Erfolg dieses großen Naturschutzprojektes<br />
in der bayerischen Rhön maßgeblich<br />
beigetragen haben.<br />
Anschrift des Verfassers: <strong>Dr</strong>. Stephan<br />
Kneitz, Projektbeauftragter Sinnallianz,<br />
Bund Naturschutz in Bayern e.V., Kreisgruppe<br />
Bad Kissingen, Am Neuenstein 59,<br />
97762 Hammelburg,<br />
E-Mail stephan.kneitz@gmx.de.<br />
Fotos:<br />
<strong>Eckhard</strong> Jedicke, Stephan Kneitz
Der Schwarze Apollo in der<br />
bayerischen Rhön<br />
Von Karl-Heinz Kolb<br />
1. Einleitung<br />
Der Schwarze Apollo (Parnassio mnemosyne,<br />
Abb. 1) ist eine Schmetterlingsart,<br />
die bundesweit vom Aussterben bedroht<br />
ist (Rote-Liste-Kategorie 1). In der Rhön<br />
stellt diese Schmetterlingsart eine Zielart<br />
des Naturschutzes dar (ALTMOOS<br />
1997). Ihr Schwerpunktvorkommen liegt<br />
in der bayerischen Rhön, in der hessischen<br />
Rhön sind nur noch wenige kleine<br />
Metapopulationen vorhanden, welche mit<br />
den bayerischen vermutlich <strong>als</strong> Teil der<br />
Rhönpopulation im Austausch stehen.<br />
Im thüringischen Teil der Rhön fehlt der<br />
Schwarze Apollo vollständig.<br />
Im Rahmen des Projektes „Biotop- und<br />
Artenschutz im Biosphärenreservat<br />
Rhön“, das von der Zoologischen Gesellschaft<br />
Frankfurt (ZGF) finanziert wird,<br />
wurden von 2002 bis 2004 die Vorkom-<br />
Abb. 1: Schwarzer Apollo.<br />
Foto: Algirdas<br />
men des Schwarzen Apollo (Larvalhabitate,<br />
Imaginalhabitate, Vernetzungsstrukturen)<br />
in der bayerischen Rhön kartiert.<br />
Ziel war, die vorhandenen Metapopulationen<br />
möglichst vollständig zu erfassen,<br />
deren Individuenstärke zu ermitteln<br />
und Wege aufzuzeigen, wie diese in der<br />
Zukunft erhalten, entwickelt und besser<br />
untereinander vernetzt werden können.<br />
Weiter wurde der Erfolg durchgeführter<br />
Pflegmaßnahmen eingeschätzt. Hierfür<br />
war die exakte Kartierung der Lerchenspornvorkommen<br />
(Individuenzahl und<br />
Dichte) sowie der Falterzahlen der großen<br />
Metapopulationen im Rahmen von<br />
Fang-Wiederfang-Experimenten von zentraler<br />
Bedeutung. Zur Verbesserung der<br />
Vernetzung der in der Landschaft weit<br />
verstreuten Metapopulationen wurde ein<br />
Habitat-Verbundkonzept erarbeitet und<br />
mit den zuständigen Behörden (Forst,<br />
Naturschutz) abgestimmt.<br />
2. Larvalhabitate<br />
(Lerchenspornvorkommen)<br />
2.1 Vorkommen von Lerchensporn in<br />
der Umgebung bekannter Flugbereiche<br />
von Imagines<br />
Für den Schwarzen Apollo, dessen Raupen<br />
monophag auf Lerchenspornarten<br />
(Corydalis spec.) leben, ist die enge Nachbarschaft<br />
von geeigneten Eiablageplätzen<br />
und Larvalhabitaten zu den Flugbereichen<br />
der Imagines überlebensnotwendig.<br />
Aus diesem Grund wurden im April 2002<br />
bekannte Flugplätze des Falters auf das<br />
Vorkommen von Lerchensporn (Corydalis<br />
cava, Corydalis intermedia) untersucht.<br />
Als Parameter wurden hierbei die räumliche<br />
Verteilung und Ausdehnung des<br />
Lerchenspornbestandes sowie dessen<br />
Dichte erfasst. Folgende Lokalitäten wurden<br />
untersucht:<br />
(a) Kreuzberg: Von sechs Teilbereichen<br />
am Kreuzberg weisen zwei sehr gute individuenreiche<br />
Lerchenspornvorkommen<br />
(Corydalis cava) in angrenzenden Laubwaldbeständen<br />
auf. Sie sind somit <strong>als</strong><br />
Eiablage- und Larvalhabitate prinzipiell<br />
gut geeignet, nur an einer konnten jedoch<br />
bisher Imagines beobachtet werden. Die<br />
vier anderen Teilbereiche weisen nur<br />
kleine, lokal stark begrenzte Lerchenspornvorkommen<br />
auf. Sie sind somit nur<br />
bedingt <strong>als</strong> Eiablage- und Larvalhabitate<br />
tauglich. Von zwei dieser Lokalitäten<br />
liegen alte Flugnachweise vor, die beiden<br />
anderen wurden aufgrund ihrer potentiellen<br />
Eignung überprüft.<br />
(b) Lange Rhön: Für sieben Teilbereiche<br />
im Umgriff der Langen Rhön liegen<br />
für sechs Nachweise von Imagines des<br />
Schwarzen Apollo aus der Vergangenheit<br />
1 7
1 8<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
vor. Die Kontrolle dieser Lokalitäten<br />
ergab für zwei gute bis sehr gute Lerchenspornbestände<br />
in Lesesteinriegelhecken<br />
und angrenzenden Laubwaldbereichen.<br />
<strong>Dr</strong>ei weisen nur kleine Lerchenspornvorkommen<br />
mit nur bedingter Eignung <strong>als</strong><br />
Eiablage- und Larvalhabitate auf.<br />
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass an<br />
zwei Lokalitäten, an denen in der jüngsten<br />
Vergangenheit einzelne Imagines beobachtet<br />
wurden, keine Lerchenspornvorkommen<br />
in der unmittelbaren Umgebung<br />
festgestellt werden konnten.<br />
Im Jahr 2003 wurden speziell die Lokalitäten,<br />
an denen in den letzten Jahren<br />
Maßnahmen zur Stützung der Apollovorkommen<br />
durch Freistellung der Lerchenspornbestände<br />
stattfanden, kontrolliert.<br />
An allen drei Lokalitäten haben sich<br />
die durchgeführten Pflegemaßnahmen<br />
(Heckenpflegemaßnahmen, Auflichtung<br />
von Waldsäumen, Entfernung von<br />
dichten Himbeerbeständen) positiv auf<br />
die dortigen Lerchenspornvorkommen<br />
ausgewirkt, was auf die nach der Pflege<br />
deutlich bessere Belichtung (Besonnung)<br />
derselben zurückzuführen ist.<br />
In einem Gebiet an der bayerischen<br />
Ostabdachung der Rhön fand im April<br />
2003 eine Detailkartierung der Lerchenspornvorkommen<br />
statt, um die Auswirkungen<br />
der dort seit Herbst 2000 durchgeführten<br />
Heckenpflegemaßnahmen auf<br />
die Verbreitung des Lerchensporns in den<br />
Hecken erfassen zu können. Das Apollo-<br />
Vorkommen in diesem Gebiet, das sich<br />
auf einer Meereshöhe von 475 bis 510 m<br />
über NN befindet, wurde 2002 erst<br />
entdeckt. Die dort in vielen Bereichen<br />
flächigen Bestände des Lerchensporns<br />
umfassen eine Gesamtfläche von 5.990 m 2 .<br />
Lineare Bestände von Einzelpflanzen<br />
finden sich auf einer Länge von insgesamt<br />
610 m entlang von Hecken. Besonders<br />
im Saum der Hecken und hier wiederum<br />
in lichten und gut besonnten Bereichen<br />
bildet der Lerchensporn sehr dichte, teils<br />
flächige Bestände. Aber auch in feuchten<br />
und entsprechend lichtdurchfluteten,<br />
zwischen die Wiesen eingelagerten<br />
Gehölzkomplexen finden sich flächige<br />
Lerchenspornvorkommen. Durch die<br />
enge Verzahnung von Hecken, Wiesen<br />
und kleineren Waldkomplexen entsteht<br />
ein Mosaik von direkt benachbarten<br />
Larval- und Imaginalhabitaten, das den<br />
Ansprüchen des Schwarzen Apollo sehr<br />
gut entspricht. Die Kammerung der Wiesen<br />
durch die umlaufenden Hecken sorgt<br />
zusätzlich für guten Windschutz und eine<br />
optimale Wärmespeicherung.<br />
2.2 Habitatmanagement in Larvalhabitaten<br />
(a) „Ostabdachung Rhön“<br />
Im Gebiet „Ostabdachung Rhön“ wurden<br />
in den Jahren 2000 bis 2003 insgesamt<br />
1.680 m Heckenlänge „auf den Stock gesetzt“,<br />
um das Überaltern der Heckenbestände<br />
zu verhindern. Die Maßnahmen,<br />
die originär der Erhaltung der dortigen<br />
Heckenlandschaft dienten, stellen auch<br />
die wesentlichen Habitatmanagement-<br />
Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung<br />
der Larvalhabitate des Schwarzen<br />
Apollo dar. Der Heckensaum und die<br />
Fläche direkt unter der Hecke erhalten<br />
nach der Pflege eine vielfach höhere<br />
Lichtmenge <strong>als</strong> zuvor, was dazu führt,<br />
dass krautige Pflanzen wie der Lerchensporn<br />
verbesserte Wuchsbedingungen<br />
vorfinden. In der Folge entwickeln sich<br />
die Lerchenspornbestände oft explosionsartig:<br />
Aus wenigen Einzelpflanzen vor der<br />
Heckenpflege können so größere, flächige<br />
Bestände entstehen.<br />
Um zu prüfen, ob eine Korrelation zwischen<br />
den durchgeführten Pflegemaßnahmen<br />
und den Lerchenspornvorkommen<br />
besteht, wurden die Pflegemaßnahmen<br />
mit der Lerchenspornkartierung überlagert.<br />
Das Ergebnis zeigt in den meisten<br />
Bereichen deutlich, dass der Lerchensporn<br />
positiv auf die Pflegemaßnahmen<br />
reagiert hat.<br />
(b) „alter Steinbruch“<br />
Im Bereich eines alten Steinbruchs wurde<br />
im Jahr 2002 mit der Entfernung des<br />
Gehölzanfluges begonnen. Im Jahr 2003<br />
wurde die Maßnahme entlang der Lerchenspornvorkommen<br />
am Waldrand und<br />
v.a. auf den Flächen, die von den Imagines<br />
genutzt werden, fortgesetzt. Der dortige<br />
Gehölzanflug konnte nahezu vollständig<br />
entfernt werden. Es handelte sich hierbei<br />
überwiegen um angeflogene Fichten.<br />
3. Flughabitate der Imagines<br />
3.1 Erfassung der Zahl fliegender<br />
Imagines<br />
Folgende Lokalitäten wurden zwischen<br />
2002 und 2004 auf Apollovorkommen<br />
überprüft:<br />
(a) Truppenübungplatz Wildflecken<br />
(zwei Teilbereiche): Alte Nachweise ließen<br />
sich 2003 nicht bestätigen. Hier sollte<br />
nochm<strong>als</strong> eine weiträumige Nachsuche<br />
erfolgen.<br />
(b) Kreuzberg (neun Teilbereiche):<br />
Gemeinsam mit Kollegen von der UNB<br />
in Bad Neustadt fanden 2003 insgesamt<br />
fünf Kartierungen statt, wobei an vielen<br />
Stellen, die 2002 ohne Nachweis blieben,<br />
Imagines des Schwarzen Apollo nachgewiesen<br />
wurden. In acht der neun Lebensräume<br />
wurden bei einer der fünf Begehungen<br />
maximal zwischen einem und 16<br />
Falter gezählt. Das dortige Waldwegesystem<br />
mit seinen Säumen ist von ganz<br />
zentraler Bedeutung <strong>als</strong> Flughabitat; die<br />
relevanten Wegstrecken summieren sich<br />
auf 1.620 m Länge. Dabei kommt den<br />
Waldwegesäumen eine wesentlich höhere<br />
Bedeutung zu <strong>als</strong> den verschiedenen<br />
Waldwiesen, die sie vernetzen. Dies könnte<br />
u.a. durch den suboptimalen Zustand<br />
der Waldwiesen mit bedingt sein.<br />
Am Kreuzberg gelang Michael Krämer<br />
(UNB Landkreis Rhön-Grabfeld) 2004<br />
ein Nachweis des Schwarzen Apollo ca.
500 bis 600 m vom nächsten bekannten<br />
Vorkommen entfernt auf einem schattigen<br />
Waldweg. Dieser Nachweis belegt<br />
die Tatsache, dass die Pionierart ein<br />
ausgeprägtes Dispersionserhalten zeigt,<br />
das dazu dient, neue Lebensräume zu<br />
erschließen.<br />
Um die im Vergleich zu Literaturangaben<br />
immer noch sehr geringen Individuenzahlen<br />
besser bewerten zu können, erfolgte<br />
2004 in zwei der Teilbereiche eine detaillierte<br />
Erhebung im Rahmen eines Fang-<br />
Wiederfang-Experimentes. Beim Erstfang<br />
am 09.06.2004 wurden 86 Falter nachgewiesen,<br />
davon wurden 85 (73 und<br />
12 markiert. Beim Wiederfang fünf<br />
Tage später gingen 42 noch nicht markierte<br />
Falter ins Netz (29 , 12 , 1 unbest.<br />
Exemplar). Von den vorher markierten<br />
Exemplaren konnten 45 Falter (41 , 3<br />
, 1 unbest. Exemplar) wiedergefangen<br />
werden. Mit Hilfe des Peterson-Verfahrens<br />
zur Populationsschätzung errechnet<br />
sich hieraus eine Gesamt-Populationsgröße<br />
von 164 Exemplaren. Somit besteht<br />
neben der Lokalität „Ostabdachung<br />
Rhön“ auch am Kreuzberg aktuell eine<br />
vitale Population des Schwarzen Apollo.<br />
(c) Umfeld Bischofsheim (vier Teilbereiche):<br />
Auf vier verschiedenen Waldwiesen<br />
konnte von Dieter Weisenburger<br />
(UNB Landkreis Rhön-Grabfeld) am<br />
04.06.2003 ein bisher unbekanntes Vorkommen<br />
mit fünf Imagines nachgewiesen<br />
werden. Trotz intensiver Nachsuche<br />
konnten dort im Jahr 2004 keine Falter<br />
betätigt werden.<br />
(d) Lange Rhön (acht Teilbereiche): An<br />
einer Lokalität wurden 2003 und 2004<br />
jeweils 30 Falter gezählt, an einer zweiten<br />
neun bzw. zehn. An drei weiteren Orten<br />
wurden im ersten Jahr keine und im zweiten<br />
je ein oder zwei Falter nachgewiesen.<br />
<strong>Dr</strong>ei Lokalitäten blieben in beiden Jahren<br />
ohne Nachweis. Auch die größte dieser<br />
Teilpopulationen ist aber im Vergleich zu<br />
den beiden vitalen Populationen <strong>als</strong> klein<br />
und somit gefährdet einzustufen.<br />
(e) „Ostabdachung Rhön“: In der 2002<br />
von Michael Krämer neu entdeckten<br />
Population wurden in den Jahren 2002<br />
bis 2004 Fang-Wiederfang-Experimente<br />
durchgeführt. 2002 errechnete sich<br />
daraus eine Populationsgröße von 62 Individuen,<br />
2003 resultieren 111 Individuen<br />
Abb. 2: Überlagerung der Lerchenspornvorkommen (4/2003) mit den Heckenpflegemaßnahmen (2000-<br />
2003) und den Apollo-Vorkommen (2003) (Teillebensräume) im Gebiet „Ostabdachung Rhön“.<br />
(Populationszunahme um 79 %), und<br />
2004 dürfte der Bestand über 200 Falter<br />
betragen haben (aufgrund der hohen<br />
Zahl an Erstfängen wurde auf eine Auswertung<br />
des Wiederfangs verzichtet, da<br />
klar war, dass die Population gegenüber<br />
2003 nochm<strong>als</strong> deutlich gewachsen ist).<br />
Als Ursachen für die Zunahme werden<br />
Erfolge durch die Heckenpflege sowie<br />
die Witterungsbedingungen gesehen.<br />
Zur besseren Erfassbarkeit der Falter<br />
und deren Zuordnung zu einzelnen<br />
Teillebensräumen sind diese in Abb. 2<br />
anhand der die Wiesen um- und einsäumenden<br />
Hecken abgegrenzt. Zusammen<br />
mit den Lerchenspornvorkommen und<br />
Heckenpflegemaßnahmen illustriert die<br />
Abbildung die enge räumliche Verknüpfung<br />
zwischen den Larval- und Imaginal-<br />
Habitaten.<br />
Ein Vergleich der Siedlungsdichten in<br />
den Teillebensräumen 2002 und 2003<br />
zeigt, dass eine deutliche Verschiebung<br />
von den südlichsten zu den mehr zentral<br />
gelegenen Lebensräumen stattgefunden<br />
hat – möglicherweise ein Ergebnis der<br />
Heckenpflegemaßnahmen (Abb. 3).<br />
1 9
2 0<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
(f ) hessische Vorkommen: Im hessischen<br />
Teil des Biosphärenreservats Rhön<br />
konnten durch <strong>Dr</strong>itte zwei Fundorte von<br />
Imagines mit 15 bzw. einem Individuum<br />
erbracht werden. An weiteren alten Fundorten<br />
waren 2003 nur Negativnachweise<br />
zu verzeichnen.<br />
3.2 Vorschlag von Maßnahmen des<br />
Habitatmanagements<br />
Bei der Kartierungen 2003 wurden verschiedene<br />
neuer Flughabitate des Schwarzen<br />
Apollo entdeckt, die bisher nicht<br />
bekannt waren oder an denen bei der<br />
Kartierung 2002 keine Falter nachgewiesen<br />
werden konnten. Die meisten Flughabitate<br />
sind, mit den bereits angeführten<br />
Ausnahmen, in nicht optimalem Zustand,<br />
d.h. es sollte durch Entbuschungs-,<br />
Gehölzreduktions- und/oder Heckenpflegemaßnahmen<br />
sowie Pflegemahd der<br />
Blühaspekt verbessert werden.<br />
Die Flughabitate im Bereich des Kreuzbergmassivs<br />
sind alle in einem überwiegend<br />
schlechten Zustand. Gerade die hier<br />
besonders wichtigen Säume von Waldwegen<br />
sind in den meisten Bereichen<br />
schon stark mit Gehölzen bewachsen<br />
– hier drängt die Entbuschung besonders.<br />
Die oft sehr kleinflächigen Waldwiesen<br />
werden vielfach nicht mehr genutzt,<br />
wodurch sie verbrachen und in der Folge<br />
Gehölzsukzession von den Waldrändern<br />
her vordringt. Hier müssen die Gehölze<br />
möglichst umgehend entfernt und die<br />
Mahd der Wiesen wieder aufgenommen<br />
werden.<br />
An den aus älteren Kartierungen bekannten<br />
Flughabitaten im Truppenübungsplatz<br />
sowie für den Bereich Bischofsheim<br />
ist noch keine Aussage zu sinnvollen<br />
Pflegemaßnahmen möglich. Die notwendigen<br />
Pflegemaßnahmen im Bereich der<br />
Langen Rhön sind bis auf geringfügige<br />
Nachbesserungsarbeiten weitgehend abgeschlossen.<br />
Hier werden erst mittelfristig<br />
neue Maßnahmen nötig werden.<br />
An der Lokalität „Ostabdachung Rhön“<br />
sollten aufgrund der guten Erfolge des<br />
Habitatmanagements die Pflegemaßnahmen<br />
auch zukünftig bei Bedarf fortgesetzt<br />
werden.<br />
4. Gefährdung und Maßnahmenvorschläge<br />
Die beiden individuenreichen Lerchenspornbestände<br />
am Kreuzberg scheinen<br />
nicht gefährdet. Sowohl die Wiese im<br />
Kammbereich <strong>als</strong> auch der Wegsaumbereich<br />
beginnen jedoch im Übergangsbereich<br />
Wald/Freifläche deutlich zu<br />
verbuschen. Die <strong>als</strong> Flugbereiche geeigneten<br />
Wiesen- und Saumbereiche werden<br />
teilweise nicht mehr genutzt. Neben einer<br />
initialen Entbuschung sollte hier eine<br />
regelmäßige Pflegemahd durchgeführt<br />
werden. Gleiches gilt für einen weiteren<br />
Wegsaum, der früher <strong>als</strong> Flugbereich<br />
diente, aktuell jedoch bereits stark verbuscht<br />
ist. Bei nur einem Vorkommen des<br />
Schwarzen Apollo am Kreuzberg ist der<br />
Flugbereich intakt und somit nicht pflegebedürftig.<br />
Das dortige Lerchenspornvorkommen<br />
ist allerdings so klein, dass<br />
es fraglich ist, ob es durch Habitatmanagement-Maßnahmen<br />
effektiv gestützt<br />
werden kann. Bei zwei weiteren kleineren<br />
Lerchenspornvorkommen mit geeigneten<br />
Flughabitaten in direkter Nachbarschaft<br />
konnten bisher keine Falter nachgewiesen<br />
werden. Hier sollte erst nach dem<br />
Nachweis von Imagines über geeignete<br />
Habitatmanagementmaßnahmen nachgedacht<br />
werden.<br />
Im Bereich von zwei der insgesamt sieben<br />
Vorkommen in der Langen Rhön haben<br />
in den vergangenen Jahren umfangreiche<br />
Pflegemaßnahmen für die Larval- und<br />
Imaginalhabitate stattgefunden, so dass<br />
hier aktuell kein Habitatmanagement<br />
erforderlich ist. Bei zwei kleinen Vorkommen<br />
mit sporadischen Einzelnachweisen<br />
von Faltern sollte nochm<strong>als</strong> überprüft<br />
werden, wo und wie viele Imagines dort<br />
fliegen. Da keine Lerchenspornvorkommen<br />
in unmittelbarer Umgebung gefunden<br />
wurden, könnte es sich auch um<br />
Individuen aus benachbarten Vorkommen<br />
handeln.<br />
Die <strong>als</strong> Flugbereiche in einem alten<br />
Steinbruch dienenden Säume sind sehr<br />
kleinräumig und drohen durch Fichtenanflug<br />
und andere Gehölze akut<br />
zuzuwachsen. Hier bestand dringender<br />
Handlungsbedarf, um diese Bereiche<br />
für den Schwarzen Apollo zu erhalten.<br />
Daher wurde 2002 und 2003 der dortige<br />
Gehölzanflug fast vollständig entfernt.<br />
Durch die Verbrachung und Verbuschung<br />
sind auch die Lerchenspornvorkommen<br />
im Saumbereich akut gefährdet. Die Lerchenspornvorkommen<br />
im angrenzenden<br />
Laubwald scheinen dagegen nicht bedroht<br />
zu sein.<br />
In einem weiteren Bereich mit aktuellen<br />
Einzelnachweisen des Schwarzen Apollo<br />
sollten die rudimentären Lerchenspornvorkommen<br />
unbedingt vergrößert werden.<br />
Im momentanen Umfang erscheinen<br />
sie <strong>als</strong> Eiablage- und Larvalhabitate nicht<br />
oder nur sehr bedingt geeignet.<br />
5. Habitat-Verbundkonzept<br />
Die Erarbeitung eines Habitat-Verbundkonzeptes<br />
soll dazu dienen, eine Diskussionsgrundlage<br />
zu schaffen, um gemeinsam<br />
mit der Forstverwaltung im Wald<br />
und am Waldrand liegende Larval- und<br />
Flug-Habitate zu entwickeln. Weiterhin<br />
soll versucht werden, mit Unterstützung<br />
des Forstes am Waldrand und im Waldinnern<br />
geeignete Trittsteine und Verbindungskorridore<br />
zwischen denselben zur<br />
Optimierung eines Habitat-Verbundes<br />
zu schaffen. In bestehenden und geplanten<br />
Schutzgebieten erfolgt bereits eine<br />
Verbesserung der Larval- und Flughabitate<br />
durch die Untere Naturschutzbehörde<br />
des Landkreises Rhön-Grabfeld<br />
und die bayerische Verwaltungsstelle des
Biosphärenreservats Rhön. Dies sind<br />
zentrale Bausteine innerhalb eines für den<br />
Schwarzen Apollo geeigneten Habitat-<br />
Verbundsystems.<br />
Für den Schwarzen Apollo in der Rhön<br />
bilden die zentralen Habitatrequisiten<br />
zum einen Lerchensporn-Vorkommen an<br />
Waldrändern und Säumen <strong>als</strong> Larvalhabitate,<br />
zum anderen blütenreiche Wiesen,<br />
insbesondere Bergwiesen und blütenreiche<br />
Säume an Hecken und v.a. Waldwegen<br />
mit hohem Anteil an Stauden, <strong>als</strong><br />
Flugbereiche für die Imagines. Feuchte<br />
Bereiche innerhalb dieser Habitatbestandteile<br />
(z.B. Quellfluren) erhöhen die<br />
Luftfeuchte, was von der Art präferiert<br />
wird (WEIDEMANN 1995).<br />
An den Waldrändern ist ein aufgelockerter<br />
Saum mit Büschen oder bis an den<br />
Waldrand reichenden Hecken und somit<br />
ein strukturreicher Übergang vom Wald<br />
zur Wiese – idealerweise Mähwiesen<br />
– gegenüber geraden Grenzlinien von<br />
Vorteil (Mikroklima-Wechsel!).<br />
Primäre Lebensräume dieser Falterart<br />
dürften in historischer Zeit in Wäldern<br />
durch natürlichen Verbiss von wilden<br />
Großherbivoren (später durch Waldweide<br />
mit Haustieren), Waldbrände, Windbruch<br />
und Schädlingskalamitäten o.ä.<br />
verfügbar gewesen sein. Der an wenigen<br />
Stellen sekundär entstandene Lebensraum<br />
wurde durch eine dortige besondere<br />
Nutzung durch den Menschen hervorgerufen<br />
(Bergwiesenmahd, Heckenanlage<br />
und -nutzung, z.T. Waldrandbeweidung).<br />
Der Schwarze Apollo ist natürlicherweise<br />
von Auflichtungen über Lerchensporn-<br />
Beständen, die relativ kleinflächig sein<br />
können, abhängig, wie sie durch natürliche<br />
Dynamik immer wieder entstehen.<br />
Nur an solchen Stellen ist er in der Lage,<br />
erfolgreich seine Eier abzulegen, und<br />
nur hier können sich seine Larven in<br />
ausreichender Zahl entwickeln. Leider<br />
wird eine natürliche Dynamik in unseren<br />
Wirtschaftswäldern so gut wie nicht<br />
mehr zugelassen und kann kurzfristig<br />
auch nicht wieder ermöglicht werden.<br />
Auch die früher in unterschiedlichem<br />
Umfang betriebene Kahlschlagwirtschaft,<br />
die dem Apollo immer wieder neue günstige<br />
Lebensbedingungen geschaffen hat,<br />
ist im Zuge der naturnahen Forstwirtschaft<br />
obsolet. Es ist deshalb von großer<br />
Wichtigkeit, die für diesen Schmetterling<br />
günstigen Habitatfaktoren in den geeigneten<br />
Bereichen durch Pflege zu sichern<br />
und zu entwickeln.<br />
Beobachtungen von SEUFERT (1996,<br />
unpubl. und mdl.) weisen darauf hin, dass<br />
die Art mit kleinen Populationen zumindest<br />
vorübergehend überleben kann. Die<br />
Falter sind weitgehend standorttreu und<br />
können daher durch Lebensraumerhaltung<br />
und -erweiterung in ihrem Bestand<br />
langfristig gesichert werden. Für überlebensfähige<br />
Populationen werden aus<br />
nordeuropäischen Regionen nach einer<br />
Zusammenstellung von SEUFERT<br />
(1996, unpubl.) allerdings mindestens 50<br />
Individuen zur Vermeidung von Inzuchteffekten<br />
und 500 für einen langfristigen<br />
Bestand gefordert (Originalquelle:<br />
VÄISÄNEN & SOMERA 1985). Ein<br />
gelegentlicher Austausch von Faltern<br />
zwischen weniger <strong>als</strong> 5 km voneinander<br />
entfernten Populationen wird vermutet<br />
und ist notwendig, um Inzuchteffekte<br />
gering zu halten. Als natürlicherweise<br />
an periodisch entstehende und wieder<br />
vergehende Lebensräume angepasste<br />
Tierart (eine sog. Katastrophenart) sollte<br />
der Apollo in der Lage sein, bei Lebensraumungunst<br />
oder Lebensraumverlust<br />
an einer Stelle neue geeignete Lebensraumbereiche<br />
in der Nähe zu erreichen.<br />
Gesicherte Untersuchungen hierzu fehlen<br />
jedoch. Fernausbreitungen wurden nicht<br />
beobachtet. Für die Art wird demnach<br />
ein von den natürlichen Bedingungen<br />
vorgegebenes Vorkommen in Metapopulationen<br />
wahrscheinlich.<br />
Durch die momentane Situation der<br />
räumlichen Isolation der am Kreuzberg,<br />
im Raum Bischofsheim, der Langen<br />
Rhön und den kleinen hessischen Vorkommensgebieten<br />
vorhandenen Meta-<br />
Populationen des Schwarzen Apollo<br />
und durch die klimatisch und durch<br />
Nutzungsaufgabe bedingten Ungunstfaktoren<br />
in den letzten besiedelten Lokalitäten<br />
muss innerhalb der Hochrhön ein<br />
Habitatverbundsystem entwickelt werden<br />
(Grundidee SEUFERT 1996, unpubl.).<br />
Die besiedelten und geeigneten Habitate<br />
auf der Langen Rhön und am Kreuzberg<br />
müssen <strong>als</strong> Kernhabitate in ihrer Habitatqualität<br />
möglichst optimal gehalten<br />
werden. Sie sind die noch vorhandenen<br />
Reservoire, von denen aus eine Neu- oder<br />
Wiederbesiedlung geeigneter Lebensräume<br />
in einer Entfernung bis zu 5 km<br />
stattfinden kann. Folglich sind zusätzlich<br />
in räumlicher Nähe zu diesen Kernhabitaten<br />
(bis 5 km Entfernung) ehem<strong>als</strong><br />
besiedelte oder neue geeignete Habitate<br />
mit vorhandenem Lerchenspornvorkommen<br />
zu gestalten, z.B. am Kreuzbergsüdhang<br />
und in weiteren Bereichen des<br />
Gebietes „Ostabdachung Rhön“ sowie im<br />
NSG „Lange Rhön“. Hierzu sind ältere<br />
Heckenkomplexe bzw. Waldränder mit<br />
Lerchenspornvorkommen aufzulichten.<br />
So entsteht einerseits der Larvenlebensraum<br />
(besonnte Lerchenspornbestände)<br />
oder wird erweitert, andererseits ein mikroklimatischer<br />
Wechsel für die Imagines<br />
(vgl. GROSSER 1991, KUDRNA &<br />
SEUFERT 1991).<br />
Mittelfristig (alle zwei bis fünf Jahre)<br />
müssen die besiedelten Lebensräume<br />
durch geeignete Pflegemaßnahmen, deren<br />
Turnus an die Erfordernisse des entsprechenden<br />
Vorkommens angepasst sein<br />
muss, „apollotauglich“ gehalten werden.<br />
Langfristig (über zehn Jahre) muss die<br />
Situation entsprechend neu geprüft und<br />
bewertet werden: Sollten dann ausreichend<br />
Lebensräume vorhanden sein,<br />
die gut besiedelt sind, und das natürliche<br />
bedingte Entstehen immer neuer<br />
Lebensräume (durch Nichteingreifen<br />
des Menschen in natürliche erratische<br />
Ereignisse wie Waldbrand, Windwurf,<br />
Eisbruch etc.) tatsächlich stattfinden,<br />
sollte die künstliche Pflege in geeignetem<br />
Umfang reduziert werden. Auch über eine<br />
2 1
2 2<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
langfristige Überführung der künstlichen<br />
Pflege in eine sinnvolle ökonomische<br />
Nutzung (periodische und gelenkte<br />
Waldrandweide oder Waldweide?) sollte<br />
nachgedacht werden.<br />
Um kurzfristig Abhilfe bei der Neuschaffung<br />
von Lebensräumen in Form<br />
von Nutzung zu erzielen, fehlen jedoch<br />
ausreichende Erkenntnisse zur Einbindung<br />
der Lebensraumentstehung in<br />
Nutzungsprozesse. Somit steht außer<br />
Frage, dass die vorhandenen Lebensräume<br />
<strong>als</strong> rettende Notmaßnahmen noch<br />
mindestens fünf bis zehn Jahre künstlich<br />
erhalten und gemehrt werden müssen.<br />
Für die Hauptpopulationen liegen konkrete<br />
Vorschläge zur Verbesserung des<br />
Habitatverbunds vor. Seitens des Forstes<br />
wurde für die Umsetzung Unterstützung<br />
zugesichert. Diese Vorschläge bedürfen<br />
nun der kontinuierlichen Realisierung.<br />
Dank<br />
Für die Bereitstellung von Daten zu Vorkommen,<br />
realisierten Pflegemaßnahmen,<br />
bereits durchgeführten Fang-Wiederfang-<br />
Experimenten und tatkräftige Mithilfe<br />
bei verschieden Kartierungsarbeiten und<br />
Auswertungen danke ich der Unteren<br />
Naturschutzbehörde des Landkreises<br />
Rhön-Grabfeld, insbesondere Herrn<br />
Michael Krämer, sowie den beiden<br />
Zivildienstleistenden Lukas Adrian<br />
und Simon Greiner der bayerischen<br />
Verwaltungsstelle des Biosphärenreservates<br />
Rhön ganz herzlich. Der Höheren<br />
Naturschutzbehörde bei der Regierung<br />
von Unterfranken in Würzburg danke ich<br />
für die Erteilung der notwendigen Ausnahmegenehmigungen<br />
für die Begehung<br />
der Naturschutzgebiete und den Fang<br />
der Falter. Herrn Priv.-Doz. <strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong><br />
Jedicke bin ich für die Koordination des<br />
Projektes und den Kontakt zur ZGF zu<br />
Dank verpflichtet. Letzterer danke ich für<br />
die Finanzierung der Untersuchungen.<br />
Abb. 3: Siedlungsdichte des Schwarzen Apollo in den Teillebensräumen des Gebiets „Ostabdachung Rhön“<br />
2002 (oben) und 2003 (unten). 1 = Einzelindividuen, 5 = hohe Siedlungsdichte<br />
Anschrift des Verfassers: Dipl.-Biol. Karl-<br />
Heinz Kolb, Bayerischer Bauernverband,<br />
Geschäftsstelle Bad Neustadt a.d. Saale,<br />
Berliner Straße 19a, 97616 Bad Neustadt/<br />
S., E-Mail Karl-Heinz.Kolb@Bayerischer<br />
BauernVerband.de.
Offenhaltung von Steintriften für die<br />
Berghexe und das Bundesgroßprojekt<br />
„Thüringer Rhönhutungen“<br />
Von Julia Gombert und Petra Ludwig<br />
Seit 1979 besteht das Programm des<br />
Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zur<br />
„Errichtung und Sicherung schutzwürdiger<br />
Teile von Natur und Landschaft mit<br />
gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung“.<br />
Das Förderprogramm soll zum<br />
dauerhaften Erhalt von Naturlandschaften<br />
sowie zur Sicherung und Entwicklung<br />
von Kulturlandschaften mit herausragenden<br />
Lebensräumen zu schützender<br />
Tier- und Pflanzenarten beitragen.<br />
In der Rhön handelt es sich um das<br />
zweite bewilligte Naturschutzgroßprojekt:<br />
Bereits von 1981 bis 1995 wurde im<br />
bayerischen Teil der Rhön das Naturschutzgroßprojekt<br />
„Hohe Rhön/Lange<br />
Rhön“ umgesetzt. Das Bundesgroßprojekt<br />
„Thüringer Rhönhutungen“ ist mit<br />
den Projekten am Kyffhäuser und im<br />
mittleren Saaletal das dritte seiner Art in<br />
Thüringen. Um in das Bundesförderprogramm<br />
aufgenommen zu werden, sind die<br />
Kriterien Repräsentanz, Großflächigkeit,<br />
Naturnähe, Gefährdung und Beispielhaftigkeit<br />
entscheidend.<br />
In Folge einer Jahrhunderte langen kontinuierlichen<br />
Schafbeweidung entstand<br />
in der Thüringischen Vorderrhön ein<br />
deutschlandweit einzigartiger Verbund<br />
an Magerrasen und Hutungsbändern auf<br />
Muschelkalk. Bis Anfang der 1990er<br />
Jahre befanden sich diese ausgedehnten<br />
Flächen, zu denen auch gehölzfreie Steintriften,<br />
Wacholderheiden sowie parkartige<br />
Hutewälder auf Kalkmagerrasen gehören,<br />
in einem hervorragenden Pflegezustand.<br />
Die geänderten Rahmenbedingungen seit<br />
Anfang der 1990er Jahre haben für die<br />
Landwirtschaft Einfluss auf die Bewirtschaftung<br />
der Kalkmagerrasen. Vor<br />
allem der Rückgang des Gesamtschafbestandes,<br />
die geänderten Ansprüche an<br />
die Schafhaltung und die Abnahme der<br />
Rinderbestände in der Region und damit<br />
die Verfügbarkeit fetteren Grünlands für<br />
die Schafherden haben eine nachlassende<br />
Nutzung der Kalkmagerrasen zur Folge.<br />
Daraus resultiert eine zunehmende Verbuschung<br />
auf den ehem<strong>als</strong> fast gehölzfreien<br />
Flächen.<br />
Um den repräsentativen Kalkmagerrasenkomplex<br />
zu erhalten und zu entwickeln<br />
sowie die dafür notwendigen Rahmenbedingungen<br />
für die Pflegeschäferei<br />
zu verbessern, wurde bereits Mitte der<br />
1990er Jahre eine erste Antragsskizze<br />
an das Bundesamt für Naturschutz zur<br />
Aufnahme in das Bundesförderprogramm<br />
gestellt. Nachdem das BfN im Jahr 2002<br />
neue Förderelemente in das Programm<br />
für Naturschutzgroßprojekte aufgenommen<br />
hatte, die unter anderem die Finanzierung<br />
von schäfereilicher Infrastruktur<br />
ermöglichen, wurde das Projekt 2003<br />
gestartet.<br />
Die besondere Bedeutung des Erhalts der<br />
Kalkmagerrasen zeigt der Schutzstatus in<br />
Thüringen, die Erfassung im Bundesnaturschutzgesetz<br />
und in der FFH-Richtlinie<br />
der EU.<br />
Die Bedeutung des Erhalts der naturnahen<br />
Kalk-Trockenrasen für unzählige<br />
Wärme liebende Arten soll anhand der<br />
Tagfalterart Berghexe (Chazara briseis)<br />
gezeigt werden.<br />
Artenschutz für die Berghexe<br />
Im Zeitraum von 2001 bis 2004 förderte<br />
die Zoologische Gesellschaft Frankfurt<br />
(ZGF) das Projekt zur Erhaltung bzw.<br />
Wiederherstellung des bedeutenden Vorkommens<br />
von C. briseis in der Thüringer<br />
Vorderrhön am Südhang der Hohen Geba.<br />
Die Berghexe ist eine in Südosteuropa<br />
und in Nordafrika verbreitet Tagfalterart.<br />
In Deutschland kommt diese stark gefährdete<br />
Art in den Bundesländern Baden-<br />
Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz,<br />
Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und<br />
Nordrhein-Westfalen vor. Überwiegend<br />
trägt sie den Rote-Liste-Status „stark<br />
gefährdet“. Sie ist auf heiße, trockene<br />
und mit Felsen durchsetzten Magerrasen<br />
angewiesen. Der Erhalt des Biotops<br />
(geeignete Pflege zur Vermeidung von<br />
Verbuschung) ist die einzige Möglichkeit,<br />
die Art dauerhaft zu erhalten.<br />
In Thüringen wurde die Berghexe im<br />
Norden am Kyffhäuser und in Südthüringen<br />
nachgewiesen. Die Population am<br />
Südhang der Hohen Geba zählt zu den<br />
individuenreichsten in ganz Deutschland.<br />
Hier in Südthüringen liegt der Verbreitungsschwerpunkt<br />
der Berghexe, was die<br />
besondere Verantwortung zum Erhalt<br />
dieser Art unterstreicht.<br />
Durch oben genannte Nutzungsänderungen<br />
veränderte sich der Lebensraum am<br />
Südhang der Hohen Geba. Vor allem der<br />
zunehmende Schlehen- und Nadelgehölzaufwuchs<br />
bedrohten die Population.<br />
In den Winterhalbjahren 2001/2002 und<br />
2002/2003 wurden im Rahmen des Pro-<br />
2 3
2 4<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
jekts auf sechs Hektar Kalkmagerrasen<br />
umfangreiche Entbuschungsmaßnahmen<br />
durchgeführt.<br />
Um den Lebensraum der Berghexe<br />
nachhaltig zu sichern, wurde das Weidemanagement<br />
auf den Flächen verbessert,<br />
indem eine Beweidung im Juni und im<br />
August durch Hüteschafhaltung realisiert<br />
und die hier weidende Herde mit Ziegen<br />
aufgestockt wurde. Zusätzlich fand über<br />
drei Jahre eine Nachmahd der Stockausschläge<br />
statt.<br />
Um den Verlauf des Projekts zu dokumentieren,<br />
wurden vier Transekte zum<br />
Monitoring der Populationsentwicklung<br />
angelegt. Von 2001 bis 2003 war während<br />
der Flugzeit ( Juli – September)<br />
eine Erhöhung der Gesamtfalterzahl zu<br />
beobachten. Dies lässt vermuten, dass<br />
die Verbesserung des Lebensraums eine<br />
tendenzielle Populationszunahme mit<br />
sich brachte.<br />
Planung und Umsetzung des Naturschutzgroßprojektes<br />
„Thüringer Rhönhutungen“<br />
Die Finanzierung des Naturschutzgroßprojekts<br />
mit insgesamt 5,3 Mio. Euro setzt<br />
sich folgendermaßen zusammen: 75 %<br />
der Kosten trägt der Bund mit Mitteln<br />
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit (BMU),<br />
15 % übernimmt das Land Thüringen,<br />
und 10 % bringt der Projektträger auf.<br />
Diesen Anteil übernehmen hier die beiden<br />
Landkreise Schmalkalden-Meiningen<br />
und Wartburgkreis.<br />
Mit dem Stattgeben einer Förderung<br />
des Vorhabens im Jahr 2003, die sich<br />
zunächst auf die Finanzierung der Planungsphase<br />
(Phase I) bezog, konnte mit<br />
der Erstellung eines Pflege- und Entwicklungsplans<br />
(PEP) begonnen werden.<br />
Diese beinhaltete neben den Bestandsaufnahmen<br />
von Gefäßpflanzen Tagfaltern,<br />
Heuschrecken und xylobionten Käfern<br />
auch sozioökonomische Untersuchungen.<br />
Alle Ergebnisse wurden schließlich zu-<br />
Abb. 1: Berghexe – Zielart auf sonnenexponierten<br />
Südhängen.<br />
sammengeführt. Mit Hilfe einer externen<br />
Moderation konnte ein realistisches Maßnahmenkonzept<br />
erstellt werden.<br />
Die Trennung der PEP-Erstellung und<br />
der Maßnahmenumsetzung in zwei Phasen<br />
ist eine Neuerung des Bundesförderprogramms.<br />
Erst mit einer gemeinsamen<br />
Verabschiedung des PEP durch Bund,<br />
Land und den Projektträger kann die<br />
Umsetzungsphase (Phase II) gestartet<br />
werden. Im Falle des Naturschutzgroßprojektes<br />
„Thüringer Rhönhutungen“ mit<br />
einem Gesamtumfang des Projektgebietes<br />
von etwa 13.650 ha wurde die Förderphase<br />
II im Dezember 2005 genehmigt.<br />
Bis 2013 werden Maßnahmen in den acht<br />
Kerngebieten mit einer Größe von ca.<br />
3.500 ha umgesetzt.<br />
Maßnahmenumsetzung<br />
In der zweiten Phase des Projekts werden<br />
Maßnahmen mit folgendem Schwerpunkt<br />
umgesetzt: Erstpflege- und Biotopinstandsetzung,<br />
schäfereiliche Maßnahmen,<br />
Öffentlichkeitsarbeit, spezieller Artenschutz<br />
und Grunderwerb.<br />
Im Rahmen der Erstpflege- und Biotopinstandsetzung<br />
werden vor allem<br />
Entbuschungsmaßnahmen auf Kalkmagerrasen<br />
durchgeführt. Hierzu zählen<br />
auch die Wiederherstellung von Triebwegen,<br />
die Entnahme standortfremder<br />
Nadelgehölze sowie die Auflichtung von<br />
Wacholderheiden und die Freistellung<br />
von Lesesteinwällen. Außerdem werden<br />
kleinflächige Kalkflachmoore durch<br />
Mahd regeneriert und durch gezielte<br />
Abb. 2: Wacholderheide im NSG Kuhkopf bei<br />
Diedorf.<br />
Ausgrenzung vor Trittschäden gesichert.<br />
Um eine dauerhafte Pflege der Flächen<br />
zu erreichen, wird angestrebt, die Beweidungsinfrastruktur<br />
zu optimieren. Hierzu<br />
zählen die Sanierung und der Neubau<br />
von Tränkeinrichtungen auf den wasserarmen<br />
Hutungen, um die Verweildauer<br />
der Schafherden auf den Flächen zu<br />
erhöhen. Der Tierbestand wird durch den<br />
Ankauf von Schafen und Ziegen erhöht.<br />
Auch bauliche Maßnahmen wie die Errichtung<br />
eines Schafübertriebes über die<br />
Felda spielen eine Rolle.<br />
Öffentlichkeitsarbeit stellt einen wichtigen<br />
Aufgabenbereich dar, um über das<br />
Projekt zu informieren und die Akzeptanz<br />
in der Bevölkerung zu fördern.<br />
Neben Informationsbroschüren existiert<br />
eine projekteigene Homepage (www.<br />
thueringer-rhoenhutungen.de), es werden<br />
zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt,<br />
und es wird ein Schäferweg <strong>als</strong> Themen-<br />
und Erlebnis-Rundwanderweg installiert.<br />
In ausgewählten Bereichen spielen administrative<br />
Maßnahmen wie Landankauf<br />
zur Sicherung wertvoller Flächen eine<br />
Rolle.<br />
Anschriften der Verfasserinnen: Dipl.-<br />
Biol. Julia Gombert und Dipl.-Ing. (agr.)<br />
Petra Ludwig, Landschaftspflegeverband<br />
„Biosphärenreservat Thüringische Rhön“<br />
e.V., Naturschutzgroßprojekt „Thüringer<br />
Rhönhutungen“, Am Pförtchen 15, 98634<br />
Kaltensundheim,<br />
E-Mail lpv.rhoen@t-online.de.<br />
Fotos: Julia Gombert, G. Roeder
Maßnahmen gegen den Stromtod von<br />
Großvögeln im Biosphärenreservat Rhön<br />
Von Torsten Kirchner<br />
1. Einleitung<br />
In Ergänzung zu biotopverbessernden Maßnahmen<br />
für Großvögel stellt die Verminderung<br />
des Gefahrenpotenti<strong>als</strong> für Einzelindividuen<br />
an Strommasten und -leitungen<br />
eine wichtige Maßnahme zum Schutz<br />
unserer heimischen Großvögel dar. Die<br />
Umsetzung der im „Zoologischen Artenschutzkonzept“<br />
geforderten Minimierung<br />
von Stromschlagverlusten geht zurück auf<br />
zahlreiche Funde verendeter Großvögel<br />
unter Stromleitungen und -masten. So<br />
listet MÜLLER (1990) für Osthessen<br />
die Funde u.a. von drei Kranichen, drei<br />
Weißstörchen, sechs Schwarzstörchen,<br />
elf Rotmilanen, zwei Auerhühnern sowie<br />
fünf Uhus schon bis zum Jahre 1990 auf.<br />
Man muss davon ausgehen, dass dies nur<br />
die Spitze des Eisberges darstellt, da verunfallte<br />
Vögel schnell durch Füchse und<br />
andere Beutegreifer abgegriffen werden.<br />
Hinzu kommt, dass Totfunde zwar registriert,<br />
aber nicht gemeldet werden.<br />
Bei neueren Funden von „Rote-Liste-<br />
Arten“ wie Schwarzstorch und Uhu<br />
flackerte das Thema „Stromtod“ in der<br />
Rhön immer wieder auf. Einzelne Gebietskenner<br />
kümmerten sich um „ihre“<br />
Gebiete und nahmen selbständig Kontakt<br />
mit den regionalen Stromversorgern auf,<br />
um Einzelmaßnahmen durchzusetzen.<br />
Die „Stromtodproblematik“ lag auch bei<br />
der Arbeitsgemeinschaft der anerkannten<br />
Naturschutzverbände (agn) im Landkreis<br />
Fulda immer wieder auf dem Tisch.<br />
Versuche, ein durchsetzungsfähiges flächendeckendes<br />
Maßnahmenkonzept zur<br />
Minimierung von Stromschlagverlusten<br />
zu entwickeln, scheiterten wahrscheinlich<br />
aufgrund unrealistischer Forderungen<br />
seitens des Naturschutzes, weil pauschal<br />
eine Verkabelung von großen Streckenabschnitten<br />
gefordert wurde, die seitens<br />
der EVU (Energieversorgungsunternehmen)<br />
nicht machbar ist. Es muss jedoch<br />
Erwähnung finden, dass die EVU schon<br />
sehr viel Initiative gezeigt hatten und<br />
dass bereits erhebliche Teile der riskanten<br />
Strommasten gesichert waren.<br />
Ziel dieses Projektes war die flächendeckende<br />
Erfassung der gefahrenträchtigen<br />
Einzelmasten und problematischen Freileitungsstrecken<br />
sowie die Entwicklung<br />
einer Prioritätenliste zur Sanierung dieser<br />
Brennpunkte. Die finanziell begrenzt realisierbaren<br />
Ressourcen seitens der EVU<br />
im Biosphärenreservat sollten dadurch so<br />
effizient wie möglich für den Artenschutz<br />
eingesetzt werden.<br />
2. Gefahr durch Freileitungen<br />
und Strommasten<br />
Strommasten und Freileitungen besitzen<br />
<strong>als</strong> Gefährdungsursachen unterschiedliche<br />
Qualitäten. Während bei<br />
Freileitungen die Vögel vor allem durch<br />
mechanische Einwirkung auf den Körper<br />
zu Tode kommen bzw. verletzt werden,<br />
liegt die Todesursache an Masten meist<br />
im Stromschluss des Vogels mit leitenden<br />
Teilen. Insbesondere in engen Kerbtälern<br />
können sich Anflugverluste an Freileitungen<br />
häufen, wenn Großvögel (häufig<br />
Jungvögel) bei Störungen panisch in die<br />
Leitungen fliegen.<br />
Das beschriebene Projekt befasste sich<br />
fast ausschließlich mit 20-kV-Mittelspannungsleitungen.<br />
Die noch vorhandenen<br />
Niederspannungsleitungen wurden<br />
bereits in der Vergangenheit sukzessive<br />
verkabelt, zumal die Masttypen im Niederspannungsbereich<br />
im Untersuchungsgebiet<br />
nahezu ausnahmslos ungefährlich<br />
für Vögel erschienen. Ebenso bedeuten<br />
Holzmasten mit nicht geerdeten Bauteilen<br />
in der Regel keine Gefährdung für<br />
Vögel. Allerdings besteht bei sämtlichen<br />
Strommasttypen ein gewisses Restrisiko<br />
für Großvögel.<br />
Ein unverhältnismäßig hohes Gefahrenpotential<br />
stellen vor allem Beton- und<br />
Stahlgittermasten mit Stützisolatoren<br />
dar. Da diese Masttypen aufgrund ihrer<br />
Leitfähigkeit einen Erdschluss bewirken,<br />
genügt die Berührung einer Strom leitenden<br />
Phase bei gleichzeitiger Erdung, um<br />
den Vogel zu töten. Es kann sogar bei zu<br />
dichter Annäherung – ohne Berührung<br />
– zum tötenden Stromschlag kommen.<br />
Die Sicherung dieser Bautypen wird<br />
meist durch Überbau mittels Sitzkrücke<br />
erreicht, durch Herunterhängen der<br />
Isolatoren oder durch eine Kunststoff-<br />
Manschette, die auf die Stützisolatoren<br />
befestigt wird. Somit soll die Gefahr des<br />
Berührens unter Spannung stehender<br />
Teile verhindert werden. Zur genaueren<br />
Einschätzung unterschiedlicher Masttypen<br />
wird auf VDEW (1986) verwiesen.<br />
Die Situation für Großvögel bezüglich<br />
der Strommasten wird sich langfristig<br />
verbessern, da im Zuge der Trassenmodernisierung<br />
Masten mit Vogelschutzeinrichtungen<br />
und weniger gefährlicher<br />
Bauart zum Einsatz kommen. Für Neubauten<br />
gilt grundsätzlich Abschnitt 8.10<br />
der DIN VDE-Bestimmung 0210, nach<br />
der „die Querträger, Isolatorstützen und<br />
sonstige Bauteile der Starkstrom-Freileitungen<br />
so auszubilden sind, dass den<br />
2 5
2 6<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Vögeln keine Sitzgelegenheit in gefahrbringender<br />
Nähe der unter Spannung stehenden<br />
Leiter gegeben wird.“ Die Untersuchung<br />
hat ergeben, dass die Sicherheit<br />
der Masten bei modernisierten Leitungen<br />
durchaus gegeben scheint.<br />
3. Methode und Gebiet<br />
Das bearbeitete Gebiet umfasst den zentralen<br />
Bereich der Rhön länderübergreifend<br />
und deckt sich zu über 90 % mit<br />
dem Biosphärenreservat. Im Bearbeitungsgebiet<br />
liegen wertvolle und häufig<br />
genutzte Lebensräume von Großvögeln.<br />
Die 20-kV-Leitungen wurden vollständig<br />
mit dem Pkw abgefahren und gefahrenträchtige<br />
Masten und Streckenverläufe<br />
in Messtischblätter (TK 25) eingetragen<br />
sowie in einer Liste dokumentiert.<br />
Nach Feststellung aller offensichtlich<br />
gefahrenträchtigen Punkte erfolgte eine<br />
Prioritätenfestlegung der am dringlichsten<br />
umzusetzenden Maßnahmen. Die ermittelten<br />
gefährlichen Masten und Stromtrassenverläufe<br />
wurden in drei Prioritätsstufen<br />
unterteilt (Priorität A, B und C),<br />
wobei Priorität A die höchste <strong>Dr</strong>inglichkeitsstufe<br />
zur Maßnahmenumsetzung<br />
darstellt. Die Zuteilung in die unterschiedlichen<br />
Prioritätsstufen wurde begründet<br />
und mit 15 Gebietskennern abgestimmt.<br />
Bewertungskriterien bildeten dabei:<br />
• Vorkommen von Großvogelarten<br />
(bekannte Brutplätze in der Nähe);<br />
• Beobachtungshäufungen im näheren<br />
Umfeld;<br />
• erhöhtes Gefahrenpotenzial durch<br />
naheliegende ergiebige Nahrungsgründe<br />
(z.B. Fischteiche, Kläranlagen etc.);<br />
• Todfunde in der Vergangenheit.<br />
4. Ergebnisse<br />
Es wurden mehr <strong>als</strong> 700 Masten im<br />
Bearbeitungsgebiet ermittelt, die eine<br />
unmittelbare Gefahr für Vögel darstellen.<br />
Schon während der Kartierungsarbeiten,<br />
aber auch nach Abschluss, wurden Gespräche<br />
mit allen im Gebiet betroffenen<br />
EVU geführt: ÜWAG Fulda, Überlandwerk<br />
Rhön, eon-bayern sowie TEAG.<br />
Nach Abstimmung der Prioritätenlisten<br />
mit den Gebietskennern fand die Vorstellung<br />
der Ergebnisse und Besprechung der<br />
jeweiligen Prioritätenlisten mit den EVU<br />
statt. Alle EVU sagten eine Verstärkung<br />
der Vogelschutzmaßnahmen und insbesondere<br />
die Konzentration der Mittel für<br />
Maßnahmen der höchsten Prioritätsstufe<br />
zu. Durch Ergänzung von Mitteln der<br />
Ausgleichsabgabe, die im hessischen<br />
Teil des Biosphärenreservates durch das<br />
Projekt herangezogen werden konnten,<br />
bestand die Möglichkeit, alle Masten der<br />
höchsten Gefährdungsstufe in diesem<br />
Teilgebiet durch Umrüstung zu sichern.<br />
So wurden vom Überlandwerk Rhön<br />
binnen weniger Wochen 109 Masten<br />
umgebaut.<br />
Durch die Beschäftigung mit der Thematik<br />
sowie die Diskussion mit Naturschützern<br />
und Technikern ergeben sich folgende<br />
Hinweise und allgemeine Forderungen<br />
an die Stromversorger:<br />
• Sitzkrücken <strong>als</strong> Überbau sollten die<br />
gesamte Breite des Mastes abdecken.<br />
Halbherzige Maßnahmen helfen nicht<br />
ausreichend.<br />
• Die Annahme, dass sich die Vögel stets<br />
auf den höchsten Punkt setzen und<br />
damit automatisch die Sitzkrücke<br />
nutzen, muss nicht immer zutreffen.<br />
Ebenfalls kommt es unter Artgenossen<br />
oder auch zwischenartlich immer wie-<br />
der zu Interaktionen (Betteln von Jung-<br />
vögeln, Hassen von Krähen auf Greife<br />
etc.), so dass auch die erreichbaren Plät-<br />
ze neben der Sitzstange genutzt werden<br />
und damit freiliegende, unter Spannung<br />
stehende Teile berührt werden können.<br />
• Der Sitzkrückendurchmesser sollte<br />
stark genug sein, damit beispielsweise<br />
Schwarzstörche entsprechend gu-<br />
ten Halt finden. Hier können ca. 5 cm<br />
Durchmesser <strong>als</strong> Anhaltswert dienen.<br />
• Die kurzen VK60-Isolatoren sollten bei<br />
Wartungsarbeiten grundsätzlich gegen<br />
moderne Langstabisolatoren ausge-<br />
tauscht werden, um die Entfernung<br />
des sitzenden Vogels zu unter Span-<br />
nung stehenden Teilen zu vergrößern.<br />
5. Schlussbetrachtung<br />
Die befristete Projektlaufzeit lässt eine<br />
konsequente Verfolgung der Zusagen<br />
seitens der EVU leider nicht zu. Die<br />
Nachfrage beim Überlandwerk Rhön, der<br />
Elektroversorger mit erheblichem Sicherungsbedarf<br />
(aufgrund teilweise veralteter<br />
Leitungen der ehemaligen DDR), ergab,<br />
dass jährlich 10.000 e unmittelbar für<br />
Vogelschutzmaßnahmen ausgegeben werden.<br />
Daneben gehört bei allen Wartungsarbeiten<br />
sowie Leitungserneuerungen<br />
Vogelschutz zum Standardprogramm.<br />
Es wäre wünschenswert, wenn der Ball<br />
seitens der Behörden aufgenommen und<br />
die erstellte Prioritätenliste konsequent<br />
abgearbeitet würde. In der Landschaft<br />
wurden entscheidende Verbesserungen<br />
erzielt, die jedoch ausbaufähig sind und<br />
weiter eingefordert werden müssen.<br />
Literatur<br />
MÜLLER, F. (1990): Gefährdung von<br />
Großvögeln durch Hochspannungsfreileitungen<br />
und -masten in Osthessen.<br />
Beiträge zur Naturkunde in Osthessen<br />
26, 143-148.<br />
VDEW (Hrsg., 1986):Vogelschutz an<br />
Freileitungen – Erläuterungen zu Abschnitt<br />
8.10 „Vogelschutz“ der Bestimmung<br />
DIN 0210/12.85.<br />
Anschrift des Verfassers: Dipl.-Biol. Torsten<br />
Kirchner, Berghofstraße 4, 97650 Rüdenschwinden,<br />
E-Mail<br />
torsten.kirchner@brrhoenbayern.de.
Ein Rettungsnetz für die Wildkatze –<br />
Verbund von Waldlebensräumen<br />
Von Burkhard Vogel, Thomas Mölich und Sabine Jantschke<br />
1. Einleitung<br />
Noch gibt es sie. Sie gehören zu den letzten<br />
Raubkatzen Europas. Seitdem haben<br />
die Bestände kontinuierlich abgenommen.<br />
Heute leben Wildkatzen zurückgezogen<br />
in teilweise stark von einander isolierten<br />
Vorkommen (EPPSTEIN ET AL. 1999,<br />
PIECHOCKI 2001, VOGT 1985)<br />
(Abb. 1).<br />
Die ungebremste Zunahme von Siedlungs-<br />
und Gewerbeflächen, der Ausbau<br />
der Verkehrsinfrastruktur und die<br />
Intensivierung von Land- und Forstwirtschaft<br />
führen dazu, dass immer weniger<br />
großflächig unzerschnittene Waldlebensräume<br />
zur Verfügung stehen. Naturnahe<br />
Waldgebiete ohne gravierende Fragmentierung<br />
mit mehr 100 km 2 Fläche gibt es<br />
in Deutschland nicht mehr. Für die Wildkatze<br />
und viele andere Waldarten werden<br />
die Wälder zu Lebensrauminseln in einer<br />
immer intensiver genutzten Kulturlandschaft.<br />
Abrupte Wald-Feld-Übergänge<br />
oder Siedlungs- und Verkehrsflächen wirken<br />
wie unüberwindbare Barrieren. Die<br />
betroffenen Populationen werden isoliert<br />
und der für das Überleben von Teilpopulationen<br />
notwendige Austausch wird<br />
unterbunden. Landschaftsstreifen von nur<br />
wenigen hundert Metern Breite hindern<br />
Wildkatzen bereits daran, in andere Reviere<br />
zu wechseln (MÖLICH & KLAUS<br />
2003). Auch für andere Waldarten wie<br />
beispielsweise Dachs, Rotwild, Wildschwein,<br />
Luchs sowie für viele Brutvogelarten<br />
sind die negativen Auswirkungen<br />
der Fragmentierung belegt.<br />
Seit langem sind Biotopverbundkonzepte<br />
in der Diskussion, die den Folgen der<br />
Fragmentierung durch die Wiedervernetzung<br />
von Lebensräumen entgegen wirken<br />
sollen ( JEDICKE 1994, Rat von Sachverständigen<br />
für Umweltfragen 2000).<br />
Die Funktionsfähigkeit solcher Korridore<br />
wird durch eine Vielzahl von Untersuchungen<br />
belegt. Intelligent angelegte<br />
Korridore helfen, voneinander isolierte<br />
Waldbiotope zu vernetzen.<br />
In Deutschland wird seit den 1980er<br />
Jahren der Aufbau eines landesweiten<br />
Biotopverbundes auf 10 bis 15 % der<br />
Landesfläche gefordert. Inzwischen verpflichtet<br />
das neue Bundesnaturschutzgesetz<br />
die Bundesländer zum Aufbau eines<br />
landesweiten Biotopverbundes auf 10 %<br />
ihrer Landesfläche (BNatSchG 2002,<br />
§ 3, Abs. 1). Es bietet sich an, Zielarten<br />
auszuwählen, aus deren Ansprüchen stellvertretend<br />
für die Lebensgemeinschaften<br />
der betroffenen Ökosysteme wirksame<br />
Maßnahmen für die Biotopverbundplanung<br />
abgeleitet werden können (VOGEL<br />
et al. 1996). Der Deutsche Jagdschutzverband<br />
(DJV) und das Bundesamt<br />
für Naturschutz haben gemeinsam ein<br />
bundesweites Grobkonzept für Lebensraumkorridore<br />
von Zielarten erarbeitet<br />
(RECK et al. 2004). Die Umsetzung von<br />
Biotopverbundkonzepten erfolgt bisher<br />
in der Regel aber nur auf kleinräumiger<br />
und mittlerer Maßstabsebene. Auch im<br />
Rahmen der FFH-Richtlinie haben die<br />
Bundesländer nahezu ausschließlich<br />
isolierte Lebensräume <strong>als</strong> Schutzgebiete<br />
gemeldet und auf die Ausweisung von<br />
Verbundkorridoren verzichtet.<br />
Waldökosysteme nehmen im Aufbau<br />
eines landesweiten Biotopverbundes eine<br />
zentrale Rolle ein, weil die Zukunft nicht<br />
nur der Wildkatze, sondern vieler heimischer<br />
Arten davon abhängt, ob es gelingt,<br />
eine wirkungsvolle Vernetzung von<br />
Waldlebensräumen zu etablieren. Dazu<br />
hat der BUND Thüringen im Jahr 2004<br />
das Projekt „Rettungsnetz Wildkatze“ gemeinsam<br />
mit dem Bund Naturschutz in<br />
Bayern e.V., dem BUND Hessen e.V. und<br />
dem BUND-Bundesverband gestartet.<br />
Das Vorhaben wird von der Deutschen<br />
Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der<br />
Zoologischen Gesellschaft Frankfurt<br />
(ZGF) finanziell unterstützt und hat eine<br />
Laufzeit bis Mitte des Jahres 2009. Damit<br />
soll erstm<strong>als</strong> in Deutschland in einem<br />
großen Naturraumkomplex die Umsetzung<br />
eines großräumigen Biotopverbundes<br />
vorbereitet und regional beispielhaft<br />
realisiert werden.<br />
2. Ziele im Projekt „Rettungsnetz<br />
Wildkatze“<br />
Das Vorhaben hat zum Ziel, Waldlebensräume<br />
zwischen Bayern, Hessen<br />
und Thüringen so wieder zu vernetzen,<br />
dass die Wildkatze und andere bedrohte<br />
Waldarten langfristig eine Chance zum<br />
Überleben haben. Die Rhön bildet dabei<br />
einen Hauptkorridor (Abb. 2). Die Umsetzung<br />
erfolgt in vier Teilprojekten:<br />
• Kartierung: Ziel ist es, konkrete Maß-<br />
nahmen vorzuschlagen, wo und wie die<br />
Umsetzung der Waldvernetzung in der<br />
Projektregion erfolgen kann.<br />
• Korridor: Zwischen dem Nationalpark<br />
Hainich und dem Naturpark Thüringer<br />
Wald soll ein Wanderkorridor entste-<br />
hen. Ziel ist es, eine zentrale Verbundachse<br />
zum ungehinderten Populati-<br />
onsaustausch der Wildkatze zwischen<br />
den Waldgebieten Harz, Hainich und<br />
Thüringer Wald bis nach Nordbayern<br />
zu schaffen.<br />
2 7
2 8<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
• Kontrolle: Kontrolle steht zunächst<br />
für Erfolgskontrolle des Artenhilfspro-<br />
gramms zur Wiederansiedlung der<br />
Wildkatze in Bayern. Durch den<br />
Aufbau einer Gen-Datenbank „Wild-<br />
katze“ wird in Kombination mit der im<br />
Projekt im großen Maßstab erprobten<br />
„Lockstockmethode“ die Grundlage für<br />
ein langfristiges Wildkatzenmonitoring<br />
geschaffen.<br />
• Kommunikation und Kampagne: Kommunikation<br />
und Kampagne steht für<br />
die projektbegleitende Öffentlichkeitsarbeit<br />
und den Dialog mit allen Interessensgruppen.<br />
Ziel ist es, eine emotionale<br />
Verbundenheit mit den Projektzie-<br />
len in der Bevölkerung zu erzeugen, die<br />
politische Unterstützung zu erhalten<br />
und Kooperationspartner in den betroffenen<br />
Behörden und Verbänden sowie<br />
Ehrenamtliche für die Umsetzung der<br />
Maßnahmen zu gewinnen.<br />
3. Zielart Wildkatze<br />
Die Wildkatze ist wie kaum eine andere<br />
Art <strong>als</strong> Zielart für einen Verbund von<br />
Waldlebensräumen geeignet:<br />
Abb.: 1 Wildkatze. Foto: T. Stephan<br />
• Sie ist eine Charakterart naturnaher,<br />
störungsarmer Waldgebiete.<br />
• Sie reagiert sehr sensibel auf die Frag-<br />
mentierung von Waldlebensräumen<br />
und ist daher ein Indikator für den<br />
Grad der Vernetzung der Wälder.<br />
• Ihr Flächenanspruch entspricht der<br />
Maßstabsebene, auf der ein Biotopverbund<br />
für Waldlebensräume umzusetzen<br />
ist.<br />
• Sie ist ein europäisches Faunenelement.<br />
Deutschland liegt im Zentrum ihres<br />
Verbreitungsare<strong>als</strong> und trägt für den<br />
Erhalt dieser Art eine besondere Ver-<br />
antwortung<br />
• Naturnahe Wälder mit ausreichender<br />
Vernetzung sind nicht nur für die Wildkatze<br />
Voraussetzung zum Überleben.<br />
• Sie ist ein ausgesprochener Sympathie-<br />
träger für Maßnahmen des Naturschutzes.<br />
4. Projektumsetzung<br />
4.1 Methoden und Maßnahmen im<br />
Teilprojekt Kartierung<br />
Die wesentlichen Grundlagen für dieses<br />
Teilprojekt sind:<br />
Abb. 2: Karte des<br />
Rettungsnetzes.<br />
• die Daten zur aktuellen Verbreitungssi-<br />
tuation und zu Ausbreitungsbewegun-<br />
gen der Wildkatze in Hessen, Bayern<br />
und Thüringen,<br />
• Pläne und Konzepte der Raumordnung,<br />
Landschaftsplanung, der Forstplanung<br />
und des Naturschutzes ,<br />
• Fernerkundungsdaten (Corine Land-<br />
nutzungsdaten) und topografische<br />
Daten,<br />
• Habitatmodelle und Cost-Path-Analy-<br />
sen für die Wildkatze <strong>als</strong> Zielart.<br />
Für die Linienfindung des Biotopverbundsystems<br />
wurde zunächst auf das<br />
von MÜLLER et al. (2003) entwickelte<br />
Korridormodell (GIS-Modell auf Basis<br />
von Cost-Path-Analysen) zurückgegriffen<br />
(Abb. 3). Der errechnete Korridorverlauf<br />
wurde unter funktionalen Gesichtspunkten<br />
einer abschließenden Evaluierung<br />
durch Experten unterzogen und mit anderen<br />
Modellierungsergebnissen wie dem<br />
vorliegenden Ausbreitungsmodell „Luchs“<br />
(SCHADT et al. 2000) abgeglichen. Ziel<br />
ist die Gewährleistung einer ausreichenden<br />
Anzahl und günstigen Verteilung von<br />
Trittsteinbiotopen.
Im Projektverlauf wurde das zunächst auf<br />
Bayern, Hessen und Thüringen begrenzte<br />
Korridormodell unter Einbeziehung des<br />
von KLAR et al. (2007) entwickelten<br />
Habitatmodells für die Wildkatze auf das<br />
gesamte Gebiet Deutschlands erweitert.<br />
Einbezogen wurde auch der aktuelle<br />
Stand der bundesweiten Verbreitungssituation<br />
der Wildkatze und die bekannten<br />
Vorkommen von Felis silvestris in den<br />
Nachbarländern.<br />
4.2 Welche Ergebnisse sind zu erwarten?<br />
Im Teilprojekt „Kartierung“ entsteht ein<br />
„Wildkatzen-Wegeplan“ für das gesamte<br />
Projektgebiet in drei unterschiedlichen<br />
Maßstabsebenen:<br />
• <strong>als</strong> Gesamtbetrachtung für das Pro-<br />
jektgebiet – Produkt ist eine Karte der<br />
Handlungsschwerpunkte des überre-<br />
gionalen Biotopverbundes (Maßstab<br />
1 : 250.000) mit Maßnahmenpool;<br />
• <strong>als</strong> regionalisierte Betrachtung für<br />
ausgewählte (prioritäre) Teilgebiete –<br />
Produkt ist eine Karte der Handlungs-<br />
schwerpunkte des regionalen Biotop-<br />
verbundes <strong>als</strong> Instrument der Regiona-<br />
len Raumordnung (Maßstab 1:100.000<br />
bis 1: 50.000) mit Maßnahmenpool;<br />
• <strong>als</strong> modellhafte Detailbetrachtung an<br />
Brennpunkten des Biotopverbundes –<br />
Produkt ist eine Karte mit Maßnah-<br />
menpool des lokalen Biotopverbundes<br />
für zwei Fallbeispiele (Korridor Hai-<br />
nich – Thüringer Wald, Vernetzung<br />
Rothaargebirge – Burgwald – Kellerwald)<br />
(Maßstab 1 : 10.000 und darunter).<br />
Durch die Weiterentwicklung des Verbundmodells<br />
zu einem bundesweiten<br />
„Wildkatzenwegeplan“ besteht die Option<br />
einer konsistenten, länderübergreifenden<br />
Fortführung derartiger Maßnahmen.<br />
Die Ergebnisse des Teilprojektes „Kartierung“<br />
sollen in Landesprogramme,<br />
Landschafts- und Raumordnungspläne<br />
eingehen und den Kommunen und<br />
Naturschutzbehörden Vorschläge für<br />
Kompensationsmaßnahmen im Rahmen<br />
der Eingriffsregelung liefern (vgl. Teilprojekt<br />
III „Korridor“, Kap. 5.3.).<br />
Den Maßnahmenvorschlägen werden<br />
Prioritäten zugewiesen. Der aus Text und<br />
Karte bestehende Maßnahmenplan wird<br />
so angelegt, dass er von Planern, Behörden<br />
und Kommunen <strong>als</strong> Handlungsvorgabe<br />
verwendet werden kann.<br />
Dies stellt im Hinblick auf die bisherige<br />
Praxis oft unkoordinierter und ohne<br />
überregionales Konzept durchgeführter<br />
Naturschutzmaßnahmen einen deutlichen<br />
Fortschritt dar. Es ist zu erwarten,<br />
dass solche Handlungsvorschläge von den<br />
Planungsbehörden gerne aufgenommen<br />
werden. Der Maßnahmenplan kann auch<br />
im Vorfeld von Großprojekten, die eine<br />
starke Zerschneidung der Landschaft<br />
zur Folge haben (z.B. Gewerbegebiete,<br />
Verkehrstraßen), zum Einsatz kommen,<br />
indem er Ausschlussräume benennt und<br />
Hinweise auf die landschaftsverträglichste<br />
Variante gibt. Ferner zeigt der Plan auf,<br />
wo Entschneidungsmaßnahmen im Kontext<br />
eines überregionalen „Biotopverbund-<br />
Konzeptes“ nötig sind.<br />
4.3 Methoden und Maßnahmen im<br />
Teilprojekt Korridor<br />
Im Teilprojekt Korridor sollen Vernetzungsmaßnahmen<br />
im länderübergreifenden<br />
Zusammenhang des „Wildkatzenwegeplans“<br />
realisiert werden. Schwerpunkt<br />
bildet das mitteldeutsche Verbreitungsgebiet<br />
der Wildkatze, welches vom<br />
Harz über Solling, Kyffhäuser und die<br />
nordthüringischen und nordhessischen<br />
Waldgebiete bis zum Nationalpark Hainich<br />
reicht. Der Thüringer Wald ist zwar<br />
keine 20 km vom Nationalpark Hainich<br />
entfernt und bietet ein großes Angebot<br />
geeigneter Habitatflächen. Von hier<br />
aus wäre auch eine weitere selbständige<br />
Ausbreitung in die wieder angesiedelten<br />
Populationen im Spessart und Steigerwald<br />
in Bayern über den Thüringer Wald<br />
möglich. Dennoch gab es im Thüringer<br />
Wald in den vergangenen Jahrzehnten<br />
keine fest etablierte Wildkatzenpopulation<br />
und der Weg dorthin ist vom Hainich<br />
aus betrachtet eine Sackgasse, wie Freilanduntersuchungen<br />
zeigen (MÖLICH<br />
& KLAUS 2003). Die Bundesautobahn<br />
A4 Eisenach – Erfurt und die ausgeräumte<br />
und intensiv genutzte Agrarlandschaft<br />
wirken <strong>als</strong> Barriere und verhindern die<br />
Besiedelung. Schwerpunkt des Teilprojekts<br />
„Korridor“ ist daher, einen Brückenschlag<br />
vom Nationalpark Hainich zum<br />
Naturpark Thüringer Wald herzustellen.<br />
Die Planung und Umsetzung dieses<br />
entscheidenden Verbundgliedes erfolgte<br />
in Zusammenarbeit mit dem Flurneuordnungsamt<br />
Meiningen (ALF) und der<br />
Thüringer Landgesellschaft. Im Rahmen<br />
eines Flurneuordnungsverfahrens wurde<br />
Konsens mit allen Betroffenen (Landwirtschaft,<br />
Behörden, DEGES) erreicht.<br />
Der Aufbau dieses Biotopverbundes<br />
erfolgt im Zuge der Umverlegung der<br />
BAB 4 zwischen Eisenach und Sättelstädt<br />
(Abb. 4) mit folgenden räumlichen<br />
Elementen:<br />
(1) Nationalpark Hainich: Dieser ist ein<br />
hervorragender Wildkatzenlebensraum,<br />
aber recht klein. Junge Wildkatzen müssen<br />
sich daher neue Reviere suchen.<br />
(2) Biotopverbundstrukturen: Südöstlich<br />
des Nationalparks Hainich finden<br />
Wildkatzen zunächst eine sichere Route<br />
nach Süden.<br />
(3) Ackerflur: Auf ehem<strong>als</strong> kilometerweit<br />
ausgeräumter Ackerflur entsteht ein 50 m<br />
breiter Waldstreifen, der bis zu den Hörselbergen<br />
führt. Die Wildkatzen können<br />
erstm<strong>als</strong> die Hörselberge erreichen.<br />
(4) Hörselberge: Die Hörselberge waren<br />
früher von Wildkatzen besiedelt. Heute<br />
ist dieser Lebensraum durch die Autobahn<br />
für viele Tierarten zu einer Falle<br />
geworden. Mit der Verlegung der A4<br />
aus vorwiegend verkehrstechnischen<br />
Gründen und dem Rückbau der alten<br />
Autobahn ergeben sich neue Chancen, die<br />
im Rettungsnetz Wildkatze vom BUND<br />
mitgestaltet werden.<br />
2 9
3 0<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
(5) Biotopverbundstrukturen: Nur am<br />
Ostrand der Hörselberge haben Wildkatzen<br />
gute Chancen, den Thüringer Wald<br />
zu erreichen. Hier beginnt der letzte<br />
Abschnitt des Korridors Hainich – Thüringer<br />
Wald.<br />
(6) Thüringer Wald<br />
4.4 Welche Ergebnisse sind zu erwarten?<br />
Mittlerweile konnte der entscheidende<br />
„Lückenschluss“ dieses Vernetzungsvorhabens<br />
im Rahmen des „Rettungsnetzes<br />
für die Wildkatze“ in die Praxis<br />
umgesetzt werden. Seit November 2007<br />
laufen die Bepflanzungsmaßnahmen zur<br />
Errichtung eines 1,2 km langen und 50 m<br />
breiten Waldstreifens (Abb. 5), der<br />
durch weithin ausgeräumte Ackerfluren<br />
hindurch die südlichen Ausläufer des<br />
Hainichs mit den Hörselbergen verbindet<br />
(vgl. MÖLICH & VOGEL 2007).<br />
Der Korridor Hainich – Thüringer Wald<br />
bildet das Rückgrad einer großräumigen<br />
Verbundachse, welche vom Nationalpark<br />
Harz über den Nationalpark Hainich<br />
bis zum Thüringer Wald reicht und<br />
sich nach Süden in die Laubwaldgebiete<br />
von Haßberge, Steigerwald, Rhön und<br />
Spessart fortsetzt. Darüber hinaus sollen<br />
die Quervernetzungen über das Grüne<br />
Band zu den anderen hessischen Wäldern<br />
im Projektgebiet wie dem Kaufunger<br />
Wald und dem Meißner gesichert und<br />
verbessert werden. In Zusammenarbeit<br />
mit der Thüringer Landgesellschaft sollen<br />
schrittweise auch in Nordthüringen<br />
Lücken im Biotopverbund zwischen Harz<br />
und Hainich auf ähnliche Weise geschlossen<br />
werden.<br />
4.5 Methoden und Maßnahmen im<br />
Teilprojekt Kontrolle<br />
Im Teilprojekt Kontrolle werden für das<br />
gesamte Projektgebiet die Voraussetzungen<br />
für eine langfristige Erfolgskontrolle<br />
(= Langzeitmonitoring) geschaffen.<br />
Dabei stehen im Vordergrund:<br />
• die Verbesserung der Kenntnisse zur<br />
aktuellen Verbreitung der Wildkatze;<br />
• die genetische Charakterisierung räumlich<br />
getrennter Populationen im<br />
gesamten Projektgebiet;<br />
• der Nachweis der Funktionsfähigkeit<br />
von Korridorelementen für den Biotop-<br />
verbund;<br />
• der Grad der Etablierung ausgewilder<br />
ter Tiere im Rahmen des bayerischen<br />
Projektes zur „Wiedereinbürgerung der<br />
Europäischen Wildkatze“ (BÜTTNER<br />
1994, FROBEL 2001, NABULON &<br />
HARTMANN-FURTER 2000,<br />
PLÄN 1991);<br />
• das Ausmaß der Bastardisierung von<br />
Wildkatzen mit Hauskatzen.<br />
Die genetischen Untersuchungen erfolgen<br />
in Kooperation mit dem Forschungsinstitut<br />
Senckenberg in Gelnhausen und<br />
dem Institut für Spezielle Zoologie und<br />
Evolutionsbiologie der Universität Jena.<br />
Am Bayerischen Landesamt für Umweltschutz<br />
wurde eine DNA-Analytik für die<br />
Wildkatze etabliert (KLEISINGER &<br />
ZEITLER 2002).<br />
Für die Probennahme kann einerseits auf<br />
bereits vorliegende Haar- und Gewebeproben<br />
aus Museen und Landesanstalten<br />
(>> 100 Proben) der beteiligten Bundesländer<br />
zurückgegriffen werden. Weitere<br />
Proben werden mit Hair-Catchern im<br />
Freiland erfasst. Dazu werden so genannte<br />
Lockstöcke ausgebracht, welche mit<br />
Baldrian beködert Wildkatzen anlocken<br />
(Abb. 6). Bei dem Versuch, den Baldriangeruch<br />
auf sich selbst zu übertragen,<br />
reiben sich die Katzen an den aufgerauten<br />
Holzpflöcken. Dabei bleiben in der Regel<br />
genügend Haare für eine DNA-Analyse<br />
am Lockstock haften, wie Erprobungen<br />
im Rahmen des Projekts gezeigt haben.<br />
Diese Form der Probenerfassung vermeidet<br />
Stress bei den Tieren, ermöglicht<br />
vergleichsweise große Stichproben und<br />
ist relativ kostengünstig. Mit Hilfe der<br />
Lockstöcke lassen sich auch Nachweise<br />
für Wildkatzen in solchen Gebieten erbringen,<br />
für die bisher kein Wildkatzen-<br />
vorkommen registriert werden konnte (so<br />
wurde die Wildkatze jüngst auch wieder<br />
in der Rhön nachgewiesen).<br />
4.6 Welche Ergebnisse sind zu erwarten?<br />
Wo in räumlich wichtigen Arealen Unklarheit<br />
über das Vorkommen der Wildkatze<br />
besteht, können Kenntnislücken<br />
geschlossen werden. Durch die genetische<br />
Analyse eines vergleichsweise sehr großen<br />
Umfanges von Wildkatzenproben soll<br />
eine genetische Charakterisierung von<br />
Teilpopulationen erreicht werden, mit<br />
dem Ziel der<br />
• Ermittlung der genetischen Variabilität;<br />
• Abschätzung der Autochthonität (rela-<br />
tiv zur genetischen Disposition bekann-<br />
ter autochthoner Vorkommen auf der<br />
einen und ausgewilderter Tiere auf der<br />
anderen Seite – unter Einbeziehung des<br />
Hybridisierungsgrades mit Hauskatzen);<br />
• Ermittlung von Hybridisierungseffekten<br />
zwischen ursprünglich genetisch dis-<br />
tinkten Teilpopulationen nach Umset-<br />
zung von Vernetzungsmaßnahmen.<br />
Für Bayern soll am Ende des Projekts<br />
eine Bewertung des Auswilderungserfolges<br />
anhand erarbeiteter Kriterien stehen.<br />
Darüber hinaus werden für das gesamte<br />
Projektgebiet die Voraussetzungen für<br />
eine langfristige Erfolgskontrolle (= Langzeitmonitoring)<br />
geschaffen. Hierzu<br />
wird der genetische Status quo in einer<br />
gemeinsam mit den Forschungspartnern<br />
aufzubauenden Wildkatzen-Gen-Datenbank<br />
dokumentiert, künftige Beprobungsgebiete<br />
für die Erfolgskontrolle von Vernetzungsmaßnahmen<br />
festgelegt sowie<br />
eine zentrale Kompetenz für die Durchführung<br />
und Dokumentation eines<br />
Langzeitmonitorings benannt.<br />
4.7 Methoden und Maßnahmen im Teilprojekt<br />
Kommunikation und Kampagne<br />
Ein Naturschutzprojekt dieser Dimension<br />
hat nur dann Chancen, erfolgreich<br />
umgesetzt zu werden, wenn das Vorha-
Abb. 3: Ergebnisse der Cost-Path-Analyse im Bereich Hessen/Thüringen. Korridor farblich von geringstem<br />
(braun) zu zunehmendem Ausbreitungswiderstand (gelb) abgestuft; schwarze Linie: hessisch-thüringische<br />
Grenze. Rot: Siedlungsräume, grün: Wald, beige: landwirtschaftlich genutzte Flächen (Datengrundlage der<br />
Matrix: Corine Landsat).<br />
ben in der Bevölkerung eine ausreichende<br />
Akzeptanz findet, „politisch gewollt“ ist<br />
und entsprechende Unterstützung erfährt<br />
sowie in Behörden und Verbänden Kooperationspartner<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Deshalb kommt der Öffentlichkeitsarbeit<br />
und dem Dialog mit den betroffenen<br />
Interessensgruppen eine besondere<br />
Bedeutung zu. Ziel ist es, die Betroffenen<br />
selbst zu Handelnden zu machen. Mit<br />
der Umsetzung des Teilprojekts sind die<br />
folgenden Teilziele verbunden:<br />
• Aufklärung über die Bedeutung von<br />
Waldökosystemen und Biotopverbund<br />
für den Erhalt der biologischen Vielfalt<br />
in Deutschland;<br />
• Wecken von Begeisterung für die<br />
Wildkatze;<br />
• Sensibilisierung der Bevölkerung für die<br />
Projektziele;<br />
• Einbeziehung der Betroffenen in die<br />
Planung und Umsetzung;<br />
• Ausbau des Unterstützer-Netzwerks in<br />
Politik, Verwaltung und Bevölkerung.<br />
4.8 Welche Ergebnisse sind zu erwarten?<br />
Um über die Projektziele zu informieren<br />
und die Öffentlichkeitsarbeit zu koordinieren,<br />
wurde mit dem Wildkatzenbüro<br />
eine zentrale Organisationsstruktur im<br />
Projekt geschaffen. Das Wildkatzenbüro<br />
in Behringen ist Anlaufstelle für alle<br />
Aktivitäten im Rahmen des Projektes. Es<br />
betreut die Kampagne und übernimmt<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, orga-<br />
nisiert Vorträge und Fachveranstaltungen<br />
für beteiligte Gruppen, wie z.B. Jäger,<br />
Landwirte oder Förster und steuert die<br />
Lobbyarbeit. Es leistet Fachbeiträge für<br />
die Öffentlichkeitsarbeit der drei Landesverbände<br />
und des Bundesverbandes<br />
und unterstützt deren diesbezügliche<br />
Aktivitäten. Wichtige Elemente der<br />
Öffentlichkeitsarbeit sind u.a. die Internet-Plattform<br />
www.wildkatze.info, eine<br />
mobile Ausstellung, ein Projektflyer, eine<br />
Projektbroschüre sowie Präsentationen<br />
des Projektes in den Medien und bei<br />
Veranstaltungen.<br />
5. Ausblick<br />
Noch ist das Rettungsnetz nicht vollständig<br />
gespannt. Lebensräume der<br />
Wildkatze liegen immer noch wie Inseln<br />
verstreut im Meer in einer immer intensiver<br />
genutzten und dichter besiedelten<br />
Landschaft. Aber der erste Brückenschlag<br />
ist bereits gelungen. Durch den entstehenden<br />
Korridor zwischen Hainich und<br />
Thüringer Wald wird eine zentrale Lücke<br />
in der großräumigen Verbundachse vom<br />
Harz bis zu den Waldgebieten Nordbayerns<br />
geschlossen. Damit werden nicht nur<br />
die Voraussetzungen für eine Rückkehr<br />
von Wildkatzen in ihre ursprünglichen<br />
Lebensräume im Thüringer Wald<br />
geschaffen, auch eine natürliche Wiederbesiedelung<br />
nordbayerischer Waldgebiete<br />
und der Rhön wird möglich.<br />
Abb. 4: Planung zum Biotopverbund zwischen<br />
Hainich und Thüringer Wald.<br />
3 1
3 2<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Die im Teilprojekt Korridor bisher<br />
gewonnenen Erfahrungen werden genutzt,<br />
um weitere Lückenschlüsse in der<br />
Landschaft zu realisieren. Schwerpunkte<br />
sind die Vernetzung der Waldgebiete<br />
Nordthüringens mit dem Harz, das<br />
Grüne Band <strong>als</strong> Verbundachse zwischen<br />
Niedersachsen, Hessen, Bayern und<br />
Thüringen und das regionale Umfeld<br />
des Nationalparks Kellerwald. Fachliche<br />
Grundlage für den Ausbau des Verbundnetzes<br />
bildet der Wildkatzenwegeplan,<br />
der bis Ende 2007 für alle drei im Projekt<br />
beteiligten Bundesländer vorliegen wird.<br />
Dazu erfolgt eine fachliche Abstimmung<br />
des Wildkatzenwegeplanes mit dem vom<br />
Deutschen Jagdschutzverband und dem<br />
Bundesamt für Naturschutz erarbeiteten<br />
Grobkonzept für Lebensraumkorridore<br />
in Deutschland (RECK et. al. 2005).<br />
Durch die Integration des Wildkatzenwegeplanes<br />
in die Landschaftsplanung<br />
der Bundesländer soll eine flächenhafte<br />
Umsetzung der Biotopverbundplanung<br />
im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen,<br />
bei Flurneuordnungsverfahren<br />
oder Naturschutzmaßnahmen<br />
erreicht werden.<br />
Die bisherigen Ergebnisse der Genetik<br />
haben gezeigt, dass der Nachweis von<br />
Wildkatzen mit Hilfe von Haarproben<br />
möglich ist. Darüber hinaus ist eine genetische<br />
Differenzierung räumlich getrennter<br />
Teilpopulationen ebenso nachweisbar<br />
wie die Abgrenzung von Wildkatzen<br />
gegenüber Hauskatzen. Damit sind die<br />
Voraussetzungen für wirksame Effizienzkontrollen<br />
von Biotopverbundmaßnahmen<br />
geschaffen.<br />
Literatur<br />
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vorbei? Bilanz des Wiederansiedlungsprojektes<br />
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BUND Thüringen, Erfurt.<br />
FROBEL, K. (2001): Vom Spagat zwischen<br />
Emotion und Ratio. Vom Aktionismus<br />
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MER-SCHADT, S., HERRMANN,<br />
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Freiburger Forstliche Forschung 48.<br />
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PLÄN, T. (1991): Die Wildkatze und<br />
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und ihre Wiedereinbürgerung in<br />
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(2000): Schritte ins nächste Jahrtausend.<br />
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Pfalz und Beiträge zu ihrer Biologie.<br />
Beiträge zur Landespflege in Rheinland-<br />
Pfalz. Landesamt für Umweltschutz.<br />
Anschrift der Verfasser: <strong>Dr</strong>. Burkhard<br />
Vogel, Thomas Mölich und Sabine Jantschke,<br />
BUND Thüringen, Trommsdorffstraße<br />
5, 99084 Erfurt, E-Mail burkhard.<br />
vogel@bund.net, thomas.moelich@bund.net<br />
und sabine.jantschke@bund.net, Internet<br />
www.wildkatze.info.
Fressen für den Naturschutz –<br />
großflächig-extensive Beweidung in der Rhön<br />
Von <strong>Eckhard</strong> Jedicke, Karl-Heinz Kolb und Katja Preusche<br />
1. Einleitung<br />
Das von der Deutschen Bundesstiftung<br />
Umwelt von 2005 bis 2008 geförderte<br />
Projekt „Grünlandschutz und Landschaftsentwicklung<br />
durch großflächige<br />
Beweidung im Biosphärenreservat Rhön“<br />
unter Trägerschaft der Regionalen Arbeitsgemeinschaft<br />
(ARGE) Rhön erprobt<br />
Formen der extensiven, teils ganzjährigen<br />
Beweidung auf zusammenhängenden<br />
Flächen von > 10 ha bis > 100 ha. Es<br />
soll helfen, eine flächendeckende Landnutzung<br />
<strong>als</strong> Grundlage für Naturschutz,<br />
Landwirtschaft und Tourismus zu erhalten<br />
und zu fördern.<br />
Ausgangssituation und Motivation für<br />
das Projekt bilden unsichere Zukunftsaussichten<br />
für die Aufrechterhaltung der<br />
Grünland-Bewirtschaftung aufgrund Flächenzersplitterung<br />
(insbesondere infolge<br />
der fränkischen Realerbteilung in der<br />
bayerischen Rhön), ungeklärter Hofnachfolge<br />
und Umbrüchen durch Umsetzung<br />
der EU-Agrarpolitik. Das Projekt soll exemplarisch<br />
zeigen, wie eine Win-win-Situation<br />
für Landwirtschaft, Naturschutz<br />
und Tourismus realisiert und eine an die<br />
Naturschutzziele angepasste Grünlandnutzung<br />
aufrechterhalten werden kann.<br />
Ziel ist die Erprobung einer großflächigen,<br />
extensiven und teilweise ganzjährigen<br />
Beweidung, deren Auswirkungen durch<br />
ein sozio-ökonomisches und naturschutzfachliches<br />
Monitoring analysiert werden.<br />
Zur Verbesserung der ökonomischen<br />
Situation bilden auch Initiativen zur Vermarktung<br />
einen Bestandteil des Projekts.<br />
Vier Bausteine werden realisiert:<br />
• Beratung: Zwei in Teilzeit beschäftige<br />
Projektmanager informieren, beraten<br />
und vernetzen die Akteure.<br />
• Modellösungen: In Projektkernen<br />
werden unterschiedliche Weidemodel-<br />
le realisiert, die Resultat der intensiven<br />
Beratung sind.<br />
• Vermarktung: Die erzeugten Produkte<br />
werden nach Möglichkeit über beste-<br />
hende Vermarktungswege vertrieben;<br />
wo Lücken erkannt werden, werden<br />
auch eigene Produkte kreiert.<br />
• Monitoring: Eine sozioökonomische<br />
und naturschutzfachliche Analyse liefert<br />
Rahmendaten über die Auswirkungen<br />
der Beweidung und wird Grundlage<br />
sein für die Ausdehnung dieser Bewei-<br />
dungsmodelle.<br />
2. Projektorganisation<br />
Als Kooperationspartner sind 13 Institutionen<br />
beteiligt: die Verwaltungsstellen<br />
des Biosphärenreservats, Bauernverbände,<br />
Behörden der Landwirtschaft und des<br />
Naturschutzes sowie die Zoologische<br />
Gesellschaft Frankfurt. Während die<br />
Kooperationspartner einmal jährlich<br />
tagen, finden auf landesspezifischer Ebene<br />
bedarfsweise Besprechungen statt. Das<br />
Projektmanagement ist – selten für ein<br />
Naturschutzprojekt, aber effizient in der<br />
Umsetzung – beim Bayerischen bzw.<br />
Hessischen Bauernverband angesiedelt.<br />
Zur Verfügung steht eine halbe und eine<br />
Zwei-<strong>Dr</strong>ittel-Person<strong>als</strong>telle plus ein Ausbildungsplatz.<br />
3. Beratung von Landwirten und<br />
Weidegemeinschaften<br />
Die teilnehmenden Landwirte und<br />
Weidegemeinschaften erhalten zu verschiedensten<br />
Fragestellungen Beratung<br />
– durch die Projektmanager, die fallweise<br />
bei speziellen Fragestellungen Kooperationspartner<br />
und weitere Fachleute<br />
hinzuziehen. Thematisiert werden insbesondere<br />
folgende Punkte:<br />
• Besatzdichte/-stärke und Beweidungs-<br />
zeiten, die den jeweiligen Standortei-<br />
genschaften, wie Vegetation und Bo-<br />
denverhältnissen, angemessen er-<br />
scheinen (Ganzjahresbeweidung, früher<br />
Auftrieb und später Abtrieb etc.).<br />
• Zaun- und Tränkenbau (Art, Kosten,<br />
Material, Bauweise, Funktionstüchtig-<br />
keit – auch im Winter, Hütesicherheit<br />
für verschiedene Tierarten, Verbot von<br />
Stacheldraht, Verträglichkeit für die Avifauna,<br />
keine neuen Quellfassungen etc.).<br />
• Möglichkeiten von Wegequerungen:<br />
Auch über die Möglichkeiten von Wei-<br />
degitterrostanlagen wird informiert,<br />
wenn eine Weideflächenvergrößerung<br />
über einen Weg hinweg in Frage kommt.<br />
• Gesundheits- und Parasitenmanage-<br />
ment: Über spezifische Aspekte der<br />
Tiergesundheit auf extensiven Groß-<br />
weiden und bei Multi-Spezies-Beweidung<br />
unterrichtete ein Tierarzt bei ei-<br />
nem Infoabend. Zu diesem Themen-<br />
komplex wurden zwei studentische Ar-<br />
beiten angefertigt. Die Landwirte erhalten<br />
Hinweise auf mögliche Gesund-<br />
heits-Risiken bei Änderungen der Be-<br />
weidung (z.B. wenn die Weide künftig<br />
mit einer weiteren Tierart bestoßen<br />
werden soll), die diese dann im Ge-<br />
spräch mit ihrem Hoftierarzt abklärten.<br />
• neue bzw. veränderte Agrarumweltpro-<br />
gramme und jeweilige Teilnahmemög-<br />
lichkeiten.<br />
• Wirtschaftlichkeitsberechnungen und<br />
- beratungen für Einzellandwirte, bestehende<br />
und geplante Weidegemeinschaften.<br />
3 3
3 4<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Für den bayerischen Teil des Projektgebietes<br />
wurde bei der Beratung rasch klar,<br />
dass – bedingt durch die starke Besitzzersplitterung<br />
aufgrund der fränkischen<br />
Realerbteilung – die Generierung von<br />
großflächigen, zusammenhängenden<br />
Weideflächen ≥ 10 ha sehr schwierig zu<br />
realisieren ist. Selbst durch den Einsatz<br />
des Instruments des Freiwilligen Flächennutzungstausches<br />
(FNT, s.u.) war es nur<br />
bedingt möglich, für einen Einzellandwirt<br />
Flächengrößen zu erzielen, die sich für<br />
eine großflächige Beweidung eignen. Aus<br />
diesem Grund wurden in der Folge vorausgegangener<br />
Nutzungstauschverfahren<br />
in den Gemarkungen Sandberg/Schmalwasser<br />
und Eckarts/Rupboden Weidegemeinschaften<br />
in Form von Gesellschaften<br />
bürgerlichen Rechts gegründet.<br />
Im Hinblick auf den Aufbau von neuen<br />
Weidegemeinschaften erfolgt eine<br />
besonders intensive Beratungsarbeit. Die<br />
Projektmanager bringen Personen, bei<br />
denen ein derartiger Zusammenschluss<br />
aufgrund räumlicher, betrieblicher und<br />
zwischenmenschlicher Voraussetzungen<br />
möglich erscheint, an einen Tisch. Bei<br />
der Einrichtung von Weidegemeinschaften<br />
behandelte Fragestellungen sind u.a.<br />
die Form des Zusammenschlusses (z.B.<br />
GbR), Arbeitsaufteilung, gemeinsamer<br />
Stall-/Unterstandsbau, Wirtschaftlichkeitsermittlungen<br />
für die einzelnen Weidegemeinschaftsmitglieder<br />
im Vorfeld,<br />
Kosten- und Gewinnaufteilung, konkrete<br />
Abb. 1: Ganzjährige Freilandhaltung wird im Projekt bisher auf 185 ha Fläche<br />
erprobt, u.a. mit Fleckvieh (Weidegemeinschaft am Steinkopf ).<br />
Betriebsausrichtung (z.B. Rinderrasse,<br />
Produktionsausrichtung/Vermarktungsprodukte),<br />
Flächenzuschnitt, Beantragung<br />
einer eigenen HIT-Nummer für die<br />
Gemeinschaftsweide etc.<br />
Einbezogen in die Beratung zur Bildung<br />
der Weidegemeinschaften wurde außerdem<br />
ein Fachberater des Bayerischen<br />
Bauernverbands. Dieser erörterte die<br />
konkreten rechtlichen und finanziellen<br />
Vorgaben und Anforderungen für die<br />
Weidegemeinschaft. Zusätzlich zur<br />
Beratung in Hinblick auf die geeignete<br />
Rechtsform wurde mit den Landwirten<br />
auch die Wirtschaftlichkeit des geplanten<br />
großflächigen Weideprojektes durchgerechnet<br />
und entsprechende Hinweise zur<br />
Projektkonzeption gegeben. Für die Realisierung<br />
größerer baulicher Maßnahmen<br />
(Unterstand, Stall) wurden die Landwirte<br />
an einen Berater der BBV-Landsiedlung<br />
verwiesen.<br />
Anhand eines Infobriefes, einer Besichtigung<br />
des Versuchsbetriebes Lauterbach-<br />
Rudlos der Universität Gießen (unterstandslose<br />
Ganzjahresfreilandhaltung mit<br />
Fleckvieh) und von Einzelberatungsgesprächen<br />
wurden Landwirten Kenntnisse<br />
über die Ganzjahresfreilandhaltung<br />
(Abb. 1) vermittelt und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten<br />
besprochen.<br />
Eine Exkursion für Landwirte führte<br />
zu allen fünf im Rahmen des Projekts<br />
realisierten Winterfreilandhaltungen, um<br />
den Austausch unter den Berufskollegen<br />
über Vor- und Nachteile verschiedener<br />
Winterfreilandhaltungsmodelle (mit und<br />
ohne Unterstand, Fütterung, Tränken<br />
etc.) zu fördern.<br />
Durch die Regierung von Unterfranken<br />
wurde in enger Absprache mit dem<br />
Grünlandprojekt eine Machbarkeitsstudie<br />
in Auftrag gegeben, welche für den rund<br />
235 ha großen ehemaligen Standortübungsplatz<br />
Mellrichstadt Konzepte<br />
einer großflächig-extensiven Beweidung<br />
entwickeln und deren Verträglichkeit mit<br />
den spezifischen Zielen der FFH-Richtlinie<br />
analysieren solll.<br />
4. Realisierungsstand der<br />
Modelllösungen<br />
Inzwischen haben dreizehn Landwirte<br />
und sieben Weidegemeinschaften einen<br />
Kooperationsvertrag mit dem Landkreis<br />
Rhön-Grabfeld im Auftrag der ARGE<br />
Rhön abgeschlossen. Darin verpflichten<br />
sie sich zu bestimmten Rahmenbedingungen<br />
der Beweidung, zum Führen eines<br />
Weidetagebuchs und zur Duldung von<br />
Monitoringuntersuchungen. Im Gegenzug<br />
erhalten sie einmalig gegen Nachweis<br />
bis zu 150 €/ha für Zaunbaukosten<br />
(jedoch maximal 50 % der entstandenen<br />
Aufwendungen) und maximal 50 €/ha<br />
für Weidelogistik. Weitere zwei Landwirte<br />
und zwei Weidegemeinschaften<br />
Abb. 2: Das Gelbe Frankenvieh – hier mit frisch geborenem Kalb – wird im<br />
Rahmen des Projekts <strong>als</strong> regional typische Rasse besonders gefördert.
werden in Kürze einen Kooperationsvertrag<br />
abschließen. Alle werden bereits seit<br />
2005 durch die Projektmanager beraten.<br />
Daneben gibt es weitere Landwirte, die<br />
grundsätzlich am Projekt interessiert<br />
sind, bei denen sich jedoch noch keine<br />
klare Aussage über eine Projektteilnahme<br />
treffen lässt. Die Projektmanager erhalten<br />
auch bis dato weiterhin neue Anfragen<br />
von Landwirten, die ggf. am Projekt teilnehmen<br />
möchten.<br />
Mit Stand von November 2007 sind 558 ha<br />
Weidefläche Bestandteil des Grünlandprojekts,<br />
verteilt auf 20 Einzelflächen, die<br />
von 13 Einzelbetrieben und neun Weidegemeinschaften<br />
bewirtschaftet werden.<br />
Beteiligt sind insgesamt 59 Landwirte.<br />
Durch weitere Abschlüsse wird sich die<br />
Weidefläche voraussichtlich im Laufe des<br />
Jahres auf knapp 850 ha erhöhen. Damit<br />
wird das im Antrag formulierte Ziel aller<br />
Voraussicht nach erreicht, zum Ende des<br />
Projektes 800 ha Weideflächen <strong>als</strong> großflächige<br />
Standweiden zu bewirtschaften.<br />
Eingesetzt werden Rinder, Ziegen, Pferde<br />
und Schafe, wobei die Rinder überwiegen.<br />
Teilweise wird Mischbeweidung praktiziert.<br />
Fünf Landwirte und Weidegemeinschaften<br />
betreiben mittlerweile Ganzjahresfreilandhaltung<br />
auf ca. 185 Hektar Weidefläche<br />
mit unterschiedlichen Rinderrassen.<br />
Weitere Landwirte sind grundsätzlich an<br />
der Ganzjahresfreilandhaltung interessiert.<br />
Wie schnell sich auf weiteren<br />
Weideflächen die Winterfreilandhaltung<br />
realisieren lässt, kann momentan noch<br />
nicht abgeschätzt werden. In Hessen sind<br />
zwingend Weideunterstände vorgeschrieben,<br />
deren Bau eine längere Vorbereitungsphase<br />
erfordert.<br />
5. Freiwilliger Flächennutzungstausch<br />
In weiten Bereichen der bayerischen<br />
Rhön und ihrem Vorland herrscht durch<br />
die dort seit Generationen praktizierte<br />
fränkische Realerbteilung eine starke Besitzzersplitterung.<br />
In vielen Gemarkungen<br />
hat zudem noch nie eine Flurbereinigung<br />
stattgefunden. Aus diesem Grund finden<br />
sich in diesen Gebieten nur sehr klein<br />
parzellierte Fluren, in denen die Einrichtung<br />
von großflächigen, zusammenhängenden<br />
Weideflächen ≥ 10 ha sehr<br />
schwierig zu realisieren ist.<br />
Der Bayerische Bauernverband (BBV)<br />
führt daher im Auftrag des Amtes für<br />
Ländliche Entwicklung (ALE) Würzburg<br />
in der Rhön Verfahren zum Freiwilligen<br />
Flächennutzungstausch (FNT) durch.<br />
Getauscht wird hierbei die Bewirtschaftung<br />
der einzelnen Flächen, die Eigentumsverhältnisse<br />
bleiben unangetastet.<br />
Der FNT bildet ein geeignetes Flurneuordnungsinstrument,<br />
mit dem in kurzer<br />
Zeit (Verfahrensdauer 1-2 Jahre) eine<br />
deutliche Erhöhung der Flächengrößen<br />
(Feldstücke) erreicht sowie eine Zusammenlegung<br />
der Flächen jeweils eines<br />
Bewirtschafters in einen oder wenige<br />
Bereiche der Flur umgesetzt werden<br />
kann. Ein solches Tauschverfahren erfolgt<br />
auf freiwilliger Basis und ist auf einen<br />
Zeitraum von zehn Jahren ausgelegt.<br />
Zur Erzeugung optimaler Synergieeffekte<br />
zwischen dem freiwilligem Flächennutzungstausch<br />
und dem DBU-Grünlandprojekt<br />
arbeitet einer der Projektmanager<br />
jeweils mit einer halben Stelle im FNT<br />
und im Grünlandprojekt Rhön. Über den<br />
FNT gelang es dem Projektmanager, in<br />
Gemarkungen mit stark zersplitterten Besitzverhältnissen<br />
Flächen für großflächige,<br />
extensive Weiden zusammenzulegen. Das<br />
konkrete Ergebnis des FNT sind die derzeit<br />
entstehende Weidegemeinschaften in<br />
den Gemarkungen Sandberg/Schmalwasser<br />
und Eckarts/Rupboden: In Sandberg<br />
haben sieben Landwirte, darunter vier<br />
Junglandwirte, drei Weidegemeinschaften<br />
gebildet. Diese werden nach derzeitigem<br />
Stand zusammen 215 ha (Weidefläche<br />
und Winterfutterfläche) bewirtschaften<br />
und einen einfachen Gemeinschaftsstall<br />
bauen. Geplant ist eine Herde mit 120<br />
Mutterkühen und einer entsprechenden<br />
Anzahl Bullen der Rasse Gelbes Frankenvieh.<br />
In Eckarts entsteht in der Folge des<br />
FNT eine weitere Weidegemeinschaft,<br />
ebenfalls mit Frankenvieh, und rund<br />
90 ha Weidefläche.<br />
Weiterhin laufen in der hessischen und<br />
thüringischen Rhön drei Regelflurbereinigungsverfahren,<br />
in deren Rahmen Beiträge<br />
für das Grünlandprojekt umgesetzt<br />
werden (Pferdskopf und Rodholz/Gemeinde<br />
Poppenhausen, Walkes/Gemeinde<br />
Ketten).<br />
6. Vermarktung<br />
Aufbauend auf einer Diplomarbeit von<br />
Annemarie Lindner über „Standort- und<br />
Vermarktungspotenziale für traditionelle<br />
Nutztierrassen im Biosphärenreservat<br />
Rhön im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung“<br />
wurde ein Vermarktungsworkshop<br />
durchgeführt und auf beider Basis<br />
ein Vermarktungskonzept erstellt.<br />
Bei der Direktvermarktung oder der Vermarktung<br />
an Gastronomiebetriebe von<br />
Rindern sind die sog. Edelteile (Lende,<br />
Roastbeef etc.) relativ unproblematisch<br />
abzusetzen. Schwierig ist dagegen die<br />
Vermarktung der sog. unedlen Teile (Abschnitte,<br />
Fleisch aus den Rippenbögen)<br />
und älterer Tiere. Diese sind nur sinnvoll<br />
über Veredelungsprodukte, <strong>als</strong>o z.B.<br />
<strong>als</strong> Wurst, zu vermarkten. Aus diesem<br />
Sachverhalt heraus wurde die Idee im<br />
Projekt zur Herstellung einer Rindersalami<br />
geboren, die kurz <strong>als</strong> „Salami-Taktik“<br />
umschrieben wird.<br />
Der Produktname steht in direkter Beziehung<br />
zum Produktdesign: Der „Rhön<br />
Schdegge“ symbolisiert einen Wanderstock,<br />
der in Rhöner Mundart „Schdegge“<br />
genannt wird. Dies gewährleistet somit<br />
einen hohen Wiedererkennungswert<br />
und hebt sich deutlich von anderen<br />
Salamis und Hartwürsten ab – zugleich<br />
ein Hinweis auf seine hohe Qualität.<br />
3 5
3 6<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Weiterhin schlägt das Produktdesign in<br />
Spazierstockform eine Brücke zwischen<br />
dem Erhalt der über Jahrhunderte durch<br />
Bauernhand gestalteten Rhöner Kulturlandschaft<br />
(„Land der offenen Fernen“),<br />
die nur durch weitere Nutzung – idealerweise<br />
durch großflächige, extensive Beweidung<br />
– zukünftig erhalten werden kann,<br />
und der Rhön <strong>als</strong> „Wanderwelt Nummer<br />
eins“ in Deutschland.<br />
Ein enger Bezug zur Region wird durch<br />
Verwendung von regionalen Rohstoffen<br />
und hier insbesondere von ökologisch erzeugtem<br />
Rindfleisch geschaffen, das vom<br />
Gelben Frankenvieh (Abb. 2) stammt,<br />
welches im Rahmen des Grünlandprojekts<br />
im Biosphärenreservat Rhön erzeugt<br />
wurde. Die Verarbeitung erfolgt durch die<br />
Metzgerei Werner Söder in Sandberg, die<br />
Partnerbetrieb des Biosphärenreservats<br />
Rhön ist und somit das Qualitätssiegel<br />
der Dachmarke Rhön führen darf. Die<br />
Produktion des „Rhön Schdegge“ ist<br />
bio-zertifiziert, so dass die Sorte Natur,<br />
in der nur ökologisch erzeugte Rohstoffe<br />
Verwendung finden (es ist Steinsalz statt<br />
Nitritpökelsalz enthalten) <strong>als</strong> Bio-Salami<br />
mit Bio-Siegel vermarktet wird. Für die<br />
Sorten Holunder, Birne und Bärlauch<br />
sind noch nicht alle Nebenzutaten in Bio-<br />
Qualität erhältlich.<br />
Der „Rhön Schdegge“ wurde im Herbst<br />
2006 zum dritten Rhöner Wurstmarkt<br />
in Ostheim erstmalig präsentiert, an dem<br />
23 000 Besucher an zwei Tagen gezählt<br />
wurden. Die Salami fand hier reißenden<br />
Absatz. Vertrieben wird der „Rhön<br />
Schdegge“ jetzt auch von der Internetversand-Firma<br />
Gut & Edel, die hochwertige,<br />
regionale Produkte vermarktet, entdeckt<br />
und in das Sortiment aufgenommen.<br />
Trotz eines für eine Salami recht hohen<br />
Preises wird sie auch bei der örtlichen<br />
Bevölkerung und bei Gästen der Region<br />
sehr gut verkauft.<br />
Zur Fleischvermarktung bestehen in der<br />
Zwischenzeit Kontakte zu mehreren<br />
Gastronomiebetrieben, v.a. in der bayeri-<br />
schen Rhön, die an der Vermarktung von<br />
Fleisch vom Gelben Frankenvieh interessiert<br />
sind. Ein Betrieb aus Thüringen hat<br />
bereits Fleisch von einem Projektbetrieb<br />
aus Bayern mit entsprechendem Hinweis<br />
auf der Karte. Auch der „Rhön Schdegge“<br />
findet bei der Gastronomie großes Interesse.<br />
Aufgrund der Tatsache, dass aktuell<br />
noch sehr wenige Tiere der Rasse Gelbes<br />
Frankenvieh produziert werden und<br />
somit vermarktet werden können, kann<br />
die Vermarktung an die Gastronomie erst<br />
richtig anlaufen, wenn eine entsprechende<br />
Tierzahl produziert wird. Aufbauend<br />
auf der schon seit knapp zehn Jahren<br />
etablierten Zusammenarbeit des „Rhöner<br />
Biosphärenrind e.V.“ mit der Handelskette<br />
„tegut“, wird ein großer Teil der Rinder<br />
an diese vermarktet.<br />
7. Naturschutzfachliches Monitoring<br />
Für das naturschutzfachliche Monitoring<br />
wurde ein Konzept erstellt. Ein Teil der<br />
Monitoringarbeiten wird aus DBU-<br />
Mitteln finanziert. Weiterhin haben die<br />
Regierung von Unterfranken (Höhere<br />
Naturschutzbehörde, Bayerische Verwal-<br />
tungsstelle Biosphärenreservat Rhön), das<br />
Bayerische Landesamt für Umweltschutz,<br />
die Bayerische Akademie für Naturschutz<br />
und Landschaftspflege sowie die<br />
Hessische und die Thüringische Verwaltungsstelle<br />
des Biosphärenreservats Rhön<br />
Aufträge in Absprache mit dem Projekt<br />
vergeben und finanziert. Die Kreisgruppe<br />
Bad Kissingen im Bund Naturschutz und<br />
der Hessische Landesverband für Höhlen-<br />
und Karstforschung engagieren sich<br />
ehrenamtlich für Monitoringarbeiten.<br />
Mit dem Hauptziel, Handlungsempfehlungen<br />
für Schutz und Entwicklung<br />
von Grünlandlebensräumen und ihrer<br />
Biodiversität ableiten zu können, verfolgt<br />
das Monitoring die Ziele,<br />
1. die Habitateignung der Weiden für<br />
Zielarten des Naturschutzes zu belegen,<br />
2. Unterschiede in der räumlichen Struktur/dem<br />
Requisitenangebot sowie in<br />
qualitativer und quantitativer Artenausstattung<br />
zwischen großflächig-extensiver<br />
Weide und Mähgrünland herauszuarbeiten,<br />
insbesondere für FFH-Grünlandtypen,<br />
3. Überzaunvergleiche zwischen den<br />
Beweidungstypen vegetationszeitliche vs.<br />
ganzjährige Beweidung sowie Mono- und<br />
Multispeziesbeweidung anzustellen,<br />
4. und <strong>als</strong> Detailfragen zu beleuchten<br />
Abb. 3: Rinder (hier Charolais) verbeißen auch Gehölze, gleichwohl kann reine Rinderbeweidung langfristig<br />
die Gehölzsukzession nicht vollständig verhindern.
a) Auswirkungen der Parasiten-Prophylaxe<br />
auf koprophage Käfer,<br />
b) Einflüsse der Beweidung von Quellbiotopen<br />
und kleinen Fließgewässern<br />
auf ökomorphologische Strukturen und<br />
Biodiversität.<br />
Aufgrund des limitierten Etats können<br />
nicht in die Breite gehende Untersuchungen<br />
realisiert werden, sondern es erfolgt<br />
eine Konzentration auf den zentralen<br />
Vergleich zwischen Wiese und (großflächiger)<br />
Weide. Als zentrale Indikatoren<br />
werden prioritär Vegetation und Vegetationsstruktur,<br />
Vögel und Tagfalter bearbeitet;<br />
hierbei werden möglichst identische<br />
Flächen und Transekte für die verschiedenen<br />
Artengruppen untersucht. Längerfristig<br />
ist die Gehölzentwicklung besonders<br />
interessant, insbesondere auch der<br />
Verbiss durch Tiere (Abb. 3). Durch den<br />
Hessischen Landesverband für Höhlen-<br />
und Karstforschung wurden 2006 auf<br />
Weideflächen aller drei Landesteile der<br />
Rhön im Auftrag der Verwaltungsstellen<br />
des Biosphärenreservats und in Abstimmung<br />
mit dem Projekt die Quellen mit<br />
ihren Strukturen sowie ihrer Flora und<br />
Fauna erfasst (s. Beitrag ZAENKER &<br />
REISS). Außerdem läuft in Zusammenarbeit<br />
mit der Thüringer Landesanstalt<br />
für Umwelt und Geologie eine vergleichende<br />
Untersuchung der Einflüsse der<br />
medikamentösen Parasitenprophylaxe bei<br />
Rindern auf die Besiedlung von Dunghaufen<br />
durch koprophage Käfer.<br />
8. Sozioökonomisches Monitoring<br />
und Beratung<br />
Das Simulationsmodell Green X vom<br />
Institut für Betriebslehre der Agrar- und<br />
Ernährungswissenschaften der Justus-<br />
Liebig-Universität Gießen wurde für die<br />
Erfordernisse des Grünlandprojektes<br />
umgearbeitet und angepasst. Weiterhin<br />
wurde es durch das Einfügen einer Vielzahl<br />
von Verknüpfungen und Formeln<br />
möglich, relativ schnell verschiedene Be-<br />
triebsmodelle automatisiert durchzurechnen.<br />
Somit können die ökonomischen<br />
Effekte verschiedener Weideflächen- und<br />
Herdenbestandsgrößen sowie der Winterbeweidung<br />
untersucht werden. Durch<br />
einen neuen Flächenprämienrechner und<br />
das automatische Ausschalten der alten<br />
Tierprämien wird in Green X jetzt der<br />
aktuellen Subventions- und Fördermittelkulisse<br />
Rechnung getragen. Es lassen sich<br />
Vergleiche der ökonomischen Situation<br />
vor und nach der Agrarreform und der<br />
verschiedenen Bundesländer vornehmen.<br />
Für erste Wirtschaftlichkeitsberechnungen<br />
wurde eine große hessische Weidegemeinschaft<br />
(14 Landwirte, 101 ha Weide)<br />
untersucht, die im Winter 2006/07<br />
erstmalig eine Winterbeweidung auf über<br />
800 m ü. NN Höhe mit Fleckvieh und einem<br />
einfachen selbstgebauten Holzunterstand<br />
mit Futterlager erfolgreich erprobte.<br />
Als anderes projekttypisches Fallbeispiel<br />
wurde ein bayerischer (Einzel-)Landwirt<br />
mit Gelbvieh-Ganzjahrsfreilandhaltung<br />
(ohne Unterstand) in einer Auenlage auf<br />
300 m ü. NN (10 ha Weide) <strong>als</strong> Berechnungsgrundlage<br />
herangezogen.<br />
Deutlich am besten schnitt die Ökobetriebs-Winterweide<br />
mit Färsen- und<br />
Ochsenverkauf ab. Eine um 33 % geringere<br />
Bodenrente (BR) <strong>als</strong> diese erzielte die<br />
Öko-Winterweide mit Absetzerverkauf,<br />
es folgte die Färsen-/Ochsen–Öko-Winterstallhaltung<br />
(37 % geringere BR), die<br />
konventionelle Winterweide mit Absetzern<br />
(46 % geringere BR), dann der Öko-<br />
Winterstall mit Absetzern (56 % geringere<br />
BR), die konventionelle Winterweide<br />
mit Färsen/Ochsen (61 % geringere BR),<br />
der konventionelle Winterstall mit Absetzern<br />
(73 % geringere BR) und zuletzt der<br />
konventionelle Winterstall mit Färsen/<br />
Weideochsen (102 % geringere BR). Der<br />
Verkauf von Färsen und männlichen Absetzern<br />
schnitt für Öko-Betriebe schlechter<br />
ab <strong>als</strong> der Färsen-/Weideochsenverkauf.<br />
Für konventionelle Betriebe bringt<br />
der Verkauf von Färsen und männlichen<br />
Absetzern hingegen deutliche Vorteile<br />
gegenüber Färsen-/Weideochsenverkauf,<br />
schneidet aber dennoch schlechter ab <strong>als</strong><br />
der reine Absetzerverkauf. Nur wenig<br />
schlechter <strong>als</strong> die hessische Öko-Winterweide<br />
mit Färsen- und Weideochsenver.<br />
kauf stellt sich die bayerische Öko-<br />
Winterweide mit Baby-Beef-Verkauf<br />
dar (45 % geringere BR).<br />
Diese Vollkostenrechnungen zusammen<br />
mit der Simulation verschiedener<br />
Weideflächengrößen und Besatzdichten/<br />
-stärken haben klar ergeben, dass vor dem<br />
Hintergrund der jetzigen Subventions-<br />
und Fördermittelkulisse (ohne Einrechnung<br />
der Förderung durch das Grünlandprojekt)<br />
eine sehr wirtschaftliche<br />
Bewirtschaftung von großen Standweiden<br />
möglich ist. Erfolgsfaktoren waren dabei<br />
sehr deutlich die Großflächigkeit (durch<br />
geringere Zaunlängen und geringeren Arbeitsaufwand),<br />
die Winterfreilandhaltung<br />
(durch geringere Einstreukosten, bessere<br />
Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistungen,<br />
geringere oder keine Gebäudekosten),<br />
eine geringe Besatzdichte/-stärke auf der<br />
Weide (durch den Wegfall der Einzeltierprämien<br />
und höheren Flächenzahlungen)<br />
und die ökologische Betriebsweise.<br />
Für die Beratung von Weidegemeinschaften<br />
in der Gründungsphase und bessere<br />
Beratung von Einzellandwirten wurde ein<br />
Betriebsoptimierungs-Modul für Green<br />
X entwickelt. Hier sind nach der Berechnung<br />
konkret der Gesamtbetriebsgewinn<br />
und die geleisteten Arbeitsstunden des<br />
einzelnen Landwirts bzw. Weidegemeinschaftsmitglieds<br />
erkennbar. Eingegeben<br />
werden muss lediglich, was der Landwirt<br />
in das Produktionsverfahren einbringt<br />
(Weide, Heu- und Silageflächen, Vieh,<br />
Eigenkapital, Fremdkapital mit Verzinsung,<br />
Arbeitskraft). Das Programm<br />
ermittelt dann, was er von <strong>Dr</strong>itten (z.B.<br />
anderen Weidegemeinschaftsmitgliedern)<br />
ankaufen muss oder verkaufen<br />
kann. Anhand des Betriebsgewinns und<br />
der Jahresarbeitsstunden kann sich der<br />
Landwirt ein Bild über seine genaue<br />
betriebliche Situation machen und z.B.<br />
3 7
3 8<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
feststellen, wie viel Geld er zur Tilgung<br />
von Krediten oder für neue Investitionen<br />
erübrigen kann. Werden die Daten<br />
einzelner künftiger Weidegemeinschaftsmitglieder<br />
eingegeben, lässt sich bestimmen,<br />
wer welche Produktionsgüter in<br />
welcher Menge einbringen kann und<br />
welche Verrechnungspreise innerhalb der<br />
Weidegemeinschaft festgesetzt werden<br />
könnten, damit alle gute Betriebsergebnisse<br />
erzielen können.<br />
9. Ausblick<br />
Fortlaufend wird Öffentlichkeitsarbeit für<br />
das Projekt betrieben, so dass es mittlerweile<br />
einen hohen Bekanntheitsgrad besitzt,<br />
welcher die Akzeptanz und auch die<br />
aktive Mitwirkungsbereitschaft vieler Per-<br />
sonen fördert. Wesentliche Beiträge zur<br />
guten Akzeptanz liefern besonders die<br />
ökonomischen Analysen und <strong>als</strong> vorzeigbares,<br />
einprägsames Produkt der „Rhön<br />
Schdegge“. In Gesprächen mit Vertretern<br />
des Naturschutzes, insbesondere aus den<br />
Verbänden, zeigt sich immer wieder die<br />
dringende Notwendigkeit, die Auswirkungen<br />
der Beweidung auf die Biodiversität<br />
zu untersuchen, um positive wie negative<br />
Folgen belegen zu können. Hier wäre<br />
eine breiter angelegte Begleitforschung<br />
sehr wünschenswert. Es ist zu betonen,<br />
dass auch die Mähnutzung weiterhin zur<br />
Landschaft zählen wird, da jede Tierhaltung<br />
auch Winter(zu)fütterung benötigt<br />
(Abb. 4).<br />
In den kommenden Monaten wird neben<br />
der weiteren zielorientierten Arbeit an<br />
den beschriebenen Projektbaustein die<br />
längerfristige Weiterführung und Sicherstellung<br />
des Projekterfolgs wesentlicher<br />
Teil der Arbeit sein.<br />
Anschriften der Verfasser(in): PD <strong>Dr</strong>.<br />
<strong>Eckhard</strong> Jedicke, Jahnstraße 22, 34454<br />
Bad Arolsen, E-Mail jedicke@rhoennatur.de;<br />
Dipl.-Biol. Karl-Heinz Kolb, Bayerischer<br />
Bauernverband, Geschäftsstelle Bad Neustadt<br />
a.d. Saale, Berliner Straße 19a,<br />
97616 Bad Neustadt/S., E-Mail Karl-<br />
Heinz.Kolb@BayerischerBauernVerband.de;<br />
Dipl.-Ing. Katja Preusche, Kreisbauernverband<br />
Fulda-Hünfeld e.V., Konrad-Adenauer<br />
Platz 3, 36088 Hünfeld, E-Mail<br />
preusche@rhoen-naturschutz.de;<br />
Internet www.rhöngrünland.de.<br />
Fotos: <strong>Eckhard</strong> Jedicke<br />
Abb. 4: Mähwiesen wird es auch in Systemen großflächig-extensiver Weidehaltung weiter geben (Ulstertal bei Ehrenberg-Wüstensachsen).
Die Rhön <strong>als</strong> Vorbildlandschaft<br />
des Naturschutzes?<br />
Ergebnisse einer Perspektivplanung zum Zielartenkonzept<br />
Von <strong>Eckhard</strong> Jedicke<br />
1. Das faunistische Zielartenkonzept<br />
für die Rhön<br />
Seit 1991 ist die Rhön <strong>als</strong> eines von heute<br />
weltweit 529 Biosphärenreservaten der<br />
UNESCO anerkannt (Stand September<br />
2007, www.unesco.de). Das Biosphärenreservat<br />
Rhön umfasst mit einer Fläche<br />
von 184.939 ha eine Mittelgebirgslandschaft<br />
mit Anteilen in den Bundesländern<br />
Bayern, Hessen und Thüringen.<br />
Mit Höhen von bis zu 950 m üb. NN<br />
(Wasserkuppe), Jahresniederschlägen bis<br />
über 1050 mm und einer kurzen Vegetationsperiode<br />
von nur 170 bis 190 Tagen<br />
in der Hochrhön wird es <strong>als</strong> „Land der<br />
offenen Fernen“ zu 42 % von Wald, 32 %<br />
Grünland (inkl. Brachen), 18 % Acker,<br />
5 % Siedlungen und Infrastruktur sowie<br />
3 % sonstigen Nutzungen eingenommen.<br />
Die Zonierung umfasst 2,3 % Kernzone<br />
(4.199 ha), 36,5 % Pflegezone (67.483<br />
ha) und 61,2 % Entwicklungszone<br />
(113.257 ha) (MAYERL 2004).<br />
Im Jahr 1996 begann die Zoologische<br />
Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V.<br />
– Stiftung bedrohte Tierwelt (ZGF) mit<br />
der finanziellen Förderung eines Artenschutzprojekts<br />
der Hessischen Gesellschaft<br />
für Ornithologie und Naturschutz<br />
e.V. (HGON). <strong>Dr</strong>ei Schwerpunkte<br />
wurden hierbei bislang bearbeitet:<br />
• Erarbeitung der theoretischen Grund-<br />
lagen und eines Zielartenkonzepts für<br />
regionalen zoologischen Artenschutz im<br />
Biosphärenreservat Rhön unter räumli-<br />
cher Spezifierung für die hessische Rhön;<br />
• Etablierung einer projektbegleitenden<br />
Arbeitsgemeinschaft Artenschutz im<br />
Biosphärenreservat Rhön <strong>als</strong> Plattform<br />
für den Informationsaustausch aller<br />
Interessierten über die Grenzen der<br />
Bundesländer hinaus;<br />
• Umsetzung exemplarischer Naturschutzprojekte,<br />
die aus dem zoologischen<br />
Artenschutzkonzept resultieren.<br />
„Artenschutz“ wird – der Philosophie des<br />
Projekts entsprechend – nicht allein auf<br />
die Förderung bestimmter Arten (Einzelartenschutz)<br />
bezogen, sondern ebenso<br />
auf Schutz, Pflege und Entwicklung der<br />
Artenvielfalt (Biodiversität) insgesamt (s.<br />
ALTMOOS 1997: 41). Dieses muss im<br />
Wesentlichen durch umfassenden Biotopschutz<br />
erfolgen.<br />
Repräsentative Zielarten stehen dabei<br />
<strong>als</strong> Stellvertreter für Lebensraumtypen<br />
und die darin vorkommenden Lebensgemeinschaften<br />
(Biozönosen), welche die<br />
herausragende nationale Bedeutung der<br />
Rhön für die Erhaltung von gefährdeten<br />
Arten und Biotoptypen, aber ebenso der<br />
charakteristischen Mittelgebirgsregion<br />
mit ihrem Landschaftsbild und ihrer<br />
Lebensraum- und Erholungsfunktion für<br />
den Menschen wesentlich mitbegründen.<br />
Als Kulturlandschaft über Jahrhunderte<br />
durch den hier lebenden und die Natur<br />
nutzenden Menschen geprägt, geht es<br />
hier ganz entscheidend um Naturschutz<br />
durch Nutzung, d.h. die Integration von<br />
Naturschutzzielen in die Landnutzung.<br />
Dieses schließt nicht aus, dass in begründeten<br />
Fällen aus naturschutzfachlichen<br />
Erwägungen auf jegliche Nutzung verzichtet<br />
werden muss.<br />
Ein umfassender Naturschutz muss über<br />
den Arten- und Biotopschutz hinaus-<br />
gehen und die Belange des abiotischen<br />
Ressourcenschutzes (Schutz von Boden,<br />
Wasser und Klima/Luft), des Prozessschutzes<br />
sowie der Erholungsvorsorge<br />
für den die Landschaft besiedelnden und<br />
nutzenden Menschen mit berücksichtigen.<br />
ALTMOOS (1997, 1998) erarbeitete<br />
ein regionales Zielartenkonzept <strong>als</strong><br />
Handlungsrahmen für den Naturschutz,<br />
welches für die vier Raumebenen Landschaftsausschnitte,<br />
Lebensraumkomplexe,<br />
Lebensraumbereiche und Strukturen<br />
ein Set von insgesamt 72 Zielarten mit<br />
erforderlichen Zielen und Maßnahmen<br />
identifiziert (Tab. 1). Dieses bildet nach<br />
wie vor eine wesentliche Handlungs- und<br />
Argumentationsgrundlage.<br />
Um diese Grundlagen für die Praxis<br />
weiter zu entwickeln, führte die ZGF eine<br />
Perspektivplanung ( JEDICKE 2005) mit<br />
folgenden Zielen durch:<br />
1. Festlegung eines naturschutzfachlichen<br />
Rahmens, in dem Vorhaben des Arten-<br />
und Biotopschutzes im Biosphärenreservat<br />
Rhön kurz- bis mittelfristig vorrangig<br />
angesiedelt werden sollen;<br />
2. Prioritätensetzung für die künftige<br />
Ausrichtung der Projektförderung durch<br />
die ZGF und weitere Akteure;<br />
3. Definition von Einzelprojekten, für<br />
die bevorzugt externe Finanzmittel zu<br />
akquirieren sind, die sich <strong>als</strong> Mosaiksteine<br />
zielführend in ein Gesamtkonzept zur<br />
Sicherung und Verbesserung des Erhaltungszustands<br />
der Biodiversität einfügen;<br />
4. Skizzierung aktueller Handlungsfelder<br />
einer geplanten länderübergreifenden<br />
Rhön-Stiftung.<br />
3 9
4 0<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Tab. 1: Zielartenset für das Biosphärenreservat Rhön nach ALTMOOS (1997, 1998). Grau markiert sind die Zielarten, für die im Rahmen des Biotop- und<br />
Artenschutzprojekts der ZGF bisher Maßnahmen begonnen wurden.
Aspekte der Forschung – grundlagen-<br />
und umsetzungsorientiert – bleiben<br />
hierbei bewusst ausgeklammert; es geht<br />
allein um Umsetzungsprojekte des Arten-<br />
und Biotopschutzes. Gleichwohl ist zu<br />
betonen, dass Forschungsvorhaben von<br />
hoher Bedeutung sind, um Ausrichtung<br />
und Effizienz von Naturschutzprojekten<br />
zu verbessern. Biosphärenreservaten<br />
kommt hier, gerade unter dem Aspekt<br />
umfassend verstandener Nachhaltigkeit,<br />
eine besondere Rolle zu.<br />
2. Umsetzungsarbeit der Zoologischen<br />
Gesellschaft Frankfurt<br />
Folgende Teilprojekte wurden im Rahmen<br />
der ZGF-Förderung „Biotop- und<br />
Artenschutz im Biosphärenreservat<br />
Rhön“ bisher begonnen bzw. umgesetzt<br />
(ohne Nennung zahlreicher Naturschutzprojekte<br />
<strong>Dr</strong>itter):<br />
• Schwarzstorch – Artenschutz im Wirtschaftswald:<br />
(a) Sicherung und Ver-<br />
besserung des Artenschutzes im Wirt-<br />
schaftswald durch Altholzentwicklung,<br />
natürliche Gewässerentwicklung sowie<br />
Störungsminimierung im Rahmen<br />
von gemeinsam mit der Forstverwaltung<br />
ausgearbeiteten Revierkonzepten mit<br />
Umsetzung in den früheren Forstäm-<br />
tern Hilders, Hofbieber, Mellrichstadt<br />
und Bad Kissingen; (b) Begleitung der<br />
Forsteinrichtung Hilders;<br />
• Maßnahmen gegen den Stromtod<br />
von Großvögeln durch Kartierung und<br />
Entschärfung relevanter Strommasten<br />
und Freileitungen in allen drei Landesteilen<br />
der Rhön, Schwerpunkt Hessen<br />
(s. Beitrag KIRCHNER);<br />
• Schutz der Kreuzotter durch Identifika-<br />
tion und Sicherung/Pflege der Habitate,<br />
insbesondere in der hessischen Rhön;<br />
• Schleiereule – Tiere auf Wohnungssuche,<br />
Sicherung von Nistplätzen für Siedlun-<br />
gen bewohnende Vögel und Fledermäuse<br />
in der thüringischen Rhön sowie der<br />
Modellgemeinde Thalau (Hessen);<br />
• Kartierung und lokale Schutzmaßnah-<br />
men für Amphibienarten in allen drei<br />
Landesteilen;<br />
• Identifikation und Sicherung der Habitate<br />
des bundesweit stark gefährdeten<br />
Schwarzen Apollos im bayerischen<br />
Schwerpunktvorkommen (s. Beitrag<br />
KOLB);<br />
• Schutz des Vorrangraumes Michelau<br />
durch Nutzungskartierung zur Diffe-<br />
renzierung und Abgrenzung der Grün-<br />
landbereiche <strong>als</strong> potenzielle Wiesenbrü-<br />
terbrutgebiete und wichtige Rastflächen<br />
für durchziehende Vogelarten;<br />
• Begleitung des Flurbereinigungsver-<br />
fahrens Grumbachwiesen (Gemeinde<br />
Ehrenberg) zur Optimierung eines<br />
„Hotspots“ der Biodiversität (Vorstudie<br />
und Einleitung einer durch den Natur-<br />
schutz motivierten Flurbereinigung);<br />
• Wiederaufnahme der Bewirtschaftung<br />
des Kalkrains Reulbach (Gemeinde<br />
Ehrenberg), eines Kalkmagerrasens,<br />
zur Optimierung eines „Hotspots“ der<br />
Biodiversität;<br />
• „Mosaik“ – Schutz für kleinräumige Lebensraummosaik<br />
von Heckengebieten<br />
mit eingestreuten Wiesen und Magerrasen,<br />
durchzogen von Quellen u.a.<br />
Feuchtstandorten sowie in Kontakt<br />
zu Waldrändern durch Lenkung des<br />
Vertragsnaturschutzes, Beratung der<br />
Nutzer und Suche nach alternativen<br />
Nutzungsformen;<br />
• Beiträge zur Verbesserung von Birk-<br />
huhn-Lebensräumen durch Hecken-<br />
pflanzung in der thüringischen sowie<br />
Unterstützung der Ziegenbeweidung<br />
auf verbuschten Flächen in der bayeri-<br />
schen Rhön;<br />
• Revitalisierung von Fließgewässern<br />
und ihrer Auen in der Rhön (Abb. 1):<br />
Förderung des BayernNetzNatur-Pro-<br />
jekts SinnAllianz des Bundes Natur-<br />
schutz in Bayern (s. Beitrag KNEITZ),<br />
Trägerschaft und Weiterführung des<br />
vom der Deutschen Bundesstiftung<br />
Umwelt geförderten Projekts „RHÖN<br />
IM FLUSS“ (s. Beitrag METZGER &<br />
JEDICKE sowie JEDICKE et al. 2007),<br />
Zusammenarbeit mit dem Landesver<br />
band für Höhlen- und Karstforschung<br />
Hessen bei der Quellkartierung<br />
(s. Beitrag REISS & ZAENKER);<br />
• Verbesserung der Lebensräume der<br />
Berghexe in Magerrasen der Hohen<br />
Geba durch Pflegemaßnahmen<br />
(s. Beitrag GO<strong>MB</strong>ERT & LUDWIG);<br />
• Aufbau einer Art-Datenbank im<br />
Biosphärenreservat Rhön in enger<br />
Zusam menarbeit mit der Thüringer<br />
Verwal tungsstelle;<br />
• Datenerfassung von Kleinseggenrieden<br />
und Blockschutthalden <strong>als</strong> Grundlage<br />
für ein Schutzprojekt;<br />
• Initiative für den Grünlandschutz und<br />
Mitwirkung am Grünlandprojekt Rhön<br />
(s. Beitrag JEDICKE, KOLB &<br />
PREU SCHE);<br />
• Untersuchungen zur Habitatnutzung<br />
und Ableitung von Schutzmaßnahmen<br />
für das Große Mausohr (Myotis<br />
myotis) im Feldatal rund um Neidhartshausen.<br />
Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft<br />
Artenschutz <strong>als</strong> informelle Plattform,<br />
die sich zwei- bis dreimal im Jahr trifft,<br />
und weiter begünstigt durch die von<br />
Abb. 1: Im Bereich der Revitalisierung von Fließgewässern liegt ein Umsetzungsschwerpunkt der bisherigen<br />
ZGF-Projekte – naturnaher Referenzabschnitt der Brend unterhalb der Kläranlage Schönau.<br />
4 1
4 2<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten<br />
Vorhaben „RHÖN IM FLUSS“<br />
und Grünlandprojekt hat sich eine gute<br />
Zusammenarbeit über die Ländergrenzen<br />
hinweg entwickelt. Ebenso agieren die<br />
drei Verwaltungsstellen, gestützt durch<br />
das gemeinsame Verwaltungsabkommen,<br />
zunehmend abgestimmt; mit dem<br />
Artenschutzprojekt finden regelmäßige<br />
Abstimmungsgespräche statt. Es wurden<br />
umfassende, weitgehend positive Erfahrungen<br />
mit partizipativen Methoden<br />
gesammelt (s. JEDICKE 2007).<br />
3. Defizitanalyse für den Artenund<br />
Biotopschutz im Biosphärenreservat<br />
Rhön<br />
Im Jahr 2003 hat das MAB-Nationalkomitee<br />
beim Bundesumweltministerium<br />
das Biosphärenreservat Rhön einer<br />
periodischen Evaluierung unterzogen.<br />
Hierzu legten die Umweltministerien der<br />
drei Länder einen „Bericht zur Überprüfung<br />
des UNESCO-Biosphärenreservats<br />
Rhön“ vor (Thüringer Ministerium …<br />
2003). Darin werden hinsichtlich des<br />
Arten- und Biotopschutzes folgende<br />
Defizite angesprochen:<br />
• Verlust von Rand- und Mosaikbiotopen<br />
durch Auflassung von Wirtschafts -<br />
wegen und Vergrößerung der land -<br />
wirtschaftlichen Wirtschaftseinheiten<br />
(Hessen; in Thüringen bereits in den<br />
1960er-Jahren erfolgt);<br />
• Sukzession auf landwirtschaftlichen<br />
Flächen (inkl. Aufforstung), insbeson-<br />
dere auf hoffernen Grünlandflächen;<br />
• Rohstoffabbau in Basaltlagerstätten in<br />
höheren Lagen, daneben im Muschel-<br />
kalk sowie ein Kalischacht;<br />
• Versiegelung durch Siedlungsflächen<br />
(Ausweisung von Neubau- und Ge-<br />
werbegebieten) hinsichtlich Flächengrö-<br />
ßen, Einbindung in die Landschaft und<br />
Flächen schonenden Bauweisen (Abb. 2);<br />
• Windkraftanlagen überwiegend <strong>als</strong><br />
potenzielle Gefahr;<br />
• mangelnde Berücksichtigung des<br />
Rahmenkonzepts für Schutz, Pflege<br />
und Entwicklung des Biosphärenre-<br />
servats Rhön (GREBE & BAUERN-<br />
SCHMITT 1995) in den regionalen<br />
Raumordnungsplänen, Bauleitplanun-<br />
gen, Landschaftsplanungen und Ent-<br />
wicklungskonzepten, da es keine direkte<br />
rechtliche Bindungswirkung besitzt;<br />
• nicht ausreichende Repräsentanz von<br />
Lebensräumen in den Kernzonen, vor<br />
allem bodensaurer Buchenwälder (baye-<br />
rische Vorkommen), zwecks Erfüllung<br />
des Ziels, die Standortkomplexe der<br />
charakteristischen Waldgesellschaften<br />
abzubilden;<br />
• noch zu verbessernde kooperative An-<br />
sätze zur Konfliktbewältigung zwischen<br />
Naturschutz und Freizeitansprüchen;<br />
• entwicklungsbedürftige Bemühungen<br />
für die Erhaltung der charakteristischen<br />
Natur- und Kulturlandschaft, gerade in<br />
den bewirtschafteten Bereichen, Aus-<br />
weisung weiterer Naturschutzgebiete,<br />
das intensive Management aller Schutz-<br />
gebiete (einschließlich Natura 2000)<br />
und die Initiierung und Betreuung von<br />
Artenschutzprojekten.<br />
Darüber hinaus sind hinsichtlich der<br />
Zonierung folgende Defizite festzustellen<br />
(teils durch das MAB-Nationalkomitee,<br />
teils aus eigener Sicht ergänzt):<br />
• Kernzonen: Der international von der<br />
UNESCO geforderte Anteil von mindestens<br />
3 % Kernzonen ist mit 1,95 %<br />
bislang nicht erreicht. Es besteht kein<br />
zwischen den drei Ländern abge-<br />
stimmtes einheitliches Forschungs- und<br />
Monitoringkonzept für die Kernzonen.<br />
• Pflegezonen: Hier sollen in Pflegekon-<br />
zepten und Bewirtschaftungsrichtlinien<br />
naturschutzfachliche Ziele festgehal-<br />
ten werden, aus welchen entsprechende<br />
Vorgaben für die Nutzung resultieren.<br />
Einerseits fehlen solche Konzepte in<br />
der Regel, oder es mangelt an deren<br />
Umsetzung, andererseits lässt sich<br />
aufgrund nicht existierenden Moni-<br />
torings ein Erfolg oder Misserfolg nicht<br />
feststellen. Folglich können die Pfle-<br />
ge- und Bewirtschaftungsempfehlungen<br />
nicht an aktuelle Erfordernisse ange-<br />
passt werden.<br />
In der bayerischen und hessischen<br />
Rhön wird unterschieden zwischen<br />
Abb. 2: Siedlungsentwicklung und forstliche Nutzung<br />
im Biosphärenreservat Rhön lassen Modellhaftigkeit<br />
vielfach noch vermissen – Blick von der Wasserkuppe<br />
Richtung Milseburg mit der Ortslage Sieblos und<br />
Fichtenforsten im Vordergrund.
Pflegezone A (artenreiche Bergwiesen<br />
und naturnahe Wälder in den höheren<br />
Lagen – Vorrang des Naturschutzes)<br />
und Pflegezone B (ökologisch und<br />
touristisch hochwertige Flächen, für<br />
deren Erhalt eine extensive Landwirtschaft<br />
sowie nachhaltiger und schonender<br />
Tourismus eingesetzt und gezielt<br />
gefördert werden). In der Realität findet<br />
in der Pflegezone A jedoch u.a. eine<br />
weitgehend reguläre forstwirtschaftliche<br />
Nutzung statt. Das Primat des<br />
Naturschutzvorrangs bedürfte eines<br />
eigenen Naturschutz-Fachkonzepts<br />
für die Forsteinrichtung. Ebenso wird<br />
Landwirtschaft nicht zwingend unter<br />
Vorrang der Naturschutz-Belange<br />
betrieben – hierzu wäre ein Monitoring<br />
erforderlich. Auch in der Pflegezone<br />
B trifft das Monitoringdefizit zu, so<br />
dass die Nutzungsauswirkungen nicht<br />
beleg- und modifizierbar sind. Fehlende<br />
störungsökologische Untersuchungen<br />
und darauf aufbauende Konfliktlösungen<br />
lassen gerade hier Beeinträchtigungen<br />
von Vorkommen sensibler Arten<br />
durch den Tourismus erwarten. Ein<br />
tatsächlich „nachhaltiger und schonender<br />
Tourismus“ erfordert eine eigene<br />
naturschutzfachliche Konfliktanalyse<br />
<strong>als</strong> Planungsgrundlage, um den Nachhaltigkeits-Nachweis<br />
im Hinblick auf<br />
den Schutz der Biodiversität erbringen<br />
zu können.<br />
• Entwicklungszonen: Dem im MAB-<br />
Programm definierten Ziel von<br />
Biosphärenreservaten <strong>als</strong> großflächige,<br />
repräsentative Ausschnitte von Na -<br />
tur- und Kulturlandschaften (Beispiel<br />
in Abb. 5) entsprechend, sollen in<br />
diesen Gebieten „gemeinsam mit den<br />
hier lebenden und wirtschaftenden<br />
Menschen beispielhafte Konzepte zu<br />
Schutz, Pflege und Entwicklung erar-<br />
beitet und umgesetzt“ werden (Ständige<br />
Arbeitsgruppe der Biosphärenreservate<br />
in Deutschland 1995: 5). Als größtes<br />
Defizit in der Entwicklungszone muss<br />
die Tatsache gesehen werden, dass<br />
bislang allenfalls Einzelprojekte zur<br />
Regionalentwicklung realisiert, in diesen<br />
Belange des Naturschutzes jedoch kaum<br />
oder nicht berücksichtigt werden. Es<br />
mangelt an der Erprobung entsprechen<br />
der Entwicklungskonzepte unter dem<br />
Primat der Nachhaltigkeit einschließlich<br />
des Biodiversitätsschutzes.<br />
Eine Daueraufgabe, die einer Intensivierung<br />
bedarf, bleibt die weitere Verbesserung<br />
des Informationsaustauschs und die<br />
gemeinsame Entwicklung von Projekten.<br />
Betrachtet man den Anteil der Zielarten,<br />
für die bisher in der Rhön Projekte<br />
zumindest begonnen, aber in keinem Fall<br />
bereits für die Rhön insgesamt erfolgreich<br />
abgeschlossen wurden (grau hinterlegte<br />
Artnahmen in Tab. 1), so zeigen sich auch<br />
hier noch sehr große Handlungsnotwendigkeiten.<br />
Mit Vorliegen des botanischen<br />
Artenschutzkonzepts (Grundlagen in<br />
BARTH 2004) sind beide Konzepte miteinander<br />
zu verschneiden, um kompatible,<br />
einander ergänzende und ggf. konfligierende<br />
Projektbausteine zu identifizieren<br />
und darauf aufbauend die gemeinsame<br />
Umsetzung zu realisieren.<br />
4. Perspektivplanung: Aufgaben<br />
der Zukunft<br />
Aufbauend auf der Defizitanalyse wurde<br />
mit der in Abschnitt 2 genannten Zielsetzung<br />
eine Perspektivplanung für den<br />
Arten- und Biotopschutz im Biosphärenreservat<br />
Rhön erarbeitet. Hierzu wurde<br />
das von ALTMOOS (1997, 1998) konzipierte<br />
Zielartenset zu stichpunktartigen<br />
Teilprojekt-Beschreibungen weiterentwickelt<br />
und konkretisiert und auch Fachliteratur<br />
ausgewertet. Die Aufbereitung<br />
erfolgt in meist eine Seite umfassenden<br />
Steckbriefen (Beispiel in Tab. 2).<br />
Unter kurzer Skizzierung der erforderlichen<br />
Maßnahmen enthält die Perspektivplanung<br />
folgende Projektvorschläge<br />
(Monitoring, Öffentlichkeitsarbeit und<br />
Umweltbildung sind <strong>als</strong> Maßnahmen<br />
zu jedem Baustein erforderlich und sind<br />
daher nicht explizit benannt):<br />
4.1 Fortschreibung und Operationalisierung<br />
(Hotspots)<br />
(1) Fortschreibung des Zielartenkonzepts:<br />
Überprüfung der Zielartenauswahl<br />
unter Einbeziehung des Kriteriums der<br />
Repräsentanz der charakteristischen<br />
Lebensraumtypen der Rhön; Abgleich<br />
mit den Erfordernissen der FFH- und<br />
Vogelschutzrichtlinie; Abgleich mit den<br />
Zielen und Maßnahmen des botanischen<br />
Artenschutzkonzepts; darauf aufbauend<br />
Konkretisieren der Handlungsempfehlungen<br />
(a) für die Bundesländer zur<br />
Umsetzung von NATURA 2000 und (b)<br />
für verbleibende, nicht zwingend aus den<br />
EU-Vorgaben resultierende Schutz- und<br />
Entwicklungsmaßnahmen<br />
(2) Definition von Hotspots in Bayern<br />
und Thüringen: gutachterliche Festlegung<br />
von den für den Erhalt und die Entwicklung<br />
der Rhön-typischen Biodiversität<br />
hochwertigsten Gebieten unter Anlehnung<br />
an das Zielarten-Spektrum<br />
(3) Konkretisierung von Hotspots in<br />
Hessen: Aktualisierung und ggf. Ergänzung<br />
der von ALTMOOS (1998)<br />
vorgelegten Gebietsliste; gebietsbezogene<br />
Maßnahmeempfehlungen für die ermittelten<br />
Hotspots<br />
4.2 Raumebene I: Landschaftsausschnitte<br />
(4) Zielart Birkhuhn – große halboffene<br />
Landschaftsausschnitte der Hochlagen:<br />
Offenland herstellen, wo Aufforstungen<br />
erfolgten; Gehölzreduktion (Sukzession<br />
durch Weiden, Eberesche, Anflug<br />
Fichte und Kiefer); Hutungen herrichten:<br />
infolge einseitiger Weidenutzung starke<br />
Dominanz der Rasenschmiele; intelligente<br />
Besucherlenkung, Information; Strukturanreicherung<br />
in großen ausgeräumten<br />
Weidelandschaften<br />
4 3
4 4<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
(5) Zielart Schwarzstorch – Altholz- und<br />
Feuchtgebiets-Verbund im Wirtschaftswald:<br />
Entwicklung und Zulassung von<br />
Altholzbereichen; Schutz, Renaturierung<br />
und Entwicklung ungenutzter Waldgewässer<br />
(Fließgewässer, Quellen, natürliche/naturnahe<br />
Tümpel), vorwiegend<br />
durch Nutzungsverzicht im Uferrandbereich;<br />
Beruhigung der Waldräume z.B.<br />
durch weitgehende und zeitweise Jagd-<br />
und Waldbauruhe vorwiegend zwischen<br />
März und August, Besucherlenkung um<br />
störungssensible Bereiche herum<br />
(6) Zielart Uhu – großflächige Halboffenland-Landschaftsausschnitte<br />
mit<br />
Fels-Sonderstandorten: Sicherung von<br />
natürlichen Felsbildungen und Steinbrüchen<br />
<strong>als</strong> Bruthabitat; differenzierte Pflegekonzepte<br />
für aufgelassene Steinbrüche<br />
mit ungestörter Sukzession und Pflegemaßnahmen<br />
zur Offenhaltung; Besucherlenkung<br />
zwecks Störungsminimierung im<br />
200-m-Umkreis (wo erforderlich, im Falle<br />
von Brutplätzen auch innerhalb noch im<br />
Abbaubetrieb befindlicher Steinbrüche);<br />
Schutz vor Stromtod und weiterer Zerschneidung<br />
der Landschaft<br />
(7) Zielart Rotmilan – großflächige<br />
Wald-Offenland-Kulturlandschaftsausschnitte:<br />
Förderung des Altholz-Anteils<br />
und von Laubholz in den Wäldern;<br />
Schutz vor Störungen in potenziellen<br />
Horstbereichen (> 200-m-Umkreis);<br />
Förderung einer extensiven Nutzung der<br />
Agrarlandschaften mit reicher Ausstattung<br />
mit Kleinstrukturen; Schutz vor<br />
Stromtod<br />
Abb. 3: Durch Gehölze<br />
reich gegliedertes<br />
Grünlandgebiete – hier<br />
im NSG „Lange Rhön“,<br />
Bayerns größtem<br />
außeralpinen Naturschutzgebiet<br />
– bedürfen<br />
differenzierter Nutzungskonzepte,<br />
welche<br />
auch ökonomischen<br />
Anforderungen der<br />
Landwirtschaft gerecht<br />
werden.<br />
(8) Zielart Schleiereule – Siedlungs-Umland-Landschaftsausschnitte:Aufrechterhalten<br />
bzw. Fördern einer extensiven<br />
Landnutzung mit Hecken, Bachufergehölzen,<br />
Rainen etc. (arten- und individuenreiche<br />
Kleinsäuger- und Insektenfauna);<br />
Schaffen von Einflugmöglichkeiten<br />
in Gebäuden (Öffnungsgröße > 12 cm),<br />
insbesondere am Rande von Siedlungen;<br />
Entschärfung von Strommasten<br />
4.3 Raumebene II: Lebensraumkomplexe<br />
(9) Zielarten Braun- und Schwarzkehlchen,<br />
Steinschmätzer, Wiesenpieper,<br />
Bekassine, Rebhuhn – Lebensraumkomplexe<br />
des Offenlandes: Kartierung<br />
der Artvorkommen und resultierende<br />
Schwerpunktsetzung für ± artspezifisch<br />
differenzierte Maßnahmenprogramme;<br />
Erhalt und Förderung extensiv genutzter<br />
Agrarlandschaften mit den artspezifisch<br />
geforderten Strukturelementen<br />
(10) Zielarten Raubwürger, Neuntöter,<br />
Heidelerche, Pflaumen-Zipfelfalter<br />
– Hecken-Offenland-Komplexe (Halboffenland-Komplexe<br />
I; Abb. 3): Bestandserfassung<br />
und Definition von Vorrangräumen<br />
und Maßnahmenplänen; Erhalt und<br />
Förderung der von Hecken durchzogenen<br />
Nutzungsmosaike durch Hecken- und<br />
Waldrandpflege, extensive Grünland- und<br />
(wo vorhanden) Ackernutzung sowie Suche<br />
nach neuen Vermarktungsstrategien<br />
(11) Zielarten Kreuzotter, Schlingnatter<br />
und Zauneidechse – Halboffenland-<br />
Komplexe II: Offenhalten von Blockschuttbereichen;<br />
Belassen und Neuanlage<br />
von Steinhaufen, insbesondere an<br />
Hecken-Südseiten und Böschungen;<br />
Erhalt und Förderung mosaikartiger<br />
Nutzungsstruktur mit Kurzrasigkeit<br />
und spät genutzten Rückzugsräumen;<br />
Erhaltung offener Stellen in Steinbrüchen<br />
durch sporadische Eingriffe; Förderung<br />
von halboffenen, reich strukturierten<br />
Saumbiotopen entlang von Waldwegen,<br />
Waldaußenrändern etc., möglichst Strukturanreicherung<br />
(Altholz- und Reisighaufen,<br />
Stubben, Senken, Lesesteinhaufen<br />
etc.); Anlage von Kleingewässern (Himmelsteiche;<br />
Förderung von Amphibien <strong>als</strong><br />
Nahrungsbasis für Kreuzotter)<br />
(12) Zielarten Wasseramsel, Eisvogel,<br />
Feuersalamander, Blauflügelige und<br />
Gebänderte Prachtlibelle – Bach-Ufer-<br />
Biotopkomplexe: Erhalt und Förderung<br />
natürlicher Gewässerdynamik; Verbesserung<br />
der Wasserqualität (direkte und<br />
diffuse Einträge); extensive, düngerarme<br />
Nutzung des Grünlands in den Auen,<br />
Verzicht auf Ackernutzung; Quellenschutz;<br />
kein Fischbesatz, mindestens in<br />
größeren Teilabschnitten, insbesondere in<br />
den oberen Bachabschnitten (Förderung<br />
von Libellen)<br />
(13) Zielarten Gelbbauchunke, Geburtshelferkröte,<br />
Fadenmolch und<br />
Kammmolch – Stillgewässer-Land-<br />
Biotopkomplexe: flächendeckende<br />
Amphibienkartierung; Förderung der<br />
natürlichen Kleingewässer-Entstehung in<br />
den Auen durch Fließgewässer-Revitalisierung;<br />
Erhaltung und Förderung von<br />
Stillgewässern in Steinbrüchen, Gewässerneuanlage<br />
generell; z.T. Verbesserung<br />
des Gewässerumfeldes (Gefährdungsfaktoren<br />
Straßentod, Düngung/Pestizideinsatz,<br />
Fichtenforste etc.)<br />
(14) Zielarten Fledermäuse – Lebensraumkomplexe<br />
generell: Datenauswertung<br />
zur Fledermaus-Verbreitung; Schutz<br />
von Alt- und Totholz im Wald (Höhlenreichtum);<br />
Ergänzung des ausgewiesenen
Tab. 2: Exemplarischer Projektsteckbrief aus der Perspektivplanung ( JEDICKE 2005) für die Zielarten der Quellen.<br />
4 5
4 6<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Systems an nutzungsfreien Kernzonen<br />
des Biosphärenreservats; extensive Landnutzung<br />
und Förderung des Strukturreichtums<br />
im Offenland und Halboffenland;<br />
Öffnen von Einflugmöglichkeiten in<br />
Gebäuden<br />
(15) Zielart Alpenspitzmaus – Lebensraumkomplexe<br />
naturnaher Fließgewässer-<br />
Oberläufe: Kartierung der Vorkommen<br />
und besiedelten Lebensräume, Ableitung<br />
und Umsetzung notwendiger Maßnahmen<br />
(fehlende Kenntnisse!)<br />
4.4 Raumebene III: Lebensraumbereiche<br />
(16) Zielarten (a) Schmetterlinge: Rostbinde,<br />
Berghexe, Schwarzfleckiger und<br />
Großpunkt-Bläuling, (b) Heuschrecken:<br />
Rotflügelige Schnarrschrecke, Warzenbeißer,<br />
Kurzflügelige und Westliche<br />
Beißschrecke – trockene Magerrasen<br />
(einschl. Borstgrasrasen): generell: s. auch<br />
Projekt-Nr. 9 – Lebensraumkomplexe<br />
des Offenlandes; Kartierung der Vorkommensbereiche;<br />
genereller Düngungsverzicht;<br />
für die Rotflügelige Schnarrschrecke<br />
gebietsweise Mahdnutzung,<br />
Rinder- und Schafbeweidung insbesondere<br />
für den Warzenbeißer (Förderung<br />
feuchter Trittstellen und Kotstellen<br />
mit höherem Grasbewuchs), extensive<br />
Schafbeweidung in trockenen Hanglagen<br />
für Berghexe, Rostbinde und Westliche<br />
Beißschrecke; Belassen von jährlich<br />
wechselnden Brachestreifen, insbesondere<br />
für die Kurzflügelige Beißschrecke;<br />
periodische Entbuschung insbesondere<br />
senkrecht zum Hang stehender Streifen<br />
(Isolationsfaktoren); oder <strong>als</strong> Alternative<br />
zu einer mosaikartig differenzierten Pflege:<br />
großflächige extensive Beweidung zur<br />
Förderung der Standortmosaike<br />
(17) Zielart Wanstschrecke – frisches<br />
Grünland (einschl. Goldhaferwiesen):<br />
Kartierung der Vorkommensbereiche<br />
(bisher Schwerpunkt im ehemaligen<br />
Grenzstreifen) – stark gefährdete Art;<br />
Förderung extensiv genutzter Wiesen in<br />
einem kleinräumigen Standortmosaik<br />
mit Ruderalflächen – entweder durch<br />
kleinteilige Nutzungsstrukturen in Mähgrünland<br />
oder probeweise durch großflächig-extensive<br />
Beweidung (Extensivität<br />
sollte auch für weitere Zielarten definiert<br />
werden)<br />
(18) Zielarten Wachtelkönig, Sumpfschrecke,<br />
Randring-Perlmutterfalter,<br />
Dukaten-Feuerfalter und Lilagold-Feuerfalter<br />
– Feuchtgrünland: Erfassung der<br />
Vorkommen und Populationsstärken der<br />
Zielarten; Entwickeln von Nutzungsmosaiken<br />
in Teilräumen: einige Parzellen<br />
(aber nicht die überwiegende Fläche) in<br />
späte Mahd nach August überführen,<br />
andere Parzellen extensivieren mit unterschiedlichen<br />
Bewirtschaftungsweisen; in<br />
Wachtelkönig-Rufgebieten Verzicht auf<br />
Kreiselmäher, Mahd der Parzellen von<br />
innen nach außen (Fluchtmöglichkeit);<br />
Erprobung großflächig-extensiver Weidenutzung<br />
hinsichtlich ihrer Auswirkungen<br />
auf die Zielarten<br />
(19) Zielarten Schwarzer Apollo, Großer<br />
Eisvogel, Ulmenzipfelfalter, Plumpschrecke,<br />
Hügel-Laufkäfer – Waldränder:<br />
Erfassung der Vorkommensorte der Zielarten<br />
(für den Schwarzen Apollo besteht<br />
aus dem ZGF-Artenschutzprojekt bereits<br />
eine relativ gute Kenntnis) einschließlich<br />
Populationsgrößenschätzungen; Biotoppflegemaßnahmen<br />
in den Flughabitaten<br />
der Falter (fallweise Entbuschung,<br />
Gehölzreduktion und/oder Heckenpflegemaßnahmen);<br />
Habitatverbund zwecks<br />
Erhalt/Entwicklung überlebensfähiger<br />
Populationsgrößen; vielgestaltige Wandrandgestaltung;<br />
punktuell Waldrand-Auflichtungen<br />
zur Förderung von Lerchensporn-Vorkommen;<br />
Einbeziehung von<br />
großflächig-extensiver Weidekonzepten<br />
in ein Habitatmanagementsystem (einschließlich<br />
Waldrandbereichen!), um den<br />
Pflegeaufwand zu minimieren<br />
(20) Zielarten Waldschnepfe, Hohltaube,<br />
Schwarzspecht, Baummarder und<br />
(neu) Wildkatze – Laubwald: Erfassung<br />
der Vorkommen (ergänzt durch andere<br />
Großhöhlenbrüter; Lockstock-Einsatz<br />
für Wildkatze); naturnahe Plenter- und<br />
Femelnutzung im Wirtschaftswald,<br />
Altholz-Verbundsystem ungenutzter<br />
Bestände; Pflege von Waldinnenrändern<br />
(21) Zielarten Hochmoorgelbling,<br />
Moor-Perlmutterfalter, Laufkäfer Trechus<br />
rivularis, Wolfspinne Tricca alpigena,<br />
Arktische Smaragdlibelle und Hochmoor-Mosaikjungfer<br />
– Moore: weitere<br />
Regeneration von Moorbereichen (Wiedervernässung,<br />
Gehölzreduktion); Förderung<br />
blütenreicher Vegetation im direkten<br />
Umfeld von Mooren <strong>als</strong> Nektarpflanzen<br />
für Falter (z.B. durch extensive Mahd);<br />
flankierend Erhalt und Förderung von<br />
Kleinseggenrieden u.a. Moorstandorten<br />
außerhalb der Hochmoore<br />
(22) Zielarten Bachforelle, Groppe, Bachhaft,<br />
Fluss-Schlammfliege und Zweigestreifte<br />
Quelljungfer – Fließgewässer:<br />
Erhalt und Förderung natürlicher Gewäs-<br />
Abb. 4: Altholzinseln wie am Auersberg bei Hilders<br />
ergänzen die Kernzonen im Rahmen eines Alt- und<br />
Totholz-Verbundsystems.
serdynamik; Verbesserung der Wasserqualität<br />
(direkte und vor allem diffuse<br />
Einträge); extensive, düngerarme Nutzung<br />
des Grünlands in den Auen (bzw.<br />
großflächig-extensive Weidenutzung),<br />
Verzicht auf Ackernutzung in den Auen;<br />
Verzicht auf Fischbesatz, zumindest in<br />
größeren Teilabschnitten, insbesondere in<br />
den Bachoberläufen; Wiederherstellung<br />
der Längsdurchgängigkeit ganzer Gewässersysteme<br />
4.5 Raumebene IV: Strukturen<br />
(23) Zielarten Rhön-Quellschnecke und<br />
Gestreifte Quelljungfer – Quellen und<br />
Quellfluren: Quellen- und Artenkartierung;<br />
Vermeiden von Stoffeinträgen<br />
in Quellbiotope, insbesondere durch<br />
Düngung und von Straßen u.a. Oberflächen<br />
abfließendes Niederschlagswasser;<br />
Erhalt einer intakten Humusschicht zur<br />
ungestörten Grundwasserneubildung<br />
im näheren und weiteren Quellumfeld;<br />
Entnahme von Fichtenbestockung und<br />
Erhalt standortgerechter Vegetation im<br />
Quellenumfeld; Verzicht auf Nutzung<br />
von Quellbereichen <strong>als</strong> Viehtränke, außer<br />
in begründeten Einzelfällen (z.B. bei erwiesener<br />
Unschädlichkeit bei großflächigextensiver<br />
Weidenutzung sowie zur Förderung<br />
der <strong>Dr</strong>üsigen Fetthenne – Sedum<br />
villosum); Schutz vor Erholungsnutzung<br />
durch Verzicht auf Picknickplätze in<br />
Quellbereichen und Wanderwegeführung<br />
unter Aussparung sensibler Quellen<br />
(Information der Erholungssuchenden<br />
durch Tafeln zur Akzeptanzförderung);<br />
Rückbau von Quellfassungen, Sammelbehältern<br />
für Trinkwassergewinnung u.a.<br />
Baumaßnahmen; Verzicht auf Aufstauungen<br />
von Quellwasser für Teiche<br />
(24) Zielarten Sandbiene Andrena tarsata<br />
und Mauerbiene Osmia ravouxi – Offenbodenstellen<br />
und Steinfluren: Zulassen<br />
kleinräumiger Bodenverwundungen bzw.<br />
Rohbodenstellen in Magerrasen u.a. ma-<br />
geren Gründlandbiotopen, insbesondere<br />
durch Beweidung; evtl. sporadische Pflegemaßnahmen<br />
zur Wiederherstellung von<br />
Offenbodenbereichen in Steinbrüchen;<br />
Entnahme von Baumanflug bei stärkerer<br />
Gehölzsukzession auf kleineren Blockschutthalden<br />
in der Offenlandschaft,<br />
ansonsten keine Nutzung<br />
(25) Zielarten Bockkäfer Leiopus nebulosus<br />
u.a. Totholz-Käfer – Totholzbereiche:<br />
Überprüfung und Ergänzung der<br />
Zielarten-Auswahl für das für zahlreiche<br />
Arten essenzielle Strukturelement Totholz<br />
auf der Basis von Arterfassungen;<br />
fachliches Maßnahmenkonzept für einen<br />
wirkungsvollen Totholz-Verbund auf<br />
landschaftlicher Ebene (u.a. Ergänzung<br />
der Kernzonen) und für einzelne Forstreviere;<br />
Gewährleistung eines langfristigen<br />
Angebots der verschiedenen Totholz-<br />
Qualitäten in ausreichender Dichte und<br />
im Verbund (Abb. 4)<br />
Abb. 5: Blick aus der Pflegezone B in die Entwicklungszone, vom Pferdskopf in westliche Richtung auf Poppenhausen. Gerade in dieser Landschaft – beispielsweise<br />
Jagdraum der Zielart Rotmilan, die Vogelart, für die Deutschland global die größte Erhaltungsverantwortung trägt – mangelt es an innovativen Projekten in größerem<br />
Maßstab, welche Naturschutz und Regionalentwicklung miteinander verknüpfen.<br />
4 7
4 8<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
Abb. 6: Prioritätensetzung hinsichtlich der <strong>Dr</strong>inglichkeit von Maßnahmen für die Zielarten(gruppen) aus länderübergreifender Sicht innerhalb insgesamt<br />
hochgradig bedeutsamer Projekte (d.h. auch Priorität 5 ist wichtig).
4.6 Länderübergreifende Grundsatz-<br />
Aufgaben<br />
(26) Artdatenbank für das Biosphärenreservat<br />
Rhön: Fortführung der begonnenen<br />
Artdatenbank in der thüringischen<br />
Verwaltungsstelle durch Integration aller<br />
vorhandenen Informationen zu Artvorkommen<br />
im Biosphärenreservat und<br />
fortlaufende Aktualisierung; Koordination<br />
der Erfassung länderübergreifend<br />
einheitlicher Schwerpunktarten; Rückfluss<br />
von Ergebnissen aus der Datenbank<br />
an die Kartierenden<br />
(27) Biodiversitätsmonitoring: Entwicklung<br />
eines Indikatorensystems zur<br />
fortlaufenden Beobachtung der Entwicklung<br />
der biologischen Vielfalt im<br />
Biosphärenreservat; Umsetzung des<br />
Beobachtungsprogramms zur Erfassung<br />
der Indikatorarten; fortlaufende Dateneingabe<br />
in die vorhandene Artdatenbank<br />
und Datenauswertung; regelmäßiger<br />
Bericht zur Entwicklung der Biodiversität<br />
mit Schlussfolgerungen für die weitere<br />
Entwicklung des Biosphärenreservats<br />
(28) Länderübergreifendes Konfliktmanagement<br />
in Bezug auf Freizeitnutzungen<br />
und Tourismus: Umsetzung der<br />
Vorschläge aus dem Modellprojekt des<br />
BfN/BMU zur Konfliktminderung im<br />
Bereich Luftsport (DAeC 2003); Realisierung<br />
des seit mehreren Jahren angestrebten<br />
Ziels einer länderübergreifenden<br />
Wanderkarte für das Biosphärenreservat<br />
unter vorheriger planerischer Bearbeitung<br />
zwecks aktiver Lenkung und Begrenzung<br />
von Störungen durch Freizeitaktivitäten;<br />
Konfliktanalyse für sportliche und touristische<br />
Aktivitäten (Wandern, Walking,<br />
Jogging, Radfahren, Wintersport, Flugsport,<br />
touristische Infrastruktur etc.);<br />
Durchführung professionell moderierter<br />
Workshops und Erarbeitung umsetzungsreifer<br />
Konzepte zur Konfliktlösung, im<br />
Bedarfsfall unter Einsatz von Mediatoren;<br />
aktive planerische Lenkung der weiteren<br />
touristischen Entwicklung der Rhön<br />
unter Nachhaltigkeitsaspekten, u.a. durch<br />
Umsetzung der CBD-Richtlinie für nachhaltigen<br />
Tourismus in sensiblen Gebieten<br />
(CBD = Konvention über Biodiversität;<br />
vgl. z.B. BIEDENKAPP & GARBE<br />
2002); systematisches Monitoring der<br />
Auswirkungen von Freizeitnutzungen<br />
und Tourismus<br />
(29) „Schutz durch Nutzung“ – Nachhaltigkeitsprojekte:<br />
Verknüpfung von Zielen<br />
des Biodiversitätsschutzes/Naturschutzes<br />
insgesamt mit einer tragfähigen Landnutzung<br />
bzw. Regionalentwicklung; Nachweis<br />
der sozio-ökonomischen Potenzi<strong>als</strong><br />
des Naturschutzes für die Regionalentwicklung;<br />
Etablierung kooperativer<br />
Arbeitsformen der Verwaltungen und<br />
Akteure im Sinne der Lokalen Agenda<br />
21; Realisierung von Modellprojekten in<br />
den verschiedenen Bereichen der Landnutzung<br />
(aufbauend auf der Rettung des<br />
Rhönschafes und den Ergebnissen des<br />
laufenden Grünlandprojekts)<br />
In Abb. 6 wird eine grobe Einordnung<br />
der Projektvorschläge hinsichtlich der<br />
<strong>Dr</strong>inglichkeit vorgenommen. Diese muss<br />
subjektiv bleiben und in einigen Punkten<br />
auch willkürlich erscheinen, soll aber<br />
dennoch verdeutlichen, wo aus länderübergreifender<br />
Perspektive die besonders<br />
dringlichen Arbeitsschwerpunkte liegen<br />
sollten. Die getroffenen Prioritäten<br />
stellen eine Abstufung innerhalb generell<br />
hochgradig bedeutsamer Naturschutzprojekte<br />
und -Zielsetzungen da; auch die<br />
Prioritäten 4 und 5 sind von hochrangiger<br />
Bedeutung. Es ist daher gerechtfertigt,<br />
ebenso für Zielarten der niedrigeren<br />
Prioritätsstufen unmittelbar Schutzprojekte<br />
zu beginnen oder fortzusetzen! Die<br />
Abstufung dient allein dazu, zu verdeutlichen,<br />
wo ganz besonders dringender<br />
Handlungsbedarf besteht.<br />
5. Ausblick<br />
Die Rhön besitzt europaweite Bedeutung<br />
für den Erhalt der Biodiversität. Das<br />
Zielartenkonzept hat sich <strong>als</strong> Instrument<br />
zur Planung von Schutzmaßnahmen bewährt,<br />
weil es erlaubt, Anforderungen des<br />
Naturschutzes qualitativ und quantitativ<br />
zu begründen, aber auch den Erfolg von<br />
Schutzbemühungen zu kontrollieren. Die<br />
finanzielle Förderung der Zoologischen<br />
Gesellschaft Frankfurt und der Deutschen<br />
Bundesstiftung Umwelt <strong>als</strong> Hauptgeldgeber<br />
lösten wichtige Kooperationen<br />
für den Naturschutz und Folgeinvestitionen<br />
aus. Diese Bemühungen bedürfen<br />
erheblich intensivierter Anstrengungen,<br />
damit das Biosphärenreservat Rhön<br />
tatsächlich <strong>als</strong> eine Vorbildlandschaft für<br />
erfolgreichen Naturschutz bezeichnet<br />
werden kann. Denn die Defizitanalyse<br />
wie Perspektivplanung zeigen nach wie<br />
vor umfassenden Handlungsbedarf auf.<br />
Übergreifend wird dieser insbesondere in<br />
folgenden Bereichen gesehen:<br />
• Länderübergreifender Naturschutz<br />
bedarf in der Rhön einer hauptamtli-<br />
chen Institutionalisierung zwecks<br />
inhaltlicher Koordination und einer ver-<br />
stärkten Einwerbung von Fördermitteln.<br />
• In allen drei Verwaltungsstellen sollte<br />
durch fest angestellte Mitarbeiter(innen)<br />
naturschutzfachliche Kompetenz<br />
geschaffen bzw. ausgebaut werden, um<br />
die skizzierten umfangreichen Anforde-<br />
rungen erfüllen zu können.<br />
• Biodiversität im Biosphärenreservat<br />
bedarf eines systematischen Moni-<br />
torings, um den generellen Zielen des<br />
MAB-Programms im Bereich des Na-<br />
turschutzes gerecht werden zu können.<br />
• Die Zonierung des Biosphärenreservats<br />
sollte hinsichtlich der Zielsetzung der<br />
einzelnen Zonen unter Gesichtspunk-<br />
ten des Naturschutzes konsequenter<br />
umgesetzt werden.<br />
• Konfliktthemen sind kooperativ zu be-<br />
arbeiten, insbesondere zwischen Frei-<br />
zeitnutzungen und Naturschutz.<br />
4 9
5 0<br />
N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />
• Besonderer Förderung bedarf die Reali-<br />
sierung integrativer Projekte, welche<br />
Ziele des Naturschutzes mit jenen der<br />
Regionalentwicklung verknüpfen.<br />
• Im Rahmen von aktiv eingeworbenen<br />
Forschungsprojekten – über Diplomar-<br />
beiten wesentlich hinaus gehend – soll-<br />
ten verstärkt für die Naturschutzpraxis<br />
wesentliche Inhalte bearbeitet werden.<br />
Dank<br />
Der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt<br />
(ZGF 1210/96) und der Deutschen Bundesstiftung<br />
Umwelt (DBU, Az. 20793<br />
und 22655) wird <strong>als</strong> Hauptsponsoren für<br />
die Förderung verschiedener Projekte in<br />
der Rhön ganz herzlich gedankt. Weitere<br />
Fördermittel in maßgeblichem Umfang<br />
steuerten u.a. die Allianz Umweltstiftung,<br />
die ARGE Rhön, das Bayerische Staatsministerium<br />
für Umwelt, Gesundheit<br />
und Verbraucherschutz (StMUGV), die<br />
Firma Bionade, der Bund für Umwelt<br />
und Naturschutz Deutschland (BUND),<br />
der Bund Naturschutz in Bayern (BN),<br />
der Freistaat Thüringen, die Deutsche<br />
Umwelthilfe (DUH), die Kurt Lange<br />
Stiftung, die Obere Naturschutzbehörde<br />
beim Regierungspräsidenten in Kassel,<br />
die Regierung von Unterfranken, das<br />
Staatliche Umweltamt Suhl, die Stiftung<br />
Hessischer Naturschutz, das Thüringer<br />
Landesverwaltungsamt, die Unteren<br />
Naturschutzbehörden der Landkreise<br />
Fulda, Rhön-Grabfeld, Schmalkalden-<br />
Meiningen und Wartburgkreis sowie das<br />
Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen bei.<br />
Ihnen allen und weiteren hier ungenannten<br />
Geldgebern sowie allen Akteuren, mit<br />
denen wir zusammenarbeiten durften,<br />
gilt unser bester Dank. Für ihre stete<br />
Kooperationsbereitschaft und die gute<br />
Zusammenarbeit wird besonders den<br />
Mitarbeit(inne)n der drei Verwaltungsstellen<br />
des Biosphärenreservats gedankt.<br />
Persönlich danke ich Herrn <strong>Dr</strong>. Michael<br />
Altmoos und der Hessischen Gesellschaft<br />
für Ornithologie und Naturschutz<br />
(HGON) für die Schaffung der Grundlagen<br />
des Projektes, auf denen ich aufbauen<br />
konnte.<br />
Zitierte Literatur<br />
ALTMOOS, M. (1997): Ziele und<br />
Handlungsrahmen für regionalen zoologischen<br />
Artenschutz – Modellregion<br />
Biosphärenreservat Rhön. Hessische<br />
Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz,<br />
Hrsg., Echzell, 235 S.<br />
ALTMOOS, M. (1998): Maßnahmenkonzept<br />
und Praxisanschub für zoologischen<br />
Artenschutz im Biosphärenreservat<br />
Rhön, hessischer Teil. 254 S. und<br />
Anhangsbände, unveröff., hrsg. von der<br />
Hessischen Gesellschaft für Ornithologie<br />
und Naturschutz (HGON), Echzell. Bericht<br />
im Auftrag der Stiftung Hessischer<br />
Naturschutz, Wiesbaden.<br />
BARTH, U. (2004): Botanisches Artenschutzkonzept<br />
im Biosphärenreservat<br />
Rhön. Kurzfassung des Abschlussberichts.<br />
Tann, 15 S., Stand: Februar 2004<br />
(vervielf. Mskr.).<br />
BIEDENKAPP, A., GARBE, C. (2002):<br />
Nachhaltige Tourismusentwicklung in<br />
Großschutzgebieten – Symposium vom<br />
18.–19. Januar 2002 im Rahmen des 12.<br />
Reisepavillon – Hannover. BfN-Skripten<br />
74, Bonn-Bad Godesberg.<br />
DAeC e.V. (2003): Vorstudie zum E&E-<br />
Vorhaben „Konfliktlösungen zwischen<br />
Sport und Naturschutz am Beispiel der<br />
Hohen Rhön“ – Methoden und Ergebnisse.<br />
BfN-Skripten 83, Bonn.<br />
GREBE, R., BAUERNSCHMITT, G.<br />
(Bearb., 1995): Biosphärenreservat Rhön<br />
– Rahmenkonzept für Schutz, Pflege und<br />
Entwicklung. Neumann, Radebeul.<br />
JEDICKE, E. (2005): Arten- und Biotopschutz<br />
im Biosphärenreservat Rhön<br />
(ZGF 1210/96) – Perspektivplanung.<br />
Naturschutzfachliche Schwerpunkte<br />
für Projekte im Zeitraum 2005 – 2009.<br />
Unveröff. Studie Bad Arolsen, 54 S.<br />
JEDICKE, E. (2007): Partizipation und<br />
Kooperation zur Realisierung von Naturschutzprojekten<br />
im Biosphärenreservat<br />
Rhön. Beiträge Region und Nachhaltigkeit<br />
4, 85-98.<br />
JEDICKE, E., METZGER, M., FRE-<br />
MUTH, W. (2007): Management der<br />
Revitalisierung von Fließgewässern<br />
– Bilanz eines länderübergreifenden<br />
Projekts im Biosphärenreservat Rhön.<br />
Naturschutz und Landschaftsplanung 39,<br />
(11), 329-336.<br />
MAYERL, D. (2004): Das Netzwerk<br />
der Biosphärenreservate in Deutschland.<br />
In: Deutsches MAB-Nationalkomitee<br />
beim Bundesministerium für Umwelt,<br />
Naturschutz und Reaktorsicherheit,<br />
Hrsg., Voller Leben: UNESCO-Biosphärenreservate<br />
– Modellregionen für<br />
eine Nachhaltige Entwicklung, Springer,<br />
Berlin/Heidelberg, 26-41.<br />
Thüringer Ministerium für Landwirtschaft,<br />
Naturschutz und Umwelt, Bayerisches<br />
Staatsministerium für Umwelt,<br />
Gesundheit und Verbraucherschutz,<br />
Hessisches Ministerium für Umwelt,<br />
ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />
(Hrsg., 2003): Bericht zur Überprüfung<br />
des UNESCO-Biosphärenreservats<br />
Rhön – Berichtszeitraum: 1991-2003.<br />
Unveröff. Ber., 61 S., <strong>Download</strong> unter<br />
www.rhoen.de.<br />
Anschrift des Verfassers: PD <strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong><br />
Jedicke, Jahnstraße 22, 34454 Bad Arolsen,<br />
E-Mail jedicke@rhoennatur.de.
Ausblick<br />
Die Wildkatze besiedelt die Rhön<br />
wieder neu: Rund 60 Jahre, nachdem in<br />
den 1940er-Jahren die letzte Wildkatze<br />
geschossen wurde, gelangen jetzt wieder<br />
Nachweise der scheuen Verwandten<br />
unserer Hauskatze. Und zwar mit einer<br />
innovativen Methode: Mit Baldrian präparierte<br />
Lockstäbe werden in potenziellen<br />
Lebensräumen deponiert. Der Geruch<br />
lockt die Katzen an, sie reiben sich an<br />
den Stöcken, so dass Haare an dem rauen<br />
Holz hängen bleiben. Mittels DNA-Analyse<br />
dieser Haarproben ist nachweisbar,<br />
ob es sich um Wild- oder Hauskatzen<br />
handelt. Acht Proben immerhin waren<br />
jetzt eindeutig der Wildkatze zuzuordnen.<br />
Was bedeutet die Rückkehr der Wildkatze<br />
für den Naturschutz in der Rhön? Das<br />
Biosphärenreservat zeigt Lebensraumqualitäten<br />
auch für seltene Tierarten,<br />
die einen überregionalen Biotopverbund<br />
benötigen. Die ZGF hat das zuvor in<br />
einer Habitatmodellierung für Wildkatze<br />
und Luchs bereits postuliert – die aktuellen<br />
Nachweise bestätigen die Theorie.<br />
Dabei ist die Rhön ein wichtiger Ausbreitungskorridor<br />
zwischen den größeren<br />
Waldgebieten von Hainich, Thüringer<br />
Wald, Vogelsberg und Spessart. Gleichwohl<br />
ist diese Funktion verletzlich – der<br />
Neubau von Straßen oder eine Ausweitung<br />
von Outdoor-Freizeitnutzungen<br />
beispielsweise können rasch zu neuen<br />
Bedrohungen werden. Und so dürfen die<br />
Erfolge in Naturschutzprojekten ebenso<br />
wenig wie die Nachweise der Wildkatze<br />
zu Selbstzufriedenheit verleiten. Ganz im<br />
Gegenteil: Die europaweite Bedeutung<br />
der Rhön für den Schutz zahlreicher<br />
Pflanzen- und Tierarten, Pflanzengesellschaften<br />
und Biotoptypen mahnt dazu,<br />
behutsam und reflektiert mit der Rhön-<br />
Natur umzugehen. Wie sensibel diese ist,<br />
zeigt zum Beispiel die Besorgnis erregende<br />
Bestandsentwicklung des Birkhuhns<br />
und des Schwarzstorchs.<br />
Das aber erfordert zweierlei: zum einen<br />
fachlich versierte Menschen, ehrenamtlich<br />
wie hauptberuflich mit entsprechender<br />
Ausbildung, die in den Verwaltungsstellen<br />
des Biosphärenreservats, in<br />
den weiteren Behörden und in zeitlich<br />
begrenzten Projekten fundierten Naturschutz<br />
betreiben. Zum anderen benötigen<br />
wir Kenntnis von der Bestandsentwicklung<br />
der in der Rhön lebenden Arten.<br />
Erst wenn wir durch ein systematisch<br />
betriebenes Monitoring in der Lage sind,<br />
über Jahre hinweg die Veränderungen der<br />
Biodiversität nachzuvollziehen, können<br />
wir auf die Suche nach den Ursachen<br />
gehen und detaillierte Schlussfolgerungen<br />
für Naturschutz und nachhaltige Landnutzungssysteme<br />
ziehen. Und erst dann<br />
wird das Biosphärenreservat im Bereich<br />
des Naturschutzes dem Nachhaltigkeits-<br />
Primat <strong>als</strong> Vorbildlandschaft wirklich<br />
gerecht werden können.<br />
Auf leisen Pfoten kehrt die Wildkatze in die Rhön zurück – ein neuer Indikator für den Naturschutz im<br />
Biosphärenreservat. Es gilt, die Landschaft für Mensch und Tier gleichermaßen attraktiv zu gestalten.<br />
Zielarten helfen uns, Aussagen über die<br />
Notwendigkeit von Maßnahmen des<br />
Naturschutzes zu treffen, d.h. Ziele und<br />
Handlungen qualitativ und quantitativ<br />
zu definieren, sie der Öffentlichkeit zu<br />
vermitteln, aber auch ihren Umsetzungserfolg<br />
zu kontrollieren. Dieses Konzept<br />
hat sich in der Rhön bewährt, auch wenn<br />
es im Detail hier und da fortgeschrieben<br />
werden könnte. Viel wichtiger aber ist<br />
die Umsetzung von Maßnahmen: Unsere<br />
Perspektivplanung weist den Weg in<br />
eine Vielzahl von Entwicklungen, die es<br />
jetzt rasch anzustoßen gilt. Ungestörte<br />
Naturentwicklung, der so genannte Prozessschutz,<br />
ist hier in Teilbereichen zwar<br />
eine wichtige Aufgabe. Gerade in einem<br />
Biosphärenreservat geht es aber auf dem<br />
Großteil der Fläche um eine Integration<br />
des Naturschutzes in die Landnutzung.<br />
Kooperation ohne Vorbehalte ist dabei<br />
kein Lippenbekenntnis, sondern Notwendigkeit,<br />
wie einige Projekte in der Rhön<br />
– wie das Grünlandprojekt – eindrucksvoll<br />
belegen.<br />
Derart fundierter Naturschutz kostet<br />
Geld. Aber dieses Geld ist sinnvoll investiert<br />
in die langfristige Werterhaltung, ja<br />
Wertsteigerung des zentralen Kapit<strong>als</strong>,<br />
welches die Rhön besitzt: die Natur.<br />
Dieses Kapital verstärkt in Projekte <strong>als</strong><br />
Motor für die Regionalentwicklung einzubringen,<br />
ist eine entscheidende Herausforderung<br />
der nächsten Jahre. Die ZGF<br />
bietet sich hierfür <strong>als</strong> Partner an, doch<br />
sie kann und möchte solche Ideen nicht<br />
allein umsetzen. Wir wollen das vorhandene<br />
Netzwerk an Akteuren ausbauen<br />
und stärken. Jeder ist eingeladen, daran<br />
mit seinen Stärken und Möglichkeiten<br />
mitzuarbeiten!<br />
Wolfgang Fremuth<br />
Zoologische Gesellschaft Frankfurt,<br />
Referatsleiter Europa, Frankfurt/Main<br />
Foto: Wolfgang Fremuth<br />
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