1. - Aktuelle Ausgabe
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Seite 24 Zu guter LetZt Bodensee Nachrichten, 7. Dezember 2012<br />
Aus dem Archiv<br />
GESCHICHTE Waswar in der Tageszeitung «Oberthurgauer» vor 100 Jahren zu lesen?<br />
Der 3. Dezember 1912 war kein<br />
weltbewegendes Datum –die<br />
Titanic ist schon im vorigen<br />
April untergegangen, Rosa<br />
Parks, die berühmte amerikanische<br />
Bürgerrechtlerin, wurde<br />
erst im Februar des nächsten<br />
Jahres geboren. Und doch ist<br />
ein Blick in die Lokalausgabe<br />
des «Oberthurgauers» spannend<br />
–und sogar amüsant.<br />
Die mittlerweile nicht mehr existierende<br />
Tageszeitung «Der Oberthurgauer»<br />
war im Dezember 1912<br />
in ihrem 35. Jahrgang und –zumindest<br />
aus heutiger Sicht – im<br />
Jahresabonnement für einen<br />
Schnäppchenpreis von gerade einmal<br />
sieben Franken zu haben. Die<br />
Einzelausgabe vor 100 Jahren kostete<br />
gerade einmal zehn Rappen.<br />
Doch nicht nur die Zeitungspreise<br />
haben sich im letzten Jahrhundert<br />
verändert, auch die Aufmachung<br />
und die Inhalte der Zeitung sind einen<br />
Blick wert.<br />
Eine Bleiwüste aus<br />
einer anderen zeit<br />
Auf den ersten Blick lädt der<br />
«Oberthurgauer» vom 3. Dezember<br />
1912 wenig zum Lesen ein –<br />
zu unvertraut wirkt die altdeutsche<br />
Schrift, zu abschreckend die<br />
Aufmachung des redaktionellen<br />
Teils, der nur aus Übertiteln und<br />
Text besteht. «Der Oberthurgauer»<br />
–eine Bleiwüste aus einer anderen<br />
Zeit. Die Lektüre jedoch ist<br />
spannend: Eine Meldung unter<br />
«Kantonales» lässt einen Blick in<br />
damalige demokratische Prozesse<br />
in unserer Region zu. So geht es in<br />
einer Meldung um den thurgauischen<br />
demokratischen Parteitag in<br />
Tägerwilen, an welchem ein «Re-<br />
Einladung zur Abendunterhaltung –<br />
«Rege Beteiligung erwartet».<br />
Anzeige<br />
Die Titelseite des «Oberthurgauers» vom 3. Dezember 1912.<br />
daktor Jung aus Romanshorn» über<br />
das Thema «Richtlinien schweizerischer<br />
demokratischer Politik»<br />
referierte. Im Referat sprach Jung<br />
darüber, «dass in dem Ausspruch,<br />
unsere Fremdenindustrie sei ein<br />
nationales Unglück, ein gutes Stück<br />
Wahrheit liege». An der politischen<br />
Gleichgültigkeit seien aber<br />
die schweizerischen Parteien<br />
Schuld.<br />
Martialische Worte<br />
eines Nationalrates<br />
Der damalige Nationalrat der demokratischen<br />
Partei (siehe Hintergrund)<br />
Dr. Hofmann, sah die<br />
Probleme der Schweiz dagegen<br />
nicht bei der laut ihm notwendigen<br />
Fremdenindustrie, sondern<br />
vielmehr in einem Mangel an Idealismus.<br />
Aus heutiger Sicht befremdend<br />
wirken jedoch die folgenden<br />
Aussagen Dr. Hofmanns,<br />
wonach die anscheinend damals<br />
unbefriedigenden politischen Verhältnisse<br />
in Kantonen und Bund<br />
zum Teil auf die lange Friedensperiode<br />
zurückzuführen seien, die<br />
man in der Schweiz glücklich zu<br />
verzeichnen habe. «Ernste und<br />
schwere Zeiten würden die<br />
Schweizer als einiges Volk finden,<br />
das Gut und Blut fürs Vaterland zu<br />
opfern bereit wäre», steht im<br />
«Oberthurgauer» vom 3. Dezember<br />
vor 100 Jahren geschrieben –<br />
da können selbst die martialischsten<br />
Politiker von heute nicht<br />
mithalten.<br />
... und die Inserate<br />
Die Inserate des Jahres 1912 haben<br />
es ebenfalls in sich – aller-<br />
dings laden diese teils eher zum<br />
Schmunzeln, als zum Nachdenken<br />
an. In einer Vorankündigung auf<br />
eine Abendunterhaltung des Naturheilvereins<br />
Arbon wird darauf<br />
hingewiesen dass die Veranstaltung<br />
«punkt 8Uhr» beginnt. Und<br />
man freute sich nicht etwa auf viele<br />
Besuchern, nein, eine rege Beteiligung<br />
wurde erwartet. Eine weitere<br />
Anzeige zeigt, wie sich der<br />
Zeitgeist in 100 Jahren ändern<br />
kann: Ein Geschäft aus Konstanz<br />
bot damals Hüte, Mützen und Pelzwaren<br />
an –und sah wohl nichts<br />
Verwerfliches dabei, diese auch<br />
gleich mit einer Zeichnung eines<br />
Wolfes, eines Bären, eines Tigers<br />
und eines Geparden zu bewerben.<br />
Benjamin Gahlinger<br />
Das Archiv des «Oberthurgauers»<br />
wurde freundlicherweise von<br />
Hans Geisser, dem Konservator<br />
des Historischen Museums Arbon<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Hintergrund<br />
Bilder: bg<br />
Die Demokratische Partei der<br />
Schweiz hat sich auf Bundesebene<br />
nach der Totalrevision der<br />
Schweizer Bundesverfassung im<br />
Jahr 1874 aufgelöst, da sie ihre<br />
Ziele erreicht hatte. Im Anschluss<br />
wurden in verschiedenen<br />
Kantonen, so auch in St.<br />
Gallen (1881) und im Thurgau<br />
(1891) Kantonalparteien gegründet,<br />
welche jedoch nach<br />
1930 aufgelöst wurden.<br />
Quelle: Wikipedia<br />
Wasich noch zu<br />
sagen hätte<br />
Tigerpelze im<br />
«Oberthurgauer»<br />
Geschichte muss, damit sie interessant<br />
wird, nicht immer weltbewegend<br />
sein. Das beste Beispiel<br />
dafür ist die <strong>Ausgabe</strong> des<br />
«Oberthurgauers» vom 3. Dezember<br />
1912, die im Artikel links<br />
der Kolumne etwas genauer unter<br />
die Lupe genommen wurde. Es<br />
sind nicht nur die journalistischen<br />
Texte in der Zeitung, die etwas<br />
über die damalige Zeit, genauer<br />
über den damaligen Zeitgeist<br />
aussagen, es sind auch Details,<br />
die aussagekräftiger werden,<br />
je länger der Zeitpunkt der<br />
Veröffentlichung in die Ferne<br />
rückt. Eine Anzeige beispielsweise,<br />
die den Pelzhandel einer<br />
Firma bewirbt und mir nichts dir<br />
nichts als Illustration dazu Bilder<br />
von exotischen Tieren wie Leoparden,<br />
Bären, Tigern und Löwen<br />
abdruckt. Das überrascht eigentlich<br />
nicht weiter, denn das<br />
Jahr 1912 war bis anhin nicht als<br />
Das Wetter wird Ihnen präsentiert von:<br />
Bodensee Nachrichten<br />
Vorhersage für Samstag<br />
Recht wechselhaft und winterlich<br />
kalt präsentiert sich das<br />
Wetter dieser Tage. Zunächst<br />
kann es am Samstag auch noch<br />
etwas schneien. Bis zum Sonntag<br />
beruhigt sich das Wetter<br />
etwas und Aufhellungen sind<br />
möglich. Am Montag kommt<br />
aber bereits das nächste Tiefdruckgebiet.<br />
Biowetter<br />
Besonders Rheumatiker leiden<br />
unter dem herrschenden Wetter.<br />
Sie klagen daher auch häufiger<br />
über Schmerzen in Gelenken und<br />
an Narben. Zudem sind auch kolikartige<br />
Schmerzen im Verdauungstrakt<br />
ein Thema.<br />
Bauernregel<br />
Herrscht im Dezember recht strenge<br />
Kält‘, sie volle 18 Wochen hält.<br />
Sonne: Auf- und Untergang<br />
08:00 Uhr 16:36 Uhr<br />
Neumond: 13.12.2012<br />
1:46 Uhr 13:14 Uhr<br />
1°<br />
-2°<br />
Bergwetter<br />
-1°<br />
-5°<br />
4000 m -22°<br />
3000 m -16°<br />
2000 m -10°<br />
1000 m -3°<br />
das Jahr des Tierschutzes bekannt.<br />
Früher war eben doch<br />
nicht alles besser –höchstens für<br />
die Pelzhändler.<br />
Etwas irritierend sind auch die<br />
martialischen Töne der damaligen<br />
Politiker. Selbst politische<br />
Hardliner würden es heutzutage<br />
niemals wagen, davon zu sprechen,<br />
«Blut für das Vaterland zu<br />
opfern».<br />
Ein Blick zurück kann aber auch<br />
zum Schmunzeln anregen: Dann<br />
beispielsweise, wenn man den<br />
Preis für das Jahresabo nachliest:<br />
Wenn die heutigen Tageszeitungen<br />
noch für sieben Franken<br />
im Jahr zu haben wären, hätten<br />
sie wohl weniger mit rücklaufenden<br />
Aboverkäufen zu<br />
kämpfen ...<br />
Benjamin Gahlinger<br />
Sonntag<br />
0°<br />
-5°<br />
Montag<br />
2°<br />
-2°<br />
0°<br />
-3°<br />
-2°<br />
-5°<br />
ODo49