George Orwell - Mein Katalonien (1938)
George Orwell - Mein Katalonien (1938)
George Orwell - Mein Katalonien (1938)
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Kavalleriehelme aus Messing, leere Säbelscheiden und verfaulende Verpflegung.<br />
Lebensmittel wurden fürchterlich vergeudet, besonders das Brot. Nach jeder Mahlzeit wurde<br />
allein aus meiner Stube ein Korb voll Brot weggeworfen, eine schimpfliche Sache, wenn<br />
gleichzeitig die Zivilbevölkerung danach darbte. Wir aßen aus ständig schmierigen kleinen<br />
Blechpfannen und saßen an langen Tischplatten, die man auf Böcke gelegt hatte. Wir tranken<br />
aus einem scheußlichen Gefäß, das man porron nannte. Ein porron ist eine Glasflasche mit<br />
einer spitzen Tülle, aus der ein dünner Strahl Wein spritzt, wenn man die Flasche kippt. So<br />
kann man aus einiger Entfernung trinken, ohne die Flasche mit den Lippen zu berühren, und<br />
sie kann von Hand zu Hand weitergereicht werden. Sobald ich einen porron in Gebrauch sah,<br />
streikte ich und verlangte einen Trinkbecher. In meinen Augen ähnelten diese Trinkflaschen<br />
allzu sehr Bettflaschen, besonders, wenn sie mit Weißwein gefüllt waren.<br />
Nach und nach wurden Uniformen an die Rekruten ausgegeben, und da wir in Spanien waren,<br />
wurde alles einzeln verteilt, so dass niemand genau wusste, wer was erhalten hatte. Manches,<br />
was wir am nötigsten gebrauchten, wie etwa Koppel und Patronentaschen, wurde erst im<br />
letzten Augenblick ausgegeben, als der Zug, der uns an die Front bringen sollte, schon<br />
wartete. Ich habe von einer »Uniform« der Miliz gesprochen, das erweckt wahrscheinlich<br />
einen falschen Eindruck. Es war eigentlich keine Uniform, und vielleicht wäre >Multiform<<br />
der richtige Name dafür. Die Einkleidung jedes einzelnen erfolgte zwar nach demselben<br />
allgemeinen Plan, aber man erhielt nicht in zwei Fällen das gleiche. Praktisch trug jeder in der<br />
Armee Kordkniehosen, aber damit hörte die Uniformität auf. Einige trugen<br />
Wickelgamaschen, andere Kordgamaschen, wieder andere lederne Gamaschen oder hohe<br />
Stiefel. Jeder trug eine Jacke mit Reißverschluss, aber einige der Jacken waren aus Leder,<br />
andere aus Wolle und in allen erdenklichen Farben. Die Form der Mützen war genauso<br />
unterschiedlich wie die Leute, die sie trugen. Normalerweise schmückte man die Mütze vorne<br />
mit einem Parteiabzeichen, außerdem band sich fast jeder ein rotes oder rot-schwarzes<br />
Taschentuch um den Hals. Eine Milizkolonne war damals ein außergewöhnlich bunter<br />
Haufen. Aber man musste die Kleidung eben dann verteilen, wenn sie von der einen oder<br />
anderen Fabrik überstürzt geliefert wurde. In Anbetracht der ganzen Umstände war es nicht<br />
einmal eine so schlechte Kleidung. Hem-<br />
den und Socken allerdings waren aus miserabler Baumwolle, vollständig nutzlos bei Kälte.<br />
Ich wage nicht auszudenken, was die Milizsoldaten während der ersten Monate erduldet<br />
haben müssen, als noch nichts organisiert war. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal eine<br />
etwa zwei Monate alte Zeitung las, in der ein P.O.U.M-Führer (Anm.: Arbeiterpartei der<br />
marxistischen Einigung (Partido Obrero de Unificacion Marxista).) nach dem Besuch der<br />
Front schrieb, er wolle sich darum kümmern, dass »jeder Milizsoldat eine Decke bekommt«.<br />
Dieser Satz lässt einen schaudern, wenn man jemals in einem Schützengraben geschlafen hat.<br />
Nachdem ich zwei Tage in der Kaserne war, begann man mit der >Instruktion