seitenbühne 11–12 - Niedersächsische Staatstheater Hannover
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10.<br />
11 oper<br />
unterschwellig doch miteinander verbunden sind. Ähnliche Paa-<br />
rungen finden sich in vielen Texten Hofmannsthals: Elektra und Chry-<br />
sotemis etwa oder die »Arabella des Tages« und Zdenka, die »Arabella<br />
der Nacht«, oder die merkwürdig schizophrene Figur Maria/Mariquita<br />
im Andreas-Roman. Immer wieder werden Reinheit und Sünde, Treue<br />
und Untreue, Weltflucht und Kommunikation, Beharrung und Verwandlung<br />
des Menschen einander gegenübergestellt.<br />
»Zerbinetta ist in ihrem Element, wenn sie von einem zum andern<br />
taumelt. Ariadne konnte nur eines Mannes Gattin oder Geliebte, sie<br />
kann nur eines Mannes Hinterbliebene, Verlassene sein«, schrieb<br />
Hofmannsthal im berühmten Ariadne-Brief an seinen Komponisten<br />
und versuchte, diesem den philosophischen Überbau seines Librettos<br />
zu erklären: »Es handelt sich um ein simples und ungeheueres<br />
Lebensproblem: das der Treue. An dem Verlorenen festhalten, ewig<br />
beharren, bis an den Tod – oder aber leben, weiterleben, hinwegkommen,<br />
sich verwandeln, die Einheit der Seele preisgeben.«<br />
Doch es bleibt nicht beim bloßen Kontrast zweier Opernformen und<br />
Prinzipien. Das Verbindende im scheinbar Gegensätzlichen zu zeigen,<br />
war eines der wesentlichen dichterischen Anliegen Hugo von<br />
Hofmannsthals. Und so verschränken sich schon im Vorspiel die<br />
Truppen: Der Komponist verliebt sich in die scheinbar treulose und<br />
flatterhafte Zerbinetta, den personifizierten Kontrast zu seiner Oper<br />
Ariadne und der eigenen Lebenseinstellung. Denn Zerbinetta entdeckt<br />
in dem Komponisten ihre Sehnsucht nach einem Ariadne-<br />
Erlebnis, die Sehnsucht nach »dem Einen, dem sie treu sein könnte,<br />
treu bis ans Ende«. Und wenn Ariadne sich schließlich doch einem<br />
Fremden, Bacchus, hingibt, glaubt Zerbinetta die eigene Lebensphilosophie<br />
bestätigt: »Kommt der neue Gott gegangen, hingegeben<br />
sind wir stumm.«<br />
Den »neuen Gott« erkennt Ariadne jedoch nicht in seiner wahren<br />
Gestalt. Sie glaubt bis zuletzt, dem Tod zu begegnen: »O Todesbote!<br />
Süß ist deine Stimme.« Hofmannsthal selbst schrieb dazu in einem<br />
Brief: »Sie hält ihn (Bacchus) für einen andern, für Hermes, den<br />
Todesboten, der sie hinabzuholen kommt. Es bleibt bei dem Irrtum:<br />
der Irrtum ist so schön.« Ariadne bleibt Ariadne, es gibt keine Kommunikation<br />
mit Zerbinetta und kein Zerbinetta-Erlebnis. Ariadne<br />
bleibt dem einen Mann treu – bis in den Tod.<br />
Die selbst auferlegte Distanz zum Theater konnten oder wollten die<br />
Autoren hier nicht mehr halten: Nicht mit dem Rahmen des Vorspiels,<br />
nicht mit einem Abschluss des Spiels im Spiel, nicht mit Komödie<br />
und Persiflage schließt die Oper, sondern mit spätroman-<br />
tischem Pathos und glühender Emphase. Ariadne erstarrt im Duett<br />
mit Bacchus während einer mächtigen Steigerung zur Schlussapotheose<br />
zum Bild einer sich dem Tod hingebenden und erst im Tod<br />
Erlösung findenden Frau. »Schön« nennt Hofmannsthal den Irrtum<br />
der Ariadne, und eine berauschend schöne, üppig blühende Musik<br />
von Strauss liefert den glänzenden Goldgrund dieses ornamentalen<br />
Jugendstil-Bildes.<br />
Zeit seines Lebens war sich Hofmannsthal einer »Gefahr der Isoliertheit,<br />
des selbstischen Erstarrens« (Ad me ipsum) der eigenen Person<br />
und seines literarischen Werkes bewusst. Mit einer aktiven Hinwendung<br />
zur Kommunikation und zum Mitmenschen suchte er immer<br />
wieder seinen, wie er formulierte, »Weg zum Sozialen« aus der Einsamkeit<br />
des Ästhetizismus. Zerbinetta und Ariadne vertreten diese<br />
gegensätzlichen Möglichkeiten von Kunstauffassung und Lebenseinstellung.<br />
Ariadne auf Naxos ist der Versuch, sie in einen Dialog<br />
treten zu lassen.<br />
AriAdne AUf nAxoS<br />
Oper von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss (1916)<br />
MUSiKAliSChe leitUng Karen Kamensek inSzenierUng Ingo Kerkhof Bühne Anne<br />
Neuser KoStüMe Inge Medert ChoreogrAPhie Mathias Brühlmann liCht Claus<br />
Ackenhausen drAMAtUrgie Dorothea Hartmann<br />
der hAUShofMeiSter Sigrun Schneggenburger ein MUSiKlehrer Stefan Adam der<br />
KoMPoniSt Julia Faylenbogen der tenor/BACChUS Robert Künzli ein offizier Edgar<br />
Schäfer ein PerüCKenMACher Roland Wagenführer ein tAnzMeiSter/BrighellA Ivan<br />
Tursic , ein lAKAi Frank Schneiders zerBinettA Ina Yoshikawa PriMAdonnA/AriAdne<br />
Brigitte Hahn hArleKin Christopher Tonkin SCArAMUCCio Tivadar Kiss trUffAldino<br />
Young Kwon nAjAde Dorothea Maria Marx dryAde Julie-Marie Sundal eCho Sara<br />
Eterno <strong>Niedersächsische</strong>s Staatsorchester <strong>Hannover</strong><br />
einführUngSMAtinee 27. November 2011, 11 Uhr, Laves-Foyer<br />
öffentliChe generAlProBe 01. Dezember 2011, 18.30 Uhr<br />
PreMiere 03. Dezember 2011, 19.30 Uhr<br />
Weitere VorStellUngen 03., 10., 16. und 28. Dezember 2011<br />
feStliCher oPernABend am 18. Januar 2012 mit Camilla Nylund als »Ariadne«<br />
und Michelle Breedt als »Komponist«