aktuelle ausgabe (.pdf) - Landesverband Amateurtheater RLP
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Küss mich, bitte bitte küss mich<br />
Wie man auch ohne Nähe Nähe herstellen kann<br />
Am 28. und 29. 04. fand der Workshop LOVE-LOVE-LOVE in Bad Kreuznach statt.<br />
Heike Meyer-Netscher führte eine kleine aber umso motiviertere Gruppe in die Geheimnisse der Liebesszenen ein.<br />
Und das Erstaunlichste: Oft benötigt es gar keine körperliche Nähe, um Intimität und Verbundenheit zu zeigen. Übung<br />
eins: Blickkontakt auf die Entfernung halten (oder bewußt wegnehmen), und somit eine enge Beziehung aufbauen.<br />
Die Partner umschleichen sich, beäugen und verfolgen sich, eine fast greifbare Spannung baut sich im Raum auf.<br />
Gleiches auch anders herum. Ein Paar sitzt am Tisch, und hat sich gerade getrennt, schweigt sich an. Dies ist eine<br />
Übung zum Status. Einer unterwürfig, einer stark. Dazu braucht man keine Worte. Blicke, Körperhaltungen reichen.<br />
Status und Statuswechsel machen die Grundspannung beim Theaterspielen aus. Eine Figur mit immer dem gleichen<br />
Status wird langweilig. Und nicht immer ist der offensichtliche Status der wirkliche Status.<br />
Was aber tun, wenn wir Nähe, Liebe, Zuneigung aufbauen sollen, und dazu einen Text bekommen, der nicht unserer<br />
ist, fremd klingt, vielleicht steif. Auch dazu hat Heike eine Lösung. Fluchs werden Sätze auswendig gelernt, und dazu<br />
verschiedene Szenarien entworfen. Einmal freudig erregt, weil ein Gehaltserhöhung gewährt wurde, und somit die<br />
Verlobung gesichert ist, einmal mit der Kündigung in der Tasche, die dies eben nicht zulässt, einmal ein Wiedersehen<br />
nach zwei Jahren Gefängnis.<br />
Und es ist erstaunlich, welches Eigenleben die Figuren plötzlich bekommen. Nur eine Nuance verändert, und aus dem<br />
unterwürfigen, reumütigen Ehemann wird ein leicht aggressiver Heimkehrer. Und wieder wird die Spannung und die<br />
Nähe erzeugt durch Statuswechsel der einzelnen Figuren.<br />
Weitere Übung zur Status, zu Nähe und Distanz, zu partnerorientiertem Spielen folgen, bevor es in die eigentlichen<br />
Liebesszenen und somit auch zu den Kußszenen kommt (Anmerkung des Autor: Dass im Übungsraum ein Bett stand<br />
ist rein zufällig…).<br />
Und siehe da, Küssen macht Spass (das es Tricks gibt, die das küssen nur so aussehen lassen, verraten die<br />
Teilnehmer nur auf Verlangen). Ob auf der Parkbank oder nach einem Eishockeyspiel, ob als Ablenkungsmanöver oder<br />
ehrliches Zeichen der Zuneigung, der Kuss kommt nie allein, ist immer vorbereitet, und sollte dennoch nicht<br />
vorhersehbar sein. Wir arbeiten an Details, hier ein Blick weniger, dort eine kleine Pause, und jede Veränderung<br />
verändert die Szene. Nicht immer zum Positiven, aber wir probieren aus, nehmen rein, lassen weg, ändern, bis wir<br />
uns dem nähern, was wir zeigen wollen. Und wir versuchen authentisch und ehrlich zu bleiben. Der Kuss als Ausdruck<br />
des intimen Moments, denn unsere Figuren schaffen. Und immer muss klar bleiben: Hier küssen sich die Rollen, nicht<br />
die Schauspieler. (Andreas Schnell).<br />
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