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2<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Vorwort<br />

Seit über zehn Jahren fördert die Zoologische<br />

Gesellschaft Frankfurt (ZGF)<br />

unter dem Titel „Biotop- und Artenschutz<br />

im Biosphärenreservat Rhön“<br />

Naturschutzvorhaben in der Rhön – <strong>als</strong><br />

Geldgeber gleichermaßen wie <strong>als</strong> Träger<br />

für <strong>Dr</strong>ittmittelprojekte. Aus diesem<br />

Anlass und zum Abschluss der Förderung<br />

der Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />

(DBU) für das Projekt „Rhön im Fluss“<br />

fand im „Haus der Schwarzen Berge“ in<br />

Wildflecken-Oberbach eine Tagung statt,<br />

die in dieser Broschüre dokumentiert<br />

wird. Damit wird eindrucksvoll Bilanz gezogen<br />

über sehr unterschiedliche Ansatzpunkte<br />

effektiven Naturschutzes – vom<br />

spezifischen Schutz einzelner Arten <strong>als</strong><br />

Stellvertreter von Lebensgemeinschaften<br />

bis hin zu integrierten Ansätzen gemeinsam<br />

mit der Landwirtschaft. Leitlinie dabei<br />

bildet ein Zielartenkonzept, welches<br />

für die Arbeit auch des Biosphärenreservats<br />

bedeutsam ist.<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber:<br />

Regierung von Unterfranken<br />

Bayerische Verwaltungsstelle<br />

Biosphärenreservat Rhön<br />

Managementzentrum<br />

Oberwaldbehrunger Straße 4<br />

97656 Oberelsbach<br />

Telefon (0 97 74) 9 10 20<br />

E-Mail Postmaster@brrhoenbayern.de<br />

Internet www.biosphaerenreservat-rhoen.de<br />

Zoologische Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V.<br />

Bernhard-Grzimek-Allee 1<br />

60316 Frankfurt<br />

Telefon (069) 9 43 44 60<br />

E-Mail info@zgf.de<br />

Internet www.zgf.de<br />

Redaktion: Priv.-Doz. <strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong> Jedicke, Bad Arolsen<br />

www.jedicke.de<br />

Layout: Ludwig & Höhne GmbH, Schweinfurt<br />

www.ludwig-hoehne.de<br />

<strong>Dr</strong>uck: Rötter <strong>Dr</strong>uck, Bad Neustadt/Saale<br />

www.roetter-druck.de<br />

Auflage: 1.000 Exemplare<br />

Foto Umschlagseite: naturnaher Abschnitt mit Schotterbänken<br />

und Erlen-Bachauenwald an der Brend – Vorbild<br />

für Maßnahmen zur Revitalisierung der Fließgewässer<br />

(Foto: <strong>Eckhard</strong> Jedicke)<br />

Bei allen Erfolgen im Detail wird aber<br />

auch deutlich, dass im Naturschutz in der<br />

Rhön noch viel zu tun bleibt. Wir dürfen<br />

uns <strong>als</strong>o nicht auf Erfolgen ausruhen,<br />

sondern sollten diese <strong>als</strong> Ansporn für das<br />

weitere Handeln verstehen. Naturschutz<br />

ist <strong>als</strong> ernst zu nehmender Partner und<br />

Motor auch für eine erfolgreiche Regionalentwicklung<br />

zu verstehen. Gerade<br />

hierbei kommt es auf eine offene, vorbehaltlose<br />

Zusammenarbeit zwischen<br />

Naturschutzverbänden, Verwaltungen,<br />

Lobbyisten und Unternehmen aus Land-<br />

und Forstwirtschaft, Gastronomie, Tourismus<br />

usw. an. Denn der Schutz von<br />

Schwarzem Apollo, Eisvogel, Schwarzstorch,<br />

Wildkatze und Rhön-Quellschnecke<br />

erfordert einerseits in manchen Fällen<br />

Einschränkungen. Eine vielgestaltige und<br />

artenreiche Landschaft ist aber andererseits<br />

das Kapital der Rhön – und so kann<br />

gerade dieser Verzicht auch wirtschaftlich<br />

gesehen ein Motor für die Regionalent-<br />

wicklung sein. Hier gilt es noch manche<br />

Fronten abzubauen.<br />

Als gemäß Verwaltungsabkommen<br />

zwischen den drei Bundesländern, an<br />

welchen die Rhön Anteil hat, derzeit<br />

federführende Verwaltung danke ich der<br />

ZGF und der DBU für die entscheidenden<br />

Impulse, die sie mit ihrer finanziellen<br />

Förderung und fachlichen Anstößen für<br />

die Entwicklung des Naturschutzes in der<br />

Rhön gegeben haben. Wir hoffen auch<br />

weiterhin auf die Unterstützung beider<br />

Förderinstitutionen bei unseren gemeinsamen<br />

Zukunftsaufgaben in der Rhön!<br />

Michael Geier<br />

Regierung von Unterfranken, Leiter der<br />

Bayerischen Verwaltungsstelle des<br />

Biosphärenreservats Rhön, Oberelsbach


Grußwort<br />

Der Fokus der Förderung der Deutschen<br />

Bundesstiftung Umwelt im Bereich Naturschutz<br />

liegt auf der genutzten Landschaft.<br />

Dazu zählen auch die historisch<br />

gewachsenen Kulturlandschaften der<br />

Mittelgebirge in Deutschland. Die Bewahrung<br />

dieser einmaligen Landschaften,<br />

wie in der Rhön, dem Land der offenen<br />

Fernen, setzt die Entwicklung zukunftsfähiger<br />

Nutzungskonzepte voraus, welche<br />

vor dem Hintergrund der agrarstrukturellen<br />

Veränderung in der EU auch<br />

mittel- bis langfristig umsetzbar sind. In<br />

der Rhön fördert die DBU in diesem Sinne<br />

das Vorhaben „Grünlandschutz und<br />

Landschaftsentwicklung durch großflächige<br />

Beweidung“. Ein anderer Komplex,<br />

den die DBU in der Rhön aufgegriffen<br />

hat, ist das Thema „Hochwasser- und<br />

Naturschutz“. Die bisherigen Ergebnisse<br />

des Projekts „Rhön im Fluss“ machen<br />

deutlich, dass es durchaus möglich und<br />

sinnvoll ist, Synergismen zwischen<br />

Hochwasserschutz und Naturschutz<br />

zu nutzen. Wie bei der Erstellung von<br />

Beweidungskonzepten gilt es auch hier,<br />

strategisch Allianzen zwischen Schützern<br />

und Nutzern zu gründen und weiter zu<br />

entwickeln.<br />

Ein wesentliches Augenmerk liegt bei der<br />

Fließgewässerrevitalisierung auf der Wiederherstellung<br />

der Durchgängigkeit <strong>als</strong><br />

einer Basisfunktion von Fließgewässern in<br />

Biotopverbundsystemen. Landseitig gilt<br />

es, fragmentierte Lebensräume – wenn<br />

nicht anders möglich – durch Korridore<br />

miteinander zu verbinden. Dies geschieht<br />

z.B. im durch DBU und ZGF geförderten<br />

Wildkatzen-Projekt des BUND-Landesverbands<br />

Thüringen, welches die Vernetzung<br />

von Waldlebensräumen mit der<br />

Wildkatze <strong>als</strong> Zielart erreichen möchte.<br />

Im Biosphärenreservat Rhön – und nicht<br />

nur dort – hat sich eine hervorragende<br />

Kooperation der DBU mit der Zoologischen<br />

Gesellschaft Frankfurt entwickelt,<br />

die es auch zukünftig fortzusetzen gilt.<br />

Gemeinsame Aktivitäten gibt es auch<br />

im internationalen Bereich, sowohl auf<br />

der Projektebene <strong>als</strong> auch im internationalen<br />

Stipendienprogramm. Ich möchte<br />

allen Verantwortlichen in den Projekten,<br />

stellvertretend für all die anderen, die sich<br />

<strong>als</strong> Partner beruflich und ehrenamtlich<br />

engagieren, danken. Zudem beglückwünsche<br />

ich die Zoologische Gesellschaft<br />

für ihr dauerhaftes Engagement in der<br />

Rhön– verbunden mit der Hoffnung auf<br />

eine weiterhin sehr gute Zusammenarbeit<br />

für den Naturschutz in Deutschland und<br />

Europa.<br />

<strong>Dr</strong>. Volker Wachendörfer<br />

Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Abt. Umweltforschung<br />

und Naturschutz, Osnabrück<br />

MATTHIAS METZGER UND ECKHARD JEDICKE<br />

Rhön im Fluss – ein Projekt zur Revitalisierung von Fließgewässern im Biosphärenreservat 4<br />

MARTIN REISS UND STEFAN ZAENKER<br />

Quellenerfassung im Biosphärenreservat Rhön 10<br />

STEPHAN KNEITZ<br />

Die SINNallianz – ein Naturschutzprojekt für das Lebensraumnetz Sinn 14<br />

KARL-HEINZ KOLB<br />

Der Schwarze Apollo in der bayerischen Rhön 17<br />

JULIA GO<strong>MB</strong>ERT UND PETRA LUDWIG<br />

Offenhaltung von Steintriften für die Berghexe und das Bundesgroßprojekt „Thüringer Rhönhutungen“ 23<br />

TORSTEN KIRCHNER<br />

Maßnahmen gegen den Stromtod von Großvögeln im Biosphärenreservat Rhön 25<br />

BURKHARD VOGEL, THOMAS MÖLICH UND SABINE JANTSCHKE<br />

Ein Rettungsnetz für die Wildkatze – Verbund von Waldlebensräumen 27<br />

ECKHARD JEDICKE, KARL-HEINZ KOLB UND KATJA PREUSCHE<br />

Fressen für den Naturschutz – großflächig-extensive Beweidung in der Rhön 33<br />

ECKHARD JEDICKE<br />

Die Rhön <strong>als</strong> Vorbildlandschaft des Naturschutzes? Ergebnisse einer Perspektivplanung zum Zielartenkonzept 39<br />

WOLFGANG FREMUTH<br />

Ausblick 51<br />

3


4<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Rhön im Fluss –<br />

ein Projekt zur Revitalisierung von Fließgewässern im Biosphärenreservat<br />

Von Matthias Metzger und <strong>Eckhard</strong> Jedicke<br />

1. Einleitung<br />

Seit 1996 fördert die Zoologische Gesellschaft<br />

Frankfurt (ZGF) Artenschutzprojekte<br />

im Biosphärenreservat Rhön.<br />

In diesem Zusammenhang wurde <strong>als</strong> informeller<br />

Kreis eine länderübergreifende<br />

Arbeitsgemeinschaft Artenschutz unter<br />

Beteiligung amtlicher und ehrenamtlicher<br />

Naturschützer gegründet. Im Rahmen<br />

der Arbeitsgemeinschaft wurden Schwerpunktthemen<br />

des Artenschutzes im<br />

Biosphärenreservat Rhön formuliert und<br />

Strategien zur Umsetzung von Maßnahmen<br />

erarbeitet. Schutz und Entwicklung<br />

der Fließgewässer bilden hierbei einen<br />

Schwerpunkt.<br />

Zur Umsetzung länderübergreifender<br />

Renaturierungsmaßnahmen an den<br />

Fließgewässersystemen Ulster, Streu<br />

und Brend wurden Projektmittel bei<br />

der Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />

(DBU) eingeworben. Das Projekt mit<br />

dem Titel „Revitalisierung und Verbund<br />

ausgewählter Rhön-Fließgewässersysteme<br />

– Verknüpfung von Naturschutz und<br />

Hochwasserschutz“, kurz RHÖN IM<br />

FLUSS, begann im Juni 2003 mit einem<br />

Förderzeitraum von drei Jahren, welcher<br />

kostenneutral um sieben Monate verlängert<br />

wurde. Die ZGF führt das Projekt<br />

nach Auslaufen der DBU-Förderung<br />

vorerst weiter.<br />

2. Ausgangsituation<br />

Die Auen in der Rhön sind wie in fast<br />

allen Regionen Deutschlands stark durch<br />

den Menschen überformt. Bäche wurden<br />

begradigt, die Feuchtwiesen größtenteils<br />

melioriert und landwirtschaftlich genutzt.<br />

Weiterhin finden sich zahlreiche Verbauungen,<br />

vor allem Querbauwerke, in den<br />

Fließgewässern, die eine lineare Durchgängigkeit<br />

verhindern. Die menschlichen<br />

Beeinflussungen wirken sich sowohl negativ<br />

auf die ökologische Funktionsfähigkeit<br />

wie auch auf das Retentionsvermögen der<br />

Auen aus. Die kleinen Fließgewässer sind<br />

durch extreme Abflussschwankungen<br />

gekennzeichnet, die immer wieder auch<br />

Hochwasserprobleme verursachen<br />

(Abb. 1).<br />

Allerdings finden sich an den ausgewählten<br />

Fließgewässersystemen vielerorts<br />

noch naturnahe, strukturreiche Gewässerabschnitte<br />

mit einer mindestens guten<br />

Wasserqualität. GREBE & BAUERN-<br />

SCHMITT (1995) heben die Rolle der<br />

Fließgewässer im Biosphärenreservat<br />

Rhön <strong>als</strong> wichtige Lebensadern und Verbundelemente<br />

hervor und bescheinigen<br />

hierbei der Ulster nationale Bedeutung.<br />

3. Projektziele<br />

Aus der geschilderten Ausgangssituation<br />

im Spannungsfeld zwischen Nutzungsansprüchen<br />

einerseits und einer Verbesserung<br />

der Natur- und Hochwasserschutzsituation<br />

andererseits wurden folgenden<br />

Projektziele formuliert:<br />

• Verbesserung der Längsdurchgängigkeit,<br />

• Etablierung von Uferrandstreifen,<br />

• Förderung der Eigendynamik,<br />

• Revitalisierung von Quellbiotopen,<br />

• Ersatz nicht standortheimische Ufer-<br />

gehölze,<br />

• Optimierung der Auennutzung für den<br />

Naturschutz,<br />

• Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbil-<br />

dung,<br />

• Monitoring,<br />

• Vorbildprojekt zur Gewässer-Revitali-<br />

sierung.<br />

Folgende faunistischen Zielarten wurden<br />

durch ALTMOOS (1997/1998) für<br />

die Fließgewässer in der Rhön definiert:<br />

Schwarzstorch (Ciconia nigra), Wasseramsel<br />

(Cinclus cinclus), Eisvogel (Alcedo<br />

atthis), Feuersalamander (Salamandra<br />

salamandra), Blauflügelige und Gebänderte<br />

Prachtlibelle (Calopteryx virgo und<br />

C. splendens), Bachforelle (Salmo trutta<br />

f. fario), Groppe (Cottus gobio), Bachhaft<br />

(Osmylus fulvicephalus), Fluss-Schlammfliege<br />

(Sialis fuliginosa), Zweigestreifte und<br />

Gestreifte Quelljungfer (Cordulegaster<br />

boltoni und C. bidentatus) sowie Rhön-<br />

Quellschnecke (Bythinella compressa).<br />

4. Projektbüro und<br />

Projektmanagement<br />

Zur Koordination des Gesamtprojektes<br />

wurde ein Projektbüro in der Bayerischen<br />

Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats<br />

in Oberelsbach mit einer Außenstelle<br />

für die Umweltbildung im Landschaftsinformationszentrum<br />

(LIZ) Rasdorf<br />

eingerichtet. Das Projektteam besteht aus<br />

dem freiberuflich tätigen Projektleiter PD<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong> Jedicke und dem Projektmanager<br />

Diplom-Forstingenieur Matthias<br />

Metzger, der im Rahmen einer befristeten<br />

Vollzeitstelle im Projekt tätig ist. In erster<br />

Linie zur Umsetzung der Umweltbildungsarbeit<br />

wurde eine Stelle im Freiwilligen<br />

Ökologischen Jahr eingerichtet.


Abb. 1: Hochwasser am an sich schmalen Oberlauf der Ulster am Ortsrand von<br />

Ehrenberg-Wüstensachsen. Maßnahmen zur Revitalisierung dienen auch einem<br />

Wasserrückhalt in der Fläche.<br />

Im LIZ Rasdorf ist Dipl.-Geol. Matthias<br />

Kaeselitz <strong>als</strong> freier Mitarbeiter u.a. für<br />

die Besucherbetreuung und Ausstellungskonzeption<br />

zuständig. Das Team wird<br />

unterstützt durch Dipl.-Ing. Pia Maul, die<br />

<strong>als</strong> freie Mitarbeiterin das Geografische<br />

Informationssystem (GIS) des Projektes<br />

bearbeitet.<br />

Der Aufgabenschwerpunkt des Projektmanagements<br />

umfasst die Koordination<br />

des Gesamtprojekts, insbesondere die<br />

Vor- und Nachbereitung von Arbeitssitzungen,<br />

Maßnahmenplanung und<br />

-umsetzung, Verwaltungsaufgaben,<br />

Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung<br />

sowie Monitoring und Akquise von<br />

Finanzmitteln.<br />

Im Rahmen des Projektes erstellte Dipl.-<br />

Geogr. Torsten Metzger an der Universität<br />

Mainz, Fachgebiet Geoinformatik,<br />

eine Masterarbeit zum Aufbau eines<br />

Fließgewässerinformationssystems.<br />

5. Ergebnisse<br />

Einen Überblick der Zielsetzung, hierzu<br />

realisierter Maßnahmen sowie jeweils<br />

erreichter und nicht erreichter Ziele<br />

vermittelt Tab. 1. Hierbei gewonnene,<br />

auf andere Projekte übertragbare Erfahrungen<br />

sind ausführlich bei JEDICKE et<br />

al. (2007) dargestellt. JEDICKE (2007)<br />

wertet Erfahrungen bei der Partizipation<br />

und Kommunikation bei RHÖN IM<br />

FLUSS und anderen Projekten im Biosphärenreservat<br />

Rhön aus. Der vorliegende<br />

Beitrag konzentriert sich im Unterschied<br />

dazu auf die konkreten umgesetzten<br />

Maßnahmen.<br />

Längsdurchlässigkeit<br />

Die Längsdurchlässigkeit der ausgewählten<br />

Fließgewässersysteme konnte während<br />

der Umsetzungsphase des Projektes<br />

erheblich verbessert werden. So wurde<br />

durch das Staatliche Umweltamt Suhl<br />

an der Ulster insgesamt fünf Querbauwerke<br />

in raue Rampen umgebaut und<br />

somit die Längsdurchlässigkeit der<br />

Ulster insgesamt weitgehend hergestellt,<br />

nachdem in den Jahren vor dem<br />

Projekt bereits im hessischen Abschnitt<br />

die wesentlichen Querbauwerke mittels<br />

Fischaufstiegsanlagen durch die zuständigen<br />

Behörden und Kommunen längsdurchlässig<br />

gestaltet wurden. Lediglich<br />

im Mündungsbereich der Ulster besteht<br />

noch dringender Handlungsbedarf. Hier<br />

wird der Aufstieg von Fischen durch ein<br />

Wehr und die Einleitung sowohl von<br />

salzhaltigen Abwässern wie auch von<br />

Warmwasser der K+S AG massiv behindert.<br />

Ein letztes Querbauwerk im Mündungsbereich<br />

der Ulster soll auf Initiative<br />

des Projektbüros mit Unterstützung des<br />

Regierungspräsidiums Kassel ebenfalls<br />

längsdurchlässig gestaltet werden.<br />

Am Weidbach, einem Nebengewässer<br />

der Ulster und Nahrungshabitat des<br />

Schwarzstorches, wurde zur Wiederherstellung<br />

der Längsdurchlässigkeit<br />

eine ehemalige Grenzsicherungsanlage<br />

abgebaut. Die Maßnahme wird in Kooperation<br />

mit dem Landkreis Schmalkalden-<br />

Meiningen und dem Thüringer Landesverwaltungsamt<br />

umgesetzt.<br />

An der Brend wurden nach Erarbeitung<br />

eines Gewässerentwicklungsplans mit<br />

finanzieller Unterstützung der Allianz<br />

Umweltstiftung und der Kurt Lange Stif-<br />

Abb. 2: Mit der Sprengung eines ehemaligen Wiesenwehres begann lautstark<br />

das Teilprojekt zur Wiederherstellung der Längsdurchgängigkeit der Brend.<br />

tung fünf Querbauwerke im Unterlauf<br />

des Gewässers längsdurchlässig gestaltet<br />

(Abb. 2 und 3). Durch die Maßnahme ist<br />

die Brend in ihrem Unterlauf auf etwa 20<br />

km Strecke wieder längsdurchlässig.<br />

Für die Streu und ihre Nebengewässer<br />

wurde im Rahmen eines Gewässerentwicklungsplanes<br />

die Lage der Querbauwerke<br />

komplett erfasst. Das Projektbüro<br />

bemüht sich auch hier um Finanzmittel<br />

zur Umgestaltung der wichtigsten Querbauwerke.<br />

Quellen<br />

Innerhalb des Einzugsgebietes von Ulster,<br />

Streu und Brend wurden durch den<br />

Landesverband für Höhlen- und Karstforschung<br />

in Hessen (Stefan Zaenker,<br />

Martin Reiss) in Kooperation mit dem<br />

Projektbüro mehr <strong>als</strong> 300 Quellbereiche<br />

untersucht und in einer Datenbank<br />

erfasst, weitere Quelluntersuchungen<br />

realisierte dieser mit Förderung der drei<br />

Verwaltungsstellen des Biosphärenreservats,<br />

u.a. in Kernzonen (s. Beitrag REISS<br />

& ZAENKER). Das Vorhaben soll in<br />

den nächsten Jahren auf weitere Quellgebiete<br />

in den genutzten Landschaftsbereich<br />

ausgedehnt und durch Renaturierungsmaßnahmen<br />

flankiert werden.<br />

Erste Renaturierungen fanden bereits im<br />

Gemeindegebiet Stockheim (Streu) statt,<br />

wo Fichten in einem Kalkquellbereich<br />

entnommen wurden, um eine natürliche<br />

Sukzession einzuleiten. Die Maßnahme<br />

erfolgte nach Erstellung eines Gutachtens<br />

zur Situation der Quellen in Stockheim<br />

durch das Projektbüro in Kooperation<br />

mit Stefan Zaenker und Martin Reiss.<br />

Die Ergebnisse des Gutachtens wurden<br />

öffentlichkeitswirksam durch Führun-<br />

5


6<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

gen, Vorträge und Presseinformationen<br />

publiziert.<br />

Uferrandstreifen<br />

In den letzten Jahren erfolgten durch<br />

die Naturschutz- und Forstverwaltung<br />

im Landkreis Fulda Flächenankäufe im<br />

Oberlauf der Ulster mit dem Ziel der<br />

Anlage ungenutzter Uferrandstreifen, um<br />

eine Förderung der Eigendynamik des<br />

Gewässers zu ermöglichen. Im Rahmen<br />

des Projektes wurden die in öffentlichem<br />

Besitz befindlichen Flächen in einem<br />

Geografischen Informationssystem (GIS)<br />

erfasst und in Zusammenarbeit mit den<br />

Fachbehörden ein Managementplan<br />

erstellt. Ziel ist der Tausch geeigneter<br />

Flächen im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen<br />

mit den Landwirten, um möglichst<br />

durchgängige Uferstreifen zu erhalten.<br />

Erste Vereinbarungen dazu wurden<br />

durch die Hessische Verwaltungsstelle<br />

des Biosphärenreservats im Gemeindegebiet<br />

Ehrenberg getroffen. Problematisch<br />

erweisen sich allerdings Flächen, die<br />

schon seit mehreren Jahren der Sukzession<br />

unterliegen und nun <strong>als</strong> Tauschflächen<br />

nicht mehr geeignet erscheinen.<br />

Vorschläge einer naturschutzfachlichen<br />

Maßnahmenplanung, die die Naturschutzbehörden,<br />

das Biosphärenreservat<br />

und das Projekt gemeinsam formulierten,<br />

wurden an der thüringischen Ulster<br />

im Rahmen einer Agrarstrukturellen<br />

Entwicklungsplanung (AEP) auf ihre<br />

Akzeptanz und Umsetzbarkeit hin<br />

geprüft. Dabei wurden auch Uferstreifen<br />

ausgewählt, die einer natürliche Sukzession<br />

überlassen bleiben sollen. Die Flächen<br />

werden wie andere Maßnahmen aus der<br />

AEP, bei denen Konsens mit der Landwirtschaft<br />

festgestellt wurde, sukzessive<br />

durch die Behörden umgesetzt, teilweise<br />

mit Beteiligung des Projekts.<br />

Förderung der Eigendynamik, Renaturierungen<br />

Im Rahmen des Projektes wurden<br />

insgesamt 15 ha Flächen zur Wiederherstellung<br />

naturnaher Auenflächen<br />

erworben. Teilweise wird durch Entnahme<br />

von Uferbefestigungen und gezielte<br />

Strömungslenkung eine eigendynamische<br />

Entwicklung gefördert, wie an zwei<br />

Ulsterabschnitten im sog. „Ulstersack“<br />

nördlich Wenigentaft und südlich Motzlar<br />

sowie an der Taft bei Wenigentaft.<br />

Weiterhin ist eine Wiederherstellung von<br />

Altarmen durch Entnahme von verfülltem<br />

Bodenmaterial und Abflachung von<br />

Uferbereichen vorgesehen, wie an der<br />

Ulster bei Schleid und an der Streu bei<br />

Nordheim.<br />

Im Zusammenhang mit den Maßnahmenplanungen,<br />

die RHÖN IM FLUSS<br />

anregte, entstand auch das Modellvorhaben<br />

zur exemplarischen Realisierung<br />

eines Bewirtschaftungsplans im Rahmen<br />

der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />

in Thüringen. Hierzu wurden im<br />

Flurbereinigungsverfahren Buttlar unter<br />

Federführung des Amtes für Landentwicklung<br />

und Flurneuordnung Meiningen<br />

und des Staatlichen Umweltamtes<br />

Suhl durch die Gesellschaft für Landentwicklung<br />

Weimar (GfL) 35 ha Flächen<br />

zur Wiederherstellung eines etwa 500 m<br />

langen naturnahen Ulsterabschnittes<br />

erworben (Abb. 4 und 5). Die Renaturierungsmaßnahmen,<br />

die die Förderung<br />

eigendynamischer Entwicklungen wie<br />

auch die Wiederherstellung ehemaliger<br />

Bachabschnitte beinhalten, werden durch<br />

das Projektbüro in Kooperation mit der<br />

Universität Karlsruhe im Rahmen eines<br />

Monitorings begleitet.<br />

Ersatz nicht standortgemäßer Ufergehölze<br />

Im Thüringer Ulsterabschnitt wurde mit<br />

der Entnahme von Hybridpappeln durch<br />

das Staatliche Umweltamt Suhl begonnen.<br />

Innerhalb der nächsten zehn Jahre ist<br />

die sukzessive Umwandlung der Bestände<br />

in standortgerechte bachbegleitende<br />

Auenwälder vorgesehen.<br />

In Naturschutzgebiet „Lange Rhön“ werden<br />

unter Federführung des Landkreises<br />

Rhön-Grabfeld Fichtenaufforstungen<br />

auch im Quellbereich von Brend und<br />

Zuflüssen der Streu in standortgerechte<br />

Waldbestände überführt oder zur Verbesserung<br />

der Birkwildhabitate gerodet. In<br />

diesem Zusammenhang hat das Projektbüro<br />

in Kooperation mit dem Projektbüro<br />

„Birkwild“ der Wildland GmbH einen<br />

Arbeitseinsatz des Bergwaldwaldprojekt<br />

e.V. organisiert, bei dem unter anderem<br />

ein Fichtenbestand im Oberlauf der Els<br />

entnommen wurde. Eine längerfristige<br />

Zusammenarbeit mit dem Bergwaldprojekt<br />

e.V. wird angestrebt.<br />

Optimierung der Auennutzung für den<br />

Naturschutz<br />

Gemeinsam mit den Kreisbauernverbänden<br />

Fulda und Rhön-Grabfeld werden<br />

in Kooperation mit dem von der DBU<br />

geförderten Grünlandprojekt Flächen<br />

für eine großflächige Beweidung der<br />

Auen <strong>als</strong> Alternative zur herkömmlichen<br />

intensiven Auennutzung ausgewählt. Die<br />

Realisierung ist mittelfristig geplant.<br />

Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung<br />

Die Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung<br />

im Rahmen des Projektes beinhaltete<br />

folgende Arbeitsschwerpunkte:<br />

• Schulkassen- und Gruppenführungen;<br />

• Beteiligung an einer Dauerausstellung<br />

der Thüringer Verwaltungsstelle des<br />

Biosphärenreservats im Grenzmuseum<br />

Point Alpha;<br />

• Betreuung des Landschaftsinformati-<br />

onszentrums Rasdorf mit Sonderaus-<br />

stellungen, Führungen und Jugend -<br />

camps;<br />

• Filmbeiträge in mdr, HR und BR sowie<br />

Erstellung eines eigenen Projektfilms<br />

der ZGF;<br />

• Vorträge und Messeauftritte mit Info-<br />

stand, Ausstellungswand und künstli-<br />

chem Bachlauf;<br />

• öffentlichkeitswirksame Veranstaltun-<br />

gen, wie Wehrsprengung an der Brend<br />

oder Baggerarbeiten an ehemaligem<br />

Grenzbauwerk an der Weid;<br />

• Pressearbeit;


• Internetauftritt www.rhoen-im-fluss.de;<br />

• Organisation eines „Geo-Tages der<br />

Artenvielfalt“ im Ulsteral 2004.<br />

Monitoring<br />

Ulrike Schade, Universität Karlsruhe,<br />

Institut für Geographie und Geoökologie,<br />

erarbeitete in ihrer Diplomarbeit<br />

ein Monitoringkonzept zur Erfolgskontrolle<br />

von Fließgewässerrenaturierungen<br />

und führte die Baseline-Aufnahme am<br />

Beispiel ausgewählter Maßnahmen durch.<br />

Das modulare Konzept bietet ein breites<br />

Spektrum zur Erfolgskontrolle erforderlicher<br />

Methoden. An Brend und Ulster<br />

erfolgt eine exemplarische Anwendung,<br />

die durch Integration der beiden Maßnahmen<br />

in ein bundesweites DBU-Projekt<br />

des Forschungsinstituts Seckenberg<br />

u.a. Partner zur Erfolgskontrolle von<br />

Revitalisierungen ergänzt wird.<br />

6. Fazit<br />

Durch das Projekt RHÖN IM FLUSS<br />

wurden im Biosphärenreservat Rhön<br />

länderübergreifend Maßnahmen zur Revitalisierung<br />

von Fließgewässern mit dem<br />

Ziel der Verbesserung des Natur- und<br />

Hochwasserschutzes geplant, umgesetzt<br />

und teilweise evaluiert. Mit einem<br />

Mitteleinsatz der DBU von gut 333.000<br />

€ wurden Investitionen <strong>Dr</strong>itter von mehr<br />

<strong>als</strong> 1,5 Mio. € ausgelöst. Weitere geplante<br />

Maßnahmen-Realisierungen werden <strong>als</strong><br />

direktes Projektergebnis folgen.<br />

Positiv ist zu vermerken, dass die Fließgewässer<br />

und Hochwasserschutz verstärkt<br />

Abb. 3: Ein neues Umgehungsgerinne erlaubt den<br />

Fischaufstieg – hier an der Brend.<br />

in den Fokus der Fachbehörden und der<br />

Öffentlichkeit gerückt und die Grundlagen<br />

für umfassende Renaturierungen an<br />

den Fließgewässersystemen Ulster, Streu<br />

und Brend geschaffen wurden, deren<br />

Umsetzung durch die zuständigen Behörden<br />

weitergeführt werden soll. Kritisch<br />

ist festzustellen, dass viele Maßnahmen<br />

einen erheblichen Abstimmungs- und<br />

Zeitbedarf erforderten, der im Vorfeld<br />

des Projektes in diesem Umfang nicht<br />

absehbar war; somit erfolgten weniger<br />

konkrete Maßnahmenumsetzungen <strong>als</strong><br />

geplant.<br />

7. Ausblick<br />

Zur verstärkten Einbeziehung der Auen<br />

in das Projekt ist in Zusammenarbeit mit<br />

dem Grünlandprojekt die Erprobung extensiver<br />

ganzjähriger Beweidungsmodelle<br />

vorgesehen. Die ZGF prüft Möglichkeiten<br />

der Projektfortführung, konkret<br />

insbesondere durch ein Naturschutzgroßprojekt<br />

des Bundes für Fließgewässer und<br />

Auen in der bayerischen Rhön. In Hessen<br />

und Thüringen werden die Behörden<br />

weitere Maßnahmen umsetzen.<br />

Literatur<br />

ALTMOOS, M. (1997): Ziele und<br />

Handlungsrahmen für regionalen zoologischen<br />

Artenschutz – Modellregion<br />

Biosphärenreservat Rhön. Hessische<br />

Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz,<br />

Hrsg., Echzell, 235 S.<br />

ALTMOOS, M. (1998): Maßnahmenkonzept<br />

und Praxisanschub für zoologischen<br />

Artenschutz im Biosphärenreservat<br />

Rhön, hessischer Teil. 254 S. und<br />

Anhangsbände, unveröff., hrsg. von der<br />

Hessischen Gesellschaft für Ornithologie<br />

und Naturschutz (HGON), Echzell. Bericht<br />

im Auftrag der Stiftung Hessischer<br />

Naturschutz, Wiesbaden.<br />

GREBE, R., BAUERNSCHMITT, G.<br />

(Bearb., 1995): Biosphärenreservat Rhön<br />

– Rahmenkonzept für Schutz, Pflege und<br />

Entwicklung. Neumann, Radebeul.<br />

JEDICKE, E. (2007): Partizipation und<br />

Kooperation zur Realisierung von Naturschutzprojekten<br />

im Biosphärenreservat<br />

Rhön. Beiträge Region und Nachhaltigkeit<br />

4, 85-98.<br />

JEDICKE, E., METZGER, M., FRE-<br />

MUTH, W. (2007): Management der<br />

Revitalisierung von Fließgewässern<br />

– Bilanz eines länderübergreifenden<br />

Projekts im Biosphärenreservat Rhön.<br />

Naturschutz und Landschaftsplanung 39,<br />

(11), 329-336.<br />

Anschriften der Verfasser: Dipl.-Forsting.<br />

(FH) Matthias Metzger, Projektbüro<br />

RHÖN IM FLUSS, c/o Bayerische Verwaltungsstelle<br />

Biosphärenreservat Rhön,<br />

Oberwaldbehrunger Straße 4,<br />

97656 Oberelsbach, E-Mail metzger@<br />

rhoen-im-fluss.de, Internet www.rhoen-imfluss.de;<br />

PD <strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong> Jedicke, Jahnstraße<br />

22, 34454 Bad Arolsen,<br />

E-Mail jedicke@rhoen-im-fluss.de.<br />

Fotos: <strong>Eckhard</strong> Jedicke (2), Matthias Metzger (3)<br />

Abb. 4 und 5: Ulster vor und nach der Revitalisierung eines 500 m langen Abschnittes im Rahmen eines<br />

Modellvorhabens zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie des Freistaats Thüringen.<br />

7


8<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Nr. Teilziel<br />

Erläuterung<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Eigendynamik fördern<br />

Längsdurchgängigkeit verbessern<br />

nicht standortheimische Ufergehölze<br />

Quellbiotope revitalisieren<br />

Förderung natürlicher Fließgewässerdynamik<br />

an Haupt- und<br />

Nebengewässern mit Erosions-<br />

und Sedimentationsprozessen<br />

– durch behutsame Herausnahme<br />

einzelner Verbauungen nach<br />

(wo erforderlich und realisierbar)<br />

Schaffung ungenutzter Uferrandstreifen,<br />

lokal Einsatz von Totholz<br />

zur Förderung der Eigendynamik<br />

Schaffung einer Längsdurchgängigkeit<br />

der Fließgewässer, vor<br />

allem der Nebengewässer – durch<br />

Rückbau von Querverbauungen<br />

oder Bau von Fischaufstiegshilfen/Umleitungen;<br />

dabei durch<br />

Dialog mit KleinkraftwerksbetreibernMindestwasserführung<br />

gewährleisten<br />

Entnahme von Fichten im<br />

Uferrandbereich insbesondere in<br />

den Quellbachregionen sowie von<br />

Pappeln auf Feuchtwaldstandorten;<br />

Flächen i.d.R. der natürlichen<br />

Sukzession überlassen<br />

- Vermeidung von Nähr- und<br />

Schadstoff-Einträgen, von<br />

Entwässerung und nachteiligen<br />

Vegetationsveränderungen vor<br />

allem im land- und forstwirtschaftlichen<br />

Einflussbereich<br />

erwarteter naturschutzfachlicher<br />

Effekt<br />

- Erhöhung der räumlichen<br />

Habitatdiversität mit vielfältiger<br />

strukturierten limnischen und<br />

angrenzenden terrestrischen<br />

Habitaten<br />

- damit Erhöhung der Naturnähe<br />

und des Lebensraumpotenzi<strong>als</strong><br />

für Arten und Biozönosen von<br />

z.T. nationaler Bedeutung<br />

- Beitrag zum vorsorgenden<br />

Hochwasserschutz durch Verlangsamung<br />

des Wasserabflusses/<br />

verstärkte Wasserrückhaltung<br />

- Ermöglichen bislang erschwerter<br />

oder unterbundener Austauschprozesse<br />

im Längsgradienten<br />

der Gewässer, z.B. Ausgleichswanderungen<br />

für Verdriftungen,<br />

Verbund für Gewässerorganismen<br />

(insbesondere Fische)<br />

- damit Erhöhung der Überlebensfähigkeit<br />

von Populationen und<br />

verbesserte Wiederbesiedlungsfähigkeit<br />

- Steigerung der Naturnähe der<br />

gewässerbezogenen Lebensraumtypen,<br />

insbesondere Regeneration<br />

standortgerechter Auenwälder<br />

(Galeriewälder)<br />

- Verringerung der Versauerung<br />

von Quellbächen<br />

- Verbesserung des Lebensraumpotenzi<strong>als</strong>,<br />

Zielart u.a. Schwarzstorch<br />

(Ciconia nigra)<br />

- Beitrag zum Hochwasserschutz<br />

- Verringerung anthropogener<br />

Störeinflüsse und damit Erhöhung<br />

der Naturnähe<br />

- Verbesserung des Lebensraumpotenzi<strong>als</strong><br />

für die quelltypische<br />

Flora und Fauna – Zielarten: u.a.<br />

Rhön-Quellschnecke (Bythinella<br />

compressa)<br />

erreichte Ziele nicht erreichte Ziele<br />

- an jedem der drei Fließgewässersysteme<br />

örtliche Revitalisierungen<br />

- unterschiedliche Maßnahme-<br />

„Intensitäten“ von der Schaffung<br />

kleiner Initiale für erwartete<br />

natürliche Entwicklungen bis zur<br />

weitgehenden Ausformung neuer<br />

Fließstrecken<br />

- Einsatz aller geplanten Methoden<br />

(Uferrandstreifen, Entnahme<br />

Verbauungen, Totholz-Einsatz)<br />

- an Ulster und Brend (dort<br />

Unter- bis Mittellauf ) Längsdurchgängigkeit<br />

weitgehend<br />

wieder hergestellt<br />

- Erfolgskontrolle begonnen<br />

- die wichtigsten Konfliktpunkte<br />

wurden beseitigt (zumindest an<br />

den Hauptgewässern)<br />

- bundesweit herausragend<br />

intensive Quellenkartierung zur<br />

Bestandsaufnahme durch Landesverband<br />

Hessen für Höhlen- und<br />

Karstforschung realisiert (1 154<br />

Quellen), dabei u.a. erheblich<br />

erweiterter Kenntnisstand zur<br />

Verbreitung der Rhön-Quellschnecke<br />

- exemplarische Maßnahmen<br />

realisiert<br />

- Information des Rhönklubs <strong>als</strong><br />

wichtiger Partner (Wanderer)<br />

- Analysen zur verträglichen<br />

Extensiv-Beweidung von Quellbiotopen<br />

- Zahl realisierter Maßnahmen<br />

könnte wesentlich größer sein:<br />

trotz detaillierter Planung diverse<br />

Umsetzungshindernisse<br />

- erwartete Effekte konnten bislang<br />

nur punktuell und ansatzweise<br />

nachgewiesen werden<br />

(mangels Finanzmitteln und infolge<br />

zu kurzen Projektzeitraums)<br />

- Beitrag zum Hochwasserschutz<br />

nicht quantifiziert (hierfür<br />

waren auch keine Finanzmittel<br />

vorgesehen)<br />

an der Streu trotz hohen<br />

Bedarfs bisher nicht realisiert,<br />

da Bestandsaufnahme i.R. des<br />

Gewässerentwicklungsplans erst<br />

im Herbst 2006 abgeschlossen<br />

werden konnte (u.a. infolge anderer<br />

Prioritätensetzung innerhalb<br />

RHÖN IM FLUSS aus Kapazitätsgründen)<br />

und da derzeit keine<br />

Finanzmittel bereit stehen<br />

- Restdefizite in der Umsetzung<br />

bleiben, jedoch nachrangig in der<br />

Priorität<br />

- keine Erfolgskontrolle (mangels<br />

Finanzmitteln)<br />

Defizite in Umsetzungsbeispielen<br />

für erfolgreiche Revitalisierungsmaßnahmen<br />

von Quellen (aus<br />

Kapazitätsgründen des Projektmanagements)


Nr. Teilziel<br />

Erläuterung<br />

5<br />

6<br />

7<br />

Nutzung der Auen für den Naturschutz optimieren<br />

Umweltbildung zur Gewässerdynamik<br />

Vorbildprojekt zur Revitalisierung<br />

soweit notwendig und möglich:<br />

- Veränderung von Nutzungszeitpunkten<br />

und -intensitäten im<br />

Grünland<br />

- Verringerung der Ackernutzung<br />

in der Aue, insbesondere im<br />

gewässernahen Bereich<br />

Information der im Projekt<br />

beteiligten Zielgruppen und der<br />

breiten Öffentlichkeit über Ziele<br />

und Wege der Gewässer-Revitalisierung<br />

Schaffung und Demonstration<br />

von Musterlösungen und Umsetzungserfahrungen<br />

in Fließgewässer-Landschaften<br />

der Mittelgebirge<br />

unter vorrangiger Nutzung<br />

vorhandener Finanzierungsinstrumente<br />

unter den Rahmenbedingungen<br />

dreier unterschiedlicher<br />

Bundesländer<br />

erwarteter naturschutzfachlicher<br />

Effekt<br />

- Reduktion von Bodenerosion<br />

und des Eintrags von Bodenmaterial,<br />

Nähr- und Schadstoffen<br />

in die Fließgewässer<br />

- Verbesserung des Erhaltungszustands<br />

von Pflanzen- und<br />

Tierarten des Auengrünlands<br />

- Zielarten u.a.: Trollblume<br />

(Trollius europaeus), Braunkehlchen<br />

(Saxicola rubetra),<br />

Schwarzer Moor-Bläuling<br />

(Maculiniea nausithous)<br />

- Beitrag zum vorsorgenden<br />

Hochwasserschutz<br />

- Wissens- und Akzeptanzförderung<br />

für die Förderung von<br />

Gewässerdynamik/Prozessschutz<br />

sowie über ökologische Zusammenhänge<br />

in den Auen<br />

- damit erleichterte Umsetzung<br />

von Zielen des Natur- und Hochwasserschutzes<br />

- Motivation in der Rhön und<br />

bundesweit zur Realisierung von<br />

Projekten zur Revitalisierung von<br />

Gewässern<br />

- damit vermehrte Initiativen<br />

zum Naturschutz an Fließgewässersystemen<br />

unter Einbeziehung<br />

von Zielen des vorsorgenden<br />

Hochwasserschutzes<br />

- zugleich erhöhter Umsetzungserfolg<br />

solcher Initiativen<br />

erreichte Ziele nicht erreichte Ziele<br />

Konzentration auf Schaffung von<br />

Uferrandstreifen; hierfür einzelne<br />

Umsetzungsbeispiele (Ulster)<br />

sowie Flächenkäufe ohne nachfolgende<br />

Umlegung<br />

umfassende Öffentlichkeitsarbeit<br />

durch<br />

- > 100 Exkursionen und<br />

Schulklassenführungen mit 1 500<br />

Teilnehmern<br />

- > 120 Presseartikel<br />

- www.rhoen-im-fluss.de<br />

- Projektfilm<br />

- Dauerausstellung in Point Alpha,<br />

diverse andere Ausstellungen<br />

und Beteiligung an Veranstaltungen/Tagungen<br />

- Lehrpfad an der Brend<br />

- diverse Finanzierungsinstrumente<br />

eingesetzt<br />

- Erfahrungsbericht liegt vor<br />

- Konzept der Uferrandstreifen<br />

schwer realisierbar, auch wenn<br />

Flächen in öffentliches Eigentum<br />

übergingen, außerdem Konfliktpotenzial<br />

- flächige Optimierung der Auennutzung<br />

nicht realisierbar, da<br />

neue Agrarumweltmaßnahmen<br />

vorübergehend nicht förderfähig<br />

waren (Neuausrichtung<br />

der Förderprogramme)<br />

geplanter Wassererlebnisbereich<br />

an der Streu bei Nordheim noch<br />

nicht umgesetzt<br />

9


1 0<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Quellenerfassung im<br />

Biosphärenreservat Rhön<br />

Von Martin Reiss und Stefan Zaenker<br />

1. Einleitung<br />

Seit 1996 kartiert der Landesverband für<br />

Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V.<br />

mit Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft<br />

in Frankfurt (Projekt RHÖN<br />

IM FLUSS) und den Verwaltungsstellen<br />

des Biosphärenreservats Rhön Quellbiotope<br />

im Biosphärenreservat. Der Schwerpunkt<br />

der Kartierung liegt dabei auf der<br />

faunistischen Besiedelung der Quellen.<br />

Daneben werden physikalische Parameter<br />

(Temperatur, pH-Wert, Leitfähigkeit) gemessen,<br />

das Pflanzenvorkommen an den<br />

Quellen erfasst und Gefährdungen für die<br />

Quellstandorte aufgezeigt.<br />

2. Bedeutung von Quellen<br />

Für den Menschen besitzen Quellen seit<br />

jeher einen hohen Symbolgehalt. Sie sind<br />

oder waren wichtige Wirtschafts- und<br />

Kulturelemente (Trinkwassernutzung,<br />

Kultstätte, touristisches Ausflugsziel), in<br />

deren Nähe häufig Siedlungen gegründet<br />

oder auch Kultbauten errichtet wurden.<br />

Aus naturkundlicher Sicht sind Quellen<br />

kleinräumige, in ihrer Ausprägung vielgestaltige<br />

und in ihrem ökologischen Wirkungsgefüge<br />

komplex vernetzte Landschaftselemente<br />

(Abb. 1). Als Grenzsaum<br />

zwischen Grundwasser und Oberflächengewässer,<br />

<strong>als</strong> Schnittstelle zwischen<br />

unterirdischen und oberirdischen<br />

Einzugsgebieten sind Quellen wichtige<br />

Messpunkte zur Kennzeichnung von<br />

Komponenten des Landschaftswasserhaushaltes<br />

(z.B. Abfluss und Interflow).<br />

Quellen sind einzigartige Lebensräume,<br />

in denen Spezialisten an die besonderen<br />

Umweltbedingungen angepasst sind und<br />

enge Verwandtschaften zum Grundwasserlebensraum<br />

und zum hyporheischen<br />

Interstitial (Lebensraum Gewässersohle)<br />

aufweisen. Die Arten, die in diesen Kleinsträumen<br />

existieren können, reagieren in<br />

der Regel empfindlich auf Störungen<br />

der meist konstanten Lebensverhältnisse<br />

(Abb. 2 und 3).<br />

Die Erforschung von Quellökosystemen<br />

ist notwendig, weil hier Monitoring von<br />

Umweltbelastungen in Einzugsgebieten<br />

mit oberflächennahem Grundwassertransport<br />

betrieben werden kann: „So<br />

können Quellen <strong>als</strong> eine Art Trichterauslass<br />

ihrer Einzugsgebiete angesehen werden“<br />

(BEIERKUHNLEIN & GOLLAN<br />

1999: 1). Mit Blick auf die Ziele und<br />

Forderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie,<br />

d.h. vor allem die<br />

„Vermeidung einer weiteren Verschlechterung<br />

sowie Schutz und Verbesserung des<br />

Zustands der aquatischen Ökosysteme<br />

und der direkt von ihnen abhängenden<br />

Landökosysteme und Feuchtgebiete im<br />

Hinblick auf deren Wasserhaushalt“<br />

(EU-WRRL 2000: Artikel 1, a), sollte den<br />

Quellen eine besondere Bedeutung <strong>als</strong><br />

Forschungsobjekt zugesprochen werden,<br />

da sich aus den zu gewinnenden Erkenntnissen<br />

(speziell im Hinblick auf Wasserhaushalt,<br />

Verbreitung von Organismen,<br />

Strukturgüte) Maßnahmen zur Sicherung<br />

und Verbesserung des Gewässerschutzes<br />

ableiten lassen.<br />

3. Schutz der Quellen<br />

Nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes<br />

2002 zählen Quellberei-<br />

che zu den besonders geschützten Biotopen.<br />

Schutzmaßnahmen an Quellen sind<br />

deshalb besonders nötig, weil Quellräume<br />

<strong>als</strong> kleinflächige, isolierte, seltene und<br />

empfindliche Biotope gegenüber geringsten<br />

Störungen sehr anfällig reagieren.<br />

Die Bedeutung der Quellen spiegelt<br />

sich insbesondere in folgenden Punkten<br />

wider:<br />

• Quellen dienen der Trinkwasserversor-<br />

gung für Menschen.<br />

• Sie sichern die Wasserversorgung für<br />

Pflanzen und Tiere.<br />

• Quellen sind Lebensräume für Tiere<br />

und Pflanzen, die nur in Quellen und<br />

Quellbächen vorkommen.<br />

• Von Quellen aus können geschädigte<br />

Bäche neu besiedelt werden.<br />

• Quellen garantieren den Niedrigwasser-<br />

abfluss der Fließgewässer.<br />

• Sie haben eine Speicherungsfunktion<br />

bei starken Niederschlagsereignissen.<br />

• Im Winter dienen Quellen <strong>als</strong> Wasser-<br />

stelle und Rückzugsgebiet für Lebewesen.<br />

Als Maßnahmen zum Schutz der Quellen<br />

sollten folgende Überlegungen einbezogen<br />

werden:<br />

• Die Wasserneubildung im näheren und<br />

weiteren Quellumfeld darf nicht einge-<br />

schränkt werden, um ein Versiegen der<br />

Quelle zu verhindern. Von besonderer<br />

Bedeutung ist in diesem Zusammen-<br />

hang der Erhalt einer intakten Humus-<br />

schicht, in der Wasser langsam versi-<br />

ckern und zu Grundwasser werden kann.<br />

• Die Reinheit des Quellwassers muss erhalten<br />

bleiben. Vermieden werden<br />

sollten daher Einträge aus der Land-


wirtschaft in das Grundwasser, Ab-<br />

wassereinleitungen in den Quellbereich,<br />

Einträge durch Niederschlagswasser etc.<br />

• An der Quelle sollte eine standortge-<br />

rechte Vegetation erhalten werden, um<br />

eine Erwärmung des Wassers zu verhin-<br />

dern. Dies gilt auch für den Bereich des<br />

Quellbaches. Hier sollte beispielsweise<br />

durch Entfernung eines dichten Fich-<br />

tenbestandes an einigen Quellstandor-<br />

ten einer zunehmenden Versauerung<br />

des Quellwassers entgegengewirkt wer-<br />

den.<br />

• Eine Nutzung des Quellbereiches <strong>als</strong><br />

Viehtränke sollte vermieden werden.<br />

Durch die Trittschäden kann unter<br />

Umständen die gesamte Vegetation<br />

zerstört werden. Dies gilt auch für das<br />

Umgraben verschiedener Quellbereiche<br />

durch Wildschweine.<br />

• Die Quelle muss unter Umständen vor<br />

Erholungssuchenden geschützt werden.<br />

Dies geschieht dadurch, dass Wander-<br />

wege in weitem Abstand um Quellbereiche<br />

herumgeführt werden. Auch<br />

Picknickplätze sollten nicht im Quell-<br />

bereich angelegt werden. Eine sinnvolle<br />

Maßnahme kann außerdem die Infor-<br />

mation der Erholungssuchenden (z.B.<br />

durch aufgestellte Tafeln) sein, um die<br />

Akzeptanz für den Quellschutz zu<br />

steigern.<br />

• Quellen sollten von Einfassungen und<br />

Quellbauwerken jeglicher Art befreit<br />

werden (Abb. 4). Hierzu gehören nicht<br />

mehr benötigte Sammelbehälter für<br />

die Trinkwassergewinnung, traditionelle<br />

Einfassungen in Stein (jahrzehntelang<br />

von Wander- und Heimatvereinen<br />

durchgeführt), <strong>Dr</strong>ainagen etc.<br />

• Das Quellwasser darf weder im Bereich<br />

der Quelle noch im Bereich des Quell-<br />

baches zu Teichen aufgestaut werden.<br />

Abb. 1: Naturnahe Quelle am Kesselrain bei<br />

Wüstensachsen. Hier konnten zahlreiche seltene<br />

Tierarten nachgewiesen werden.<br />

Abb. 2: Muschelkrebse besiedeln das Grundwasser<br />

und die Quellen des Biosphärenreservats und halten<br />

durch den Abbau von Schadstoffen unser Trinkwasser<br />

sauber. Diese Krebstiere werden nur selten<br />

größer <strong>als</strong> 1 mm.<br />

Abb. 3: Höhlenflohkrebse der Gattung Niphargus<br />

verlassen in der Dunkelheit das Grundwasser um in<br />

Quellen Nahrung aufzunehmen.<br />

Abb. 4: Gefasste Quelle am Jakobsweg in der Nähe<br />

der Schwedenschanze. Hier haben nur wenig quellbewohnende<br />

Tierarten eine Überlebenschance.<br />

Dieses würde z.B. den Larven des Feu-<br />

ersalamanders den Lebensraum entzie-<br />

hen.<br />

• Um den Quellschutz zu gewährleisten,<br />

müssen unter Umständen Ankauf,<br />

Pacht, eine Nutzungseinschränkung im<br />

Umfeld oder die Unterschutzstellung<br />

der Quelle erwogen werden.<br />

4. Ziele des Projekts<br />

Artenschutz ist vor allem der Schutz des<br />

Lebensraums <strong>als</strong> Grundlage der Existenz<br />

für viele Arten. Ziel des Projekts „Quellenkartierung<br />

im Biosphärenreservat<br />

Rhön“ ist es daher, anhand der faunistischen<br />

Besiedelung des Quellbiotops,<br />

verbunden mit einer Einschätzung des<br />

Quellumfeldes unter Einbeziehung verschiedener<br />

physikalischer Parameter, eine<br />

Zustandsbeschreibung des Lebensraumtyps<br />

„Quelle“ zu erreichen. Daran sollten<br />

sich – bei beeinträchtigten Quellen – im<br />

Optimalfall Maßnahmen zur Verbesserung<br />

des Quellbiotops anschließen.<br />

Hier erscheint es <strong>als</strong> sehr wichtig, die<br />

vorwiegend ehrenamtlichen Aktivitäten<br />

des Landesverbandes für Höhlen- und<br />

Karstforschung Hessen e.V. mit den<br />

behördlichen Strukturen (Verwaltungsstellen<br />

des Biosphärenreservats, Untere<br />

Naturschutzbehörden) zu verbinden.<br />

5. Methoden<br />

Nur wenige der im Biosphärenreservat<br />

liegenden Quellaustritte sind aus der<br />

topographischen Karte ersichtlich. Meist<br />

bekommt man hier nur einen Anhaltspunkt<br />

für vorhandene Quellgebiete. Der<br />

1 1


1 2<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Abb. 5: Leitfähigkeit und pH-Werte wurden mit<br />

modernen elektronischen Messgeräten bestimmt.<br />

tatsächlichen Untersuchung einer Quelle<br />

geht demnach zuerst eine teilweise recht<br />

aufwendige Suche im Gelände voraus.<br />

Anhaltspunkte für Quellaustritte sind<br />

hier zumeist Geländeeinschnitte und<br />

vegetationskundliche Auffälligkeiten, z.B.<br />

über bestimmte Zeigerarten für Feuchtgebiete<br />

sowie Leitarten der Quellvegetation.<br />

Die Quellen werden nach einem einheitlichen,<br />

länderübergreifenden Kartierungsbogen<br />

erfasst (Abb. 5 und 6). Hier werden<br />

u.a. die genauen GPS-Koordinaten,<br />

Wasser- und Lufttemperatur, pH-Wert<br />

und elektrische Leitfähigkeit ermittelt. Im<br />

Quellumfeld werden die Umgebungslage,<br />

die Vegetation, das Bodensubstrat in der<br />

Quelle sowie das Fließverhalten festgehalten.<br />

Zur Zustandsbeschreibung wird<br />

eine Fotodokumentation angefertigt und<br />

durch Hinweise auf Beeinträchtigungen<br />

des Quellstandorts und durch Maßnahmenvorschläge<br />

ergänzt.<br />

Die faunistische Untersuchung der<br />

Quelle erfolgt in drei Schritten. Die<br />

Wasserbewohner werden mittels eines<br />

sehr feinen Handkeschers gefangen und<br />

in die Konservierflüssigkeit überführt.<br />

Der semiaquatische Lebensraum (feuchte<br />

Quellränder) wird substratbezogen mit<br />

einer feinen Federstahlpinzette untersucht.<br />

Fluginsekten werden über der<br />

Quelle mittels eines Insektenkeschers<br />

gefangen. Alle Tierproben werden später<br />

unter einem lichtstarken Binokular aussortiert<br />

und nach Tiergruppen geordnet.<br />

Die endgültige Artbestimmung erfolgt in<br />

der Regel durch international anerkannte<br />

Experten.<br />

6. Bisherige Ergebnisse<br />

Mit Stand vom November 2007 sind<br />

im Biosphärenreservat Rhön insgesamt<br />

1.154 Quellen kartiert (Hessen: 618;<br />

Bayern: 329; Thüringen: 207). Bei den<br />

ausgewerteten Quellen konnten bislang<br />

Abb. 6: Zur Untersuchung der Quellfauna wird ein<br />

sehr feinmaschiger Wasserkescher verwendet.<br />

1.295 Taxa nachgewiesen werden, wobei<br />

ein Großteil der Tiere aber noch nicht<br />

bis zur Art bestimmt ist. Es ist davon<br />

auszugehen, dass sich die Artenzahl nach<br />

den Bestimmungsarbeiten noch deutlich<br />

erhöhen wird. Der Schwerpunkt<br />

der Untersuchungen lag bisher auf den<br />

weitgehend unberührten Kernzonen und<br />

den Weideflächen des Biosphärenreservats<br />

und soll nach und nach auf weitere<br />

anthropogen beeinflusste Teile der Rhön<br />

ausgeweitet werden.<br />

Das Zielartenkonzept des Arten- und<br />

Biotopschutzes im Biosphärenreservat<br />

Rhön nennt <strong>als</strong> wichtige Leitarten die endemisch<br />

nur in der Rhön und im Vogelsberg<br />

vorkommende Rhön-Quellschnecke<br />

(Bythinella compressa; Abb. 7) und die<br />

Gestreifte Quelljungfer (Cordulegaster<br />

bidentata). Die Rhön-Quellschnecke<br />

kommt bevorzugt in Quellaustritten mit<br />

guter Wasserqualität und einem intakten<br />

Quellumfeld vor und eignet sich nach den<br />

bisherigen Untersuchungen hervorragend,<br />

um den ökologischen Zustand einer


Quelle einzuschätzen. Die nur 1 bis 2 mm<br />

große Quellschnecke kann leicht mit<br />

einer Lupe an Totholz oder in der Quelle<br />

liegenden Steinen gefunden werden.<br />

Damit ist auch die methodisch leichte<br />

Erfassbarkeit dieser Art gewährleistet. Zu<br />

beachten ist allerdings, dass die Rhön-<br />

Quellschnecke eine sehr enge geographische<br />

Verbreitung hat und im Nordteil des<br />

Biosphärenreservats Rhön gar nicht mehr<br />

vorkommt.<br />

Die Gestreifte Quelljungfer, eine Libellenart,<br />

hat eine ausgeprägte Bindung an<br />

kleine Quellen und Quellbäche sowie<br />

Nieder- und Hochmoore mit Sickerquellen<br />

und Hangvernässungen. Die Quellen<br />

müssen mäßig bis schwach schütten und<br />

dabei ein feinkiesiges bis schlammiges<br />

Substrat, niedrige Wassertemperatur und<br />

geringe Strömung besitzen. Die Imagines<br />

benötigen freien Flugraum über den<br />

Gewässern und die Nähe von Waldlichtungen<br />

oder Waldwegen <strong>als</strong> Jagdgebiete.<br />

Als Zielart ist sie von ihren Ansprüchen<br />

her wenig geeignet. Hinzu kommt noch<br />

die methodisch sehr schwierige Erfassbarkeit<br />

der Art.<br />

Als ein Ergebnis kann festgehalten werden,<br />

dass nicht der Nachweis einzelner<br />

Zielarten, sondern vielmehr die Summe<br />

aller in Quellbiotopen nachgewiesenen<br />

Taxa den ökologischen Zustand einer<br />

Quelle beschreibt. Physikalische Parameter<br />

sind zumeist nur <strong>als</strong> Ergänzungen<br />

zur faunistischen Erfassung geeignet,<br />

zumal es sich dabei nur um Momentaufnahmen<br />

handelt. Eine ökologisch intakte<br />

Quelle kann z.B. auch nach stoßweisen<br />

Nitrateinträgen durch die Landwirtschaft<br />

wieder besiedelt werden, wenn das Umfeld<br />

keine bzw. nur geringe ökologische<br />

Beeinträchtigungen aufzeigt. Probleme<br />

bereiten dabei immer wieder so genannte<br />

Wanderbarrieren wie Verrohrungen und<br />

Sohlschwellen, welche die faunistische<br />

Besiedelung sowohl aus dem Grundwasser<br />

<strong>als</strong> auch aus dem Quellbach – insbesondere<br />

durch fehlende Substratauflage –<br />

verhindern.<br />

7. Künftiger Handlungsbedarf<br />

Eines der Ziele des Biosphärenreservats<br />

Rhön sollte die vollständige Erfassung<br />

aller Quellaustritte und deren Arteninventar<br />

sein. Bei Beeinträchtigungen von<br />

Quellbiotopen sollte in enger Absprache<br />

mit den Grundstückseigentümern und<br />

Behörden versucht werden, diese ökologisch<br />

aufzuwerten. Wünschenswert wäre<br />

dabei ein anschließendes Monitoring, das<br />

den Erfolg der einzelnen Maßnahmen<br />

dokumentiert und Hinweise auf künftige<br />

Maßnahmenplanungen gibt.<br />

Literatur<br />

BEIERKUHNLEIN, C., GOLLAN,<br />

T. (1999): Forschung zu Quellökosystemen<br />

an der Universität Bayreuth – eine<br />

Einführung. In: BEIERKUHNLEIN, C.,<br />

GOLLAN, T., Hrsg., Ökologie silikatischer<br />

Waldquellen in Mitteleuropa,<br />

Bayreuther Forum Ökologie 71, 1-8.<br />

EU-WRRL (2000) = Richtlinie<br />

2000/60/EG des Europäischen Parlaments<br />

und des Rates zur Schaffung eines<br />

Ordnungsrahmens für Maßnahmen der<br />

Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik.<br />

Luxemburg, den 23. Oktober 2000.<br />

PE-CONS 3639/1/00 REV 1.<br />

Abb. 7: Das Gehäuse einer Rhön-Quellschnecke im<br />

Vergleich zu einem Streichholzkopf.<br />

Untersuchungsberichte aus der Rhön:<br />

REISS, M., ZAENKER, S. (2004):<br />

Quellenkartierung in der Gemeinde<br />

Stockheim/Unterfranken. Unveröff. Untersuchungsbericht,<br />

Fulda, 1-89.<br />

REISS, M., ZAENKER, S. (2005):<br />

Quellenkartierung im Biosphärenreservat<br />

Rhön (Kernzonen in Hessen). Unveröff.<br />

Untersuchungsbericht, Fulda, 1-144.<br />

REISS, M., ZAENKER, S. (2005):<br />

Quellenkartierung im Biosphärenreservat<br />

Rhön (Kernzonen in Thüringen). Unveröff.<br />

Untersuchungsbericht, Fulda, 1-378.<br />

ZAENKER, S. (2006): Datenbank des<br />

Biospeläologischen Katasters von Hessen.<br />

Fulda , unveröff.<br />

Anschriften der Verfasser: Martin Reiss,<br />

Landesverband für Höhlen- und Karstforschung<br />

Hessen e.V., Ockershäuser Allee 50,<br />

35037 Marburg, E-Mail mreiss2@web.de;<br />

Stefan Zaenker, Landesverband für Höhlen-<br />

und Karstforschung Hessen e.V., Königswarter<br />

Straße 2a, 36039 Fulda, E-Mail stefan.<br />

zaenker@hoehlenkataster-hessen.de.<br />

Fotos: Klaus Bogon (1), Stefan Zaenker (6)<br />

1 3


1 4<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Die SINNallianz –<br />

ein Naturschutzprojekt für das Lebensraumnetz Sinn<br />

Von Stephan Kneitz<br />

1. Das Projekt<br />

Eingeläutet von einer Pressefahrt startete<br />

am 03.07.2002 die Kreisgruppe Bad Kissingen<br />

des Bund Naturschutz in Bayern<br />

e.V. (BN) das auf fünf Jahre (2002 bis<br />

2007) ausgelegte Naturschutz-Projekt<br />

„Sinnallianz“ im oberen Sinntal/Rhön<br />

(Landkreis Bad Kissingen, Bayern).<br />

Dank der finanziellen Unterstützung<br />

des Bayerischen Naturschutzfonds und<br />

der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt<br />

(ZGF) setzt sich im Rahmen des<br />

ABSP- (bayerisches Arten- und Biotopschutzprogramm)<br />

bzw. BayernNetzNatur-Projektes<br />

„Oberes Sinntal/Rhön, Lkr.<br />

Bad Kissingen“ der Bund Naturschutz in<br />

Bayern e. V. (BN) über seine Kreisgruppe<br />

Bad Kissingen für den Erhalt und die<br />

Entwicklung eines Biotopverbundsystems<br />

entlang von Sinn und den ausgewählten<br />

Zuflüssen Oberbach, Mittelbach und<br />

Disbach ein. Das Projektgebiet umfasste<br />

die Talauen der genannten Rhöner Wildbäche<br />

(insgesamt ca. 50 Flusskilometer)<br />

zwischen den Ortschaften Wildflecken<br />

(im Norden) und Zeitlofs (im Süden).<br />

Das Naturschutzprojekt wurde vom<br />

Bayerischen Naturschutzfonds mit<br />

einer verbindlichen Förderzusage vom<br />

07.05.2002 bewilligt. Das BayernNetz-<br />

Natur-Projekt stellte im genannten<br />

Zeitraum hinsichtlich Flächenausdehnung<br />

und Finanzvolumen (568.000 €)<br />

das größte Naturschutzprojekt des BN in<br />

Unterfranken dar.<br />

2. Das Projektgebiet<br />

Das Gewässersystem der Oberen Sinn<br />

zwischen Wildflecken und Zeitlofs mit<br />

einem Einzugsbereich von 155 km 2 ist<br />

Teil eines der längsten noch intakten<br />

Bachökosysteme Bayerns und <strong>als</strong> Vernetzungselement<br />

zwischen den umliegenden<br />

FFH-Lebensräumen der „Schwarzen<br />

Berge“ und des „Truppenübungsplatzes<br />

Wildflecken“ von besonderer Bedeutung.<br />

Mehr <strong>als</strong> 60 verschiedene nach der bayerischen<br />

bzw. der deutschen Roten Liste<br />

gefährdete Arten konnten im Projektgebiet<br />

bereits nachgewiesen werden. Als<br />

„Highlights“ seien hier Biber (s. Abb. 1),<br />

Wasseramsel, Eisvogel, Schwarzstorch,<br />

Schwarzblauer Ameisenbläuling, Schwalbenschwanz,<br />

Gebänderte und Blauflügelige<br />

Prachtlibelle und die Schachblume<br />

stellvertretend für die große Artenvielfalt<br />

in der von Grünlandflächen unterschiedlicher<br />

Nutzungsintensität und einer fast<br />

durchgängigen Ufergalerie aus Erlen und<br />

Weiden charakterisierten Wildbachlandschaft<br />

genannt.<br />

Diese „Perlen“ unterstreichen die hohe<br />

regionale Bedeutung des Raumes für den<br />

Arten- und Biotopschutz. Von einzigartiger<br />

Bedeutung sind die naturnahen<br />

Quellregionen und Oberläufe. Hier leben<br />

z.B. die endemische Rhön-Quellschnecke<br />

und die Alpenspitzmaus <strong>als</strong> Relikt zurückliegender<br />

Eiszeiten.<br />

Trotz seines naturnahen Charakters<br />

ist das Sinntal eine über Jahrhunderte<br />

gewachsene Kulturlandschaft, in der es<br />

durch menschliche Einflussnahme eine<br />

Reihe von Schwachstellen gibt. Die wichtigsten<br />

sind:<br />

• Wiesennutzung bis an die oft schmale<br />

Ufergalerie heran, abschnittsweise<br />

Gülledüngung;<br />

• gestörte Fließgewässerdynamik durch<br />

Steinschüttungen und Verbauungen an<br />

den Ufern;<br />

• Blockade der Durchgängigkeit für<br />

Fließgewässerarten durch Wehre, hohe<br />

Sohlschwellen und geringe Restwasser-<br />

mengen an Kleinkraftwerken, Ausleitungen<br />

für Fischteichanlagen;<br />

• massiver Hochwasserschutzausbau in<br />

den Siedlungen;<br />

• Einleitung unzureichend geklärter Sied-<br />

lungsabwässer aus den Kläranlagen und<br />

Straßenentwässerungen;<br />

• häufige Stoßbelastungen mit ungerei-<br />

nigtem Mischwasser aus Regenüberläu-<br />

fen.<br />

3. Was will die Sinnallianz?<br />

Über den Ankauf von Grundstücken entlang<br />

der Bäche soll das Biotopverbundsystem<br />

im Projektgebiet <strong>als</strong> Grundlage der<br />

Abb. 1: Der Biber hinterlässt seine Spuren im Tal<br />

der Sinn – auch durch Aufstauungen, welche eine<br />

wertvolle Lebensraumdynamik verursachen.


Abb. 2: Hohe Gewässerdynamik der unverbauten<br />

Sinn in einer durch den Biber mitgestalteten und<br />

großflächig beweideten Aue – ein interessantes<br />

Experiment, dass durch Flächenaufkauf ermöglicht<br />

wurde.<br />

Natur- und Artenvielfalt verbessert oder<br />

sogar wiederhergestellt werden. Ein wichtiger<br />

Aspekt hierbei ist die Verbindung<br />

der abschnittsweise vorhandenen Auwälder,<br />

Feuchtwiesen und Hochstaudenfluren<br />

mit breiten Uferrandstreifen. Ziel ist,<br />

dass Sinn und ihre Nebenbäche in dieser<br />

Kulturlandschaft wieder ihre Wildbachdynamik<br />

„ausleben“ können. Wie wichtig<br />

die Verbesserung eines solchen „natürlichen<br />

Hochwasserschutzes“ ist, beweist<br />

eindrucksvoll das Hochwasserereignis<br />

Anfang Januar 2003. Deutliche Schäden<br />

traten in den Siedlungsbereichen und hier<br />

besonders in den Talabschnitten auf, die<br />

ihrer natürlichen Überflutungsbereiche<br />

beraubt sind (z.B. Stadtumgehung Bad<br />

Brückenau). Über Vereinbarungen mit<br />

örtlichen Landwirten will die Sinnallianz<br />

ergänzend die extensive Bewirtschaftung<br />

der blütenreichen Wiesen sichern bzw.<br />

ausweiten. Gleichzeitig soll über ein<br />

mit der Landwirtschaft abgestimmtes<br />

Vermarktungskonzept die regionale<br />

Wertschöpfung gefördert werden, die im<br />

Moment so gut wie nicht mehr vorhanden<br />

ist. Auch der naturverträgliche<br />

Tourismus soll hier eine Rolle spielen.<br />

Über gezielte Öffentlichkeitsarbeit will<br />

das Projekt ferner zur nachhaltigen Nutzung<br />

der Wasserressourcen anregen und<br />

eine Verbesserung der Wasserqualität<br />

erreichen.<br />

4. Erfolge des Projekts<br />

Eine Allianz für den Lebensraum<br />

„Sinntal“<br />

Als „SINNallianz“ konnte das Projekt<br />

aktiv alle betroffenen/zuständigen<br />

Behörden, Kommunen, Institutionen,<br />

Nutzergruppen und Bürger hinsichtlich<br />

kooperativer Maßnahmen zum Wohle<br />

der Natur im Projektgebiet einbinden.<br />

Hierbei spielte das Projektbüro in Bad<br />

Brückenau <strong>als</strong> Anlaufstelle eine wichtige<br />

Rolle. Mit seinem Besprechungsraum für<br />

das achtköpfige Projektteam um Franz<br />

Zang (Projektleitung, 2. Kreisgruppenvorsitzender)<br />

und <strong>Dr</strong>. Stephan Kneitz<br />

(hauptamtlicher Mitarbeiter) war es zugleich<br />

<strong>Dr</strong>eh- und Angelpunkt sämtlicher<br />

Entwicklungen im Projektgebiet.<br />

Aktivitätsvielfalt<br />

Die gewählten Strategien und Instrumente<br />

erwiesen sich rückblickend <strong>als</strong> geeignet,<br />

die Ziele des Projektes – Schutz, Erhaltung<br />

und Vernetzung der wertvollen<br />

Feucht- und Wasserlebensräume – zu<br />

erreichen. Ein Großteil der im Projektkonzept<br />

vorgeschlagenen Maßnahmen<br />

konnte im Berichtszeitraum bearbeitet<br />

und teilweise abgeschlossen werden. Über<br />

150 im gesamten Projektgebiet durchgeführte<br />

Maßnahmen und Aktionen<br />

spiegeln die Aktivitäts-Vielfalt wider.<br />

Dauerhafte Natursicherung durch<br />

Flächenerwerb<br />

Trotz einiger Schwierigkeiten konnte das<br />

Projektteam im Sinntal sowie am Ober-<br />

und Mittelbach 87 Grundstücke (ufernahe<br />

Wiesen, Auwaldreste, Feuchtbrachen)<br />

in einem Gesamtumfang von ca. 30 ha<br />

erwerben und dauerhaft <strong>als</strong> Lebensraum<br />

für Biber, Wasseramsel und andere<br />

sichern. Aber auch für den ökologischen<br />

Hochwasserschutz und den bachbegleitenden<br />

Biotopverbund sind die Ankäufe<br />

mit Schwerpunkten zwischen Eckarts<br />

und Wernarz sowie zwischen Oberbach<br />

und Wildflecken von höchstem Wert. Da<br />

die Ankäufe erst in der zweiten Projekthälfte<br />

vorgenommen werden konnten und<br />

deren Abwicklung sich zeitlich stark in<br />

die Länge zog, konnten keine konkreten/<br />

aktiven Maßnahmen hinsichtlich Erhalt<br />

und Stärkung des bachbegleitenden Biotopverbunds<br />

umgesetzt werden.<br />

Pflege- und Entwicklungskonzept<br />

Ein in Arbeit befindliches Pflege- und<br />

Entwicklungskonzept der BN-Kreisgruppe<br />

soll in Absprache und Zusammenarbeit<br />

mit örtlichen Landwirten<br />

und zuständigen Behörden die abwechslungs-<br />

und artenreiche Kulturlandschaft<br />

„Sinntal“ auf den Ankaufsflächen nach<br />

Projektende langfristig sichern. Die<br />

Entwicklungs- und Pflegekonzeption<br />

sieht für die Flächen im Raum Eckarts-<br />

Wernarz eine sehr extensive (Ganzjahres-)Beweidung<br />

in geringer Dichte (0,5<br />

GV/ha) vor (Abb. 2), für den Großteil<br />

der restlichen Flächen eine einmalige<br />

Mahd abzüglich eines 5 bis 10 m breiten<br />

Uferrandstreifens. Auf einigen Einzelflächen<br />

soll die Sukzession zu einem<br />

Auwald zugelassen sein.<br />

Intensive Öffentlichkeitsarbeit und<br />

Umweltbildung<br />

Vor allem in den ersten vier Projektjahren<br />

bestimmte eine intensive Öffentlichkeits-<br />

und Umweltbildungsarbeit die Tätigkeit<br />

der Teammitglieder. Erste sichtbare<br />

Zeichen setzte das Projektteam mit der<br />

Einrichtung eines publikumsfreundlichen<br />

Büros in Bad Brückenau, der Entwicklung<br />

eines eingängigen Logos, der Konzeption<br />

eines Projekt-Faltblatts und der<br />

Einrichtung einer Internetpräsentation.<br />

Ergänzend wurde in Kooperation mit<br />

dem Informationszentrum „Haus der<br />

Schwarzen Berge“ in Oberbach die<br />

Ausstellung „Die Sinn – ein Wildbach<br />

stellt sich vor“ konzipiert und von Juni bis<br />

Oktober 2003 der Öffentlichkeit präsen-<br />

1 5


1 6<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

tiert. Eine tragende Säule der Öffentlichkeitsarbeit<br />

war von Beginn an die sehr<br />

kooperative Zusammenarbeit mit der<br />

örtlichen Presse (Main-Post, Saale-Zeitung/Brückenauer<br />

Anzeiger, Main-Echo)<br />

und deren hervorragende Berichterstattung.<br />

Die kontinuierliche Medienpräsenz<br />

mit ca. 150 Zeitungsartikeln, einem<br />

Fernseh- und drei Radioberichten sorgte<br />

im Projektzeitraum für einen hohen<br />

Bekanntheitsgrad.<br />

Die Resonanz auf das Projekt fiel und<br />

fällt deshalb im Gebiet selbst, aber auch<br />

im gesamten Landkreis Bad Kissingen<br />

und darüber hinaus (Biosphärenreservat<br />

Rhön), sehr positiv aus. Weite Bevölkerungskreise<br />

und insbesondere Kinder<br />

und Jugendliche konnten mit dem Wasser<br />

im Allgemeinen und den Lebensräumen<br />

„Wildbach Sinn“ und „Aue“ im Speziellen<br />

vertraut gemacht werden. Hierbei spielte<br />

ab 2004 das Umweltbildungsprojekt<br />

„RHÖNer WASsER-LEBEN“ der<br />

BN-Kreisgruppe Bad Kissingen eine bedeutende<br />

Rolle (Förderung: Bayerischer<br />

Umweltfonds). Mehr <strong>als</strong> 2.000 Teilnehmer<br />

konnten mit vielen Aktionen rund<br />

um das Wasser begeistert werden. Ein<br />

Highlight war der GEO-Tag der Artenvielfalt<br />

2003 im Staatsbad Brückenau mit<br />

mehr <strong>als</strong> 40 Experten, mehreren Hundert<br />

Teilnehmern und Besuchern sowie 1.100<br />

gefundenen Arten.<br />

Grundlagenerhebungen zur Artenvielfalt<br />

Neue Erkenntnisse zur ökologischen<br />

Situation in den Fließgewässern brachten<br />

grundlegende Untersuchungen des<br />

Makrozoobenthos durch das Forschungsinstitut<br />

Senckenberg (2004), zu Artenbestand<br />

und Struktur der Fischfauna<br />

durch den bayerischen Landesfischereiverbandes<br />

(Ausführung: Bernd Tombeck,<br />

Büro Geise & Partner, Prosselsheim,<br />

2003) und zur Vorkommenssituation<br />

heimischer und ausländischer Krebsarten<br />

(Bearbeitung: Stefan Kaminsky, Büro<br />

Geise & Partner, Prosselsheim, 2002).<br />

Ferner wurden zwischen 2003 und 2007<br />

alle Ankaufsflächen vom Arbeitskreis<br />

Botanik der BN-Kreisgruppe auf Pflanzenvorkommen<br />

kartiert sowie (Zufalls-)<br />

Daten zu vorkommenden Tierarten<br />

erfasst. 2005 und 2006 erfolgte zudem in<br />

Zusammenarbeit mit der Akademie für<br />

Naturschutz in Laufen (<strong>Dr</strong>. Klaus Neugebauer)<br />

die Einrichtung eines botanischen<br />

Monitorings auf zukünftigen Weideflächen<br />

im Raum Eckarts. Ergänzend dazu<br />

wurden 2004 bis 2006 rund 200 Quellen<br />

im Einzugsgebiet der Sinn detailliert untersucht<br />

(chemische Werte, Flora, Fauna)<br />

und deren Zustand dokumentiert (Eva<br />

Reichert-Nelkenstock, Projektteam).<br />

5. Fazit<br />

Zusammenfassend haben sich für den Erfolg<br />

des SINNallianz-Projektes folgende<br />

Faktoren <strong>als</strong> bedeutsam erwiesen:<br />

• starke Unterstützung für das Projekt<br />

(Auftaktveranstaltung und Projektbüro-<br />

Eröffnung mit zahlreichen Bürgermeistern<br />

und Vertretern von Behör-<br />

den, Institutionen, Nutzergruppen<br />

und Verbänden);<br />

• professionelles Projektmanagement<br />

durch einen hauptamtlichen Pro-<br />

jektbeauftragten, unterstützt durch ein<br />

Mitarbeiter-Team von ehrenamtlichen<br />

BN-Mitgliedern aus dem Projektgebiet;<br />

• Planung und Durchführung von Maß-<br />

nahmen im Konsens („SINNallianz“);<br />

• Prinzip der Freiwilligkeit;<br />

• intensive Öffentlichkeits- und Umwelt-<br />

bildungsarbeit, besonders für Kinder-<br />

und Jugendliche („RHÖNer WASsER-<br />

LEBEN);<br />

• kontinuierliche Medienpräsenz;<br />

• sehr gute (persönliche) Kontakte zur<br />

Lokalpresse sowie zu lokalen Entschei-<br />

dungsträgern;<br />

• detailliertes Rahmenkonzept mit Ein-<br />

bindung von Kooperationspartnern<br />

und Unterstützern von Anfang an.<br />

Ein Blick in die Zukunft: Auch nach Projektende<br />

im Juni 2007 wird das Vorhaben<br />

von der Bund Naturschutz-Kreisgruppe<br />

Bad Kissingen kontinuierlich fortgeführt<br />

werden. Neben der konkreten Umsetzung<br />

der Pflege- und Entwicklungskonzeption<br />

in Kooperation mit örtlichen Landwirten<br />

und deren langfristigen Überwachung<br />

(Monitoring der Veränderung in der Vegetationsstruktur<br />

sowie der Entwicklung<br />

der Artenvielfalt) wird auch die Öffentlichkeit<br />

durch Vorträge, Informationsveranstaltungen<br />

und Exkursionen über die<br />

Weiterentwicklungen im Projektgebiet<br />

informiert.<br />

Dank<br />

Ein herzliches Dankeschön gilt allen<br />

Förderern und Unterstützern innerhalb<br />

und außerhalb des Bund Naturschutz<br />

in Bayern, v.a. der BN-Kreisgruppe<br />

Bad Kissingen. Ohne deren kooperative<br />

Mitarbeit und Diskussion wäre die<br />

„Allianz zum Wohle der Sinn“ nicht<br />

so lebendig geworden und ein Projekt<br />

dieser Größenordnung nicht zu stemmen<br />

gewesen. Ein besonderer Dank geht auch<br />

an alle Grundstücksbesitzer, die mit dem<br />

Verkauf ihrer Flächen zum nachhaltigen<br />

Erfolg dieses großen Naturschutzprojektes<br />

in der bayerischen Rhön maßgeblich<br />

beigetragen haben.<br />

Anschrift des Verfassers: <strong>Dr</strong>. Stephan<br />

Kneitz, Projektbeauftragter Sinnallianz,<br />

Bund Naturschutz in Bayern e.V., Kreisgruppe<br />

Bad Kissingen, Am Neuenstein 59,<br />

97762 Hammelburg,<br />

E-Mail stephan.kneitz@gmx.de.<br />

Fotos:<br />

<strong>Eckhard</strong> Jedicke, Stephan Kneitz


Der Schwarze Apollo in der<br />

bayerischen Rhön<br />

Von Karl-Heinz Kolb<br />

1. Einleitung<br />

Der Schwarze Apollo (Parnassio mnemosyne,<br />

Abb. 1) ist eine Schmetterlingsart,<br />

die bundesweit vom Aussterben bedroht<br />

ist (Rote-Liste-Kategorie 1). In der Rhön<br />

stellt diese Schmetterlingsart eine Zielart<br />

des Naturschutzes dar (ALTMOOS<br />

1997). Ihr Schwerpunktvorkommen liegt<br />

in der bayerischen Rhön, in der hessischen<br />

Rhön sind nur noch wenige kleine<br />

Metapopulationen vorhanden, welche mit<br />

den bayerischen vermutlich <strong>als</strong> Teil der<br />

Rhönpopulation im Austausch stehen.<br />

Im thüringischen Teil der Rhön fehlt der<br />

Schwarze Apollo vollständig.<br />

Im Rahmen des Projektes „Biotop- und<br />

Artenschutz im Biosphärenreservat<br />

Rhön“, das von der Zoologischen Gesellschaft<br />

Frankfurt (ZGF) finanziert wird,<br />

wurden von 2002 bis 2004 die Vorkom-<br />

Abb. 1: Schwarzer Apollo.<br />

Foto: Algirdas<br />

men des Schwarzen Apollo (Larvalhabitate,<br />

Imaginalhabitate, Vernetzungsstrukturen)<br />

in der bayerischen Rhön kartiert.<br />

Ziel war, die vorhandenen Metapopulationen<br />

möglichst vollständig zu erfassen,<br />

deren Individuenstärke zu ermitteln<br />

und Wege aufzuzeigen, wie diese in der<br />

Zukunft erhalten, entwickelt und besser<br />

untereinander vernetzt werden können.<br />

Weiter wurde der Erfolg durchgeführter<br />

Pflegmaßnahmen eingeschätzt. Hierfür<br />

war die exakte Kartierung der Lerchenspornvorkommen<br />

(Individuenzahl und<br />

Dichte) sowie der Falterzahlen der großen<br />

Metapopulationen im Rahmen von<br />

Fang-Wiederfang-Experimenten von zentraler<br />

Bedeutung. Zur Verbesserung der<br />

Vernetzung der in der Landschaft weit<br />

verstreuten Metapopulationen wurde ein<br />

Habitat-Verbundkonzept erarbeitet und<br />

mit den zuständigen Behörden (Forst,<br />

Naturschutz) abgestimmt.<br />

2. Larvalhabitate<br />

(Lerchenspornvorkommen)<br />

2.1 Vorkommen von Lerchensporn in<br />

der Umgebung bekannter Flugbereiche<br />

von Imagines<br />

Für den Schwarzen Apollo, dessen Raupen<br />

monophag auf Lerchenspornarten<br />

(Corydalis spec.) leben, ist die enge Nachbarschaft<br />

von geeigneten Eiablageplätzen<br />

und Larvalhabitaten zu den Flugbereichen<br />

der Imagines überlebensnotwendig.<br />

Aus diesem Grund wurden im April 2002<br />

bekannte Flugplätze des Falters auf das<br />

Vorkommen von Lerchensporn (Corydalis<br />

cava, Corydalis intermedia) untersucht.<br />

Als Parameter wurden hierbei die räumliche<br />

Verteilung und Ausdehnung des<br />

Lerchenspornbestandes sowie dessen<br />

Dichte erfasst. Folgende Lokalitäten wurden<br />

untersucht:<br />

(a) Kreuzberg: Von sechs Teilbereichen<br />

am Kreuzberg weisen zwei sehr gute individuenreiche<br />

Lerchenspornvorkommen<br />

(Corydalis cava) in angrenzenden Laubwaldbeständen<br />

auf. Sie sind somit <strong>als</strong><br />

Eiablage- und Larvalhabitate prinzipiell<br />

gut geeignet, nur an einer konnten jedoch<br />

bisher Imagines beobachtet werden. Die<br />

vier anderen Teilbereiche weisen nur<br />

kleine, lokal stark begrenzte Lerchenspornvorkommen<br />

auf. Sie sind somit nur<br />

bedingt <strong>als</strong> Eiablage- und Larvalhabitate<br />

tauglich. Von zwei dieser Lokalitäten<br />

liegen alte Flugnachweise vor, die beiden<br />

anderen wurden aufgrund ihrer potentiellen<br />

Eignung überprüft.<br />

(b) Lange Rhön: Für sieben Teilbereiche<br />

im Umgriff der Langen Rhön liegen<br />

für sechs Nachweise von Imagines des<br />

Schwarzen Apollo aus der Vergangenheit<br />

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N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

vor. Die Kontrolle dieser Lokalitäten<br />

ergab für zwei gute bis sehr gute Lerchenspornbestände<br />

in Lesesteinriegelhecken<br />

und angrenzenden Laubwaldbereichen.<br />

<strong>Dr</strong>ei weisen nur kleine Lerchenspornvorkommen<br />

mit nur bedingter Eignung <strong>als</strong><br />

Eiablage- und Larvalhabitate auf.<br />

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass an<br />

zwei Lokalitäten, an denen in der jüngsten<br />

Vergangenheit einzelne Imagines beobachtet<br />

wurden, keine Lerchenspornvorkommen<br />

in der unmittelbaren Umgebung<br />

festgestellt werden konnten.<br />

Im Jahr 2003 wurden speziell die Lokalitäten,<br />

an denen in den letzten Jahren<br />

Maßnahmen zur Stützung der Apollovorkommen<br />

durch Freistellung der Lerchenspornbestände<br />

stattfanden, kontrolliert.<br />

An allen drei Lokalitäten haben sich<br />

die durchgeführten Pflegemaßnahmen<br />

(Heckenpflegemaßnahmen, Auflichtung<br />

von Waldsäumen, Entfernung von<br />

dichten Himbeerbeständen) positiv auf<br />

die dortigen Lerchenspornvorkommen<br />

ausgewirkt, was auf die nach der Pflege<br />

deutlich bessere Belichtung (Besonnung)<br />

derselben zurückzuführen ist.<br />

In einem Gebiet an der bayerischen<br />

Ostabdachung der Rhön fand im April<br />

2003 eine Detailkartierung der Lerchenspornvorkommen<br />

statt, um die Auswirkungen<br />

der dort seit Herbst 2000 durchgeführten<br />

Heckenpflegemaßnahmen auf<br />

die Verbreitung des Lerchensporns in den<br />

Hecken erfassen zu können. Das Apollo-<br />

Vorkommen in diesem Gebiet, das sich<br />

auf einer Meereshöhe von 475 bis 510 m<br />

über NN befindet, wurde 2002 erst<br />

entdeckt. Die dort in vielen Bereichen<br />

flächigen Bestände des Lerchensporns<br />

umfassen eine Gesamtfläche von 5.990 m 2 .<br />

Lineare Bestände von Einzelpflanzen<br />

finden sich auf einer Länge von insgesamt<br />

610 m entlang von Hecken. Besonders<br />

im Saum der Hecken und hier wiederum<br />

in lichten und gut besonnten Bereichen<br />

bildet der Lerchensporn sehr dichte, teils<br />

flächige Bestände. Aber auch in feuchten<br />

und entsprechend lichtdurchfluteten,<br />

zwischen die Wiesen eingelagerten<br />

Gehölzkomplexen finden sich flächige<br />

Lerchenspornvorkommen. Durch die<br />

enge Verzahnung von Hecken, Wiesen<br />

und kleineren Waldkomplexen entsteht<br />

ein Mosaik von direkt benachbarten<br />

Larval- und Imaginalhabitaten, das den<br />

Ansprüchen des Schwarzen Apollo sehr<br />

gut entspricht. Die Kammerung der Wiesen<br />

durch die umlaufenden Hecken sorgt<br />

zusätzlich für guten Windschutz und eine<br />

optimale Wärmespeicherung.<br />

2.2 Habitatmanagement in Larvalhabitaten<br />

(a) „Ostabdachung Rhön“<br />

Im Gebiet „Ostabdachung Rhön“ wurden<br />

in den Jahren 2000 bis 2003 insgesamt<br />

1.680 m Heckenlänge „auf den Stock gesetzt“,<br />

um das Überaltern der Heckenbestände<br />

zu verhindern. Die Maßnahmen,<br />

die originär der Erhaltung der dortigen<br />

Heckenlandschaft dienten, stellen auch<br />

die wesentlichen Habitatmanagement-<br />

Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung<br />

der Larvalhabitate des Schwarzen<br />

Apollo dar. Der Heckensaum und die<br />

Fläche direkt unter der Hecke erhalten<br />

nach der Pflege eine vielfach höhere<br />

Lichtmenge <strong>als</strong> zuvor, was dazu führt,<br />

dass krautige Pflanzen wie der Lerchensporn<br />

verbesserte Wuchsbedingungen<br />

vorfinden. In der Folge entwickeln sich<br />

die Lerchenspornbestände oft explosionsartig:<br />

Aus wenigen Einzelpflanzen vor der<br />

Heckenpflege können so größere, flächige<br />

Bestände entstehen.<br />

Um zu prüfen, ob eine Korrelation zwischen<br />

den durchgeführten Pflegemaßnahmen<br />

und den Lerchenspornvorkommen<br />

besteht, wurden die Pflegemaßnahmen<br />

mit der Lerchenspornkartierung überlagert.<br />

Das Ergebnis zeigt in den meisten<br />

Bereichen deutlich, dass der Lerchensporn<br />

positiv auf die Pflegemaßnahmen<br />

reagiert hat.<br />

(b) „alter Steinbruch“<br />

Im Bereich eines alten Steinbruchs wurde<br />

im Jahr 2002 mit der Entfernung des<br />

Gehölzanfluges begonnen. Im Jahr 2003<br />

wurde die Maßnahme entlang der Lerchenspornvorkommen<br />

am Waldrand und<br />

v.a. auf den Flächen, die von den Imagines<br />

genutzt werden, fortgesetzt. Der dortige<br />

Gehölzanflug konnte nahezu vollständig<br />

entfernt werden. Es handelte sich hierbei<br />

überwiegen um angeflogene Fichten.<br />

3. Flughabitate der Imagines<br />

3.1 Erfassung der Zahl fliegender<br />

Imagines<br />

Folgende Lokalitäten wurden zwischen<br />

2002 und 2004 auf Apollovorkommen<br />

überprüft:<br />

(a) Truppenübungplatz Wildflecken<br />

(zwei Teilbereiche): Alte Nachweise ließen<br />

sich 2003 nicht bestätigen. Hier sollte<br />

nochm<strong>als</strong> eine weiträumige Nachsuche<br />

erfolgen.<br />

(b) Kreuzberg (neun Teilbereiche):<br />

Gemeinsam mit Kollegen von der UNB<br />

in Bad Neustadt fanden 2003 insgesamt<br />

fünf Kartierungen statt, wobei an vielen<br />

Stellen, die 2002 ohne Nachweis blieben,<br />

Imagines des Schwarzen Apollo nachgewiesen<br />

wurden. In acht der neun Lebensräume<br />

wurden bei einer der fünf Begehungen<br />

maximal zwischen einem und 16<br />

Falter gezählt. Das dortige Waldwegesystem<br />

mit seinen Säumen ist von ganz<br />

zentraler Bedeutung <strong>als</strong> Flughabitat; die<br />

relevanten Wegstrecken summieren sich<br />

auf 1.620 m Länge. Dabei kommt den<br />

Waldwegesäumen eine wesentlich höhere<br />

Bedeutung zu <strong>als</strong> den verschiedenen<br />

Waldwiesen, die sie vernetzen. Dies könnte<br />

u.a. durch den suboptimalen Zustand<br />

der Waldwiesen mit bedingt sein.<br />

Am Kreuzberg gelang Michael Krämer<br />

(UNB Landkreis Rhön-Grabfeld) 2004<br />

ein Nachweis des Schwarzen Apollo ca.


500 bis 600 m vom nächsten bekannten<br />

Vorkommen entfernt auf einem schattigen<br />

Waldweg. Dieser Nachweis belegt<br />

die Tatsache, dass die Pionierart ein<br />

ausgeprägtes Dispersionserhalten zeigt,<br />

das dazu dient, neue Lebensräume zu<br />

erschließen.<br />

Um die im Vergleich zu Literaturangaben<br />

immer noch sehr geringen Individuenzahlen<br />

besser bewerten zu können, erfolgte<br />

2004 in zwei der Teilbereiche eine detaillierte<br />

Erhebung im Rahmen eines Fang-<br />

Wiederfang-Experimentes. Beim Erstfang<br />

am 09.06.2004 wurden 86 Falter nachgewiesen,<br />

davon wurden 85 (73 und<br />

12 markiert. Beim Wiederfang fünf<br />

Tage später gingen 42 noch nicht markierte<br />

Falter ins Netz (29 , 12 , 1 unbest.<br />

Exemplar). Von den vorher markierten<br />

Exemplaren konnten 45 Falter (41 , 3<br />

, 1 unbest. Exemplar) wiedergefangen<br />

werden. Mit Hilfe des Peterson-Verfahrens<br />

zur Populationsschätzung errechnet<br />

sich hieraus eine Gesamt-Populationsgröße<br />

von 164 Exemplaren. Somit besteht<br />

neben der Lokalität „Ostabdachung<br />

Rhön“ auch am Kreuzberg aktuell eine<br />

vitale Population des Schwarzen Apollo.<br />

(c) Umfeld Bischofsheim (vier Teilbereiche):<br />

Auf vier verschiedenen Waldwiesen<br />

konnte von Dieter Weisenburger<br />

(UNB Landkreis Rhön-Grabfeld) am<br />

04.06.2003 ein bisher unbekanntes Vorkommen<br />

mit fünf Imagines nachgewiesen<br />

werden. Trotz intensiver Nachsuche<br />

konnten dort im Jahr 2004 keine Falter<br />

betätigt werden.<br />

(d) Lange Rhön (acht Teilbereiche): An<br />

einer Lokalität wurden 2003 und 2004<br />

jeweils 30 Falter gezählt, an einer zweiten<br />

neun bzw. zehn. An drei weiteren Orten<br />

wurden im ersten Jahr keine und im zweiten<br />

je ein oder zwei Falter nachgewiesen.<br />

<strong>Dr</strong>ei Lokalitäten blieben in beiden Jahren<br />

ohne Nachweis. Auch die größte dieser<br />

Teilpopulationen ist aber im Vergleich zu<br />

den beiden vitalen Populationen <strong>als</strong> klein<br />

und somit gefährdet einzustufen.<br />

(e) „Ostabdachung Rhön“: In der 2002<br />

von Michael Krämer neu entdeckten<br />

Population wurden in den Jahren 2002<br />

bis 2004 Fang-Wiederfang-Experimente<br />

durchgeführt. 2002 errechnete sich<br />

daraus eine Populationsgröße von 62 Individuen,<br />

2003 resultieren 111 Individuen<br />

Abb. 2: Überlagerung der Lerchenspornvorkommen (4/2003) mit den Heckenpflegemaßnahmen (2000-<br />

2003) und den Apollo-Vorkommen (2003) (Teillebensräume) im Gebiet „Ostabdachung Rhön“.<br />

(Populationszunahme um 79 %), und<br />

2004 dürfte der Bestand über 200 Falter<br />

betragen haben (aufgrund der hohen<br />

Zahl an Erstfängen wurde auf eine Auswertung<br />

des Wiederfangs verzichtet, da<br />

klar war, dass die Population gegenüber<br />

2003 nochm<strong>als</strong> deutlich gewachsen ist).<br />

Als Ursachen für die Zunahme werden<br />

Erfolge durch die Heckenpflege sowie<br />

die Witterungsbedingungen gesehen.<br />

Zur besseren Erfassbarkeit der Falter<br />

und deren Zuordnung zu einzelnen<br />

Teillebensräumen sind diese in Abb. 2<br />

anhand der die Wiesen um- und einsäumenden<br />

Hecken abgegrenzt. Zusammen<br />

mit den Lerchenspornvorkommen und<br />

Heckenpflegemaßnahmen illustriert die<br />

Abbildung die enge räumliche Verknüpfung<br />

zwischen den Larval- und Imaginal-<br />

Habitaten.<br />

Ein Vergleich der Siedlungsdichten in<br />

den Teillebensräumen 2002 und 2003<br />

zeigt, dass eine deutliche Verschiebung<br />

von den südlichsten zu den mehr zentral<br />

gelegenen Lebensräumen stattgefunden<br />

hat – möglicherweise ein Ergebnis der<br />

Heckenpflegemaßnahmen (Abb. 3).<br />

1 9


2 0<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

(f ) hessische Vorkommen: Im hessischen<br />

Teil des Biosphärenreservats Rhön<br />

konnten durch <strong>Dr</strong>itte zwei Fundorte von<br />

Imagines mit 15 bzw. einem Individuum<br />

erbracht werden. An weiteren alten Fundorten<br />

waren 2003 nur Negativnachweise<br />

zu verzeichnen.<br />

3.2 Vorschlag von Maßnahmen des<br />

Habitatmanagements<br />

Bei der Kartierungen 2003 wurden verschiedene<br />

neuer Flughabitate des Schwarzen<br />

Apollo entdeckt, die bisher nicht<br />

bekannt waren oder an denen bei der<br />

Kartierung 2002 keine Falter nachgewiesen<br />

werden konnten. Die meisten Flughabitate<br />

sind, mit den bereits angeführten<br />

Ausnahmen, in nicht optimalem Zustand,<br />

d.h. es sollte durch Entbuschungs-,<br />

Gehölzreduktions- und/oder Heckenpflegemaßnahmen<br />

sowie Pflegemahd der<br />

Blühaspekt verbessert werden.<br />

Die Flughabitate im Bereich des Kreuzbergmassivs<br />

sind alle in einem überwiegend<br />

schlechten Zustand. Gerade die hier<br />

besonders wichtigen Säume von Waldwegen<br />

sind in den meisten Bereichen<br />

schon stark mit Gehölzen bewachsen<br />

– hier drängt die Entbuschung besonders.<br />

Die oft sehr kleinflächigen Waldwiesen<br />

werden vielfach nicht mehr genutzt,<br />

wodurch sie verbrachen und in der Folge<br />

Gehölzsukzession von den Waldrändern<br />

her vordringt. Hier müssen die Gehölze<br />

möglichst umgehend entfernt und die<br />

Mahd der Wiesen wieder aufgenommen<br />

werden.<br />

An den aus älteren Kartierungen bekannten<br />

Flughabitaten im Truppenübungsplatz<br />

sowie für den Bereich Bischofsheim<br />

ist noch keine Aussage zu sinnvollen<br />

Pflegemaßnahmen möglich. Die notwendigen<br />

Pflegemaßnahmen im Bereich der<br />

Langen Rhön sind bis auf geringfügige<br />

Nachbesserungsarbeiten weitgehend abgeschlossen.<br />

Hier werden erst mittelfristig<br />

neue Maßnahmen nötig werden.<br />

An der Lokalität „Ostabdachung Rhön“<br />

sollten aufgrund der guten Erfolge des<br />

Habitatmanagements die Pflegemaßnahmen<br />

auch zukünftig bei Bedarf fortgesetzt<br />

werden.<br />

4. Gefährdung und Maßnahmenvorschläge<br />

Die beiden individuenreichen Lerchenspornbestände<br />

am Kreuzberg scheinen<br />

nicht gefährdet. Sowohl die Wiese im<br />

Kammbereich <strong>als</strong> auch der Wegsaumbereich<br />

beginnen jedoch im Übergangsbereich<br />

Wald/Freifläche deutlich zu<br />

verbuschen. Die <strong>als</strong> Flugbereiche geeigneten<br />

Wiesen- und Saumbereiche werden<br />

teilweise nicht mehr genutzt. Neben einer<br />

initialen Entbuschung sollte hier eine<br />

regelmäßige Pflegemahd durchgeführt<br />

werden. Gleiches gilt für einen weiteren<br />

Wegsaum, der früher <strong>als</strong> Flugbereich<br />

diente, aktuell jedoch bereits stark verbuscht<br />

ist. Bei nur einem Vorkommen des<br />

Schwarzen Apollo am Kreuzberg ist der<br />

Flugbereich intakt und somit nicht pflegebedürftig.<br />

Das dortige Lerchenspornvorkommen<br />

ist allerdings so klein, dass<br />

es fraglich ist, ob es durch Habitatmanagement-Maßnahmen<br />

effektiv gestützt<br />

werden kann. Bei zwei weiteren kleineren<br />

Lerchenspornvorkommen mit geeigneten<br />

Flughabitaten in direkter Nachbarschaft<br />

konnten bisher keine Falter nachgewiesen<br />

werden. Hier sollte erst nach dem<br />

Nachweis von Imagines über geeignete<br />

Habitatmanagementmaßnahmen nachgedacht<br />

werden.<br />

Im Bereich von zwei der insgesamt sieben<br />

Vorkommen in der Langen Rhön haben<br />

in den vergangenen Jahren umfangreiche<br />

Pflegemaßnahmen für die Larval- und<br />

Imaginalhabitate stattgefunden, so dass<br />

hier aktuell kein Habitatmanagement<br />

erforderlich ist. Bei zwei kleinen Vorkommen<br />

mit sporadischen Einzelnachweisen<br />

von Faltern sollte nochm<strong>als</strong> überprüft<br />

werden, wo und wie viele Imagines dort<br />

fliegen. Da keine Lerchenspornvorkommen<br />

in unmittelbarer Umgebung gefunden<br />

wurden, könnte es sich auch um<br />

Individuen aus benachbarten Vorkommen<br />

handeln.<br />

Die <strong>als</strong> Flugbereiche in einem alten<br />

Steinbruch dienenden Säume sind sehr<br />

kleinräumig und drohen durch Fichtenanflug<br />

und andere Gehölze akut<br />

zuzuwachsen. Hier bestand dringender<br />

Handlungsbedarf, um diese Bereiche<br />

für den Schwarzen Apollo zu erhalten.<br />

Daher wurde 2002 und 2003 der dortige<br />

Gehölzanflug fast vollständig entfernt.<br />

Durch die Verbrachung und Verbuschung<br />

sind auch die Lerchenspornvorkommen<br />

im Saumbereich akut gefährdet. Die Lerchenspornvorkommen<br />

im angrenzenden<br />

Laubwald scheinen dagegen nicht bedroht<br />

zu sein.<br />

In einem weiteren Bereich mit aktuellen<br />

Einzelnachweisen des Schwarzen Apollo<br />

sollten die rudimentären Lerchenspornvorkommen<br />

unbedingt vergrößert werden.<br />

Im momentanen Umfang erscheinen<br />

sie <strong>als</strong> Eiablage- und Larvalhabitate nicht<br />

oder nur sehr bedingt geeignet.<br />

5. Habitat-Verbundkonzept<br />

Die Erarbeitung eines Habitat-Verbundkonzeptes<br />

soll dazu dienen, eine Diskussionsgrundlage<br />

zu schaffen, um gemeinsam<br />

mit der Forstverwaltung im Wald<br />

und am Waldrand liegende Larval- und<br />

Flug-Habitate zu entwickeln. Weiterhin<br />

soll versucht werden, mit Unterstützung<br />

des Forstes am Waldrand und im Waldinnern<br />

geeignete Trittsteine und Verbindungskorridore<br />

zwischen denselben zur<br />

Optimierung eines Habitat-Verbundes<br />

zu schaffen. In bestehenden und geplanten<br />

Schutzgebieten erfolgt bereits eine<br />

Verbesserung der Larval- und Flughabitate<br />

durch die Untere Naturschutzbehörde<br />

des Landkreises Rhön-Grabfeld<br />

und die bayerische Verwaltungsstelle des


Biosphärenreservats Rhön. Dies sind<br />

zentrale Bausteine innerhalb eines für den<br />

Schwarzen Apollo geeigneten Habitat-<br />

Verbundsystems.<br />

Für den Schwarzen Apollo in der Rhön<br />

bilden die zentralen Habitatrequisiten<br />

zum einen Lerchensporn-Vorkommen an<br />

Waldrändern und Säumen <strong>als</strong> Larvalhabitate,<br />

zum anderen blütenreiche Wiesen,<br />

insbesondere Bergwiesen und blütenreiche<br />

Säume an Hecken und v.a. Waldwegen<br />

mit hohem Anteil an Stauden, <strong>als</strong><br />

Flugbereiche für die Imagines. Feuchte<br />

Bereiche innerhalb dieser Habitatbestandteile<br />

(z.B. Quellfluren) erhöhen die<br />

Luftfeuchte, was von der Art präferiert<br />

wird (WEIDEMANN 1995).<br />

An den Waldrändern ist ein aufgelockerter<br />

Saum mit Büschen oder bis an den<br />

Waldrand reichenden Hecken und somit<br />

ein strukturreicher Übergang vom Wald<br />

zur Wiese – idealerweise Mähwiesen<br />

– gegenüber geraden Grenzlinien von<br />

Vorteil (Mikroklima-Wechsel!).<br />

Primäre Lebensräume dieser Falterart<br />

dürften in historischer Zeit in Wäldern<br />

durch natürlichen Verbiss von wilden<br />

Großherbivoren (später durch Waldweide<br />

mit Haustieren), Waldbrände, Windbruch<br />

und Schädlingskalamitäten o.ä.<br />

verfügbar gewesen sein. Der an wenigen<br />

Stellen sekundär entstandene Lebensraum<br />

wurde durch eine dortige besondere<br />

Nutzung durch den Menschen hervorgerufen<br />

(Bergwiesenmahd, Heckenanlage<br />

und -nutzung, z.T. Waldrandbeweidung).<br />

Der Schwarze Apollo ist natürlicherweise<br />

von Auflichtungen über Lerchensporn-<br />

Beständen, die relativ kleinflächig sein<br />

können, abhängig, wie sie durch natürliche<br />

Dynamik immer wieder entstehen.<br />

Nur an solchen Stellen ist er in der Lage,<br />

erfolgreich seine Eier abzulegen, und<br />

nur hier können sich seine Larven in<br />

ausreichender Zahl entwickeln. Leider<br />

wird eine natürliche Dynamik in unseren<br />

Wirtschaftswäldern so gut wie nicht<br />

mehr zugelassen und kann kurzfristig<br />

auch nicht wieder ermöglicht werden.<br />

Auch die früher in unterschiedlichem<br />

Umfang betriebene Kahlschlagwirtschaft,<br />

die dem Apollo immer wieder neue günstige<br />

Lebensbedingungen geschaffen hat,<br />

ist im Zuge der naturnahen Forstwirtschaft<br />

obsolet. Es ist deshalb von großer<br />

Wichtigkeit, die für diesen Schmetterling<br />

günstigen Habitatfaktoren in den geeigneten<br />

Bereichen durch Pflege zu sichern<br />

und zu entwickeln.<br />

Beobachtungen von SEUFERT (1996,<br />

unpubl. und mdl.) weisen darauf hin, dass<br />

die Art mit kleinen Populationen zumindest<br />

vorübergehend überleben kann. Die<br />

Falter sind weitgehend standorttreu und<br />

können daher durch Lebensraumerhaltung<br />

und -erweiterung in ihrem Bestand<br />

langfristig gesichert werden. Für überlebensfähige<br />

Populationen werden aus<br />

nordeuropäischen Regionen nach einer<br />

Zusammenstellung von SEUFERT<br />

(1996, unpubl.) allerdings mindestens 50<br />

Individuen zur Vermeidung von Inzuchteffekten<br />

und 500 für einen langfristigen<br />

Bestand gefordert (Originalquelle:<br />

VÄISÄNEN & SOMERA 1985). Ein<br />

gelegentlicher Austausch von Faltern<br />

zwischen weniger <strong>als</strong> 5 km voneinander<br />

entfernten Populationen wird vermutet<br />

und ist notwendig, um Inzuchteffekte<br />

gering zu halten. Als natürlicherweise<br />

an periodisch entstehende und wieder<br />

vergehende Lebensräume angepasste<br />

Tierart (eine sog. Katastrophenart) sollte<br />

der Apollo in der Lage sein, bei Lebensraumungunst<br />

oder Lebensraumverlust<br />

an einer Stelle neue geeignete Lebensraumbereiche<br />

in der Nähe zu erreichen.<br />

Gesicherte Untersuchungen hierzu fehlen<br />

jedoch. Fernausbreitungen wurden nicht<br />

beobachtet. Für die Art wird demnach<br />

ein von den natürlichen Bedingungen<br />

vorgegebenes Vorkommen in Metapopulationen<br />

wahrscheinlich.<br />

Durch die momentane Situation der<br />

räumlichen Isolation der am Kreuzberg,<br />

im Raum Bischofsheim, der Langen<br />

Rhön und den kleinen hessischen Vorkommensgebieten<br />

vorhandenen Meta-<br />

Populationen des Schwarzen Apollo<br />

und durch die klimatisch und durch<br />

Nutzungsaufgabe bedingten Ungunstfaktoren<br />

in den letzten besiedelten Lokalitäten<br />

muss innerhalb der Hochrhön ein<br />

Habitatverbundsystem entwickelt werden<br />

(Grundidee SEUFERT 1996, unpubl.).<br />

Die besiedelten und geeigneten Habitate<br />

auf der Langen Rhön und am Kreuzberg<br />

müssen <strong>als</strong> Kernhabitate in ihrer Habitatqualität<br />

möglichst optimal gehalten<br />

werden. Sie sind die noch vorhandenen<br />

Reservoire, von denen aus eine Neu- oder<br />

Wiederbesiedlung geeigneter Lebensräume<br />

in einer Entfernung bis zu 5 km<br />

stattfinden kann. Folglich sind zusätzlich<br />

in räumlicher Nähe zu diesen Kernhabitaten<br />

(bis 5 km Entfernung) ehem<strong>als</strong><br />

besiedelte oder neue geeignete Habitate<br />

mit vorhandenem Lerchenspornvorkommen<br />

zu gestalten, z.B. am Kreuzbergsüdhang<br />

und in weiteren Bereichen des<br />

Gebietes „Ostabdachung Rhön“ sowie im<br />

NSG „Lange Rhön“. Hierzu sind ältere<br />

Heckenkomplexe bzw. Waldränder mit<br />

Lerchenspornvorkommen aufzulichten.<br />

So entsteht einerseits der Larvenlebensraum<br />

(besonnte Lerchenspornbestände)<br />

oder wird erweitert, andererseits ein mikroklimatischer<br />

Wechsel für die Imagines<br />

(vgl. GROSSER 1991, KUDRNA &<br />

SEUFERT 1991).<br />

Mittelfristig (alle zwei bis fünf Jahre)<br />

müssen die besiedelten Lebensräume<br />

durch geeignete Pflegemaßnahmen, deren<br />

Turnus an die Erfordernisse des entsprechenden<br />

Vorkommens angepasst sein<br />

muss, „apollotauglich“ gehalten werden.<br />

Langfristig (über zehn Jahre) muss die<br />

Situation entsprechend neu geprüft und<br />

bewertet werden: Sollten dann ausreichend<br />

Lebensräume vorhanden sein,<br />

die gut besiedelt sind, und das natürliche<br />

bedingte Entstehen immer neuer<br />

Lebensräume (durch Nichteingreifen<br />

des Menschen in natürliche erratische<br />

Ereignisse wie Waldbrand, Windwurf,<br />

Eisbruch etc.) tatsächlich stattfinden,<br />

sollte die künstliche Pflege in geeignetem<br />

Umfang reduziert werden. Auch über eine<br />

2 1


2 2<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

langfristige Überführung der künstlichen<br />

Pflege in eine sinnvolle ökonomische<br />

Nutzung (periodische und gelenkte<br />

Waldrandweide oder Waldweide?) sollte<br />

nachgedacht werden.<br />

Um kurzfristig Abhilfe bei der Neuschaffung<br />

von Lebensräumen in Form<br />

von Nutzung zu erzielen, fehlen jedoch<br />

ausreichende Erkenntnisse zur Einbindung<br />

der Lebensraumentstehung in<br />

Nutzungsprozesse. Somit steht außer<br />

Frage, dass die vorhandenen Lebensräume<br />

<strong>als</strong> rettende Notmaßnahmen noch<br />

mindestens fünf bis zehn Jahre künstlich<br />

erhalten und gemehrt werden müssen.<br />

Für die Hauptpopulationen liegen konkrete<br />

Vorschläge zur Verbesserung des<br />

Habitatverbunds vor. Seitens des Forstes<br />

wurde für die Umsetzung Unterstützung<br />

zugesichert. Diese Vorschläge bedürfen<br />

nun der kontinuierlichen Realisierung.<br />

Dank<br />

Für die Bereitstellung von Daten zu Vorkommen,<br />

realisierten Pflegemaßnahmen,<br />

bereits durchgeführten Fang-Wiederfang-<br />

Experimenten und tatkräftige Mithilfe<br />

bei verschieden Kartierungsarbeiten und<br />

Auswertungen danke ich der Unteren<br />

Naturschutzbehörde des Landkreises<br />

Rhön-Grabfeld, insbesondere Herrn<br />

Michael Krämer, sowie den beiden<br />

Zivildienstleistenden Lukas Adrian<br />

und Simon Greiner der bayerischen<br />

Verwaltungsstelle des Biosphärenreservates<br />

Rhön ganz herzlich. Der Höheren<br />

Naturschutzbehörde bei der Regierung<br />

von Unterfranken in Würzburg danke ich<br />

für die Erteilung der notwendigen Ausnahmegenehmigungen<br />

für die Begehung<br />

der Naturschutzgebiete und den Fang<br />

der Falter. Herrn Priv.-Doz. <strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong><br />

Jedicke bin ich für die Koordination des<br />

Projektes und den Kontakt zur ZGF zu<br />

Dank verpflichtet. Letzterer danke ich für<br />

die Finanzierung der Untersuchungen.<br />

Abb. 3: Siedlungsdichte des Schwarzen Apollo in den Teillebensräumen des Gebiets „Ostabdachung Rhön“<br />

2002 (oben) und 2003 (unten). 1 = Einzelindividuen, 5 = hohe Siedlungsdichte<br />

Anschrift des Verfassers: Dipl.-Biol. Karl-<br />

Heinz Kolb, Bayerischer Bauernverband,<br />

Geschäftsstelle Bad Neustadt a.d. Saale,<br />

Berliner Straße 19a, 97616 Bad Neustadt/<br />

S., E-Mail Karl-Heinz.Kolb@Bayerischer<br />

BauernVerband.de.


Offenhaltung von Steintriften für die<br />

Berghexe und das Bundesgroßprojekt<br />

„Thüringer Rhönhutungen“<br />

Von Julia Gombert und Petra Ludwig<br />

Seit 1979 besteht das Programm des<br />

Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zur<br />

„Errichtung und Sicherung schutzwürdiger<br />

Teile von Natur und Landschaft mit<br />

gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung“.<br />

Das Förderprogramm soll zum<br />

dauerhaften Erhalt von Naturlandschaften<br />

sowie zur Sicherung und Entwicklung<br />

von Kulturlandschaften mit herausragenden<br />

Lebensräumen zu schützender<br />

Tier- und Pflanzenarten beitragen.<br />

In der Rhön handelt es sich um das<br />

zweite bewilligte Naturschutzgroßprojekt:<br />

Bereits von 1981 bis 1995 wurde im<br />

bayerischen Teil der Rhön das Naturschutzgroßprojekt<br />

„Hohe Rhön/Lange<br />

Rhön“ umgesetzt. Das Bundesgroßprojekt<br />

„Thüringer Rhönhutungen“ ist mit<br />

den Projekten am Kyffhäuser und im<br />

mittleren Saaletal das dritte seiner Art in<br />

Thüringen. Um in das Bundesförderprogramm<br />

aufgenommen zu werden, sind die<br />

Kriterien Repräsentanz, Großflächigkeit,<br />

Naturnähe, Gefährdung und Beispielhaftigkeit<br />

entscheidend.<br />

In Folge einer Jahrhunderte langen kontinuierlichen<br />

Schafbeweidung entstand<br />

in der Thüringischen Vorderrhön ein<br />

deutschlandweit einzigartiger Verbund<br />

an Magerrasen und Hutungsbändern auf<br />

Muschelkalk. Bis Anfang der 1990er<br />

Jahre befanden sich diese ausgedehnten<br />

Flächen, zu denen auch gehölzfreie Steintriften,<br />

Wacholderheiden sowie parkartige<br />

Hutewälder auf Kalkmagerrasen gehören,<br />

in einem hervorragenden Pflegezustand.<br />

Die geänderten Rahmenbedingungen seit<br />

Anfang der 1990er Jahre haben für die<br />

Landwirtschaft Einfluss auf die Bewirtschaftung<br />

der Kalkmagerrasen. Vor<br />

allem der Rückgang des Gesamtschafbestandes,<br />

die geänderten Ansprüche an<br />

die Schafhaltung und die Abnahme der<br />

Rinderbestände in der Region und damit<br />

die Verfügbarkeit fetteren Grünlands für<br />

die Schafherden haben eine nachlassende<br />

Nutzung der Kalkmagerrasen zur Folge.<br />

Daraus resultiert eine zunehmende Verbuschung<br />

auf den ehem<strong>als</strong> fast gehölzfreien<br />

Flächen.<br />

Um den repräsentativen Kalkmagerrasenkomplex<br />

zu erhalten und zu entwickeln<br />

sowie die dafür notwendigen Rahmenbedingungen<br />

für die Pflegeschäferei<br />

zu verbessern, wurde bereits Mitte der<br />

1990er Jahre eine erste Antragsskizze<br />

an das Bundesamt für Naturschutz zur<br />

Aufnahme in das Bundesförderprogramm<br />

gestellt. Nachdem das BfN im Jahr 2002<br />

neue Förderelemente in das Programm<br />

für Naturschutzgroßprojekte aufgenommen<br />

hatte, die unter anderem die Finanzierung<br />

von schäfereilicher Infrastruktur<br />

ermöglichen, wurde das Projekt 2003<br />

gestartet.<br />

Die besondere Bedeutung des Erhalts der<br />

Kalkmagerrasen zeigt der Schutzstatus in<br />

Thüringen, die Erfassung im Bundesnaturschutzgesetz<br />

und in der FFH-Richtlinie<br />

der EU.<br />

Die Bedeutung des Erhalts der naturnahen<br />

Kalk-Trockenrasen für unzählige<br />

Wärme liebende Arten soll anhand der<br />

Tagfalterart Berghexe (Chazara briseis)<br />

gezeigt werden.<br />

Artenschutz für die Berghexe<br />

Im Zeitraum von 2001 bis 2004 förderte<br />

die Zoologische Gesellschaft Frankfurt<br />

(ZGF) das Projekt zur Erhaltung bzw.<br />

Wiederherstellung des bedeutenden Vorkommens<br />

von C. briseis in der Thüringer<br />

Vorderrhön am Südhang der Hohen Geba.<br />

Die Berghexe ist eine in Südosteuropa<br />

und in Nordafrika verbreitet Tagfalterart.<br />

In Deutschland kommt diese stark gefährdete<br />

Art in den Bundesländern Baden-<br />

Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz,<br />

Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und<br />

Nordrhein-Westfalen vor. Überwiegend<br />

trägt sie den Rote-Liste-Status „stark<br />

gefährdet“. Sie ist auf heiße, trockene<br />

und mit Felsen durchsetzten Magerrasen<br />

angewiesen. Der Erhalt des Biotops<br />

(geeignete Pflege zur Vermeidung von<br />

Verbuschung) ist die einzige Möglichkeit,<br />

die Art dauerhaft zu erhalten.<br />

In Thüringen wurde die Berghexe im<br />

Norden am Kyffhäuser und in Südthüringen<br />

nachgewiesen. Die Population am<br />

Südhang der Hohen Geba zählt zu den<br />

individuenreichsten in ganz Deutschland.<br />

Hier in Südthüringen liegt der Verbreitungsschwerpunkt<br />

der Berghexe, was die<br />

besondere Verantwortung zum Erhalt<br />

dieser Art unterstreicht.<br />

Durch oben genannte Nutzungsänderungen<br />

veränderte sich der Lebensraum am<br />

Südhang der Hohen Geba. Vor allem der<br />

zunehmende Schlehen- und Nadelgehölzaufwuchs<br />

bedrohten die Population.<br />

In den Winterhalbjahren 2001/2002 und<br />

2002/2003 wurden im Rahmen des Pro-<br />

2 3


2 4<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

jekts auf sechs Hektar Kalkmagerrasen<br />

umfangreiche Entbuschungsmaßnahmen<br />

durchgeführt.<br />

Um den Lebensraum der Berghexe<br />

nachhaltig zu sichern, wurde das Weidemanagement<br />

auf den Flächen verbessert,<br />

indem eine Beweidung im Juni und im<br />

August durch Hüteschafhaltung realisiert<br />

und die hier weidende Herde mit Ziegen<br />

aufgestockt wurde. Zusätzlich fand über<br />

drei Jahre eine Nachmahd der Stockausschläge<br />

statt.<br />

Um den Verlauf des Projekts zu dokumentieren,<br />

wurden vier Transekte zum<br />

Monitoring der Populationsentwicklung<br />

angelegt. Von 2001 bis 2003 war während<br />

der Flugzeit ( Juli – September)<br />

eine Erhöhung der Gesamtfalterzahl zu<br />

beobachten. Dies lässt vermuten, dass<br />

die Verbesserung des Lebensraums eine<br />

tendenzielle Populationszunahme mit<br />

sich brachte.<br />

Planung und Umsetzung des Naturschutzgroßprojektes<br />

„Thüringer Rhönhutungen“<br />

Die Finanzierung des Naturschutzgroßprojekts<br />

mit insgesamt 5,3 Mio. Euro setzt<br />

sich folgendermaßen zusammen: 75 %<br />

der Kosten trägt der Bund mit Mitteln<br />

des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit (BMU),<br />

15 % übernimmt das Land Thüringen,<br />

und 10 % bringt der Projektträger auf.<br />

Diesen Anteil übernehmen hier die beiden<br />

Landkreise Schmalkalden-Meiningen<br />

und Wartburgkreis.<br />

Mit dem Stattgeben einer Förderung<br />

des Vorhabens im Jahr 2003, die sich<br />

zunächst auf die Finanzierung der Planungsphase<br />

(Phase I) bezog, konnte mit<br />

der Erstellung eines Pflege- und Entwicklungsplans<br />

(PEP) begonnen werden.<br />

Diese beinhaltete neben den Bestandsaufnahmen<br />

von Gefäßpflanzen Tagfaltern,<br />

Heuschrecken und xylobionten Käfern<br />

auch sozioökonomische Untersuchungen.<br />

Alle Ergebnisse wurden schließlich zu-<br />

Abb. 1: Berghexe – Zielart auf sonnenexponierten<br />

Südhängen.<br />

sammengeführt. Mit Hilfe einer externen<br />

Moderation konnte ein realistisches Maßnahmenkonzept<br />

erstellt werden.<br />

Die Trennung der PEP-Erstellung und<br />

der Maßnahmenumsetzung in zwei Phasen<br />

ist eine Neuerung des Bundesförderprogramms.<br />

Erst mit einer gemeinsamen<br />

Verabschiedung des PEP durch Bund,<br />

Land und den Projektträger kann die<br />

Umsetzungsphase (Phase II) gestartet<br />

werden. Im Falle des Naturschutzgroßprojektes<br />

„Thüringer Rhönhutungen“ mit<br />

einem Gesamtumfang des Projektgebietes<br />

von etwa 13.650 ha wurde die Förderphase<br />

II im Dezember 2005 genehmigt.<br />

Bis 2013 werden Maßnahmen in den acht<br />

Kerngebieten mit einer Größe von ca.<br />

3.500 ha umgesetzt.<br />

Maßnahmenumsetzung<br />

In der zweiten Phase des Projekts werden<br />

Maßnahmen mit folgendem Schwerpunkt<br />

umgesetzt: Erstpflege- und Biotopinstandsetzung,<br />

schäfereiliche Maßnahmen,<br />

Öffentlichkeitsarbeit, spezieller Artenschutz<br />

und Grunderwerb.<br />

Im Rahmen der Erstpflege- und Biotopinstandsetzung<br />

werden vor allem<br />

Entbuschungsmaßnahmen auf Kalkmagerrasen<br />

durchgeführt. Hierzu zählen<br />

auch die Wiederherstellung von Triebwegen,<br />

die Entnahme standortfremder<br />

Nadelgehölze sowie die Auflichtung von<br />

Wacholderheiden und die Freistellung<br />

von Lesesteinwällen. Außerdem werden<br />

kleinflächige Kalkflachmoore durch<br />

Mahd regeneriert und durch gezielte<br />

Abb. 2: Wacholderheide im NSG Kuhkopf bei<br />

Diedorf.<br />

Ausgrenzung vor Trittschäden gesichert.<br />

Um eine dauerhafte Pflege der Flächen<br />

zu erreichen, wird angestrebt, die Beweidungsinfrastruktur<br />

zu optimieren. Hierzu<br />

zählen die Sanierung und der Neubau<br />

von Tränkeinrichtungen auf den wasserarmen<br />

Hutungen, um die Verweildauer<br />

der Schafherden auf den Flächen zu<br />

erhöhen. Der Tierbestand wird durch den<br />

Ankauf von Schafen und Ziegen erhöht.<br />

Auch bauliche Maßnahmen wie die Errichtung<br />

eines Schafübertriebes über die<br />

Felda spielen eine Rolle.<br />

Öffentlichkeitsarbeit stellt einen wichtigen<br />

Aufgabenbereich dar, um über das<br />

Projekt zu informieren und die Akzeptanz<br />

in der Bevölkerung zu fördern.<br />

Neben Informationsbroschüren existiert<br />

eine projekteigene Homepage (www.<br />

thueringer-rhoenhutungen.de), es werden<br />

zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt,<br />

und es wird ein Schäferweg <strong>als</strong> Themen-<br />

und Erlebnis-Rundwanderweg installiert.<br />

In ausgewählten Bereichen spielen administrative<br />

Maßnahmen wie Landankauf<br />

zur Sicherung wertvoller Flächen eine<br />

Rolle.<br />

Anschriften der Verfasserinnen: Dipl.-<br />

Biol. Julia Gombert und Dipl.-Ing. (agr.)<br />

Petra Ludwig, Landschaftspflegeverband<br />

„Biosphärenreservat Thüringische Rhön“<br />

e.V., Naturschutzgroßprojekt „Thüringer<br />

Rhönhutungen“, Am Pförtchen 15, 98634<br />

Kaltensundheim,<br />

E-Mail lpv.rhoen@t-online.de.<br />

Fotos: Julia Gombert, G. Roeder


Maßnahmen gegen den Stromtod von<br />

Großvögeln im Biosphärenreservat Rhön<br />

Von Torsten Kirchner<br />

1. Einleitung<br />

In Ergänzung zu biotopverbessernden Maßnahmen<br />

für Großvögel stellt die Verminderung<br />

des Gefahrenpotenti<strong>als</strong> für Einzelindividuen<br />

an Strommasten und -leitungen<br />

eine wichtige Maßnahme zum Schutz<br />

unserer heimischen Großvögel dar. Die<br />

Umsetzung der im „Zoologischen Artenschutzkonzept“<br />

geforderten Minimierung<br />

von Stromschlagverlusten geht zurück auf<br />

zahlreiche Funde verendeter Großvögel<br />

unter Stromleitungen und -masten. So<br />

listet MÜLLER (1990) für Osthessen<br />

die Funde u.a. von drei Kranichen, drei<br />

Weißstörchen, sechs Schwarzstörchen,<br />

elf Rotmilanen, zwei Auerhühnern sowie<br />

fünf Uhus schon bis zum Jahre 1990 auf.<br />

Man muss davon ausgehen, dass dies nur<br />

die Spitze des Eisberges darstellt, da verunfallte<br />

Vögel schnell durch Füchse und<br />

andere Beutegreifer abgegriffen werden.<br />

Hinzu kommt, dass Totfunde zwar registriert,<br />

aber nicht gemeldet werden.<br />

Bei neueren Funden von „Rote-Liste-<br />

Arten“ wie Schwarzstorch und Uhu<br />

flackerte das Thema „Stromtod“ in der<br />

Rhön immer wieder auf. Einzelne Gebietskenner<br />

kümmerten sich um „ihre“<br />

Gebiete und nahmen selbständig Kontakt<br />

mit den regionalen Stromversorgern auf,<br />

um Einzelmaßnahmen durchzusetzen.<br />

Die „Stromtodproblematik“ lag auch bei<br />

der Arbeitsgemeinschaft der anerkannten<br />

Naturschutzverbände (agn) im Landkreis<br />

Fulda immer wieder auf dem Tisch.<br />

Versuche, ein durchsetzungsfähiges flächendeckendes<br />

Maßnahmenkonzept zur<br />

Minimierung von Stromschlagverlusten<br />

zu entwickeln, scheiterten wahrscheinlich<br />

aufgrund unrealistischer Forderungen<br />

seitens des Naturschutzes, weil pauschal<br />

eine Verkabelung von großen Streckenabschnitten<br />

gefordert wurde, die seitens<br />

der EVU (Energieversorgungsunternehmen)<br />

nicht machbar ist. Es muss jedoch<br />

Erwähnung finden, dass die EVU schon<br />

sehr viel Initiative gezeigt hatten und<br />

dass bereits erhebliche Teile der riskanten<br />

Strommasten gesichert waren.<br />

Ziel dieses Projektes war die flächendeckende<br />

Erfassung der gefahrenträchtigen<br />

Einzelmasten und problematischen Freileitungsstrecken<br />

sowie die Entwicklung<br />

einer Prioritätenliste zur Sanierung dieser<br />

Brennpunkte. Die finanziell begrenzt realisierbaren<br />

Ressourcen seitens der EVU<br />

im Biosphärenreservat sollten dadurch so<br />

effizient wie möglich für den Artenschutz<br />

eingesetzt werden.<br />

2. Gefahr durch Freileitungen<br />

und Strommasten<br />

Strommasten und Freileitungen besitzen<br />

<strong>als</strong> Gefährdungsursachen unterschiedliche<br />

Qualitäten. Während bei<br />

Freileitungen die Vögel vor allem durch<br />

mechanische Einwirkung auf den Körper<br />

zu Tode kommen bzw. verletzt werden,<br />

liegt die Todesursache an Masten meist<br />

im Stromschluss des Vogels mit leitenden<br />

Teilen. Insbesondere in engen Kerbtälern<br />

können sich Anflugverluste an Freileitungen<br />

häufen, wenn Großvögel (häufig<br />

Jungvögel) bei Störungen panisch in die<br />

Leitungen fliegen.<br />

Das beschriebene Projekt befasste sich<br />

fast ausschließlich mit 20-kV-Mittelspannungsleitungen.<br />

Die noch vorhandenen<br />

Niederspannungsleitungen wurden<br />

bereits in der Vergangenheit sukzessive<br />

verkabelt, zumal die Masttypen im Niederspannungsbereich<br />

im Untersuchungsgebiet<br />

nahezu ausnahmslos ungefährlich<br />

für Vögel erschienen. Ebenso bedeuten<br />

Holzmasten mit nicht geerdeten Bauteilen<br />

in der Regel keine Gefährdung für<br />

Vögel. Allerdings besteht bei sämtlichen<br />

Strommasttypen ein gewisses Restrisiko<br />

für Großvögel.<br />

Ein unverhältnismäßig hohes Gefahrenpotential<br />

stellen vor allem Beton- und<br />

Stahlgittermasten mit Stützisolatoren<br />

dar. Da diese Masttypen aufgrund ihrer<br />

Leitfähigkeit einen Erdschluss bewirken,<br />

genügt die Berührung einer Strom leitenden<br />

Phase bei gleichzeitiger Erdung, um<br />

den Vogel zu töten. Es kann sogar bei zu<br />

dichter Annäherung – ohne Berührung<br />

– zum tötenden Stromschlag kommen.<br />

Die Sicherung dieser Bautypen wird<br />

meist durch Überbau mittels Sitzkrücke<br />

erreicht, durch Herunterhängen der<br />

Isolatoren oder durch eine Kunststoff-<br />

Manschette, die auf die Stützisolatoren<br />

befestigt wird. Somit soll die Gefahr des<br />

Berührens unter Spannung stehender<br />

Teile verhindert werden. Zur genaueren<br />

Einschätzung unterschiedlicher Masttypen<br />

wird auf VDEW (1986) verwiesen.<br />

Die Situation für Großvögel bezüglich<br />

der Strommasten wird sich langfristig<br />

verbessern, da im Zuge der Trassenmodernisierung<br />

Masten mit Vogelschutzeinrichtungen<br />

und weniger gefährlicher<br />

Bauart zum Einsatz kommen. Für Neubauten<br />

gilt grundsätzlich Abschnitt 8.10<br />

der DIN VDE-Bestimmung 0210, nach<br />

der „die Querträger, Isolatorstützen und<br />

sonstige Bauteile der Starkstrom-Freileitungen<br />

so auszubilden sind, dass den<br />

2 5


2 6<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Vögeln keine Sitzgelegenheit in gefahrbringender<br />

Nähe der unter Spannung stehenden<br />

Leiter gegeben wird.“ Die Untersuchung<br />

hat ergeben, dass die Sicherheit<br />

der Masten bei modernisierten Leitungen<br />

durchaus gegeben scheint.<br />

3. Methode und Gebiet<br />

Das bearbeitete Gebiet umfasst den zentralen<br />

Bereich der Rhön länderübergreifend<br />

und deckt sich zu über 90 % mit<br />

dem Biosphärenreservat. Im Bearbeitungsgebiet<br />

liegen wertvolle und häufig<br />

genutzte Lebensräume von Großvögeln.<br />

Die 20-kV-Leitungen wurden vollständig<br />

mit dem Pkw abgefahren und gefahrenträchtige<br />

Masten und Streckenverläufe<br />

in Messtischblätter (TK 25) eingetragen<br />

sowie in einer Liste dokumentiert.<br />

Nach Feststellung aller offensichtlich<br />

gefahrenträchtigen Punkte erfolgte eine<br />

Prioritätenfestlegung der am dringlichsten<br />

umzusetzenden Maßnahmen. Die ermittelten<br />

gefährlichen Masten und Stromtrassenverläufe<br />

wurden in drei Prioritätsstufen<br />

unterteilt (Priorität A, B und C),<br />

wobei Priorität A die höchste <strong>Dr</strong>inglichkeitsstufe<br />

zur Maßnahmenumsetzung<br />

darstellt. Die Zuteilung in die unterschiedlichen<br />

Prioritätsstufen wurde begründet<br />

und mit 15 Gebietskennern abgestimmt.<br />

Bewertungskriterien bildeten dabei:<br />

• Vorkommen von Großvogelarten<br />

(bekannte Brutplätze in der Nähe);<br />

• Beobachtungshäufungen im näheren<br />

Umfeld;<br />

• erhöhtes Gefahrenpotenzial durch<br />

naheliegende ergiebige Nahrungsgründe<br />

(z.B. Fischteiche, Kläranlagen etc.);<br />

• Todfunde in der Vergangenheit.<br />

4. Ergebnisse<br />

Es wurden mehr <strong>als</strong> 700 Masten im<br />

Bearbeitungsgebiet ermittelt, die eine<br />

unmittelbare Gefahr für Vögel darstellen.<br />

Schon während der Kartierungsarbeiten,<br />

aber auch nach Abschluss, wurden Gespräche<br />

mit allen im Gebiet betroffenen<br />

EVU geführt: ÜWAG Fulda, Überlandwerk<br />

Rhön, eon-bayern sowie TEAG.<br />

Nach Abstimmung der Prioritätenlisten<br />

mit den Gebietskennern fand die Vorstellung<br />

der Ergebnisse und Besprechung der<br />

jeweiligen Prioritätenlisten mit den EVU<br />

statt. Alle EVU sagten eine Verstärkung<br />

der Vogelschutzmaßnahmen und insbesondere<br />

die Konzentration der Mittel für<br />

Maßnahmen der höchsten Prioritätsstufe<br />

zu. Durch Ergänzung von Mitteln der<br />

Ausgleichsabgabe, die im hessischen<br />

Teil des Biosphärenreservates durch das<br />

Projekt herangezogen werden konnten,<br />

bestand die Möglichkeit, alle Masten der<br />

höchsten Gefährdungsstufe in diesem<br />

Teilgebiet durch Umrüstung zu sichern.<br />

So wurden vom Überlandwerk Rhön<br />

binnen weniger Wochen 109 Masten<br />

umgebaut.<br />

Durch die Beschäftigung mit der Thematik<br />

sowie die Diskussion mit Naturschützern<br />

und Technikern ergeben sich folgende<br />

Hinweise und allgemeine Forderungen<br />

an die Stromversorger:<br />

• Sitzkrücken <strong>als</strong> Überbau sollten die<br />

gesamte Breite des Mastes abdecken.<br />

Halbherzige Maßnahmen helfen nicht<br />

ausreichend.<br />

• Die Annahme, dass sich die Vögel stets<br />

auf den höchsten Punkt setzen und<br />

damit automatisch die Sitzkrücke<br />

nutzen, muss nicht immer zutreffen.<br />

Ebenfalls kommt es unter Artgenossen<br />

oder auch zwischenartlich immer wie-<br />

der zu Interaktionen (Betteln von Jung-<br />

vögeln, Hassen von Krähen auf Greife<br />

etc.), so dass auch die erreichbaren Plät-<br />

ze neben der Sitzstange genutzt werden<br />

und damit freiliegende, unter Spannung<br />

stehende Teile berührt werden können.<br />

• Der Sitzkrückendurchmesser sollte<br />

stark genug sein, damit beispielsweise<br />

Schwarzstörche entsprechend gu-<br />

ten Halt finden. Hier können ca. 5 cm<br />

Durchmesser <strong>als</strong> Anhaltswert dienen.<br />

• Die kurzen VK60-Isolatoren sollten bei<br />

Wartungsarbeiten grundsätzlich gegen<br />

moderne Langstabisolatoren ausge-<br />

tauscht werden, um die Entfernung<br />

des sitzenden Vogels zu unter Span-<br />

nung stehenden Teilen zu vergrößern.<br />

5. Schlussbetrachtung<br />

Die befristete Projektlaufzeit lässt eine<br />

konsequente Verfolgung der Zusagen<br />

seitens der EVU leider nicht zu. Die<br />

Nachfrage beim Überlandwerk Rhön, der<br />

Elektroversorger mit erheblichem Sicherungsbedarf<br />

(aufgrund teilweise veralteter<br />

Leitungen der ehemaligen DDR), ergab,<br />

dass jährlich 10.000 e unmittelbar für<br />

Vogelschutzmaßnahmen ausgegeben werden.<br />

Daneben gehört bei allen Wartungsarbeiten<br />

sowie Leitungserneuerungen<br />

Vogelschutz zum Standardprogramm.<br />

Es wäre wünschenswert, wenn der Ball<br />

seitens der Behörden aufgenommen und<br />

die erstellte Prioritätenliste konsequent<br />

abgearbeitet würde. In der Landschaft<br />

wurden entscheidende Verbesserungen<br />

erzielt, die jedoch ausbaufähig sind und<br />

weiter eingefordert werden müssen.<br />

Literatur<br />

MÜLLER, F. (1990): Gefährdung von<br />

Großvögeln durch Hochspannungsfreileitungen<br />

und -masten in Osthessen.<br />

Beiträge zur Naturkunde in Osthessen<br />

26, 143-148.<br />

VDEW (Hrsg., 1986):Vogelschutz an<br />

Freileitungen – Erläuterungen zu Abschnitt<br />

8.10 „Vogelschutz“ der Bestimmung<br />

DIN 0210/12.85.<br />

Anschrift des Verfassers: Dipl.-Biol. Torsten<br />

Kirchner, Berghofstraße 4, 97650 Rüdenschwinden,<br />

E-Mail<br />

torsten.kirchner@brrhoenbayern.de.


Ein Rettungsnetz für die Wildkatze –<br />

Verbund von Waldlebensräumen<br />

Von Burkhard Vogel, Thomas Mölich und Sabine Jantschke<br />

1. Einleitung<br />

Noch gibt es sie. Sie gehören zu den letzten<br />

Raubkatzen Europas. Seitdem haben<br />

die Bestände kontinuierlich abgenommen.<br />

Heute leben Wildkatzen zurückgezogen<br />

in teilweise stark von einander isolierten<br />

Vorkommen (EPPSTEIN ET AL. 1999,<br />

PIECHOCKI 2001, VOGT 1985)<br />

(Abb. 1).<br />

Die ungebremste Zunahme von Siedlungs-<br />

und Gewerbeflächen, der Ausbau<br />

der Verkehrsinfrastruktur und die<br />

Intensivierung von Land- und Forstwirtschaft<br />

führen dazu, dass immer weniger<br />

großflächig unzerschnittene Waldlebensräume<br />

zur Verfügung stehen. Naturnahe<br />

Waldgebiete ohne gravierende Fragmentierung<br />

mit mehr 100 km 2 Fläche gibt es<br />

in Deutschland nicht mehr. Für die Wildkatze<br />

und viele andere Waldarten werden<br />

die Wälder zu Lebensrauminseln in einer<br />

immer intensiver genutzten Kulturlandschaft.<br />

Abrupte Wald-Feld-Übergänge<br />

oder Siedlungs- und Verkehrsflächen wirken<br />

wie unüberwindbare Barrieren. Die<br />

betroffenen Populationen werden isoliert<br />

und der für das Überleben von Teilpopulationen<br />

notwendige Austausch wird<br />

unterbunden. Landschaftsstreifen von nur<br />

wenigen hundert Metern Breite hindern<br />

Wildkatzen bereits daran, in andere Reviere<br />

zu wechseln (MÖLICH & KLAUS<br />

2003). Auch für andere Waldarten wie<br />

beispielsweise Dachs, Rotwild, Wildschwein,<br />

Luchs sowie für viele Brutvogelarten<br />

sind die negativen Auswirkungen<br />

der Fragmentierung belegt.<br />

Seit langem sind Biotopverbundkonzepte<br />

in der Diskussion, die den Folgen der<br />

Fragmentierung durch die Wiedervernetzung<br />

von Lebensräumen entgegen wirken<br />

sollen ( JEDICKE 1994, Rat von Sachverständigen<br />

für Umweltfragen 2000).<br />

Die Funktionsfähigkeit solcher Korridore<br />

wird durch eine Vielzahl von Untersuchungen<br />

belegt. Intelligent angelegte<br />

Korridore helfen, voneinander isolierte<br />

Waldbiotope zu vernetzen.<br />

In Deutschland wird seit den 1980er<br />

Jahren der Aufbau eines landesweiten<br />

Biotopverbundes auf 10 bis 15 % der<br />

Landesfläche gefordert. Inzwischen verpflichtet<br />

das neue Bundesnaturschutzgesetz<br />

die Bundesländer zum Aufbau eines<br />

landesweiten Biotopverbundes auf 10 %<br />

ihrer Landesfläche (BNatSchG 2002,<br />

§ 3, Abs. 1). Es bietet sich an, Zielarten<br />

auszuwählen, aus deren Ansprüchen stellvertretend<br />

für die Lebensgemeinschaften<br />

der betroffenen Ökosysteme wirksame<br />

Maßnahmen für die Biotopverbundplanung<br />

abgeleitet werden können (VOGEL<br />

et al. 1996). Der Deutsche Jagdschutzverband<br />

(DJV) und das Bundesamt<br />

für Naturschutz haben gemeinsam ein<br />

bundesweites Grobkonzept für Lebensraumkorridore<br />

von Zielarten erarbeitet<br />

(RECK et al. 2004). Die Umsetzung von<br />

Biotopverbundkonzepten erfolgt bisher<br />

in der Regel aber nur auf kleinräumiger<br />

und mittlerer Maßstabsebene. Auch im<br />

Rahmen der FFH-Richtlinie haben die<br />

Bundesländer nahezu ausschließlich<br />

isolierte Lebensräume <strong>als</strong> Schutzgebiete<br />

gemeldet und auf die Ausweisung von<br />

Verbundkorridoren verzichtet.<br />

Waldökosysteme nehmen im Aufbau<br />

eines landesweiten Biotopverbundes eine<br />

zentrale Rolle ein, weil die Zukunft nicht<br />

nur der Wildkatze, sondern vieler heimischer<br />

Arten davon abhängt, ob es gelingt,<br />

eine wirkungsvolle Vernetzung von<br />

Waldlebensräumen zu etablieren. Dazu<br />

hat der BUND Thüringen im Jahr 2004<br />

das Projekt „Rettungsnetz Wildkatze“ gemeinsam<br />

mit dem Bund Naturschutz in<br />

Bayern e.V., dem BUND Hessen e.V. und<br />

dem BUND-Bundesverband gestartet.<br />

Das Vorhaben wird von der Deutschen<br />

Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der<br />

Zoologischen Gesellschaft Frankfurt<br />

(ZGF) finanziell unterstützt und hat eine<br />

Laufzeit bis Mitte des Jahres 2009. Damit<br />

soll erstm<strong>als</strong> in Deutschland in einem<br />

großen Naturraumkomplex die Umsetzung<br />

eines großräumigen Biotopverbundes<br />

vorbereitet und regional beispielhaft<br />

realisiert werden.<br />

2. Ziele im Projekt „Rettungsnetz<br />

Wildkatze“<br />

Das Vorhaben hat zum Ziel, Waldlebensräume<br />

zwischen Bayern, Hessen<br />

und Thüringen so wieder zu vernetzen,<br />

dass die Wildkatze und andere bedrohte<br />

Waldarten langfristig eine Chance zum<br />

Überleben haben. Die Rhön bildet dabei<br />

einen Hauptkorridor (Abb. 2). Die Umsetzung<br />

erfolgt in vier Teilprojekten:<br />

• Kartierung: Ziel ist es, konkrete Maß-<br />

nahmen vorzuschlagen, wo und wie die<br />

Umsetzung der Waldvernetzung in der<br />

Projektregion erfolgen kann.<br />

• Korridor: Zwischen dem Nationalpark<br />

Hainich und dem Naturpark Thüringer<br />

Wald soll ein Wanderkorridor entste-<br />

hen. Ziel ist es, eine zentrale Verbundachse<br />

zum ungehinderten Populati-<br />

onsaustausch der Wildkatze zwischen<br />

den Waldgebieten Harz, Hainich und<br />

Thüringer Wald bis nach Nordbayern<br />

zu schaffen.<br />

2 7


2 8<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

• Kontrolle: Kontrolle steht zunächst<br />

für Erfolgskontrolle des Artenhilfspro-<br />

gramms zur Wiederansiedlung der<br />

Wildkatze in Bayern. Durch den<br />

Aufbau einer Gen-Datenbank „Wild-<br />

katze“ wird in Kombination mit der im<br />

Projekt im großen Maßstab erprobten<br />

„Lockstockmethode“ die Grundlage für<br />

ein langfristiges Wildkatzenmonitoring<br />

geschaffen.<br />

• Kommunikation und Kampagne: Kommunikation<br />

und Kampagne steht für<br />

die projektbegleitende Öffentlichkeitsarbeit<br />

und den Dialog mit allen Interessensgruppen.<br />

Ziel ist es, eine emotionale<br />

Verbundenheit mit den Projektzie-<br />

len in der Bevölkerung zu erzeugen, die<br />

politische Unterstützung zu erhalten<br />

und Kooperationspartner in den betroffenen<br />

Behörden und Verbänden sowie<br />

Ehrenamtliche für die Umsetzung der<br />

Maßnahmen zu gewinnen.<br />

3. Zielart Wildkatze<br />

Die Wildkatze ist wie kaum eine andere<br />

Art <strong>als</strong> Zielart für einen Verbund von<br />

Waldlebensräumen geeignet:<br />

Abb.: 1 Wildkatze. Foto: T. Stephan<br />

• Sie ist eine Charakterart naturnaher,<br />

störungsarmer Waldgebiete.<br />

• Sie reagiert sehr sensibel auf die Frag-<br />

mentierung von Waldlebensräumen<br />

und ist daher ein Indikator für den<br />

Grad der Vernetzung der Wälder.<br />

• Ihr Flächenanspruch entspricht der<br />

Maßstabsebene, auf der ein Biotopverbund<br />

für Waldlebensräume umzusetzen<br />

ist.<br />

• Sie ist ein europäisches Faunenelement.<br />

Deutschland liegt im Zentrum ihres<br />

Verbreitungsare<strong>als</strong> und trägt für den<br />

Erhalt dieser Art eine besondere Ver-<br />

antwortung<br />

• Naturnahe Wälder mit ausreichender<br />

Vernetzung sind nicht nur für die Wildkatze<br />

Voraussetzung zum Überleben.<br />

• Sie ist ein ausgesprochener Sympathie-<br />

träger für Maßnahmen des Naturschutzes.<br />

4. Projektumsetzung<br />

4.1 Methoden und Maßnahmen im<br />

Teilprojekt Kartierung<br />

Die wesentlichen Grundlagen für dieses<br />

Teilprojekt sind:<br />

Abb. 2: Karte des<br />

Rettungsnetzes.<br />

• die Daten zur aktuellen Verbreitungssi-<br />

tuation und zu Ausbreitungsbewegun-<br />

gen der Wildkatze in Hessen, Bayern<br />

und Thüringen,<br />

• Pläne und Konzepte der Raumordnung,<br />

Landschaftsplanung, der Forstplanung<br />

und des Naturschutzes ,<br />

• Fernerkundungsdaten (Corine Land-<br />

nutzungsdaten) und topografische<br />

Daten,<br />

• Habitatmodelle und Cost-Path-Analy-<br />

sen für die Wildkatze <strong>als</strong> Zielart.<br />

Für die Linienfindung des Biotopverbundsystems<br />

wurde zunächst auf das<br />

von MÜLLER et al. (2003) entwickelte<br />

Korridormodell (GIS-Modell auf Basis<br />

von Cost-Path-Analysen) zurückgegriffen<br />

(Abb. 3). Der errechnete Korridorverlauf<br />

wurde unter funktionalen Gesichtspunkten<br />

einer abschließenden Evaluierung<br />

durch Experten unterzogen und mit anderen<br />

Modellierungsergebnissen wie dem<br />

vorliegenden Ausbreitungsmodell „Luchs“<br />

(SCHADT et al. 2000) abgeglichen. Ziel<br />

ist die Gewährleistung einer ausreichenden<br />

Anzahl und günstigen Verteilung von<br />

Trittsteinbiotopen.


Im Projektverlauf wurde das zunächst auf<br />

Bayern, Hessen und Thüringen begrenzte<br />

Korridormodell unter Einbeziehung des<br />

von KLAR et al. (2007) entwickelten<br />

Habitatmodells für die Wildkatze auf das<br />

gesamte Gebiet Deutschlands erweitert.<br />

Einbezogen wurde auch der aktuelle<br />

Stand der bundesweiten Verbreitungssituation<br />

der Wildkatze und die bekannten<br />

Vorkommen von Felis silvestris in den<br />

Nachbarländern.<br />

4.2 Welche Ergebnisse sind zu erwarten?<br />

Im Teilprojekt „Kartierung“ entsteht ein<br />

„Wildkatzen-Wegeplan“ für das gesamte<br />

Projektgebiet in drei unterschiedlichen<br />

Maßstabsebenen:<br />

• <strong>als</strong> Gesamtbetrachtung für das Pro-<br />

jektgebiet – Produkt ist eine Karte der<br />

Handlungsschwerpunkte des überre-<br />

gionalen Biotopverbundes (Maßstab<br />

1 : 250.000) mit Maßnahmenpool;<br />

• <strong>als</strong> regionalisierte Betrachtung für<br />

ausgewählte (prioritäre) Teilgebiete –<br />

Produkt ist eine Karte der Handlungs-<br />

schwerpunkte des regionalen Biotop-<br />

verbundes <strong>als</strong> Instrument der Regiona-<br />

len Raumordnung (Maßstab 1:100.000<br />

bis 1: 50.000) mit Maßnahmenpool;<br />

• <strong>als</strong> modellhafte Detailbetrachtung an<br />

Brennpunkten des Biotopverbundes –<br />

Produkt ist eine Karte mit Maßnah-<br />

menpool des lokalen Biotopverbundes<br />

für zwei Fallbeispiele (Korridor Hai-<br />

nich – Thüringer Wald, Vernetzung<br />

Rothaargebirge – Burgwald – Kellerwald)<br />

(Maßstab 1 : 10.000 und darunter).<br />

Durch die Weiterentwicklung des Verbundmodells<br />

zu einem bundesweiten<br />

„Wildkatzenwegeplan“ besteht die Option<br />

einer konsistenten, länderübergreifenden<br />

Fortführung derartiger Maßnahmen.<br />

Die Ergebnisse des Teilprojektes „Kartierung“<br />

sollen in Landesprogramme,<br />

Landschafts- und Raumordnungspläne<br />

eingehen und den Kommunen und<br />

Naturschutzbehörden Vorschläge für<br />

Kompensationsmaßnahmen im Rahmen<br />

der Eingriffsregelung liefern (vgl. Teilprojekt<br />

III „Korridor“, Kap. 5.3.).<br />

Den Maßnahmenvorschlägen werden<br />

Prioritäten zugewiesen. Der aus Text und<br />

Karte bestehende Maßnahmenplan wird<br />

so angelegt, dass er von Planern, Behörden<br />

und Kommunen <strong>als</strong> Handlungsvorgabe<br />

verwendet werden kann.<br />

Dies stellt im Hinblick auf die bisherige<br />

Praxis oft unkoordinierter und ohne<br />

überregionales Konzept durchgeführter<br />

Naturschutzmaßnahmen einen deutlichen<br />

Fortschritt dar. Es ist zu erwarten,<br />

dass solche Handlungsvorschläge von den<br />

Planungsbehörden gerne aufgenommen<br />

werden. Der Maßnahmenplan kann auch<br />

im Vorfeld von Großprojekten, die eine<br />

starke Zerschneidung der Landschaft<br />

zur Folge haben (z.B. Gewerbegebiete,<br />

Verkehrstraßen), zum Einsatz kommen,<br />

indem er Ausschlussräume benennt und<br />

Hinweise auf die landschaftsverträglichste<br />

Variante gibt. Ferner zeigt der Plan auf,<br />

wo Entschneidungsmaßnahmen im Kontext<br />

eines überregionalen „Biotopverbund-<br />

Konzeptes“ nötig sind.<br />

4.3 Methoden und Maßnahmen im<br />

Teilprojekt Korridor<br />

Im Teilprojekt Korridor sollen Vernetzungsmaßnahmen<br />

im länderübergreifenden<br />

Zusammenhang des „Wildkatzenwegeplans“<br />

realisiert werden. Schwerpunkt<br />

bildet das mitteldeutsche Verbreitungsgebiet<br />

der Wildkatze, welches vom<br />

Harz über Solling, Kyffhäuser und die<br />

nordthüringischen und nordhessischen<br />

Waldgebiete bis zum Nationalpark Hainich<br />

reicht. Der Thüringer Wald ist zwar<br />

keine 20 km vom Nationalpark Hainich<br />

entfernt und bietet ein großes Angebot<br />

geeigneter Habitatflächen. Von hier<br />

aus wäre auch eine weitere selbständige<br />

Ausbreitung in die wieder angesiedelten<br />

Populationen im Spessart und Steigerwald<br />

in Bayern über den Thüringer Wald<br />

möglich. Dennoch gab es im Thüringer<br />

Wald in den vergangenen Jahrzehnten<br />

keine fest etablierte Wildkatzenpopulation<br />

und der Weg dorthin ist vom Hainich<br />

aus betrachtet eine Sackgasse, wie Freilanduntersuchungen<br />

zeigen (MÖLICH<br />

& KLAUS 2003). Die Bundesautobahn<br />

A4 Eisenach – Erfurt und die ausgeräumte<br />

und intensiv genutzte Agrarlandschaft<br />

wirken <strong>als</strong> Barriere und verhindern die<br />

Besiedelung. Schwerpunkt des Teilprojekts<br />

„Korridor“ ist daher, einen Brückenschlag<br />

vom Nationalpark Hainich zum<br />

Naturpark Thüringer Wald herzustellen.<br />

Die Planung und Umsetzung dieses<br />

entscheidenden Verbundgliedes erfolgte<br />

in Zusammenarbeit mit dem Flurneuordnungsamt<br />

Meiningen (ALF) und der<br />

Thüringer Landgesellschaft. Im Rahmen<br />

eines Flurneuordnungsverfahrens wurde<br />

Konsens mit allen Betroffenen (Landwirtschaft,<br />

Behörden, DEGES) erreicht.<br />

Der Aufbau dieses Biotopverbundes<br />

erfolgt im Zuge der Umverlegung der<br />

BAB 4 zwischen Eisenach und Sättelstädt<br />

(Abb. 4) mit folgenden räumlichen<br />

Elementen:<br />

(1) Nationalpark Hainich: Dieser ist ein<br />

hervorragender Wildkatzenlebensraum,<br />

aber recht klein. Junge Wildkatzen müssen<br />

sich daher neue Reviere suchen.<br />

(2) Biotopverbundstrukturen: Südöstlich<br />

des Nationalparks Hainich finden<br />

Wildkatzen zunächst eine sichere Route<br />

nach Süden.<br />

(3) Ackerflur: Auf ehem<strong>als</strong> kilometerweit<br />

ausgeräumter Ackerflur entsteht ein 50 m<br />

breiter Waldstreifen, der bis zu den Hörselbergen<br />

führt. Die Wildkatzen können<br />

erstm<strong>als</strong> die Hörselberge erreichen.<br />

(4) Hörselberge: Die Hörselberge waren<br />

früher von Wildkatzen besiedelt. Heute<br />

ist dieser Lebensraum durch die Autobahn<br />

für viele Tierarten zu einer Falle<br />

geworden. Mit der Verlegung der A4<br />

aus vorwiegend verkehrstechnischen<br />

Gründen und dem Rückbau der alten<br />

Autobahn ergeben sich neue Chancen, die<br />

im Rettungsnetz Wildkatze vom BUND<br />

mitgestaltet werden.<br />

2 9


3 0<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

(5) Biotopverbundstrukturen: Nur am<br />

Ostrand der Hörselberge haben Wildkatzen<br />

gute Chancen, den Thüringer Wald<br />

zu erreichen. Hier beginnt der letzte<br />

Abschnitt des Korridors Hainich – Thüringer<br />

Wald.<br />

(6) Thüringer Wald<br />

4.4 Welche Ergebnisse sind zu erwarten?<br />

Mittlerweile konnte der entscheidende<br />

„Lückenschluss“ dieses Vernetzungsvorhabens<br />

im Rahmen des „Rettungsnetzes<br />

für die Wildkatze“ in die Praxis<br />

umgesetzt werden. Seit November 2007<br />

laufen die Bepflanzungsmaßnahmen zur<br />

Errichtung eines 1,2 km langen und 50 m<br />

breiten Waldstreifens (Abb. 5), der<br />

durch weithin ausgeräumte Ackerfluren<br />

hindurch die südlichen Ausläufer des<br />

Hainichs mit den Hörselbergen verbindet<br />

(vgl. MÖLICH & VOGEL 2007).<br />

Der Korridor Hainich – Thüringer Wald<br />

bildet das Rückgrad einer großräumigen<br />

Verbundachse, welche vom Nationalpark<br />

Harz über den Nationalpark Hainich<br />

bis zum Thüringer Wald reicht und<br />

sich nach Süden in die Laubwaldgebiete<br />

von Haßberge, Steigerwald, Rhön und<br />

Spessart fortsetzt. Darüber hinaus sollen<br />

die Quervernetzungen über das Grüne<br />

Band zu den anderen hessischen Wäldern<br />

im Projektgebiet wie dem Kaufunger<br />

Wald und dem Meißner gesichert und<br />

verbessert werden. In Zusammenarbeit<br />

mit der Thüringer Landgesellschaft sollen<br />

schrittweise auch in Nordthüringen<br />

Lücken im Biotopverbund zwischen Harz<br />

und Hainich auf ähnliche Weise geschlossen<br />

werden.<br />

4.5 Methoden und Maßnahmen im<br />

Teilprojekt Kontrolle<br />

Im Teilprojekt Kontrolle werden für das<br />

gesamte Projektgebiet die Voraussetzungen<br />

für eine langfristige Erfolgskontrolle<br />

(= Langzeitmonitoring) geschaffen.<br />

Dabei stehen im Vordergrund:<br />

• die Verbesserung der Kenntnisse zur<br />

aktuellen Verbreitung der Wildkatze;<br />

• die genetische Charakterisierung räumlich<br />

getrennter Populationen im<br />

gesamten Projektgebiet;<br />

• der Nachweis der Funktionsfähigkeit<br />

von Korridorelementen für den Biotop-<br />

verbund;<br />

• der Grad der Etablierung ausgewilder<br />

ter Tiere im Rahmen des bayerischen<br />

Projektes zur „Wiedereinbürgerung der<br />

Europäischen Wildkatze“ (BÜTTNER<br />

1994, FROBEL 2001, NABULON &<br />

HARTMANN-FURTER 2000,<br />

PLÄN 1991);<br />

• das Ausmaß der Bastardisierung von<br />

Wildkatzen mit Hauskatzen.<br />

Die genetischen Untersuchungen erfolgen<br />

in Kooperation mit dem Forschungsinstitut<br />

Senckenberg in Gelnhausen und<br />

dem Institut für Spezielle Zoologie und<br />

Evolutionsbiologie der Universität Jena.<br />

Am Bayerischen Landesamt für Umweltschutz<br />

wurde eine DNA-Analytik für die<br />

Wildkatze etabliert (KLEISINGER &<br />

ZEITLER 2002).<br />

Für die Probennahme kann einerseits auf<br />

bereits vorliegende Haar- und Gewebeproben<br />

aus Museen und Landesanstalten<br />

(>> 100 Proben) der beteiligten Bundesländer<br />

zurückgegriffen werden. Weitere<br />

Proben werden mit Hair-Catchern im<br />

Freiland erfasst. Dazu werden so genannte<br />

Lockstöcke ausgebracht, welche mit<br />

Baldrian beködert Wildkatzen anlocken<br />

(Abb. 6). Bei dem Versuch, den Baldriangeruch<br />

auf sich selbst zu übertragen,<br />

reiben sich die Katzen an den aufgerauten<br />

Holzpflöcken. Dabei bleiben in der Regel<br />

genügend Haare für eine DNA-Analyse<br />

am Lockstock haften, wie Erprobungen<br />

im Rahmen des Projekts gezeigt haben.<br />

Diese Form der Probenerfassung vermeidet<br />

Stress bei den Tieren, ermöglicht<br />

vergleichsweise große Stichproben und<br />

ist relativ kostengünstig. Mit Hilfe der<br />

Lockstöcke lassen sich auch Nachweise<br />

für Wildkatzen in solchen Gebieten erbringen,<br />

für die bisher kein Wildkatzen-<br />

vorkommen registriert werden konnte (so<br />

wurde die Wildkatze jüngst auch wieder<br />

in der Rhön nachgewiesen).<br />

4.6 Welche Ergebnisse sind zu erwarten?<br />

Wo in räumlich wichtigen Arealen Unklarheit<br />

über das Vorkommen der Wildkatze<br />

besteht, können Kenntnislücken<br />

geschlossen werden. Durch die genetische<br />

Analyse eines vergleichsweise sehr großen<br />

Umfanges von Wildkatzenproben soll<br />

eine genetische Charakterisierung von<br />

Teilpopulationen erreicht werden, mit<br />

dem Ziel der<br />

• Ermittlung der genetischen Variabilität;<br />

• Abschätzung der Autochthonität (rela-<br />

tiv zur genetischen Disposition bekann-<br />

ter autochthoner Vorkommen auf der<br />

einen und ausgewilderter Tiere auf der<br />

anderen Seite – unter Einbeziehung des<br />

Hybridisierungsgrades mit Hauskatzen);<br />

• Ermittlung von Hybridisierungseffekten<br />

zwischen ursprünglich genetisch dis-<br />

tinkten Teilpopulationen nach Umset-<br />

zung von Vernetzungsmaßnahmen.<br />

Für Bayern soll am Ende des Projekts<br />

eine Bewertung des Auswilderungserfolges<br />

anhand erarbeiteter Kriterien stehen.<br />

Darüber hinaus werden für das gesamte<br />

Projektgebiet die Voraussetzungen für<br />

eine langfristige Erfolgskontrolle (= Langzeitmonitoring)<br />

geschaffen. Hierzu<br />

wird der genetische Status quo in einer<br />

gemeinsam mit den Forschungspartnern<br />

aufzubauenden Wildkatzen-Gen-Datenbank<br />

dokumentiert, künftige Beprobungsgebiete<br />

für die Erfolgskontrolle von Vernetzungsmaßnahmen<br />

festgelegt sowie<br />

eine zentrale Kompetenz für die Durchführung<br />

und Dokumentation eines<br />

Langzeitmonitorings benannt.<br />

4.7 Methoden und Maßnahmen im Teilprojekt<br />

Kommunikation und Kampagne<br />

Ein Naturschutzprojekt dieser Dimension<br />

hat nur dann Chancen, erfolgreich<br />

umgesetzt zu werden, wenn das Vorha-


Abb. 3: Ergebnisse der Cost-Path-Analyse im Bereich Hessen/Thüringen. Korridor farblich von geringstem<br />

(braun) zu zunehmendem Ausbreitungswiderstand (gelb) abgestuft; schwarze Linie: hessisch-thüringische<br />

Grenze. Rot: Siedlungsräume, grün: Wald, beige: landwirtschaftlich genutzte Flächen (Datengrundlage der<br />

Matrix: Corine Landsat).<br />

ben in der Bevölkerung eine ausreichende<br />

Akzeptanz findet, „politisch gewollt“ ist<br />

und entsprechende Unterstützung erfährt<br />

sowie in Behörden und Verbänden Kooperationspartner<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Deshalb kommt der Öffentlichkeitsarbeit<br />

und dem Dialog mit den betroffenen<br />

Interessensgruppen eine besondere<br />

Bedeutung zu. Ziel ist es, die Betroffenen<br />

selbst zu Handelnden zu machen. Mit<br />

der Umsetzung des Teilprojekts sind die<br />

folgenden Teilziele verbunden:<br />

• Aufklärung über die Bedeutung von<br />

Waldökosystemen und Biotopverbund<br />

für den Erhalt der biologischen Vielfalt<br />

in Deutschland;<br />

• Wecken von Begeisterung für die<br />

Wildkatze;<br />

• Sensibilisierung der Bevölkerung für die<br />

Projektziele;<br />

• Einbeziehung der Betroffenen in die<br />

Planung und Umsetzung;<br />

• Ausbau des Unterstützer-Netzwerks in<br />

Politik, Verwaltung und Bevölkerung.<br />

4.8 Welche Ergebnisse sind zu erwarten?<br />

Um über die Projektziele zu informieren<br />

und die Öffentlichkeitsarbeit zu koordinieren,<br />

wurde mit dem Wildkatzenbüro<br />

eine zentrale Organisationsstruktur im<br />

Projekt geschaffen. Das Wildkatzenbüro<br />

in Behringen ist Anlaufstelle für alle<br />

Aktivitäten im Rahmen des Projektes. Es<br />

betreut die Kampagne und übernimmt<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, orga-<br />

nisiert Vorträge und Fachveranstaltungen<br />

für beteiligte Gruppen, wie z.B. Jäger,<br />

Landwirte oder Förster und steuert die<br />

Lobbyarbeit. Es leistet Fachbeiträge für<br />

die Öffentlichkeitsarbeit der drei Landesverbände<br />

und des Bundesverbandes<br />

und unterstützt deren diesbezügliche<br />

Aktivitäten. Wichtige Elemente der<br />

Öffentlichkeitsarbeit sind u.a. die Internet-Plattform<br />

www.wildkatze.info, eine<br />

mobile Ausstellung, ein Projektflyer, eine<br />

Projektbroschüre sowie Präsentationen<br />

des Projektes in den Medien und bei<br />

Veranstaltungen.<br />

5. Ausblick<br />

Noch ist das Rettungsnetz nicht vollständig<br />

gespannt. Lebensräume der<br />

Wildkatze liegen immer noch wie Inseln<br />

verstreut im Meer in einer immer intensiver<br />

genutzten und dichter besiedelten<br />

Landschaft. Aber der erste Brückenschlag<br />

ist bereits gelungen. Durch den entstehenden<br />

Korridor zwischen Hainich und<br />

Thüringer Wald wird eine zentrale Lücke<br />

in der großräumigen Verbundachse vom<br />

Harz bis zu den Waldgebieten Nordbayerns<br />

geschlossen. Damit werden nicht nur<br />

die Voraussetzungen für eine Rückkehr<br />

von Wildkatzen in ihre ursprünglichen<br />

Lebensräume im Thüringer Wald<br />

geschaffen, auch eine natürliche Wiederbesiedelung<br />

nordbayerischer Waldgebiete<br />

und der Rhön wird möglich.<br />

Abb. 4: Planung zum Biotopverbund zwischen<br />

Hainich und Thüringer Wald.<br />

3 1


3 2<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Die im Teilprojekt Korridor bisher<br />

gewonnenen Erfahrungen werden genutzt,<br />

um weitere Lückenschlüsse in der<br />

Landschaft zu realisieren. Schwerpunkte<br />

sind die Vernetzung der Waldgebiete<br />

Nordthüringens mit dem Harz, das<br />

Grüne Band <strong>als</strong> Verbundachse zwischen<br />

Niedersachsen, Hessen, Bayern und<br />

Thüringen und das regionale Umfeld<br />

des Nationalparks Kellerwald. Fachliche<br />

Grundlage für den Ausbau des Verbundnetzes<br />

bildet der Wildkatzenwegeplan,<br />

der bis Ende 2007 für alle drei im Projekt<br />

beteiligten Bundesländer vorliegen wird.<br />

Dazu erfolgt eine fachliche Abstimmung<br />

des Wildkatzenwegeplanes mit dem vom<br />

Deutschen Jagdschutzverband und dem<br />

Bundesamt für Naturschutz erarbeiteten<br />

Grobkonzept für Lebensraumkorridore<br />

in Deutschland (RECK et. al. 2005).<br />

Durch die Integration des Wildkatzenwegeplanes<br />

in die Landschaftsplanung<br />

der Bundesländer soll eine flächenhafte<br />

Umsetzung der Biotopverbundplanung<br />

im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen,<br />

bei Flurneuordnungsverfahren<br />

oder Naturschutzmaßnahmen<br />

erreicht werden.<br />

Die bisherigen Ergebnisse der Genetik<br />

haben gezeigt, dass der Nachweis von<br />

Wildkatzen mit Hilfe von Haarproben<br />

möglich ist. Darüber hinaus ist eine genetische<br />

Differenzierung räumlich getrennter<br />

Teilpopulationen ebenso nachweisbar<br />

wie die Abgrenzung von Wildkatzen<br />

gegenüber Hauskatzen. Damit sind die<br />

Voraussetzungen für wirksame Effizienzkontrollen<br />

von Biotopverbundmaßnahmen<br />

geschaffen.<br />

Literatur<br />

BÜTTNER, K. (1994): Katzenjammer<br />

vorbei? Bilanz des Wiederansiedlungsprojektes<br />

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(1999): Artenschutzprogramm für<br />

die Wildkatze im Freistaat Thüringen<br />

Abb. 5: Pflanzung des Wildkatzenkorridors zwischen<br />

Hainich und Hörselberge. Foto: BUND<br />

– Abschlussbericht mit Maßnahmenteil.<br />

BUND Thüringen, Erfurt.<br />

FROBEL, K. (2001): Vom Spagat zwischen<br />

Emotion und Ratio. Vom Aktionismus<br />

zum Wildtiermanagement. In: Haus<br />

im Moos, Tagungs- und Seminarbeiträge<br />

1, 30-37.<br />

JEDICKE, E. (1994): Biotopverbund<br />

– Grundlagen und Maßnahmen einer<br />

neuen Naturschutzstrategie. 2. Aufl.,<br />

Ulmer, Stuttgart.<br />

KLAR, N., FERNÁNDEZ, N., KRA-<br />

MER-SCHADT, S., HERRMANN,<br />

M., TRINZEN, M., BÜTTNER, I.,<br />

NIEMITZ, C., (2007, in press): Habitat<br />

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KLEISINGER, H., ZEITLER, R.<br />

(2002): Verbesserung von Artenschutzmaßnahmen<br />

für die Wildkatze durch den<br />

Einsatz molekulargenetischer Methoden.<br />

Jahresbericht des LfU 2001.<br />

MÖLICH, T., KLAUS, S. (2003): Die<br />

Wildkatze in Thüringen. Landschaftspflege<br />

und Naturschutz Thür. 40. Jahrg.<br />

(Sonderh.) 4, 2003.<br />

MÖLICH, T., VOGEL, B. (2007): Wie<br />

ein Brückenschlag für die Wildkatze<br />

gelang. In: LEITSCHUH-FECHT, H.,<br />

HOLM, P., Hrsg., Lebensräume schaffen.<br />

Artenschutz im Verkehrsnetz. Umwelt<br />

und Verkehr 5, Haupt Verlag, Bern u.a.,<br />

129-138.<br />

MÜLLER, U., STREIN, M.,<br />

SUCHANT, R. (2003): Wildtierkorridore<br />

in Baden-Württemberg. Berichte<br />

Freiburger Forstliche Forschung 48.<br />

NABULON, T., HARTMANN-FUR-<br />

TER, M. (2000): Telemetriestudie an<br />

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1999). Unveröff. Gutachten, 7 S. + Anl.<br />

PIECHOCKI, R. (2001): Lebensräume<br />

– Die Verbreitung der Wildkatze in<br />

Abb. 6: Wildkatze am Lockstock<br />

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Hrsg., Die Wildkatze. Zurück auf leisen<br />

Sohlen. Buch & Kunstverlag Oberpfalz,<br />

Amberg, 14-28.<br />

PLÄN, T. (1991): Die Wildkatze und<br />

ihre Wiedereinbürgerung in Bayern<br />

– eine kritische Zwischenbilanz. In: Bund<br />

Naturschutz in Bayern, Hrsg., Die Wildkatze<br />

und ihre Wiedereinbürgerung in<br />

Bayern. Eine Zwischenbilanz. <strong>Dr</strong>uckhaus<br />

Oberpfalz, Amberg, 9-15.<br />

Rat von Sachverständigen für Umweltfragen<br />

(2000): Schritte ins nächste Jahrtausend.<br />

S. 219. Metzler-Poeschel, Stuttgart.<br />

RECK, H., HÄNEL, K., BÖTTCHER,<br />

M. , WINTER, A. (2005): Lebensraumkorridore<br />

für Mensch und Natur – Initiativskizze.<br />

Naturschutz und biologische<br />

Vielfalt 17, 11-53.<br />

SCHADT, S., KNAUER, F., KAC-<br />

ZENSKY, P. (2000): Habitat- und<br />

Ausbreitungsmodell für den Luchs in<br />

Deutschland. Laufener Seminarbeitr.<br />

2/00, 37-45.<br />

VOGEL, K., VOGEL, B., ROT-<br />

HAUPT, G., GOTTSCHALK, E.<br />

(1996): Einsatz von Zielarten im Naturschutz.<br />

Naturschutz und Landschaftsplanung<br />

28, (6), 179-184.<br />

VOGT, D. (1985): Aktuelle Verbreitung<br />

und Lebensstätten der Wildkatze (Felis<br />

silvestris Schreber 1777) in den linksrheinischen<br />

Landesteilen von Rheinland-<br />

Pfalz und Beiträge zu ihrer Biologie.<br />

Beiträge zur Landespflege in Rheinland-<br />

Pfalz. Landesamt für Umweltschutz.<br />

Anschrift der Verfasser: <strong>Dr</strong>. Burkhard<br />

Vogel, Thomas Mölich und Sabine Jantschke,<br />

BUND Thüringen, Trommsdorffstraße<br />

5, 99084 Erfurt, E-Mail burkhard.<br />

vogel@bund.net, thomas.moelich@bund.net<br />

und sabine.jantschke@bund.net, Internet<br />

www.wildkatze.info.


Fressen für den Naturschutz –<br />

großflächig-extensive Beweidung in der Rhön<br />

Von <strong>Eckhard</strong> Jedicke, Karl-Heinz Kolb und Katja Preusche<br />

1. Einleitung<br />

Das von der Deutschen Bundesstiftung<br />

Umwelt von 2005 bis 2008 geförderte<br />

Projekt „Grünlandschutz und Landschaftsentwicklung<br />

durch großflächige<br />

Beweidung im Biosphärenreservat Rhön“<br />

unter Trägerschaft der Regionalen Arbeitsgemeinschaft<br />

(ARGE) Rhön erprobt<br />

Formen der extensiven, teils ganzjährigen<br />

Beweidung auf zusammenhängenden<br />

Flächen von > 10 ha bis > 100 ha. Es<br />

soll helfen, eine flächendeckende Landnutzung<br />

<strong>als</strong> Grundlage für Naturschutz,<br />

Landwirtschaft und Tourismus zu erhalten<br />

und zu fördern.<br />

Ausgangssituation und Motivation für<br />

das Projekt bilden unsichere Zukunftsaussichten<br />

für die Aufrechterhaltung der<br />

Grünland-Bewirtschaftung aufgrund Flächenzersplitterung<br />

(insbesondere infolge<br />

der fränkischen Realerbteilung in der<br />

bayerischen Rhön), ungeklärter Hofnachfolge<br />

und Umbrüchen durch Umsetzung<br />

der EU-Agrarpolitik. Das Projekt soll exemplarisch<br />

zeigen, wie eine Win-win-Situation<br />

für Landwirtschaft, Naturschutz<br />

und Tourismus realisiert und eine an die<br />

Naturschutzziele angepasste Grünlandnutzung<br />

aufrechterhalten werden kann.<br />

Ziel ist die Erprobung einer großflächigen,<br />

extensiven und teilweise ganzjährigen<br />

Beweidung, deren Auswirkungen durch<br />

ein sozio-ökonomisches und naturschutzfachliches<br />

Monitoring analysiert werden.<br />

Zur Verbesserung der ökonomischen<br />

Situation bilden auch Initiativen zur Vermarktung<br />

einen Bestandteil des Projekts.<br />

Vier Bausteine werden realisiert:<br />

• Beratung: Zwei in Teilzeit beschäftige<br />

Projektmanager informieren, beraten<br />

und vernetzen die Akteure.<br />

• Modellösungen: In Projektkernen<br />

werden unterschiedliche Weidemodel-<br />

le realisiert, die Resultat der intensiven<br />

Beratung sind.<br />

• Vermarktung: Die erzeugten Produkte<br />

werden nach Möglichkeit über beste-<br />

hende Vermarktungswege vertrieben;<br />

wo Lücken erkannt werden, werden<br />

auch eigene Produkte kreiert.<br />

• Monitoring: Eine sozioökonomische<br />

und naturschutzfachliche Analyse liefert<br />

Rahmendaten über die Auswirkungen<br />

der Beweidung und wird Grundlage<br />

sein für die Ausdehnung dieser Bewei-<br />

dungsmodelle.<br />

2. Projektorganisation<br />

Als Kooperationspartner sind 13 Institutionen<br />

beteiligt: die Verwaltungsstellen<br />

des Biosphärenreservats, Bauernverbände,<br />

Behörden der Landwirtschaft und des<br />

Naturschutzes sowie die Zoologische<br />

Gesellschaft Frankfurt. Während die<br />

Kooperationspartner einmal jährlich<br />

tagen, finden auf landesspezifischer Ebene<br />

bedarfsweise Besprechungen statt. Das<br />

Projektmanagement ist – selten für ein<br />

Naturschutzprojekt, aber effizient in der<br />

Umsetzung – beim Bayerischen bzw.<br />

Hessischen Bauernverband angesiedelt.<br />

Zur Verfügung steht eine halbe und eine<br />

Zwei-<strong>Dr</strong>ittel-Person<strong>als</strong>telle plus ein Ausbildungsplatz.<br />

3. Beratung von Landwirten und<br />

Weidegemeinschaften<br />

Die teilnehmenden Landwirte und<br />

Weidegemeinschaften erhalten zu verschiedensten<br />

Fragestellungen Beratung<br />

– durch die Projektmanager, die fallweise<br />

bei speziellen Fragestellungen Kooperationspartner<br />

und weitere Fachleute<br />

hinzuziehen. Thematisiert werden insbesondere<br />

folgende Punkte:<br />

• Besatzdichte/-stärke und Beweidungs-<br />

zeiten, die den jeweiligen Standortei-<br />

genschaften, wie Vegetation und Bo-<br />

denverhältnissen, angemessen er-<br />

scheinen (Ganzjahresbeweidung, früher<br />

Auftrieb und später Abtrieb etc.).<br />

• Zaun- und Tränkenbau (Art, Kosten,<br />

Material, Bauweise, Funktionstüchtig-<br />

keit – auch im Winter, Hütesicherheit<br />

für verschiedene Tierarten, Verbot von<br />

Stacheldraht, Verträglichkeit für die Avifauna,<br />

keine neuen Quellfassungen etc.).<br />

• Möglichkeiten von Wegequerungen:<br />

Auch über die Möglichkeiten von Wei-<br />

degitterrostanlagen wird informiert,<br />

wenn eine Weideflächenvergrößerung<br />

über einen Weg hinweg in Frage kommt.<br />

• Gesundheits- und Parasitenmanage-<br />

ment: Über spezifische Aspekte der<br />

Tiergesundheit auf extensiven Groß-<br />

weiden und bei Multi-Spezies-Beweidung<br />

unterrichtete ein Tierarzt bei ei-<br />

nem Infoabend. Zu diesem Themen-<br />

komplex wurden zwei studentische Ar-<br />

beiten angefertigt. Die Landwirte erhalten<br />

Hinweise auf mögliche Gesund-<br />

heits-Risiken bei Änderungen der Be-<br />

weidung (z.B. wenn die Weide künftig<br />

mit einer weiteren Tierart bestoßen<br />

werden soll), die diese dann im Ge-<br />

spräch mit ihrem Hoftierarzt abklärten.<br />

• neue bzw. veränderte Agrarumweltpro-<br />

gramme und jeweilige Teilnahmemög-<br />

lichkeiten.<br />

• Wirtschaftlichkeitsberechnungen und<br />

- beratungen für Einzellandwirte, bestehende<br />

und geplante Weidegemeinschaften.<br />

3 3


3 4<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Für den bayerischen Teil des Projektgebietes<br />

wurde bei der Beratung rasch klar,<br />

dass – bedingt durch die starke Besitzzersplitterung<br />

aufgrund der fränkischen<br />

Realerbteilung – die Generierung von<br />

großflächigen, zusammenhängenden<br />

Weideflächen ≥ 10 ha sehr schwierig zu<br />

realisieren ist. Selbst durch den Einsatz<br />

des Instruments des Freiwilligen Flächennutzungstausches<br />

(FNT, s.u.) war es nur<br />

bedingt möglich, für einen Einzellandwirt<br />

Flächengrößen zu erzielen, die sich für<br />

eine großflächige Beweidung eignen. Aus<br />

diesem Grund wurden in der Folge vorausgegangener<br />

Nutzungstauschverfahren<br />

in den Gemarkungen Sandberg/Schmalwasser<br />

und Eckarts/Rupboden Weidegemeinschaften<br />

in Form von Gesellschaften<br />

bürgerlichen Rechts gegründet.<br />

Im Hinblick auf den Aufbau von neuen<br />

Weidegemeinschaften erfolgt eine<br />

besonders intensive Beratungsarbeit. Die<br />

Projektmanager bringen Personen, bei<br />

denen ein derartiger Zusammenschluss<br />

aufgrund räumlicher, betrieblicher und<br />

zwischenmenschlicher Voraussetzungen<br />

möglich erscheint, an einen Tisch. Bei<br />

der Einrichtung von Weidegemeinschaften<br />

behandelte Fragestellungen sind u.a.<br />

die Form des Zusammenschlusses (z.B.<br />

GbR), Arbeitsaufteilung, gemeinsamer<br />

Stall-/Unterstandsbau, Wirtschaftlichkeitsermittlungen<br />

für die einzelnen Weidegemeinschaftsmitglieder<br />

im Vorfeld,<br />

Kosten- und Gewinnaufteilung, konkrete<br />

Abb. 1: Ganzjährige Freilandhaltung wird im Projekt bisher auf 185 ha Fläche<br />

erprobt, u.a. mit Fleckvieh (Weidegemeinschaft am Steinkopf ).<br />

Betriebsausrichtung (z.B. Rinderrasse,<br />

Produktionsausrichtung/Vermarktungsprodukte),<br />

Flächenzuschnitt, Beantragung<br />

einer eigenen HIT-Nummer für die<br />

Gemeinschaftsweide etc.<br />

Einbezogen in die Beratung zur Bildung<br />

der Weidegemeinschaften wurde außerdem<br />

ein Fachberater des Bayerischen<br />

Bauernverbands. Dieser erörterte die<br />

konkreten rechtlichen und finanziellen<br />

Vorgaben und Anforderungen für die<br />

Weidegemeinschaft. Zusätzlich zur<br />

Beratung in Hinblick auf die geeignete<br />

Rechtsform wurde mit den Landwirten<br />

auch die Wirtschaftlichkeit des geplanten<br />

großflächigen Weideprojektes durchgerechnet<br />

und entsprechende Hinweise zur<br />

Projektkonzeption gegeben. Für die Realisierung<br />

größerer baulicher Maßnahmen<br />

(Unterstand, Stall) wurden die Landwirte<br />

an einen Berater der BBV-Landsiedlung<br />

verwiesen.<br />

Anhand eines Infobriefes, einer Besichtigung<br />

des Versuchsbetriebes Lauterbach-<br />

Rudlos der Universität Gießen (unterstandslose<br />

Ganzjahresfreilandhaltung mit<br />

Fleckvieh) und von Einzelberatungsgesprächen<br />

wurden Landwirten Kenntnisse<br />

über die Ganzjahresfreilandhaltung<br />

(Abb. 1) vermittelt und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten<br />

besprochen.<br />

Eine Exkursion für Landwirte führte<br />

zu allen fünf im Rahmen des Projekts<br />

realisierten Winterfreilandhaltungen, um<br />

den Austausch unter den Berufskollegen<br />

über Vor- und Nachteile verschiedener<br />

Winterfreilandhaltungsmodelle (mit und<br />

ohne Unterstand, Fütterung, Tränken<br />

etc.) zu fördern.<br />

Durch die Regierung von Unterfranken<br />

wurde in enger Absprache mit dem<br />

Grünlandprojekt eine Machbarkeitsstudie<br />

in Auftrag gegeben, welche für den rund<br />

235 ha großen ehemaligen Standortübungsplatz<br />

Mellrichstadt Konzepte<br />

einer großflächig-extensiven Beweidung<br />

entwickeln und deren Verträglichkeit mit<br />

den spezifischen Zielen der FFH-Richtlinie<br />

analysieren solll.<br />

4. Realisierungsstand der<br />

Modelllösungen<br />

Inzwischen haben dreizehn Landwirte<br />

und sieben Weidegemeinschaften einen<br />

Kooperationsvertrag mit dem Landkreis<br />

Rhön-Grabfeld im Auftrag der ARGE<br />

Rhön abgeschlossen. Darin verpflichten<br />

sie sich zu bestimmten Rahmenbedingungen<br />

der Beweidung, zum Führen eines<br />

Weidetagebuchs und zur Duldung von<br />

Monitoringuntersuchungen. Im Gegenzug<br />

erhalten sie einmalig gegen Nachweis<br />

bis zu 150 €/ha für Zaunbaukosten<br />

(jedoch maximal 50 % der entstandenen<br />

Aufwendungen) und maximal 50 €/ha<br />

für Weidelogistik. Weitere zwei Landwirte<br />

und zwei Weidegemeinschaften<br />

Abb. 2: Das Gelbe Frankenvieh – hier mit frisch geborenem Kalb – wird im<br />

Rahmen des Projekts <strong>als</strong> regional typische Rasse besonders gefördert.


werden in Kürze einen Kooperationsvertrag<br />

abschließen. Alle werden bereits seit<br />

2005 durch die Projektmanager beraten.<br />

Daneben gibt es weitere Landwirte, die<br />

grundsätzlich am Projekt interessiert<br />

sind, bei denen sich jedoch noch keine<br />

klare Aussage über eine Projektteilnahme<br />

treffen lässt. Die Projektmanager erhalten<br />

auch bis dato weiterhin neue Anfragen<br />

von Landwirten, die ggf. am Projekt teilnehmen<br />

möchten.<br />

Mit Stand von November 2007 sind 558 ha<br />

Weidefläche Bestandteil des Grünlandprojekts,<br />

verteilt auf 20 Einzelflächen, die<br />

von 13 Einzelbetrieben und neun Weidegemeinschaften<br />

bewirtschaftet werden.<br />

Beteiligt sind insgesamt 59 Landwirte.<br />

Durch weitere Abschlüsse wird sich die<br />

Weidefläche voraussichtlich im Laufe des<br />

Jahres auf knapp 850 ha erhöhen. Damit<br />

wird das im Antrag formulierte Ziel aller<br />

Voraussicht nach erreicht, zum Ende des<br />

Projektes 800 ha Weideflächen <strong>als</strong> großflächige<br />

Standweiden zu bewirtschaften.<br />

Eingesetzt werden Rinder, Ziegen, Pferde<br />

und Schafe, wobei die Rinder überwiegen.<br />

Teilweise wird Mischbeweidung praktiziert.<br />

Fünf Landwirte und Weidegemeinschaften<br />

betreiben mittlerweile Ganzjahresfreilandhaltung<br />

auf ca. 185 Hektar Weidefläche<br />

mit unterschiedlichen Rinderrassen.<br />

Weitere Landwirte sind grundsätzlich an<br />

der Ganzjahresfreilandhaltung interessiert.<br />

Wie schnell sich auf weiteren<br />

Weideflächen die Winterfreilandhaltung<br />

realisieren lässt, kann momentan noch<br />

nicht abgeschätzt werden. In Hessen sind<br />

zwingend Weideunterstände vorgeschrieben,<br />

deren Bau eine längere Vorbereitungsphase<br />

erfordert.<br />

5. Freiwilliger Flächennutzungstausch<br />

In weiten Bereichen der bayerischen<br />

Rhön und ihrem Vorland herrscht durch<br />

die dort seit Generationen praktizierte<br />

fränkische Realerbteilung eine starke Besitzzersplitterung.<br />

In vielen Gemarkungen<br />

hat zudem noch nie eine Flurbereinigung<br />

stattgefunden. Aus diesem Grund finden<br />

sich in diesen Gebieten nur sehr klein<br />

parzellierte Fluren, in denen die Einrichtung<br />

von großflächigen, zusammenhängenden<br />

Weideflächen ≥ 10 ha sehr<br />

schwierig zu realisieren ist.<br />

Der Bayerische Bauernverband (BBV)<br />

führt daher im Auftrag des Amtes für<br />

Ländliche Entwicklung (ALE) Würzburg<br />

in der Rhön Verfahren zum Freiwilligen<br />

Flächennutzungstausch (FNT) durch.<br />

Getauscht wird hierbei die Bewirtschaftung<br />

der einzelnen Flächen, die Eigentumsverhältnisse<br />

bleiben unangetastet.<br />

Der FNT bildet ein geeignetes Flurneuordnungsinstrument,<br />

mit dem in kurzer<br />

Zeit (Verfahrensdauer 1-2 Jahre) eine<br />

deutliche Erhöhung der Flächengrößen<br />

(Feldstücke) erreicht sowie eine Zusammenlegung<br />

der Flächen jeweils eines<br />

Bewirtschafters in einen oder wenige<br />

Bereiche der Flur umgesetzt werden<br />

kann. Ein solches Tauschverfahren erfolgt<br />

auf freiwilliger Basis und ist auf einen<br />

Zeitraum von zehn Jahren ausgelegt.<br />

Zur Erzeugung optimaler Synergieeffekte<br />

zwischen dem freiwilligem Flächennutzungstausch<br />

und dem DBU-Grünlandprojekt<br />

arbeitet einer der Projektmanager<br />

jeweils mit einer halben Stelle im FNT<br />

und im Grünlandprojekt Rhön. Über den<br />

FNT gelang es dem Projektmanager, in<br />

Gemarkungen mit stark zersplitterten Besitzverhältnissen<br />

Flächen für großflächige,<br />

extensive Weiden zusammenzulegen. Das<br />

konkrete Ergebnis des FNT sind die derzeit<br />

entstehende Weidegemeinschaften in<br />

den Gemarkungen Sandberg/Schmalwasser<br />

und Eckarts/Rupboden: In Sandberg<br />

haben sieben Landwirte, darunter vier<br />

Junglandwirte, drei Weidegemeinschaften<br />

gebildet. Diese werden nach derzeitigem<br />

Stand zusammen 215 ha (Weidefläche<br />

und Winterfutterfläche) bewirtschaften<br />

und einen einfachen Gemeinschaftsstall<br />

bauen. Geplant ist eine Herde mit 120<br />

Mutterkühen und einer entsprechenden<br />

Anzahl Bullen der Rasse Gelbes Frankenvieh.<br />

In Eckarts entsteht in der Folge des<br />

FNT eine weitere Weidegemeinschaft,<br />

ebenfalls mit Frankenvieh, und rund<br />

90 ha Weidefläche.<br />

Weiterhin laufen in der hessischen und<br />

thüringischen Rhön drei Regelflurbereinigungsverfahren,<br />

in deren Rahmen Beiträge<br />

für das Grünlandprojekt umgesetzt<br />

werden (Pferdskopf und Rodholz/Gemeinde<br />

Poppenhausen, Walkes/Gemeinde<br />

Ketten).<br />

6. Vermarktung<br />

Aufbauend auf einer Diplomarbeit von<br />

Annemarie Lindner über „Standort- und<br />

Vermarktungspotenziale für traditionelle<br />

Nutztierrassen im Biosphärenreservat<br />

Rhön im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung“<br />

wurde ein Vermarktungsworkshop<br />

durchgeführt und auf beider Basis<br />

ein Vermarktungskonzept erstellt.<br />

Bei der Direktvermarktung oder der Vermarktung<br />

an Gastronomiebetriebe von<br />

Rindern sind die sog. Edelteile (Lende,<br />

Roastbeef etc.) relativ unproblematisch<br />

abzusetzen. Schwierig ist dagegen die<br />

Vermarktung der sog. unedlen Teile (Abschnitte,<br />

Fleisch aus den Rippenbögen)<br />

und älterer Tiere. Diese sind nur sinnvoll<br />

über Veredelungsprodukte, <strong>als</strong>o z.B.<br />

<strong>als</strong> Wurst, zu vermarkten. Aus diesem<br />

Sachverhalt heraus wurde die Idee im<br />

Projekt zur Herstellung einer Rindersalami<br />

geboren, die kurz <strong>als</strong> „Salami-Taktik“<br />

umschrieben wird.<br />

Der Produktname steht in direkter Beziehung<br />

zum Produktdesign: Der „Rhön<br />

Schdegge“ symbolisiert einen Wanderstock,<br />

der in Rhöner Mundart „Schdegge“<br />

genannt wird. Dies gewährleistet somit<br />

einen hohen Wiedererkennungswert<br />

und hebt sich deutlich von anderen<br />

Salamis und Hartwürsten ab – zugleich<br />

ein Hinweis auf seine hohe Qualität.<br />

3 5


3 6<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Weiterhin schlägt das Produktdesign in<br />

Spazierstockform eine Brücke zwischen<br />

dem Erhalt der über Jahrhunderte durch<br />

Bauernhand gestalteten Rhöner Kulturlandschaft<br />

(„Land der offenen Fernen“),<br />

die nur durch weitere Nutzung – idealerweise<br />

durch großflächige, extensive Beweidung<br />

– zukünftig erhalten werden kann,<br />

und der Rhön <strong>als</strong> „Wanderwelt Nummer<br />

eins“ in Deutschland.<br />

Ein enger Bezug zur Region wird durch<br />

Verwendung von regionalen Rohstoffen<br />

und hier insbesondere von ökologisch erzeugtem<br />

Rindfleisch geschaffen, das vom<br />

Gelben Frankenvieh (Abb. 2) stammt,<br />

welches im Rahmen des Grünlandprojekts<br />

im Biosphärenreservat Rhön erzeugt<br />

wurde. Die Verarbeitung erfolgt durch die<br />

Metzgerei Werner Söder in Sandberg, die<br />

Partnerbetrieb des Biosphärenreservats<br />

Rhön ist und somit das Qualitätssiegel<br />

der Dachmarke Rhön führen darf. Die<br />

Produktion des „Rhön Schdegge“ ist<br />

bio-zertifiziert, so dass die Sorte Natur,<br />

in der nur ökologisch erzeugte Rohstoffe<br />

Verwendung finden (es ist Steinsalz statt<br />

Nitritpökelsalz enthalten) <strong>als</strong> Bio-Salami<br />

mit Bio-Siegel vermarktet wird. Für die<br />

Sorten Holunder, Birne und Bärlauch<br />

sind noch nicht alle Nebenzutaten in Bio-<br />

Qualität erhältlich.<br />

Der „Rhön Schdegge“ wurde im Herbst<br />

2006 zum dritten Rhöner Wurstmarkt<br />

in Ostheim erstmalig präsentiert, an dem<br />

23 000 Besucher an zwei Tagen gezählt<br />

wurden. Die Salami fand hier reißenden<br />

Absatz. Vertrieben wird der „Rhön<br />

Schdegge“ jetzt auch von der Internetversand-Firma<br />

Gut & Edel, die hochwertige,<br />

regionale Produkte vermarktet, entdeckt<br />

und in das Sortiment aufgenommen.<br />

Trotz eines für eine Salami recht hohen<br />

Preises wird sie auch bei der örtlichen<br />

Bevölkerung und bei Gästen der Region<br />

sehr gut verkauft.<br />

Zur Fleischvermarktung bestehen in der<br />

Zwischenzeit Kontakte zu mehreren<br />

Gastronomiebetrieben, v.a. in der bayeri-<br />

schen Rhön, die an der Vermarktung von<br />

Fleisch vom Gelben Frankenvieh interessiert<br />

sind. Ein Betrieb aus Thüringen hat<br />

bereits Fleisch von einem Projektbetrieb<br />

aus Bayern mit entsprechendem Hinweis<br />

auf der Karte. Auch der „Rhön Schdegge“<br />

findet bei der Gastronomie großes Interesse.<br />

Aufgrund der Tatsache, dass aktuell<br />

noch sehr wenige Tiere der Rasse Gelbes<br />

Frankenvieh produziert werden und<br />

somit vermarktet werden können, kann<br />

die Vermarktung an die Gastronomie erst<br />

richtig anlaufen, wenn eine entsprechende<br />

Tierzahl produziert wird. Aufbauend<br />

auf der schon seit knapp zehn Jahren<br />

etablierten Zusammenarbeit des „Rhöner<br />

Biosphärenrind e.V.“ mit der Handelskette<br />

„tegut“, wird ein großer Teil der Rinder<br />

an diese vermarktet.<br />

7. Naturschutzfachliches Monitoring<br />

Für das naturschutzfachliche Monitoring<br />

wurde ein Konzept erstellt. Ein Teil der<br />

Monitoringarbeiten wird aus DBU-<br />

Mitteln finanziert. Weiterhin haben die<br />

Regierung von Unterfranken (Höhere<br />

Naturschutzbehörde, Bayerische Verwal-<br />

tungsstelle Biosphärenreservat Rhön), das<br />

Bayerische Landesamt für Umweltschutz,<br />

die Bayerische Akademie für Naturschutz<br />

und Landschaftspflege sowie die<br />

Hessische und die Thüringische Verwaltungsstelle<br />

des Biosphärenreservats Rhön<br />

Aufträge in Absprache mit dem Projekt<br />

vergeben und finanziert. Die Kreisgruppe<br />

Bad Kissingen im Bund Naturschutz und<br />

der Hessische Landesverband für Höhlen-<br />

und Karstforschung engagieren sich<br />

ehrenamtlich für Monitoringarbeiten.<br />

Mit dem Hauptziel, Handlungsempfehlungen<br />

für Schutz und Entwicklung<br />

von Grünlandlebensräumen und ihrer<br />

Biodiversität ableiten zu können, verfolgt<br />

das Monitoring die Ziele,<br />

1. die Habitateignung der Weiden für<br />

Zielarten des Naturschutzes zu belegen,<br />

2. Unterschiede in der räumlichen Struktur/dem<br />

Requisitenangebot sowie in<br />

qualitativer und quantitativer Artenausstattung<br />

zwischen großflächig-extensiver<br />

Weide und Mähgrünland herauszuarbeiten,<br />

insbesondere für FFH-Grünlandtypen,<br />

3. Überzaunvergleiche zwischen den<br />

Beweidungstypen vegetationszeitliche vs.<br />

ganzjährige Beweidung sowie Mono- und<br />

Multispeziesbeweidung anzustellen,<br />

4. und <strong>als</strong> Detailfragen zu beleuchten<br />

Abb. 3: Rinder (hier Charolais) verbeißen auch Gehölze, gleichwohl kann reine Rinderbeweidung langfristig<br />

die Gehölzsukzession nicht vollständig verhindern.


a) Auswirkungen der Parasiten-Prophylaxe<br />

auf koprophage Käfer,<br />

b) Einflüsse der Beweidung von Quellbiotopen<br />

und kleinen Fließgewässern<br />

auf ökomorphologische Strukturen und<br />

Biodiversität.<br />

Aufgrund des limitierten Etats können<br />

nicht in die Breite gehende Untersuchungen<br />

realisiert werden, sondern es erfolgt<br />

eine Konzentration auf den zentralen<br />

Vergleich zwischen Wiese und (großflächiger)<br />

Weide. Als zentrale Indikatoren<br />

werden prioritär Vegetation und Vegetationsstruktur,<br />

Vögel und Tagfalter bearbeitet;<br />

hierbei werden möglichst identische<br />

Flächen und Transekte für die verschiedenen<br />

Artengruppen untersucht. Längerfristig<br />

ist die Gehölzentwicklung besonders<br />

interessant, insbesondere auch der<br />

Verbiss durch Tiere (Abb. 3). Durch den<br />

Hessischen Landesverband für Höhlen-<br />

und Karstforschung wurden 2006 auf<br />

Weideflächen aller drei Landesteile der<br />

Rhön im Auftrag der Verwaltungsstellen<br />

des Biosphärenreservats und in Abstimmung<br />

mit dem Projekt die Quellen mit<br />

ihren Strukturen sowie ihrer Flora und<br />

Fauna erfasst (s. Beitrag ZAENKER &<br />

REISS). Außerdem läuft in Zusammenarbeit<br />

mit der Thüringer Landesanstalt<br />

für Umwelt und Geologie eine vergleichende<br />

Untersuchung der Einflüsse der<br />

medikamentösen Parasitenprophylaxe bei<br />

Rindern auf die Besiedlung von Dunghaufen<br />

durch koprophage Käfer.<br />

8. Sozioökonomisches Monitoring<br />

und Beratung<br />

Das Simulationsmodell Green X vom<br />

Institut für Betriebslehre der Agrar- und<br />

Ernährungswissenschaften der Justus-<br />

Liebig-Universität Gießen wurde für die<br />

Erfordernisse des Grünlandprojektes<br />

umgearbeitet und angepasst. Weiterhin<br />

wurde es durch das Einfügen einer Vielzahl<br />

von Verknüpfungen und Formeln<br />

möglich, relativ schnell verschiedene Be-<br />

triebsmodelle automatisiert durchzurechnen.<br />

Somit können die ökonomischen<br />

Effekte verschiedener Weideflächen- und<br />

Herdenbestandsgrößen sowie der Winterbeweidung<br />

untersucht werden. Durch<br />

einen neuen Flächenprämienrechner und<br />

das automatische Ausschalten der alten<br />

Tierprämien wird in Green X jetzt der<br />

aktuellen Subventions- und Fördermittelkulisse<br />

Rechnung getragen. Es lassen sich<br />

Vergleiche der ökonomischen Situation<br />

vor und nach der Agrarreform und der<br />

verschiedenen Bundesländer vornehmen.<br />

Für erste Wirtschaftlichkeitsberechnungen<br />

wurde eine große hessische Weidegemeinschaft<br />

(14 Landwirte, 101 ha Weide)<br />

untersucht, die im Winter 2006/07<br />

erstmalig eine Winterbeweidung auf über<br />

800 m ü. NN Höhe mit Fleckvieh und einem<br />

einfachen selbstgebauten Holzunterstand<br />

mit Futterlager erfolgreich erprobte.<br />

Als anderes projekttypisches Fallbeispiel<br />

wurde ein bayerischer (Einzel-)Landwirt<br />

mit Gelbvieh-Ganzjahrsfreilandhaltung<br />

(ohne Unterstand) in einer Auenlage auf<br />

300 m ü. NN (10 ha Weide) <strong>als</strong> Berechnungsgrundlage<br />

herangezogen.<br />

Deutlich am besten schnitt die Ökobetriebs-Winterweide<br />

mit Färsen- und<br />

Ochsenverkauf ab. Eine um 33 % geringere<br />

Bodenrente (BR) <strong>als</strong> diese erzielte die<br />

Öko-Winterweide mit Absetzerverkauf,<br />

es folgte die Färsen-/Ochsen–Öko-Winterstallhaltung<br />

(37 % geringere BR), die<br />

konventionelle Winterweide mit Absetzern<br />

(46 % geringere BR), dann der Öko-<br />

Winterstall mit Absetzern (56 % geringere<br />

BR), die konventionelle Winterweide<br />

mit Färsen/Ochsen (61 % geringere BR),<br />

der konventionelle Winterstall mit Absetzern<br />

(73 % geringere BR) und zuletzt der<br />

konventionelle Winterstall mit Färsen/<br />

Weideochsen (102 % geringere BR). Der<br />

Verkauf von Färsen und männlichen Absetzern<br />

schnitt für Öko-Betriebe schlechter<br />

ab <strong>als</strong> der Färsen-/Weideochsenverkauf.<br />

Für konventionelle Betriebe bringt<br />

der Verkauf von Färsen und männlichen<br />

Absetzern hingegen deutliche Vorteile<br />

gegenüber Färsen-/Weideochsenverkauf,<br />

schneidet aber dennoch schlechter ab <strong>als</strong><br />

der reine Absetzerverkauf. Nur wenig<br />

schlechter <strong>als</strong> die hessische Öko-Winterweide<br />

mit Färsen- und Weideochsenver.<br />

kauf stellt sich die bayerische Öko-<br />

Winterweide mit Baby-Beef-Verkauf<br />

dar (45 % geringere BR).<br />

Diese Vollkostenrechnungen zusammen<br />

mit der Simulation verschiedener<br />

Weideflächengrößen und Besatzdichten/<br />

-stärken haben klar ergeben, dass vor dem<br />

Hintergrund der jetzigen Subventions-<br />

und Fördermittelkulisse (ohne Einrechnung<br />

der Förderung durch das Grünlandprojekt)<br />

eine sehr wirtschaftliche<br />

Bewirtschaftung von großen Standweiden<br />

möglich ist. Erfolgsfaktoren waren dabei<br />

sehr deutlich die Großflächigkeit (durch<br />

geringere Zaunlängen und geringeren Arbeitsaufwand),<br />

die Winterfreilandhaltung<br />

(durch geringere Einstreukosten, bessere<br />

Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistungen,<br />

geringere oder keine Gebäudekosten),<br />

eine geringe Besatzdichte/-stärke auf der<br />

Weide (durch den Wegfall der Einzeltierprämien<br />

und höheren Flächenzahlungen)<br />

und die ökologische Betriebsweise.<br />

Für die Beratung von Weidegemeinschaften<br />

in der Gründungsphase und bessere<br />

Beratung von Einzellandwirten wurde ein<br />

Betriebsoptimierungs-Modul für Green<br />

X entwickelt. Hier sind nach der Berechnung<br />

konkret der Gesamtbetriebsgewinn<br />

und die geleisteten Arbeitsstunden des<br />

einzelnen Landwirts bzw. Weidegemeinschaftsmitglieds<br />

erkennbar. Eingegeben<br />

werden muss lediglich, was der Landwirt<br />

in das Produktionsverfahren einbringt<br />

(Weide, Heu- und Silageflächen, Vieh,<br />

Eigenkapital, Fremdkapital mit Verzinsung,<br />

Arbeitskraft). Das Programm<br />

ermittelt dann, was er von <strong>Dr</strong>itten (z.B.<br />

anderen Weidegemeinschaftsmitgliedern)<br />

ankaufen muss oder verkaufen<br />

kann. Anhand des Betriebsgewinns und<br />

der Jahresarbeitsstunden kann sich der<br />

Landwirt ein Bild über seine genaue<br />

betriebliche Situation machen und z.B.<br />

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3 8<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

feststellen, wie viel Geld er zur Tilgung<br />

von Krediten oder für neue Investitionen<br />

erübrigen kann. Werden die Daten<br />

einzelner künftiger Weidegemeinschaftsmitglieder<br />

eingegeben, lässt sich bestimmen,<br />

wer welche Produktionsgüter in<br />

welcher Menge einbringen kann und<br />

welche Verrechnungspreise innerhalb der<br />

Weidegemeinschaft festgesetzt werden<br />

könnten, damit alle gute Betriebsergebnisse<br />

erzielen können.<br />

9. Ausblick<br />

Fortlaufend wird Öffentlichkeitsarbeit für<br />

das Projekt betrieben, so dass es mittlerweile<br />

einen hohen Bekanntheitsgrad besitzt,<br />

welcher die Akzeptanz und auch die<br />

aktive Mitwirkungsbereitschaft vieler Per-<br />

sonen fördert. Wesentliche Beiträge zur<br />

guten Akzeptanz liefern besonders die<br />

ökonomischen Analysen und <strong>als</strong> vorzeigbares,<br />

einprägsames Produkt der „Rhön<br />

Schdegge“. In Gesprächen mit Vertretern<br />

des Naturschutzes, insbesondere aus den<br />

Verbänden, zeigt sich immer wieder die<br />

dringende Notwendigkeit, die Auswirkungen<br />

der Beweidung auf die Biodiversität<br />

zu untersuchen, um positive wie negative<br />

Folgen belegen zu können. Hier wäre<br />

eine breiter angelegte Begleitforschung<br />

sehr wünschenswert. Es ist zu betonen,<br />

dass auch die Mähnutzung weiterhin zur<br />

Landschaft zählen wird, da jede Tierhaltung<br />

auch Winter(zu)fütterung benötigt<br />

(Abb. 4).<br />

In den kommenden Monaten wird neben<br />

der weiteren zielorientierten Arbeit an<br />

den beschriebenen Projektbaustein die<br />

längerfristige Weiterführung und Sicherstellung<br />

des Projekterfolgs wesentlicher<br />

Teil der Arbeit sein.<br />

Anschriften der Verfasser(in): PD <strong>Dr</strong>.<br />

<strong>Eckhard</strong> Jedicke, Jahnstraße 22, 34454<br />

Bad Arolsen, E-Mail jedicke@rhoennatur.de;<br />

Dipl.-Biol. Karl-Heinz Kolb, Bayerischer<br />

Bauernverband, Geschäftsstelle Bad Neustadt<br />

a.d. Saale, Berliner Straße 19a,<br />

97616 Bad Neustadt/S., E-Mail Karl-<br />

Heinz.Kolb@BayerischerBauernVerband.de;<br />

Dipl.-Ing. Katja Preusche, Kreisbauernverband<br />

Fulda-Hünfeld e.V., Konrad-Adenauer<br />

Platz 3, 36088 Hünfeld, E-Mail<br />

preusche@rhoen-naturschutz.de;<br />

Internet www.rhöngrünland.de.<br />

Fotos: <strong>Eckhard</strong> Jedicke<br />

Abb. 4: Mähwiesen wird es auch in Systemen großflächig-extensiver Weidehaltung weiter geben (Ulstertal bei Ehrenberg-Wüstensachsen).


Die Rhön <strong>als</strong> Vorbildlandschaft<br />

des Naturschutzes?<br />

Ergebnisse einer Perspektivplanung zum Zielartenkonzept<br />

Von <strong>Eckhard</strong> Jedicke<br />

1. Das faunistische Zielartenkonzept<br />

für die Rhön<br />

Seit 1991 ist die Rhön <strong>als</strong> eines von heute<br />

weltweit 529 Biosphärenreservaten der<br />

UNESCO anerkannt (Stand September<br />

2007, www.unesco.de). Das Biosphärenreservat<br />

Rhön umfasst mit einer Fläche<br />

von 184.939 ha eine Mittelgebirgslandschaft<br />

mit Anteilen in den Bundesländern<br />

Bayern, Hessen und Thüringen.<br />

Mit Höhen von bis zu 950 m üb. NN<br />

(Wasserkuppe), Jahresniederschlägen bis<br />

über 1050 mm und einer kurzen Vegetationsperiode<br />

von nur 170 bis 190 Tagen<br />

in der Hochrhön wird es <strong>als</strong> „Land der<br />

offenen Fernen“ zu 42 % von Wald, 32 %<br />

Grünland (inkl. Brachen), 18 % Acker,<br />

5 % Siedlungen und Infrastruktur sowie<br />

3 % sonstigen Nutzungen eingenommen.<br />

Die Zonierung umfasst 2,3 % Kernzone<br />

(4.199 ha), 36,5 % Pflegezone (67.483<br />

ha) und 61,2 % Entwicklungszone<br />

(113.257 ha) (MAYERL 2004).<br />

Im Jahr 1996 begann die Zoologische<br />

Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V.<br />

– Stiftung bedrohte Tierwelt (ZGF) mit<br />

der finanziellen Förderung eines Artenschutzprojekts<br />

der Hessischen Gesellschaft<br />

für Ornithologie und Naturschutz<br />

e.V. (HGON). <strong>Dr</strong>ei Schwerpunkte<br />

wurden hierbei bislang bearbeitet:<br />

• Erarbeitung der theoretischen Grund-<br />

lagen und eines Zielartenkonzepts für<br />

regionalen zoologischen Artenschutz im<br />

Biosphärenreservat Rhön unter räumli-<br />

cher Spezifierung für die hessische Rhön;<br />

• Etablierung einer projektbegleitenden<br />

Arbeitsgemeinschaft Artenschutz im<br />

Biosphärenreservat Rhön <strong>als</strong> Plattform<br />

für den Informationsaustausch aller<br />

Interessierten über die Grenzen der<br />

Bundesländer hinaus;<br />

• Umsetzung exemplarischer Naturschutzprojekte,<br />

die aus dem zoologischen<br />

Artenschutzkonzept resultieren.<br />

„Artenschutz“ wird – der Philosophie des<br />

Projekts entsprechend – nicht allein auf<br />

die Förderung bestimmter Arten (Einzelartenschutz)<br />

bezogen, sondern ebenso<br />

auf Schutz, Pflege und Entwicklung der<br />

Artenvielfalt (Biodiversität) insgesamt (s.<br />

ALTMOOS 1997: 41). Dieses muss im<br />

Wesentlichen durch umfassenden Biotopschutz<br />

erfolgen.<br />

Repräsentative Zielarten stehen dabei<br />

<strong>als</strong> Stellvertreter für Lebensraumtypen<br />

und die darin vorkommenden Lebensgemeinschaften<br />

(Biozönosen), welche die<br />

herausragende nationale Bedeutung der<br />

Rhön für die Erhaltung von gefährdeten<br />

Arten und Biotoptypen, aber ebenso der<br />

charakteristischen Mittelgebirgsregion<br />

mit ihrem Landschaftsbild und ihrer<br />

Lebensraum- und Erholungsfunktion für<br />

den Menschen wesentlich mitbegründen.<br />

Als Kulturlandschaft über Jahrhunderte<br />

durch den hier lebenden und die Natur<br />

nutzenden Menschen geprägt, geht es<br />

hier ganz entscheidend um Naturschutz<br />

durch Nutzung, d.h. die Integration von<br />

Naturschutzzielen in die Landnutzung.<br />

Dieses schließt nicht aus, dass in begründeten<br />

Fällen aus naturschutzfachlichen<br />

Erwägungen auf jegliche Nutzung verzichtet<br />

werden muss.<br />

Ein umfassender Naturschutz muss über<br />

den Arten- und Biotopschutz hinaus-<br />

gehen und die Belange des abiotischen<br />

Ressourcenschutzes (Schutz von Boden,<br />

Wasser und Klima/Luft), des Prozessschutzes<br />

sowie der Erholungsvorsorge<br />

für den die Landschaft besiedelnden und<br />

nutzenden Menschen mit berücksichtigen.<br />

ALTMOOS (1997, 1998) erarbeitete<br />

ein regionales Zielartenkonzept <strong>als</strong><br />

Handlungsrahmen für den Naturschutz,<br />

welches für die vier Raumebenen Landschaftsausschnitte,<br />

Lebensraumkomplexe,<br />

Lebensraumbereiche und Strukturen<br />

ein Set von insgesamt 72 Zielarten mit<br />

erforderlichen Zielen und Maßnahmen<br />

identifiziert (Tab. 1). Dieses bildet nach<br />

wie vor eine wesentliche Handlungs- und<br />

Argumentationsgrundlage.<br />

Um diese Grundlagen für die Praxis<br />

weiter zu entwickeln, führte die ZGF eine<br />

Perspektivplanung ( JEDICKE 2005) mit<br />

folgenden Zielen durch:<br />

1. Festlegung eines naturschutzfachlichen<br />

Rahmens, in dem Vorhaben des Arten-<br />

und Biotopschutzes im Biosphärenreservat<br />

Rhön kurz- bis mittelfristig vorrangig<br />

angesiedelt werden sollen;<br />

2. Prioritätensetzung für die künftige<br />

Ausrichtung der Projektförderung durch<br />

die ZGF und weitere Akteure;<br />

3. Definition von Einzelprojekten, für<br />

die bevorzugt externe Finanzmittel zu<br />

akquirieren sind, die sich <strong>als</strong> Mosaiksteine<br />

zielführend in ein Gesamtkonzept zur<br />

Sicherung und Verbesserung des Erhaltungszustands<br />

der Biodiversität einfügen;<br />

4. Skizzierung aktueller Handlungsfelder<br />

einer geplanten länderübergreifenden<br />

Rhön-Stiftung.<br />

3 9


4 0<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Tab. 1: Zielartenset für das Biosphärenreservat Rhön nach ALTMOOS (1997, 1998). Grau markiert sind die Zielarten, für die im Rahmen des Biotop- und<br />

Artenschutzprojekts der ZGF bisher Maßnahmen begonnen wurden.


Aspekte der Forschung – grundlagen-<br />

und umsetzungsorientiert – bleiben<br />

hierbei bewusst ausgeklammert; es geht<br />

allein um Umsetzungsprojekte des Arten-<br />

und Biotopschutzes. Gleichwohl ist zu<br />

betonen, dass Forschungsvorhaben von<br />

hoher Bedeutung sind, um Ausrichtung<br />

und Effizienz von Naturschutzprojekten<br />

zu verbessern. Biosphärenreservaten<br />

kommt hier, gerade unter dem Aspekt<br />

umfassend verstandener Nachhaltigkeit,<br />

eine besondere Rolle zu.<br />

2. Umsetzungsarbeit der Zoologischen<br />

Gesellschaft Frankfurt<br />

Folgende Teilprojekte wurden im Rahmen<br />

der ZGF-Förderung „Biotop- und<br />

Artenschutz im Biosphärenreservat<br />

Rhön“ bisher begonnen bzw. umgesetzt<br />

(ohne Nennung zahlreicher Naturschutzprojekte<br />

<strong>Dr</strong>itter):<br />

• Schwarzstorch – Artenschutz im Wirtschaftswald:<br />

(a) Sicherung und Ver-<br />

besserung des Artenschutzes im Wirt-<br />

schaftswald durch Altholzentwicklung,<br />

natürliche Gewässerentwicklung sowie<br />

Störungsminimierung im Rahmen<br />

von gemeinsam mit der Forstverwaltung<br />

ausgearbeiteten Revierkonzepten mit<br />

Umsetzung in den früheren Forstäm-<br />

tern Hilders, Hofbieber, Mellrichstadt<br />

und Bad Kissingen; (b) Begleitung der<br />

Forsteinrichtung Hilders;<br />

• Maßnahmen gegen den Stromtod<br />

von Großvögeln durch Kartierung und<br />

Entschärfung relevanter Strommasten<br />

und Freileitungen in allen drei Landesteilen<br />

der Rhön, Schwerpunkt Hessen<br />

(s. Beitrag KIRCHNER);<br />

• Schutz der Kreuzotter durch Identifika-<br />

tion und Sicherung/Pflege der Habitate,<br />

insbesondere in der hessischen Rhön;<br />

• Schleiereule – Tiere auf Wohnungssuche,<br />

Sicherung von Nistplätzen für Siedlun-<br />

gen bewohnende Vögel und Fledermäuse<br />

in der thüringischen Rhön sowie der<br />

Modellgemeinde Thalau (Hessen);<br />

• Kartierung und lokale Schutzmaßnah-<br />

men für Amphibienarten in allen drei<br />

Landesteilen;<br />

• Identifikation und Sicherung der Habitate<br />

des bundesweit stark gefährdeten<br />

Schwarzen Apollos im bayerischen<br />

Schwerpunktvorkommen (s. Beitrag<br />

KOLB);<br />

• Schutz des Vorrangraumes Michelau<br />

durch Nutzungskartierung zur Diffe-<br />

renzierung und Abgrenzung der Grün-<br />

landbereiche <strong>als</strong> potenzielle Wiesenbrü-<br />

terbrutgebiete und wichtige Rastflächen<br />

für durchziehende Vogelarten;<br />

• Begleitung des Flurbereinigungsver-<br />

fahrens Grumbachwiesen (Gemeinde<br />

Ehrenberg) zur Optimierung eines<br />

„Hotspots“ der Biodiversität (Vorstudie<br />

und Einleitung einer durch den Natur-<br />

schutz motivierten Flurbereinigung);<br />

• Wiederaufnahme der Bewirtschaftung<br />

des Kalkrains Reulbach (Gemeinde<br />

Ehrenberg), eines Kalkmagerrasens,<br />

zur Optimierung eines „Hotspots“ der<br />

Biodiversität;<br />

• „Mosaik“ – Schutz für kleinräumige Lebensraummosaik<br />

von Heckengebieten<br />

mit eingestreuten Wiesen und Magerrasen,<br />

durchzogen von Quellen u.a.<br />

Feuchtstandorten sowie in Kontakt<br />

zu Waldrändern durch Lenkung des<br />

Vertragsnaturschutzes, Beratung der<br />

Nutzer und Suche nach alternativen<br />

Nutzungsformen;<br />

• Beiträge zur Verbesserung von Birk-<br />

huhn-Lebensräumen durch Hecken-<br />

pflanzung in der thüringischen sowie<br />

Unterstützung der Ziegenbeweidung<br />

auf verbuschten Flächen in der bayeri-<br />

schen Rhön;<br />

• Revitalisierung von Fließgewässern<br />

und ihrer Auen in der Rhön (Abb. 1):<br />

Förderung des BayernNetzNatur-Pro-<br />

jekts SinnAllianz des Bundes Natur-<br />

schutz in Bayern (s. Beitrag KNEITZ),<br />

Trägerschaft und Weiterführung des<br />

vom der Deutschen Bundesstiftung<br />

Umwelt geförderten Projekts „RHÖN<br />

IM FLUSS“ (s. Beitrag METZGER &<br />

JEDICKE sowie JEDICKE et al. 2007),<br />

Zusammenarbeit mit dem Landesver<br />

band für Höhlen- und Karstforschung<br />

Hessen bei der Quellkartierung<br />

(s. Beitrag REISS & ZAENKER);<br />

• Verbesserung der Lebensräume der<br />

Berghexe in Magerrasen der Hohen<br />

Geba durch Pflegemaßnahmen<br />

(s. Beitrag GO<strong>MB</strong>ERT & LUDWIG);<br />

• Aufbau einer Art-Datenbank im<br />

Biosphärenreservat Rhön in enger<br />

Zusam menarbeit mit der Thüringer<br />

Verwal tungsstelle;<br />

• Datenerfassung von Kleinseggenrieden<br />

und Blockschutthalden <strong>als</strong> Grundlage<br />

für ein Schutzprojekt;<br />

• Initiative für den Grünlandschutz und<br />

Mitwirkung am Grünlandprojekt Rhön<br />

(s. Beitrag JEDICKE, KOLB &<br />

PREU SCHE);<br />

• Untersuchungen zur Habitatnutzung<br />

und Ableitung von Schutzmaßnahmen<br />

für das Große Mausohr (Myotis<br />

myotis) im Feldatal rund um Neidhartshausen.<br />

Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft<br />

Artenschutz <strong>als</strong> informelle Plattform,<br />

die sich zwei- bis dreimal im Jahr trifft,<br />

und weiter begünstigt durch die von<br />

Abb. 1: Im Bereich der Revitalisierung von Fließgewässern liegt ein Umsetzungsschwerpunkt der bisherigen<br />

ZGF-Projekte – naturnaher Referenzabschnitt der Brend unterhalb der Kläranlage Schönau.<br />

4 1


4 2<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten<br />

Vorhaben „RHÖN IM FLUSS“<br />

und Grünlandprojekt hat sich eine gute<br />

Zusammenarbeit über die Ländergrenzen<br />

hinweg entwickelt. Ebenso agieren die<br />

drei Verwaltungsstellen, gestützt durch<br />

das gemeinsame Verwaltungsabkommen,<br />

zunehmend abgestimmt; mit dem<br />

Artenschutzprojekt finden regelmäßige<br />

Abstimmungsgespräche statt. Es wurden<br />

umfassende, weitgehend positive Erfahrungen<br />

mit partizipativen Methoden<br />

gesammelt (s. JEDICKE 2007).<br />

3. Defizitanalyse für den Artenund<br />

Biotopschutz im Biosphärenreservat<br />

Rhön<br />

Im Jahr 2003 hat das MAB-Nationalkomitee<br />

beim Bundesumweltministerium<br />

das Biosphärenreservat Rhön einer<br />

periodischen Evaluierung unterzogen.<br />

Hierzu legten die Umweltministerien der<br />

drei Länder einen „Bericht zur Überprüfung<br />

des UNESCO-Biosphärenreservats<br />

Rhön“ vor (Thüringer Ministerium …<br />

2003). Darin werden hinsichtlich des<br />

Arten- und Biotopschutzes folgende<br />

Defizite angesprochen:<br />

• Verlust von Rand- und Mosaikbiotopen<br />

durch Auflassung von Wirtschafts -<br />

wegen und Vergrößerung der land -<br />

wirtschaftlichen Wirtschaftseinheiten<br />

(Hessen; in Thüringen bereits in den<br />

1960er-Jahren erfolgt);<br />

• Sukzession auf landwirtschaftlichen<br />

Flächen (inkl. Aufforstung), insbeson-<br />

dere auf hoffernen Grünlandflächen;<br />

• Rohstoffabbau in Basaltlagerstätten in<br />

höheren Lagen, daneben im Muschel-<br />

kalk sowie ein Kalischacht;<br />

• Versiegelung durch Siedlungsflächen<br />

(Ausweisung von Neubau- und Ge-<br />

werbegebieten) hinsichtlich Flächengrö-<br />

ßen, Einbindung in die Landschaft und<br />

Flächen schonenden Bauweisen (Abb. 2);<br />

• Windkraftanlagen überwiegend <strong>als</strong><br />

potenzielle Gefahr;<br />

• mangelnde Berücksichtigung des<br />

Rahmenkonzepts für Schutz, Pflege<br />

und Entwicklung des Biosphärenre-<br />

servats Rhön (GREBE & BAUERN-<br />

SCHMITT 1995) in den regionalen<br />

Raumordnungsplänen, Bauleitplanun-<br />

gen, Landschaftsplanungen und Ent-<br />

wicklungskonzepten, da es keine direkte<br />

rechtliche Bindungswirkung besitzt;<br />

• nicht ausreichende Repräsentanz von<br />

Lebensräumen in den Kernzonen, vor<br />

allem bodensaurer Buchenwälder (baye-<br />

rische Vorkommen), zwecks Erfüllung<br />

des Ziels, die Standortkomplexe der<br />

charakteristischen Waldgesellschaften<br />

abzubilden;<br />

• noch zu verbessernde kooperative An-<br />

sätze zur Konfliktbewältigung zwischen<br />

Naturschutz und Freizeitansprüchen;<br />

• entwicklungsbedürftige Bemühungen<br />

für die Erhaltung der charakteristischen<br />

Natur- und Kulturlandschaft, gerade in<br />

den bewirtschafteten Bereichen, Aus-<br />

weisung weiterer Naturschutzgebiete,<br />

das intensive Management aller Schutz-<br />

gebiete (einschließlich Natura 2000)<br />

und die Initiierung und Betreuung von<br />

Artenschutzprojekten.<br />

Darüber hinaus sind hinsichtlich der<br />

Zonierung folgende Defizite festzustellen<br />

(teils durch das MAB-Nationalkomitee,<br />

teils aus eigener Sicht ergänzt):<br />

• Kernzonen: Der international von der<br />

UNESCO geforderte Anteil von mindestens<br />

3 % Kernzonen ist mit 1,95 %<br />

bislang nicht erreicht. Es besteht kein<br />

zwischen den drei Ländern abge-<br />

stimmtes einheitliches Forschungs- und<br />

Monitoringkonzept für die Kernzonen.<br />

• Pflegezonen: Hier sollen in Pflegekon-<br />

zepten und Bewirtschaftungsrichtlinien<br />

naturschutzfachliche Ziele festgehal-<br />

ten werden, aus welchen entsprechende<br />

Vorgaben für die Nutzung resultieren.<br />

Einerseits fehlen solche Konzepte in<br />

der Regel, oder es mangelt an deren<br />

Umsetzung, andererseits lässt sich<br />

aufgrund nicht existierenden Moni-<br />

torings ein Erfolg oder Misserfolg nicht<br />

feststellen. Folglich können die Pfle-<br />

ge- und Bewirtschaftungsempfehlungen<br />

nicht an aktuelle Erfordernisse ange-<br />

passt werden.<br />

In der bayerischen und hessischen<br />

Rhön wird unterschieden zwischen<br />

Abb. 2: Siedlungsentwicklung und forstliche Nutzung<br />

im Biosphärenreservat Rhön lassen Modellhaftigkeit<br />

vielfach noch vermissen – Blick von der Wasserkuppe<br />

Richtung Milseburg mit der Ortslage Sieblos und<br />

Fichtenforsten im Vordergrund.


Pflegezone A (artenreiche Bergwiesen<br />

und naturnahe Wälder in den höheren<br />

Lagen – Vorrang des Naturschutzes)<br />

und Pflegezone B (ökologisch und<br />

touristisch hochwertige Flächen, für<br />

deren Erhalt eine extensive Landwirtschaft<br />

sowie nachhaltiger und schonender<br />

Tourismus eingesetzt und gezielt<br />

gefördert werden). In der Realität findet<br />

in der Pflegezone A jedoch u.a. eine<br />

weitgehend reguläre forstwirtschaftliche<br />

Nutzung statt. Das Primat des<br />

Naturschutzvorrangs bedürfte eines<br />

eigenen Naturschutz-Fachkonzepts<br />

für die Forsteinrichtung. Ebenso wird<br />

Landwirtschaft nicht zwingend unter<br />

Vorrang der Naturschutz-Belange<br />

betrieben – hierzu wäre ein Monitoring<br />

erforderlich. Auch in der Pflegezone<br />

B trifft das Monitoringdefizit zu, so<br />

dass die Nutzungsauswirkungen nicht<br />

beleg- und modifizierbar sind. Fehlende<br />

störungsökologische Untersuchungen<br />

und darauf aufbauende Konfliktlösungen<br />

lassen gerade hier Beeinträchtigungen<br />

von Vorkommen sensibler Arten<br />

durch den Tourismus erwarten. Ein<br />

tatsächlich „nachhaltiger und schonender<br />

Tourismus“ erfordert eine eigene<br />

naturschutzfachliche Konfliktanalyse<br />

<strong>als</strong> Planungsgrundlage, um den Nachhaltigkeits-Nachweis<br />

im Hinblick auf<br />

den Schutz der Biodiversität erbringen<br />

zu können.<br />

• Entwicklungszonen: Dem im MAB-<br />

Programm definierten Ziel von<br />

Biosphärenreservaten <strong>als</strong> großflächige,<br />

repräsentative Ausschnitte von Na -<br />

tur- und Kulturlandschaften (Beispiel<br />

in Abb. 5) entsprechend, sollen in<br />

diesen Gebieten „gemeinsam mit den<br />

hier lebenden und wirtschaftenden<br />

Menschen beispielhafte Konzepte zu<br />

Schutz, Pflege und Entwicklung erar-<br />

beitet und umgesetzt“ werden (Ständige<br />

Arbeitsgruppe der Biosphärenreservate<br />

in Deutschland 1995: 5). Als größtes<br />

Defizit in der Entwicklungszone muss<br />

die Tatsache gesehen werden, dass<br />

bislang allenfalls Einzelprojekte zur<br />

Regionalentwicklung realisiert, in diesen<br />

Belange des Naturschutzes jedoch kaum<br />

oder nicht berücksichtigt werden. Es<br />

mangelt an der Erprobung entsprechen<br />

der Entwicklungskonzepte unter dem<br />

Primat der Nachhaltigkeit einschließlich<br />

des Biodiversitätsschutzes.<br />

Eine Daueraufgabe, die einer Intensivierung<br />

bedarf, bleibt die weitere Verbesserung<br />

des Informationsaustauschs und die<br />

gemeinsame Entwicklung von Projekten.<br />

Betrachtet man den Anteil der Zielarten,<br />

für die bisher in der Rhön Projekte<br />

zumindest begonnen, aber in keinem Fall<br />

bereits für die Rhön insgesamt erfolgreich<br />

abgeschlossen wurden (grau hinterlegte<br />

Artnahmen in Tab. 1), so zeigen sich auch<br />

hier noch sehr große Handlungsnotwendigkeiten.<br />

Mit Vorliegen des botanischen<br />

Artenschutzkonzepts (Grundlagen in<br />

BARTH 2004) sind beide Konzepte miteinander<br />

zu verschneiden, um kompatible,<br />

einander ergänzende und ggf. konfligierende<br />

Projektbausteine zu identifizieren<br />

und darauf aufbauend die gemeinsame<br />

Umsetzung zu realisieren.<br />

4. Perspektivplanung: Aufgaben<br />

der Zukunft<br />

Aufbauend auf der Defizitanalyse wurde<br />

mit der in Abschnitt 2 genannten Zielsetzung<br />

eine Perspektivplanung für den<br />

Arten- und Biotopschutz im Biosphärenreservat<br />

Rhön erarbeitet. Hierzu wurde<br />

das von ALTMOOS (1997, 1998) konzipierte<br />

Zielartenset zu stichpunktartigen<br />

Teilprojekt-Beschreibungen weiterentwickelt<br />

und konkretisiert und auch Fachliteratur<br />

ausgewertet. Die Aufbereitung<br />

erfolgt in meist eine Seite umfassenden<br />

Steckbriefen (Beispiel in Tab. 2).<br />

Unter kurzer Skizzierung der erforderlichen<br />

Maßnahmen enthält die Perspektivplanung<br />

folgende Projektvorschläge<br />

(Monitoring, Öffentlichkeitsarbeit und<br />

Umweltbildung sind <strong>als</strong> Maßnahmen<br />

zu jedem Baustein erforderlich und sind<br />

daher nicht explizit benannt):<br />

4.1 Fortschreibung und Operationalisierung<br />

(Hotspots)<br />

(1) Fortschreibung des Zielartenkonzepts:<br />

Überprüfung der Zielartenauswahl<br />

unter Einbeziehung des Kriteriums der<br />

Repräsentanz der charakteristischen<br />

Lebensraumtypen der Rhön; Abgleich<br />

mit den Erfordernissen der FFH- und<br />

Vogelschutzrichtlinie; Abgleich mit den<br />

Zielen und Maßnahmen des botanischen<br />

Artenschutzkonzepts; darauf aufbauend<br />

Konkretisieren der Handlungsempfehlungen<br />

(a) für die Bundesländer zur<br />

Umsetzung von NATURA 2000 und (b)<br />

für verbleibende, nicht zwingend aus den<br />

EU-Vorgaben resultierende Schutz- und<br />

Entwicklungsmaßnahmen<br />

(2) Definition von Hotspots in Bayern<br />

und Thüringen: gutachterliche Festlegung<br />

von den für den Erhalt und die Entwicklung<br />

der Rhön-typischen Biodiversität<br />

hochwertigsten Gebieten unter Anlehnung<br />

an das Zielarten-Spektrum<br />

(3) Konkretisierung von Hotspots in<br />

Hessen: Aktualisierung und ggf. Ergänzung<br />

der von ALTMOOS (1998)<br />

vorgelegten Gebietsliste; gebietsbezogene<br />

Maßnahmeempfehlungen für die ermittelten<br />

Hotspots<br />

4.2 Raumebene I: Landschaftsausschnitte<br />

(4) Zielart Birkhuhn – große halboffene<br />

Landschaftsausschnitte der Hochlagen:<br />

Offenland herstellen, wo Aufforstungen<br />

erfolgten; Gehölzreduktion (Sukzession<br />

durch Weiden, Eberesche, Anflug<br />

Fichte und Kiefer); Hutungen herrichten:<br />

infolge einseitiger Weidenutzung starke<br />

Dominanz der Rasenschmiele; intelligente<br />

Besucherlenkung, Information; Strukturanreicherung<br />

in großen ausgeräumten<br />

Weidelandschaften<br />

4 3


4 4<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

(5) Zielart Schwarzstorch – Altholz- und<br />

Feuchtgebiets-Verbund im Wirtschaftswald:<br />

Entwicklung und Zulassung von<br />

Altholzbereichen; Schutz, Renaturierung<br />

und Entwicklung ungenutzter Waldgewässer<br />

(Fließgewässer, Quellen, natürliche/naturnahe<br />

Tümpel), vorwiegend<br />

durch Nutzungsverzicht im Uferrandbereich;<br />

Beruhigung der Waldräume z.B.<br />

durch weitgehende und zeitweise Jagd-<br />

und Waldbauruhe vorwiegend zwischen<br />

März und August, Besucherlenkung um<br />

störungssensible Bereiche herum<br />

(6) Zielart Uhu – großflächige Halboffenland-Landschaftsausschnitte<br />

mit<br />

Fels-Sonderstandorten: Sicherung von<br />

natürlichen Felsbildungen und Steinbrüchen<br />

<strong>als</strong> Bruthabitat; differenzierte Pflegekonzepte<br />

für aufgelassene Steinbrüche<br />

mit ungestörter Sukzession und Pflegemaßnahmen<br />

zur Offenhaltung; Besucherlenkung<br />

zwecks Störungsminimierung im<br />

200-m-Umkreis (wo erforderlich, im Falle<br />

von Brutplätzen auch innerhalb noch im<br />

Abbaubetrieb befindlicher Steinbrüche);<br />

Schutz vor Stromtod und weiterer Zerschneidung<br />

der Landschaft<br />

(7) Zielart Rotmilan – großflächige<br />

Wald-Offenland-Kulturlandschaftsausschnitte:<br />

Förderung des Altholz-Anteils<br />

und von Laubholz in den Wäldern;<br />

Schutz vor Störungen in potenziellen<br />

Horstbereichen (> 200-m-Umkreis);<br />

Förderung einer extensiven Nutzung der<br />

Agrarlandschaften mit reicher Ausstattung<br />

mit Kleinstrukturen; Schutz vor<br />

Stromtod<br />

Abb. 3: Durch Gehölze<br />

reich gegliedertes<br />

Grünlandgebiete – hier<br />

im NSG „Lange Rhön“,<br />

Bayerns größtem<br />

außeralpinen Naturschutzgebiet<br />

– bedürfen<br />

differenzierter Nutzungskonzepte,<br />

welche<br />

auch ökonomischen<br />

Anforderungen der<br />

Landwirtschaft gerecht<br />

werden.<br />

(8) Zielart Schleiereule – Siedlungs-Umland-Landschaftsausschnitte:Aufrechterhalten<br />

bzw. Fördern einer extensiven<br />

Landnutzung mit Hecken, Bachufergehölzen,<br />

Rainen etc. (arten- und individuenreiche<br />

Kleinsäuger- und Insektenfauna);<br />

Schaffen von Einflugmöglichkeiten<br />

in Gebäuden (Öffnungsgröße > 12 cm),<br />

insbesondere am Rande von Siedlungen;<br />

Entschärfung von Strommasten<br />

4.3 Raumebene II: Lebensraumkomplexe<br />

(9) Zielarten Braun- und Schwarzkehlchen,<br />

Steinschmätzer, Wiesenpieper,<br />

Bekassine, Rebhuhn – Lebensraumkomplexe<br />

des Offenlandes: Kartierung<br />

der Artvorkommen und resultierende<br />

Schwerpunktsetzung für ± artspezifisch<br />

differenzierte Maßnahmenprogramme;<br />

Erhalt und Förderung extensiv genutzter<br />

Agrarlandschaften mit den artspezifisch<br />

geforderten Strukturelementen<br />

(10) Zielarten Raubwürger, Neuntöter,<br />

Heidelerche, Pflaumen-Zipfelfalter<br />

– Hecken-Offenland-Komplexe (Halboffenland-Komplexe<br />

I; Abb. 3): Bestandserfassung<br />

und Definition von Vorrangräumen<br />

und Maßnahmenplänen; Erhalt und<br />

Förderung der von Hecken durchzogenen<br />

Nutzungsmosaike durch Hecken- und<br />

Waldrandpflege, extensive Grünland- und<br />

(wo vorhanden) Ackernutzung sowie Suche<br />

nach neuen Vermarktungsstrategien<br />

(11) Zielarten Kreuzotter, Schlingnatter<br />

und Zauneidechse – Halboffenland-<br />

Komplexe II: Offenhalten von Blockschuttbereichen;<br />

Belassen und Neuanlage<br />

von Steinhaufen, insbesondere an<br />

Hecken-Südseiten und Böschungen;<br />

Erhalt und Förderung mosaikartiger<br />

Nutzungsstruktur mit Kurzrasigkeit<br />

und spät genutzten Rückzugsräumen;<br />

Erhaltung offener Stellen in Steinbrüchen<br />

durch sporadische Eingriffe; Förderung<br />

von halboffenen, reich strukturierten<br />

Saumbiotopen entlang von Waldwegen,<br />

Waldaußenrändern etc., möglichst Strukturanreicherung<br />

(Altholz- und Reisighaufen,<br />

Stubben, Senken, Lesesteinhaufen<br />

etc.); Anlage von Kleingewässern (Himmelsteiche;<br />

Förderung von Amphibien <strong>als</strong><br />

Nahrungsbasis für Kreuzotter)<br />

(12) Zielarten Wasseramsel, Eisvogel,<br />

Feuersalamander, Blauflügelige und<br />

Gebänderte Prachtlibelle – Bach-Ufer-<br />

Biotopkomplexe: Erhalt und Förderung<br />

natürlicher Gewässerdynamik; Verbesserung<br />

der Wasserqualität (direkte und<br />

diffuse Einträge); extensive, düngerarme<br />

Nutzung des Grünlands in den Auen,<br />

Verzicht auf Ackernutzung; Quellenschutz;<br />

kein Fischbesatz, mindestens in<br />

größeren Teilabschnitten, insbesondere in<br />

den oberen Bachabschnitten (Förderung<br />

von Libellen)<br />

(13) Zielarten Gelbbauchunke, Geburtshelferkröte,<br />

Fadenmolch und<br />

Kammmolch – Stillgewässer-Land-<br />

Biotopkomplexe: flächendeckende<br />

Amphibienkartierung; Förderung der<br />

natürlichen Kleingewässer-Entstehung in<br />

den Auen durch Fließgewässer-Revitalisierung;<br />

Erhaltung und Förderung von<br />

Stillgewässern in Steinbrüchen, Gewässerneuanlage<br />

generell; z.T. Verbesserung<br />

des Gewässerumfeldes (Gefährdungsfaktoren<br />

Straßentod, Düngung/Pestizideinsatz,<br />

Fichtenforste etc.)<br />

(14) Zielarten Fledermäuse – Lebensraumkomplexe<br />

generell: Datenauswertung<br />

zur Fledermaus-Verbreitung; Schutz<br />

von Alt- und Totholz im Wald (Höhlenreichtum);<br />

Ergänzung des ausgewiesenen


Tab. 2: Exemplarischer Projektsteckbrief aus der Perspektivplanung ( JEDICKE 2005) für die Zielarten der Quellen.<br />

4 5


4 6<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Systems an nutzungsfreien Kernzonen<br />

des Biosphärenreservats; extensive Landnutzung<br />

und Förderung des Strukturreichtums<br />

im Offenland und Halboffenland;<br />

Öffnen von Einflugmöglichkeiten in<br />

Gebäuden<br />

(15) Zielart Alpenspitzmaus – Lebensraumkomplexe<br />

naturnaher Fließgewässer-<br />

Oberläufe: Kartierung der Vorkommen<br />

und besiedelten Lebensräume, Ableitung<br />

und Umsetzung notwendiger Maßnahmen<br />

(fehlende Kenntnisse!)<br />

4.4 Raumebene III: Lebensraumbereiche<br />

(16) Zielarten (a) Schmetterlinge: Rostbinde,<br />

Berghexe, Schwarzfleckiger und<br />

Großpunkt-Bläuling, (b) Heuschrecken:<br />

Rotflügelige Schnarrschrecke, Warzenbeißer,<br />

Kurzflügelige und Westliche<br />

Beißschrecke – trockene Magerrasen<br />

(einschl. Borstgrasrasen): generell: s. auch<br />

Projekt-Nr. 9 – Lebensraumkomplexe<br />

des Offenlandes; Kartierung der Vorkommensbereiche;<br />

genereller Düngungsverzicht;<br />

für die Rotflügelige Schnarrschrecke<br />

gebietsweise Mahdnutzung,<br />

Rinder- und Schafbeweidung insbesondere<br />

für den Warzenbeißer (Förderung<br />

feuchter Trittstellen und Kotstellen<br />

mit höherem Grasbewuchs), extensive<br />

Schafbeweidung in trockenen Hanglagen<br />

für Berghexe, Rostbinde und Westliche<br />

Beißschrecke; Belassen von jährlich<br />

wechselnden Brachestreifen, insbesondere<br />

für die Kurzflügelige Beißschrecke;<br />

periodische Entbuschung insbesondere<br />

senkrecht zum Hang stehender Streifen<br />

(Isolationsfaktoren); oder <strong>als</strong> Alternative<br />

zu einer mosaikartig differenzierten Pflege:<br />

großflächige extensive Beweidung zur<br />

Förderung der Standortmosaike<br />

(17) Zielart Wanstschrecke – frisches<br />

Grünland (einschl. Goldhaferwiesen):<br />

Kartierung der Vorkommensbereiche<br />

(bisher Schwerpunkt im ehemaligen<br />

Grenzstreifen) – stark gefährdete Art;<br />

Förderung extensiv genutzter Wiesen in<br />

einem kleinräumigen Standortmosaik<br />

mit Ruderalflächen – entweder durch<br />

kleinteilige Nutzungsstrukturen in Mähgrünland<br />

oder probeweise durch großflächig-extensive<br />

Beweidung (Extensivität<br />

sollte auch für weitere Zielarten definiert<br />

werden)<br />

(18) Zielarten Wachtelkönig, Sumpfschrecke,<br />

Randring-Perlmutterfalter,<br />

Dukaten-Feuerfalter und Lilagold-Feuerfalter<br />

– Feuchtgrünland: Erfassung der<br />

Vorkommen und Populationsstärken der<br />

Zielarten; Entwickeln von Nutzungsmosaiken<br />

in Teilräumen: einige Parzellen<br />

(aber nicht die überwiegende Fläche) in<br />

späte Mahd nach August überführen,<br />

andere Parzellen extensivieren mit unterschiedlichen<br />

Bewirtschaftungsweisen; in<br />

Wachtelkönig-Rufgebieten Verzicht auf<br />

Kreiselmäher, Mahd der Parzellen von<br />

innen nach außen (Fluchtmöglichkeit);<br />

Erprobung großflächig-extensiver Weidenutzung<br />

hinsichtlich ihrer Auswirkungen<br />

auf die Zielarten<br />

(19) Zielarten Schwarzer Apollo, Großer<br />

Eisvogel, Ulmenzipfelfalter, Plumpschrecke,<br />

Hügel-Laufkäfer – Waldränder:<br />

Erfassung der Vorkommensorte der Zielarten<br />

(für den Schwarzen Apollo besteht<br />

aus dem ZGF-Artenschutzprojekt bereits<br />

eine relativ gute Kenntnis) einschließlich<br />

Populationsgrößenschätzungen; Biotoppflegemaßnahmen<br />

in den Flughabitaten<br />

der Falter (fallweise Entbuschung,<br />

Gehölzreduktion und/oder Heckenpflegemaßnahmen);<br />

Habitatverbund zwecks<br />

Erhalt/Entwicklung überlebensfähiger<br />

Populationsgrößen; vielgestaltige Wandrandgestaltung;<br />

punktuell Waldrand-Auflichtungen<br />

zur Förderung von Lerchensporn-Vorkommen;<br />

Einbeziehung von<br />

großflächig-extensiver Weidekonzepten<br />

in ein Habitatmanagementsystem (einschließlich<br />

Waldrandbereichen!), um den<br />

Pflegeaufwand zu minimieren<br />

(20) Zielarten Waldschnepfe, Hohltaube,<br />

Schwarzspecht, Baummarder und<br />

(neu) Wildkatze – Laubwald: Erfassung<br />

der Vorkommen (ergänzt durch andere<br />

Großhöhlenbrüter; Lockstock-Einsatz<br />

für Wildkatze); naturnahe Plenter- und<br />

Femelnutzung im Wirtschaftswald,<br />

Altholz-Verbundsystem ungenutzter<br />

Bestände; Pflege von Waldinnenrändern<br />

(21) Zielarten Hochmoorgelbling,<br />

Moor-Perlmutterfalter, Laufkäfer Trechus<br />

rivularis, Wolfspinne Tricca alpigena,<br />

Arktische Smaragdlibelle und Hochmoor-Mosaikjungfer<br />

– Moore: weitere<br />

Regeneration von Moorbereichen (Wiedervernässung,<br />

Gehölzreduktion); Förderung<br />

blütenreicher Vegetation im direkten<br />

Umfeld von Mooren <strong>als</strong> Nektarpflanzen<br />

für Falter (z.B. durch extensive Mahd);<br />

flankierend Erhalt und Förderung von<br />

Kleinseggenrieden u.a. Moorstandorten<br />

außerhalb der Hochmoore<br />

(22) Zielarten Bachforelle, Groppe, Bachhaft,<br />

Fluss-Schlammfliege und Zweigestreifte<br />

Quelljungfer – Fließgewässer:<br />

Erhalt und Förderung natürlicher Gewäs-<br />

Abb. 4: Altholzinseln wie am Auersberg bei Hilders<br />

ergänzen die Kernzonen im Rahmen eines Alt- und<br />

Totholz-Verbundsystems.


serdynamik; Verbesserung der Wasserqualität<br />

(direkte und vor allem diffuse<br />

Einträge); extensive, düngerarme Nutzung<br />

des Grünlands in den Auen (bzw.<br />

großflächig-extensive Weidenutzung),<br />

Verzicht auf Ackernutzung in den Auen;<br />

Verzicht auf Fischbesatz, zumindest in<br />

größeren Teilabschnitten, insbesondere in<br />

den Bachoberläufen; Wiederherstellung<br />

der Längsdurchgängigkeit ganzer Gewässersysteme<br />

4.5 Raumebene IV: Strukturen<br />

(23) Zielarten Rhön-Quellschnecke und<br />

Gestreifte Quelljungfer – Quellen und<br />

Quellfluren: Quellen- und Artenkartierung;<br />

Vermeiden von Stoffeinträgen<br />

in Quellbiotope, insbesondere durch<br />

Düngung und von Straßen u.a. Oberflächen<br />

abfließendes Niederschlagswasser;<br />

Erhalt einer intakten Humusschicht zur<br />

ungestörten Grundwasserneubildung<br />

im näheren und weiteren Quellumfeld;<br />

Entnahme von Fichtenbestockung und<br />

Erhalt standortgerechter Vegetation im<br />

Quellenumfeld; Verzicht auf Nutzung<br />

von Quellbereichen <strong>als</strong> Viehtränke, außer<br />

in begründeten Einzelfällen (z.B. bei erwiesener<br />

Unschädlichkeit bei großflächigextensiver<br />

Weidenutzung sowie zur Förderung<br />

der <strong>Dr</strong>üsigen Fetthenne – Sedum<br />

villosum); Schutz vor Erholungsnutzung<br />

durch Verzicht auf Picknickplätze in<br />

Quellbereichen und Wanderwegeführung<br />

unter Aussparung sensibler Quellen<br />

(Information der Erholungssuchenden<br />

durch Tafeln zur Akzeptanzförderung);<br />

Rückbau von Quellfassungen, Sammelbehältern<br />

für Trinkwassergewinnung u.a.<br />

Baumaßnahmen; Verzicht auf Aufstauungen<br />

von Quellwasser für Teiche<br />

(24) Zielarten Sandbiene Andrena tarsata<br />

und Mauerbiene Osmia ravouxi – Offenbodenstellen<br />

und Steinfluren: Zulassen<br />

kleinräumiger Bodenverwundungen bzw.<br />

Rohbodenstellen in Magerrasen u.a. ma-<br />

geren Gründlandbiotopen, insbesondere<br />

durch Beweidung; evtl. sporadische Pflegemaßnahmen<br />

zur Wiederherstellung von<br />

Offenbodenbereichen in Steinbrüchen;<br />

Entnahme von Baumanflug bei stärkerer<br />

Gehölzsukzession auf kleineren Blockschutthalden<br />

in der Offenlandschaft,<br />

ansonsten keine Nutzung<br />

(25) Zielarten Bockkäfer Leiopus nebulosus<br />

u.a. Totholz-Käfer – Totholzbereiche:<br />

Überprüfung und Ergänzung der<br />

Zielarten-Auswahl für das für zahlreiche<br />

Arten essenzielle Strukturelement Totholz<br />

auf der Basis von Arterfassungen;<br />

fachliches Maßnahmenkonzept für einen<br />

wirkungsvollen Totholz-Verbund auf<br />

landschaftlicher Ebene (u.a. Ergänzung<br />

der Kernzonen) und für einzelne Forstreviere;<br />

Gewährleistung eines langfristigen<br />

Angebots der verschiedenen Totholz-<br />

Qualitäten in ausreichender Dichte und<br />

im Verbund (Abb. 4)<br />

Abb. 5: Blick aus der Pflegezone B in die Entwicklungszone, vom Pferdskopf in westliche Richtung auf Poppenhausen. Gerade in dieser Landschaft – beispielsweise<br />

Jagdraum der Zielart Rotmilan, die Vogelart, für die Deutschland global die größte Erhaltungsverantwortung trägt – mangelt es an innovativen Projekten in größerem<br />

Maßstab, welche Naturschutz und Regionalentwicklung miteinander verknüpfen.<br />

4 7


4 8<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

Abb. 6: Prioritätensetzung hinsichtlich der <strong>Dr</strong>inglichkeit von Maßnahmen für die Zielarten(gruppen) aus länderübergreifender Sicht innerhalb insgesamt<br />

hochgradig bedeutsamer Projekte (d.h. auch Priorität 5 ist wichtig).


4.6 Länderübergreifende Grundsatz-<br />

Aufgaben<br />

(26) Artdatenbank für das Biosphärenreservat<br />

Rhön: Fortführung der begonnenen<br />

Artdatenbank in der thüringischen<br />

Verwaltungsstelle durch Integration aller<br />

vorhandenen Informationen zu Artvorkommen<br />

im Biosphärenreservat und<br />

fortlaufende Aktualisierung; Koordination<br />

der Erfassung länderübergreifend<br />

einheitlicher Schwerpunktarten; Rückfluss<br />

von Ergebnissen aus der Datenbank<br />

an die Kartierenden<br />

(27) Biodiversitätsmonitoring: Entwicklung<br />

eines Indikatorensystems zur<br />

fortlaufenden Beobachtung der Entwicklung<br />

der biologischen Vielfalt im<br />

Biosphärenreservat; Umsetzung des<br />

Beobachtungsprogramms zur Erfassung<br />

der Indikatorarten; fortlaufende Dateneingabe<br />

in die vorhandene Artdatenbank<br />

und Datenauswertung; regelmäßiger<br />

Bericht zur Entwicklung der Biodiversität<br />

mit Schlussfolgerungen für die weitere<br />

Entwicklung des Biosphärenreservats<br />

(28) Länderübergreifendes Konfliktmanagement<br />

in Bezug auf Freizeitnutzungen<br />

und Tourismus: Umsetzung der<br />

Vorschläge aus dem Modellprojekt des<br />

BfN/BMU zur Konfliktminderung im<br />

Bereich Luftsport (DAeC 2003); Realisierung<br />

des seit mehreren Jahren angestrebten<br />

Ziels einer länderübergreifenden<br />

Wanderkarte für das Biosphärenreservat<br />

unter vorheriger planerischer Bearbeitung<br />

zwecks aktiver Lenkung und Begrenzung<br />

von Störungen durch Freizeitaktivitäten;<br />

Konfliktanalyse für sportliche und touristische<br />

Aktivitäten (Wandern, Walking,<br />

Jogging, Radfahren, Wintersport, Flugsport,<br />

touristische Infrastruktur etc.);<br />

Durchführung professionell moderierter<br />

Workshops und Erarbeitung umsetzungsreifer<br />

Konzepte zur Konfliktlösung, im<br />

Bedarfsfall unter Einsatz von Mediatoren;<br />

aktive planerische Lenkung der weiteren<br />

touristischen Entwicklung der Rhön<br />

unter Nachhaltigkeitsaspekten, u.a. durch<br />

Umsetzung der CBD-Richtlinie für nachhaltigen<br />

Tourismus in sensiblen Gebieten<br />

(CBD = Konvention über Biodiversität;<br />

vgl. z.B. BIEDENKAPP & GARBE<br />

2002); systematisches Monitoring der<br />

Auswirkungen von Freizeitnutzungen<br />

und Tourismus<br />

(29) „Schutz durch Nutzung“ – Nachhaltigkeitsprojekte:<br />

Verknüpfung von Zielen<br />

des Biodiversitätsschutzes/Naturschutzes<br />

insgesamt mit einer tragfähigen Landnutzung<br />

bzw. Regionalentwicklung; Nachweis<br />

der sozio-ökonomischen Potenzi<strong>als</strong><br />

des Naturschutzes für die Regionalentwicklung;<br />

Etablierung kooperativer<br />

Arbeitsformen der Verwaltungen und<br />

Akteure im Sinne der Lokalen Agenda<br />

21; Realisierung von Modellprojekten in<br />

den verschiedenen Bereichen der Landnutzung<br />

(aufbauend auf der Rettung des<br />

Rhönschafes und den Ergebnissen des<br />

laufenden Grünlandprojekts)<br />

In Abb. 6 wird eine grobe Einordnung<br />

der Projektvorschläge hinsichtlich der<br />

<strong>Dr</strong>inglichkeit vorgenommen. Diese muss<br />

subjektiv bleiben und in einigen Punkten<br />

auch willkürlich erscheinen, soll aber<br />

dennoch verdeutlichen, wo aus länderübergreifender<br />

Perspektive die besonders<br />

dringlichen Arbeitsschwerpunkte liegen<br />

sollten. Die getroffenen Prioritäten<br />

stellen eine Abstufung innerhalb generell<br />

hochgradig bedeutsamer Naturschutzprojekte<br />

und -Zielsetzungen da; auch die<br />

Prioritäten 4 und 5 sind von hochrangiger<br />

Bedeutung. Es ist daher gerechtfertigt,<br />

ebenso für Zielarten der niedrigeren<br />

Prioritätsstufen unmittelbar Schutzprojekte<br />

zu beginnen oder fortzusetzen! Die<br />

Abstufung dient allein dazu, zu verdeutlichen,<br />

wo ganz besonders dringender<br />

Handlungsbedarf besteht.<br />

5. Ausblick<br />

Die Rhön besitzt europaweite Bedeutung<br />

für den Erhalt der Biodiversität. Das<br />

Zielartenkonzept hat sich <strong>als</strong> Instrument<br />

zur Planung von Schutzmaßnahmen bewährt,<br />

weil es erlaubt, Anforderungen des<br />

Naturschutzes qualitativ und quantitativ<br />

zu begründen, aber auch den Erfolg von<br />

Schutzbemühungen zu kontrollieren. Die<br />

finanzielle Förderung der Zoologischen<br />

Gesellschaft Frankfurt und der Deutschen<br />

Bundesstiftung Umwelt <strong>als</strong> Hauptgeldgeber<br />

lösten wichtige Kooperationen<br />

für den Naturschutz und Folgeinvestitionen<br />

aus. Diese Bemühungen bedürfen<br />

erheblich intensivierter Anstrengungen,<br />

damit das Biosphärenreservat Rhön<br />

tatsächlich <strong>als</strong> eine Vorbildlandschaft für<br />

erfolgreichen Naturschutz bezeichnet<br />

werden kann. Denn die Defizitanalyse<br />

wie Perspektivplanung zeigen nach wie<br />

vor umfassenden Handlungsbedarf auf.<br />

Übergreifend wird dieser insbesondere in<br />

folgenden Bereichen gesehen:<br />

• Länderübergreifender Naturschutz<br />

bedarf in der Rhön einer hauptamtli-<br />

chen Institutionalisierung zwecks<br />

inhaltlicher Koordination und einer ver-<br />

stärkten Einwerbung von Fördermitteln.<br />

• In allen drei Verwaltungsstellen sollte<br />

durch fest angestellte Mitarbeiter(innen)<br />

naturschutzfachliche Kompetenz<br />

geschaffen bzw. ausgebaut werden, um<br />

die skizzierten umfangreichen Anforde-<br />

rungen erfüllen zu können.<br />

• Biodiversität im Biosphärenreservat<br />

bedarf eines systematischen Moni-<br />

torings, um den generellen Zielen des<br />

MAB-Programms im Bereich des Na-<br />

turschutzes gerecht werden zu können.<br />

• Die Zonierung des Biosphärenreservats<br />

sollte hinsichtlich der Zielsetzung der<br />

einzelnen Zonen unter Gesichtspunk-<br />

ten des Naturschutzes konsequenter<br />

umgesetzt werden.<br />

• Konfliktthemen sind kooperativ zu be-<br />

arbeiten, insbesondere zwischen Frei-<br />

zeitnutzungen und Naturschutz.<br />

4 9


5 0<br />

N A T U R S C H U T Z P R O J E K T E I N D E R R H Ö N<br />

• Besonderer Förderung bedarf die Reali-<br />

sierung integrativer Projekte, welche<br />

Ziele des Naturschutzes mit jenen der<br />

Regionalentwicklung verknüpfen.<br />

• Im Rahmen von aktiv eingeworbenen<br />

Forschungsprojekten – über Diplomar-<br />

beiten wesentlich hinaus gehend – soll-<br />

ten verstärkt für die Naturschutzpraxis<br />

wesentliche Inhalte bearbeitet werden.<br />

Dank<br />

Der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt<br />

(ZGF 1210/96) und der Deutschen Bundesstiftung<br />

Umwelt (DBU, Az. 20793<br />

und 22655) wird <strong>als</strong> Hauptsponsoren für<br />

die Förderung verschiedener Projekte in<br />

der Rhön ganz herzlich gedankt. Weitere<br />

Fördermittel in maßgeblichem Umfang<br />

steuerten u.a. die Allianz Umweltstiftung,<br />

die ARGE Rhön, das Bayerische Staatsministerium<br />

für Umwelt, Gesundheit<br />

und Verbraucherschutz (StMUGV), die<br />

Firma Bionade, der Bund für Umwelt<br />

und Naturschutz Deutschland (BUND),<br />

der Bund Naturschutz in Bayern (BN),<br />

der Freistaat Thüringen, die Deutsche<br />

Umwelthilfe (DUH), die Kurt Lange<br />

Stiftung, die Obere Naturschutzbehörde<br />

beim Regierungspräsidenten in Kassel,<br />

die Regierung von Unterfranken, das<br />

Staatliche Umweltamt Suhl, die Stiftung<br />

Hessischer Naturschutz, das Thüringer<br />

Landesverwaltungsamt, die Unteren<br />

Naturschutzbehörden der Landkreise<br />

Fulda, Rhön-Grabfeld, Schmalkalden-<br />

Meiningen und Wartburgkreis sowie das<br />

Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen bei.<br />

Ihnen allen und weiteren hier ungenannten<br />

Geldgebern sowie allen Akteuren, mit<br />

denen wir zusammenarbeiten durften,<br />

gilt unser bester Dank. Für ihre stete<br />

Kooperationsbereitschaft und die gute<br />

Zusammenarbeit wird besonders den<br />

Mitarbeit(inne)n der drei Verwaltungsstellen<br />

des Biosphärenreservats gedankt.<br />

Persönlich danke ich Herrn <strong>Dr</strong>. Michael<br />

Altmoos und der Hessischen Gesellschaft<br />

für Ornithologie und Naturschutz<br />

(HGON) für die Schaffung der Grundlagen<br />

des Projektes, auf denen ich aufbauen<br />

konnte.<br />

Zitierte Literatur<br />

ALTMOOS, M. (1997): Ziele und<br />

Handlungsrahmen für regionalen zoologischen<br />

Artenschutz – Modellregion<br />

Biosphärenreservat Rhön. Hessische<br />

Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz,<br />

Hrsg., Echzell, 235 S.<br />

ALTMOOS, M. (1998): Maßnahmenkonzept<br />

und Praxisanschub für zoologischen<br />

Artenschutz im Biosphärenreservat<br />

Rhön, hessischer Teil. 254 S. und<br />

Anhangsbände, unveröff., hrsg. von der<br />

Hessischen Gesellschaft für Ornithologie<br />

und Naturschutz (HGON), Echzell. Bericht<br />

im Auftrag der Stiftung Hessischer<br />

Naturschutz, Wiesbaden.<br />

BARTH, U. (2004): Botanisches Artenschutzkonzept<br />

im Biosphärenreservat<br />

Rhön. Kurzfassung des Abschlussberichts.<br />

Tann, 15 S., Stand: Februar 2004<br />

(vervielf. Mskr.).<br />

BIEDENKAPP, A., GARBE, C. (2002):<br />

Nachhaltige Tourismusentwicklung in<br />

Großschutzgebieten – Symposium vom<br />

18.–19. Januar 2002 im Rahmen des 12.<br />

Reisepavillon – Hannover. BfN-Skripten<br />

74, Bonn-Bad Godesberg.<br />

DAeC e.V. (2003): Vorstudie zum E&E-<br />

Vorhaben „Konfliktlösungen zwischen<br />

Sport und Naturschutz am Beispiel der<br />

Hohen Rhön“ – Methoden und Ergebnisse.<br />

BfN-Skripten 83, Bonn.<br />

GREBE, R., BAUERNSCHMITT, G.<br />

(Bearb., 1995): Biosphärenreservat Rhön<br />

– Rahmenkonzept für Schutz, Pflege und<br />

Entwicklung. Neumann, Radebeul.<br />

JEDICKE, E. (2005): Arten- und Biotopschutz<br />

im Biosphärenreservat Rhön<br />

(ZGF 1210/96) – Perspektivplanung.<br />

Naturschutzfachliche Schwerpunkte<br />

für Projekte im Zeitraum 2005 – 2009.<br />

Unveröff. Studie Bad Arolsen, 54 S.<br />

JEDICKE, E. (2007): Partizipation und<br />

Kooperation zur Realisierung von Naturschutzprojekten<br />

im Biosphärenreservat<br />

Rhön. Beiträge Region und Nachhaltigkeit<br />

4, 85-98.<br />

JEDICKE, E., METZGER, M., FRE-<br />

MUTH, W. (2007): Management der<br />

Revitalisierung von Fließgewässern<br />

– Bilanz eines länderübergreifenden<br />

Projekts im Biosphärenreservat Rhön.<br />

Naturschutz und Landschaftsplanung 39,<br />

(11), 329-336.<br />

MAYERL, D. (2004): Das Netzwerk<br />

der Biosphärenreservate in Deutschland.<br />

In: Deutsches MAB-Nationalkomitee<br />

beim Bundesministerium für Umwelt,<br />

Naturschutz und Reaktorsicherheit,<br />

Hrsg., Voller Leben: UNESCO-Biosphärenreservate<br />

– Modellregionen für<br />

eine Nachhaltige Entwicklung, Springer,<br />

Berlin/Heidelberg, 26-41.<br />

Thüringer Ministerium für Landwirtschaft,<br />

Naturschutz und Umwelt, Bayerisches<br />

Staatsministerium für Umwelt,<br />

Gesundheit und Verbraucherschutz,<br />

Hessisches Ministerium für Umwelt,<br />

ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />

(Hrsg., 2003): Bericht zur Überprüfung<br />

des UNESCO-Biosphärenreservats<br />

Rhön – Berichtszeitraum: 1991-2003.<br />

Unveröff. Ber., 61 S., <strong>Download</strong> unter<br />

www.rhoen.de.<br />

Anschrift des Verfassers: PD <strong>Dr</strong>. <strong>Eckhard</strong><br />

Jedicke, Jahnstraße 22, 34454 Bad Arolsen,<br />

E-Mail jedicke@rhoennatur.de.


Ausblick<br />

Die Wildkatze besiedelt die Rhön<br />

wieder neu: Rund 60 Jahre, nachdem in<br />

den 1940er-Jahren die letzte Wildkatze<br />

geschossen wurde, gelangen jetzt wieder<br />

Nachweise der scheuen Verwandten<br />

unserer Hauskatze. Und zwar mit einer<br />

innovativen Methode: Mit Baldrian präparierte<br />

Lockstäbe werden in potenziellen<br />

Lebensräumen deponiert. Der Geruch<br />

lockt die Katzen an, sie reiben sich an<br />

den Stöcken, so dass Haare an dem rauen<br />

Holz hängen bleiben. Mittels DNA-Analyse<br />

dieser Haarproben ist nachweisbar,<br />

ob es sich um Wild- oder Hauskatzen<br />

handelt. Acht Proben immerhin waren<br />

jetzt eindeutig der Wildkatze zuzuordnen.<br />

Was bedeutet die Rückkehr der Wildkatze<br />

für den Naturschutz in der Rhön? Das<br />

Biosphärenreservat zeigt Lebensraumqualitäten<br />

auch für seltene Tierarten,<br />

die einen überregionalen Biotopverbund<br />

benötigen. Die ZGF hat das zuvor in<br />

einer Habitatmodellierung für Wildkatze<br />

und Luchs bereits postuliert – die aktuellen<br />

Nachweise bestätigen die Theorie.<br />

Dabei ist die Rhön ein wichtiger Ausbreitungskorridor<br />

zwischen den größeren<br />

Waldgebieten von Hainich, Thüringer<br />

Wald, Vogelsberg und Spessart. Gleichwohl<br />

ist diese Funktion verletzlich – der<br />

Neubau von Straßen oder eine Ausweitung<br />

von Outdoor-Freizeitnutzungen<br />

beispielsweise können rasch zu neuen<br />

Bedrohungen werden. Und so dürfen die<br />

Erfolge in Naturschutzprojekten ebenso<br />

wenig wie die Nachweise der Wildkatze<br />

zu Selbstzufriedenheit verleiten. Ganz im<br />

Gegenteil: Die europaweite Bedeutung<br />

der Rhön für den Schutz zahlreicher<br />

Pflanzen- und Tierarten, Pflanzengesellschaften<br />

und Biotoptypen mahnt dazu,<br />

behutsam und reflektiert mit der Rhön-<br />

Natur umzugehen. Wie sensibel diese ist,<br />

zeigt zum Beispiel die Besorgnis erregende<br />

Bestandsentwicklung des Birkhuhns<br />

und des Schwarzstorchs.<br />

Das aber erfordert zweierlei: zum einen<br />

fachlich versierte Menschen, ehrenamtlich<br />

wie hauptberuflich mit entsprechender<br />

Ausbildung, die in den Verwaltungsstellen<br />

des Biosphärenreservats, in<br />

den weiteren Behörden und in zeitlich<br />

begrenzten Projekten fundierten Naturschutz<br />

betreiben. Zum anderen benötigen<br />

wir Kenntnis von der Bestandsentwicklung<br />

der in der Rhön lebenden Arten.<br />

Erst wenn wir durch ein systematisch<br />

betriebenes Monitoring in der Lage sind,<br />

über Jahre hinweg die Veränderungen der<br />

Biodiversität nachzuvollziehen, können<br />

wir auf die Suche nach den Ursachen<br />

gehen und detaillierte Schlussfolgerungen<br />

für Naturschutz und nachhaltige Landnutzungssysteme<br />

ziehen. Und erst dann<br />

wird das Biosphärenreservat im Bereich<br />

des Naturschutzes dem Nachhaltigkeits-<br />

Primat <strong>als</strong> Vorbildlandschaft wirklich<br />

gerecht werden können.<br />

Auf leisen Pfoten kehrt die Wildkatze in die Rhön zurück – ein neuer Indikator für den Naturschutz im<br />

Biosphärenreservat. Es gilt, die Landschaft für Mensch und Tier gleichermaßen attraktiv zu gestalten.<br />

Zielarten helfen uns, Aussagen über die<br />

Notwendigkeit von Maßnahmen des<br />

Naturschutzes zu treffen, d.h. Ziele und<br />

Handlungen qualitativ und quantitativ<br />

zu definieren, sie der Öffentlichkeit zu<br />

vermitteln, aber auch ihren Umsetzungserfolg<br />

zu kontrollieren. Dieses Konzept<br />

hat sich in der Rhön bewährt, auch wenn<br />

es im Detail hier und da fortgeschrieben<br />

werden könnte. Viel wichtiger aber ist<br />

die Umsetzung von Maßnahmen: Unsere<br />

Perspektivplanung weist den Weg in<br />

eine Vielzahl von Entwicklungen, die es<br />

jetzt rasch anzustoßen gilt. Ungestörte<br />

Naturentwicklung, der so genannte Prozessschutz,<br />

ist hier in Teilbereichen zwar<br />

eine wichtige Aufgabe. Gerade in einem<br />

Biosphärenreservat geht es aber auf dem<br />

Großteil der Fläche um eine Integration<br />

des Naturschutzes in die Landnutzung.<br />

Kooperation ohne Vorbehalte ist dabei<br />

kein Lippenbekenntnis, sondern Notwendigkeit,<br />

wie einige Projekte in der Rhön<br />

– wie das Grünlandprojekt – eindrucksvoll<br />

belegen.<br />

Derart fundierter Naturschutz kostet<br />

Geld. Aber dieses Geld ist sinnvoll investiert<br />

in die langfristige Werterhaltung, ja<br />

Wertsteigerung des zentralen Kapit<strong>als</strong>,<br />

welches die Rhön besitzt: die Natur.<br />

Dieses Kapital verstärkt in Projekte <strong>als</strong><br />

Motor für die Regionalentwicklung einzubringen,<br />

ist eine entscheidende Herausforderung<br />

der nächsten Jahre. Die ZGF<br />

bietet sich hierfür <strong>als</strong> Partner an, doch<br />

sie kann und möchte solche Ideen nicht<br />

allein umsetzen. Wir wollen das vorhandene<br />

Netzwerk an Akteuren ausbauen<br />

und stärken. Jeder ist eingeladen, daran<br />

mit seinen Stärken und Möglichkeiten<br />

mitzuarbeiten!<br />

Wolfgang Fremuth<br />

Zoologische Gesellschaft Frankfurt,<br />

Referatsleiter Europa, Frankfurt/Main<br />

Foto: Wolfgang Fremuth<br />

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