George Orwell - Mein Katalonien (1938)
George Orwell - Mein Katalonien (1938)
George Orwell - Mein Katalonien (1938)
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Faschisten getötet hätte. Bei Monte Oscuro lagen sich die Kampflinien näher, und man feuerte<br />
öfter, aber ich bin ziemlich sicher, dass ich nie jemanden getroffen habe. Tatsächlich war an<br />
dieser Front und zu dieser Zeit des Krieges die wirkliche Waffe nicht das Gewehr, sondern<br />
das Megaphon. Da man den Feind nicht töten konnte, schrie man statt dessen zu ihm hinüber.<br />
Diese Methode der Kriegführung ist so außergewöhnlich, dass ich sie beschreiben muss.<br />
Dort, wo sich die Kampflinien auf Rufweite gegenüberlagen, gab es immer allerhand<br />
Geschrei von Schützengraben zu Schützengraben. Von uns: »Fascistas - maricones!« Von den<br />
Faschisten: »Viva Espana! Viva Franco!« — oder wenn sie wussten, dass ihnen Engländer<br />
gegenüberlagen: »Geht nach Hause, ihr Engländer! Wir wollen keine Fremden hier!« Auf der<br />
Regierungsseite, in den Parteimilizen, hatte man das Propagandageschrei zur Unterminierung<br />
der geg-<br />
nerischen Moral zu einer richtigen Technik entwickelt. In jeder günstig gelegenen Stellung<br />
wurden Soldaten, gewöhnlich Maschinengewehrschützen, als »Schreier vom Dienst«<br />
abkommandiert und mit Megaphonen ausgerüstet. Im allgemeinen verkündeten sie einen<br />
festgelegten Text voller revolutionärer Töne, worin den faschistischen Soldaten erklärt wurde,<br />
dass sie bloß Söldlinge des internationalen Kapitalismus seien, dass sie gegen ihre eigene<br />
Klasse kämpften und so fort, und man beschwor sie, auf unsere Seite zu kommen. Diese<br />
Parolen wurden von sich ununterbrochen ablösenden Propagandisten wiederholt, manchmal<br />
dauerte es fast die ganze Nacht. Es ist kaum zu bezweifeln, dass dies eine Wirkung ausübte.<br />
Jeder stimmte damit überein, dass die vereinzelt zu uns kommenden faschistischen Deserteure<br />
teilweise durch diese Parolen beeinflusst wurden. Wenn man sich vorstellt, dass irgendein<br />
armer Teufel - sehr wahrscheinlich ein sozialistisches oder anarchistisches<br />
Gewerkschaftsmitglied, gegen seinen Willen zur Wehrpflicht gezwungen - auf seinem<br />
Wachtposten fror, so musste die Parole »Kämpfe nicht gegen deine eigene Klasse!«, die<br />
dauernd durch die Nacht klang, vielleicht gerade die schmale Grenze zwischen Fahnenflucht<br />
und Aushalten bei ihm berühren. Natürlich stimmt dieses Verfahren nicht mit der englischen<br />
Anschauung vom Krieg überein. Ich gebe zu, dass ich erstaunt und empört war, als ich zum<br />
ersten Mal sah, wie es gemacht wurde. Man denke sich, ein Versuch, den Feind zu überreden,<br />
statt ihn zu erschießen! Heute jedoch bin ich der <strong>Mein</strong>ung, dass es in jeder Hinsicht eine<br />
legitime Kriegslist war. Im gewöhnlichen Stellungskrieg ist es ohne Artillerie äußerst<br />
schwierig, dem Feind Verluste beizubringen, ohne sie in gleicher Höhe selbst zu erleiden. Um<br />
so besser ist es, wenn man eine bestimmte Anzahl von Gegnern ausschalten kann, indem man<br />
sie zur Fahnenflucht überredet. Deserteure sind sogar nützlicher als Leichen, denn sie können<br />
Informationen geben. Aber anfangs brachte uns das alles zur Verzweiflung. Es gab uns das<br />
Gefühl, dass die Spanier ihren Krieg nicht genügend ernst nähmen. Der Mann, der die Parolen<br />
auf dem P.S.U.C.-Posten rechts unterhalb von uns hinüberschrie, war ein Künstler in seinem<br />
Beruf. Statt revolutionäre Losungen zu verbreiten, erzählte er manchmal den Faschisten, wie<br />
viel besser als sie wir ernährt würden. Sein Bericht über die Rationen auf der Regierungsseite<br />
neigte dazu, ein bisschen phantasiereich zu sein: »Toast mit Butter!« -man konnte seine<br />
Stimme als Echo über das einsame Tal schallen hören. »Wir setzen uns hier gerade hin und<br />
essen gebutterten Toast! Liebliche Schnitten mit gebuttertem Toast!« Ich zweifle nicht, dass<br />
er während der letzten Wochen oder Monate genau wie jeder von uns Butter nicht gesehen<br />
hatte. Aber wahrscheinlich ließ in einer eiskalten Nacht die Ankündigung von gebuttertem<br />
Toast vielen Faschisten das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sogar mir lief es im Mund<br />
zusammen, obwohl ich wusste, dass er log.<br />
Im Februar sahen wir eines Tages, wie sich uns ein faschistisches Flugzeug näherte. Wie<br />
gewöhnlich wurde ein Maschinengewehr nach draußen gezerrt und sein Lauf aufwärts<br />
gerichtet. Jeder lag auf dem Rücken, um gut zielen zu können. Unsere isolierten Stellungen<br />
waren keine Bombe wert, und in der Regel machten die wenigen faschistischen Flugzeuge,<br />
die über uns hinwegflogen, einen Bogen um uns herum, um dem Maschinengewehrfeuer zu<br />
entgehen. Dieses Mal kam das Flugzeug gerade über uns hinweg, aber zu hoch, als dass es<br />
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