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1. - Aktuelle Ausgabe

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Seite 6 Region Bodensee Nachrichten, 7. Dezember 2012<br />

Ein spezieller Wunschzettel<br />

Weihnachtsgeschichte einer Leserin Teil 1<br />

Kathrin sass in ihrem Zimmer und<br />

schnipselte an einer Weihnachtskarte<br />

herum. Eigentlich<br />

hatte sie kleine Tännchen ausschneiden<br />

wollen, diese dann aufkleben<br />

und mit Watte verzieren.<br />

Aber es war schwieriger als sie<br />

dachte und sie hatte die Freude<br />

verloren. Seufzend stand sie auf<br />

und ging in das Büro ihrer Mutter.<br />

Diese arbeitete oft zu Hause.<br />

Sie nahm dann jeweils die Sachen<br />

vom Geschäft mit. Kathrin<br />

wusste, dass sie ihre Mutter nicht<br />

stören sollte bei der Arbeit. Die<br />

Reaktion war jeweils: «Ach, Kind,<br />

was willst du denn schon wieder?<br />

Ich habe jetzt wirklich keine<br />

Zeit. Komm später.»<br />

Aber «später» war dann die Mamaimmermüdeodermusstenoch<br />

Wäsche machen oder einen wichtigen<br />

Artikel durchlesen oder sich<br />

mit Papa zanken, weil dieser wieder<br />

irgendetwas falsch gemacht<br />

hatte. Kathrin öffnete die Bürotüre<br />

einen Spaltbreit und spähte<br />

in den Raum. Die Mama sass am<br />

Schreibtisch vor dem Computer<br />

und sah ganz konzentriert auf den<br />

Bildschirm. «Du, Mama», begann<br />

Kathrin ganz zaghaft, «kannst du<br />

mir helfen bei den Weihnachtskärtchen.<br />

Ich kriege das einfach<br />

nicht hin.» Mit einem genervten<br />

Blick dreht sich die Mutter auf ihrem<br />

Bürostuhl zu Kathrin herum.<br />

«Du siehst doch, dass das jetzt<br />

nicht geht. Ich habe jetzt wirklich<br />

keine Zeit. Komm später.»<br />

«Aber in einer Woche ist Weihnachten<br />

und ich muss doch die<br />

Kärtchen fertig kriegen für die<br />

Oma und den Opa.» Doch die<br />

Mutter hörte ihr schon gar nicht<br />

mehr richtig zu, sondern war<br />

schon wieder in ihren Artikel vertieft.<br />

Kathrin schloss leise die Türe<br />

und schlurfte mit hängendem<br />

Kopf in ihr Zimmer zurück. Das<br />

war so ungerecht. Sandras Mutter<br />

hatte immer Zeit. Aber zu<br />

Sandra konnte sie jetzt auch nicht<br />

gehen. Mit der hatte sie sich zerstritten.<br />

Kathrin und Sandra waren<br />

bis gestern unzertrennliche<br />

Freundinnen gewesen. Sie hatten<br />

alles zusammen gemacht.<br />

Aber gestern hatten sie sich<br />

fürchterlich gestritten. Kathrin<br />

hatte immer noch eine Stinkwut<br />

im Bauch. Doch umso länger sie<br />

an Sandra dachte, verwandelte<br />

sich ihre Wut in Traurigkeit. Eigentlich<br />

hatte sie Sandra ja doch<br />

noch gerne. Sie beschloss, dem<br />

Christkind zu schreiben. Dieses<br />

konnte ja alle Wünsche erfüllen<br />

und diesmal wünschte sie sich mal<br />

etwas ganz Ausserordentliches.<br />

Kathrin holte ein farbiges Blatt<br />

Papier und einen Schreiber und<br />

setzte sich an den Tisch in ihrem<br />

Zimmer.<br />

Liebes Christkind, begann sie.<br />

Duwartestsicherschonlangeauf<br />

meinenWunschzettel.Aberdaich<br />

schon so viele Spielsachen habe,<br />

wusste ich bis jetzt noch gar<br />

nicht, was ich mir wünschen soll.<br />

Meine Eltern schenken mir immer<br />

ganz viele Sachen, dafür haben<br />

sie keine Zeit für mich. Und<br />

nun wünsche ich mir ganz fest,<br />

dass Sandra wieder meine beste<br />

Freundin wird, damit ich wieder<br />

jemanden habe, der mit mir<br />

Zeit verbringt. Eigentlich hätte<br />

ich lieber, meine Eltern hätten<br />

mehr Zeit, zum Beispiel, um mit<br />

mir Guetzli zu backen. Aber meine<br />

gestresste Mama kauft die lieber<br />

beim Beck. Ich will auch ganz<br />

artig sein, wenn Sandra wieder<br />

meine Freundin, wird. Es wäre<br />

so schön, wenn ich wieder jemanden<br />

zum Spielen hätte. Liebe<br />

Grüsse, Kathrin<br />

Das Mädchen hatte gar nicht gemerkt,<br />

wie die Zeit verging.<br />

Draussen war es schon lange dunkel<br />

geworden. Kathrin schob den<br />

Brief in ein Couvert und sauste<br />

damit in die Küche. Dort wäre sie<br />

beinahe mit ihrer Mutter zusammengeprallt.<br />

«Was willst du denn noch?»<br />

«Ich muss noch etwas Zucker auf<br />

meinen Wunschzettel streuen,<br />

damit ihn das Christkind auch<br />

sieht.<br />

«Du hast deinen Wunschzettel<br />

geschrieben? Das ist aber toll.<br />

Meinst du das Christkind kommt<br />

dieses Jahr?», fragte die Mutter<br />

schmunzelnd.<br />

«Ja!», meinte Kathrin ganz überzeugt.<br />

«So nun musst du aber schleunigst<br />

noch etwas essen und dann<br />

ab ins Bett.»<br />

«Wo ist Papa?»<br />

«Noch nicht zu Hause.»<br />

«Und wann kommt er?»<br />

«Ich weiss es nicht. Komm, mach<br />

jetzt vorwärts.»<br />

«Ich habe ihn aber den ganzen Tag<br />

nicht gesehen.»<br />

Während Kathrin nun an einem<br />

Stück Butterbrot rumkaute, verschmierte<br />

sie auf ihrem Wunschzettelcouvert<br />

Leim und streute<br />

Zucker darauf. So glitzerte der<br />

Zucker im Sternenschein und das<br />

Christkind würde den Brief besser<br />

sehen. Dann legte sie den Brief<br />

auf ihr Fenstersims und kroch ins<br />

Bett. Es dauerte nicht lange, bis<br />

sie eingeschlafen war.<br />

Die Fortsetzung der Geschichte<br />

sehen Sie in der nächsten <strong>Ausgabe</strong><br />

der Bodensee Nachrichten.<br />

Claudia Thurnherr<br />

Rorschacherberg<br />

Amnesty bittet zum Tee<br />

RORSCHACH Gemütliche Tee- und Schreibstube im Ex-Ex-Libris<br />

Am Montag, 10. Dezember ist<br />

Menschenrechtstag.Dawird<br />

die Amnesty-Gruppe Rorschach<br />

ab 10 Uhr im Ex-Ex-Libris<br />

eine gemütliche Tee- und<br />

Schreibstube einrichten, wo<br />

man vorformulierte Briefe für<br />

Gewissengefangene unterschreiben<br />

kann.<br />

Die Aktion findet am 10. Dezember<br />

weltweit statt und bringt entsprechend<br />

gute Resultate: Jedes<br />

Jahr kommt es zu Freilassungen,<br />

es lohnt sich also unbedingt, dabei<br />

zu sein. Dieses Jahr handelt es sich<br />

um Laisa Santos Sampaio in Brasilien:<br />

Sie versucht, den Regenwald zu<br />

retten und bekommt deshalb ständig<br />

Morddrohungen. Ihre Schwester<br />

und ihr Schwager wurden be-<br />

Kennen Sie den Grittibänz?<br />

Eine Geschichte zum Menschenrechtstag einer Leserin<br />

Ja sicher werden Sie<br />

sagen, den hab ich<br />

doch an jedem 6. Dezember<br />

auf meinem<br />

Teller – oder jedenfalls<br />

in der Hand –und<br />

da bleibt er nicht lange.<br />

Wenn das alles ist,<br />

was Sie von ihm wissen,<br />

dann kennen Sie<br />

ihn noch nicht sehr<br />

gut, und das soll sich<br />

jetzt ändern. Da war<br />

nämlich einmal einer<br />

übriggeblieben beim<br />

Beck Egger, und der<br />

fühlte sich furchtbar<br />

einsam und traurig.<br />

«Immer das Gleiche»<br />

sagte er sich, «am<br />

6. Dezember bin ich<br />

der Star und am 7. ist<br />

es schon aus mit mir.<br />

Ich hätte so gern ein<br />

Gspänli, das es etwas länger aushält<br />

als ich!» Am Abend brachte<br />

ihn die Verkäuferin zurück in die<br />

Backstube, und da musste er nun<br />

mit seinen schweren Gedanken<br />

ein ganzes Wochenende vor sich<br />

hintrocknen. Aber als danach am<br />

frühen Morgen die Arbeit in der<br />

Backstube wieder begann, da sah<br />

er, wie ein Brötchen gebacken<br />

wurde, das er im Laden noch nie<br />

gesehen hatte: Etwa so gross und<br />

schlank wie er selber,eine Art Kopf<br />

hatte es auch aus feinem Brotteig.<br />

Es duftete wunderbar. Als es<br />

aus dem Ofen kam und ganz frisch<br />

war.Zufällig kam es neben den nun<br />

wirklich alten Grittibänz zu liegen,<br />

der sich mit letzter Kraft erkundigte,<br />

wer es denn sei. «Ich bin<br />

die Amnesty-Kerze, sprach es,<br />

«mit mir feiert man den Menschenrechtstag!»<br />

–«Was ist das für<br />

ein Tag?», wollte der Bänz wissen.<br />

«Der zehnte Dezember. Da<br />

haben die Vereinten Nationen beschlossen,<br />

wie sie in Zukunft mit<br />

den Menschen umgehen wollen –<br />

nämlich anständig.» –«Das ist ja<br />

wirklich ein Grund zum Feiern»,<br />

freute sich der Bänz, «wenn sie<br />

es denn wirklich tun…» -«Sie tun<br />

reits von Auftragsmördern der<br />

grossen Konzerne umgebracht.<br />

Dann um Narges Mohammadi, eine<br />

iranische Journalistin, die wegen<br />

ihres Einsatzes für die Menschenrechte<br />

zu sechs Jahren Haft<br />

verurteilt wurde.<br />

Persönliche Grüsse<br />

an die Gefangenen<br />

Und schliesslich um den chinesischen<br />

Rechtsanwalt Gao Zhisheng,<br />

der aus dem gleichen Grund<br />

eine Haftstrafe von drei Jahren verbüsst<br />

und massiv gefoltert wurde.<br />

Besonders schön ist es, dass man<br />

diesmal den Gefangenen auch persönliche<br />

Grüsse schicken kann. In<br />

der Schreibstube liegen Karten dafür<br />

bereit, und nichts kann diese<br />

Menschen mehr freuen als Grüsse<br />

aus der ganzen Welt. Wereine Vier-<br />

es leider nicht immer,<br />

und nicht alle. Ich wurde<br />

erfunden von Leuten,<br />

die sie immer wieder daran<br />

erinnern, dass sie es<br />

tun sollten…» –«Dann<br />

bist du die Kollegin, auf<br />

die ich mein Leben lang<br />

gewartet habe», flüsterte<br />

der Bänz mit heiserer,<br />

aber froher Stimme<br />

(denn er wurde eben immer<br />

trockener in der<br />

warmen Backstube).<br />

«Nur schade, dass du soviel<br />

jünger bist als ich –<br />

dich hätte man viel früher<br />

erfinden sollen!» –Du<br />

bist eben der Ältere, und<br />

deshalb lasse ich dir auch<br />

den Vortritt. Meine<br />

Flamme wird erst am<br />

zehnten Dezember angezündet,<br />

aber sie brennt<br />

nachher das ganze Jahr.» Mit einem<br />

zufriedenen Lächeln auf dem<br />

Gesicht löst sich nun der Grittibänz<br />

in seine Bestandteile auf, und<br />

die Amnesty-Kerze übernahm<br />

freudig seine Rolle. Im folgenden<br />

Dezember kannten die Menschen<br />

ihn nun ganz genau, und die Amnesty-Kerze<br />

kannten sie auch: Die<br />

gab es am zehnten Dezember zum<br />

Frühstück.<br />

Judith Vuillemin, Mitglied der<br />

Amnesty International Gruppe<br />

Rorschach.<br />

Die Amnesty International Gruppe Rorschach lädt ein in die gemütliche Tee- und Schreibstube –ein Besuch lohnt sich!<br />

Symbolbild: fotolia.de<br />

telstunde seiner Zeit zum Briefe-<br />

Schreiben verwenden mag, trägt<br />

dazu bei, diesen Gefangenen Jahre<br />

der Freiheit zu schenken.<br />

Schülerchor und Amnesty-Kerzen<br />

aus Brotteig<br />

Am Abend wird auch die kleine<br />

Veranstaltung auf dem Lindenplatz<br />

von Amnesty gestaltet. Das<br />

Adventsfenster illustriert eben den<br />

Sinn des Briefe-Schreibens; für<br />

festliche Stimmung sorgt ein Schülerchor<br />

vom Klosterguet mit seiner<br />

Lehrerin Hanna Schweizer-<br />

Dörig. –Wer die Amnesty-Kerze aus<br />

Brotteig noch nicht kennt, die von<br />

der Bäckerei Egger eigens für den<br />

10.Dezember gebackenwird,kann<br />

sie auf dem Lindenplatz kennen<br />

lernen.<br />

pd

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