Zwei neue Partner für eine gute, «alte» Idee - HC Kriens-Luzern
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Kolumne 61. Minute<br />
CLUB<br />
Das Leben dauert nicht nur bis heute Abend<br />
Also ehrlich gesagt, liebe Leserinnen und Leser. Was mir da aus SNEIRK (der Ort, in<br />
dem der <strong>HC</strong> Traktor zu Hause ist) wieder zu Ohren gekommen ist … Kaum hatten die<br />
ersten Sonnenstrahlen des nahenden Frühlings die ersten Eiszapfen am Fähranleger<br />
über die Wolga getaut, hätten die Stadtgewaltigen auch schon wieder vom nächsten<br />
Winter geredet. Statt sich mal über den Frühling zu freuen, sagen sie im Dorf …<br />
Ich habe euch ja erzählt, dass ich öfters<br />
<strong>für</strong> m<strong>eine</strong> Touren unterwegs bin. M<strong>eine</strong><br />
Datschka, draussen am Stadtrand,<br />
sieht mich deshalb nicht mehr ganz so<br />
oft, seit ich auch noch Korrespondent<br />
bin <strong>für</strong> diese Zeitung hier. Das spielt im<br />
Moment aber auch k<strong>eine</strong> Rolle – denn<br />
da draussen liegt noch immer jede<br />
Menge Schnee und Eis. Zwar hatten<br />
wir jetzt hier die ersten sonnigen Tage,<br />
die vom nahenden Frühling kündeten.<br />
Aber so richtig geniessen mag man die<br />
ja bei noch immer 10 Grad unter Null<br />
noch nicht so richtig.<br />
Und dennoch: Wenn der Frühling Einzug<br />
hält, dann taut das Eis dennoch.<br />
Irgendwann und irgendwie. Und die<br />
Sonne wärmt auch etwas unsere Seelen<br />
nach <strong>eine</strong>m langen, harten Winter.<br />
Es war ein Rekordwinter – noch am<br />
18. März wurde davon berichtet, wie<br />
den Forstarbeitern die Bortsch im Teller<br />
gefror, die sie bei den Arbeiten im<br />
Birkenwald oben am m Dorf<br />
um die Mittags stunde de<br />
gegessen haben ...<br />
61. MINUTE<br />
Das ist der aktuelle Kreisläufer-<br />
Blog zu den Geschehnissen des<br />
Handballclub TRAKTOR SNEIRK,<br />
dem Grossverein aus dem gleichnamigen<br />
Ort in der südrussischen<br />
Provinz Nrezul. Korrespondent <strong>für</strong><br />
den Kreisläufer ist Igor Motzikov<br />
(78), orthodoxer Ortsgeistlicher und<br />
Waschmittel-Verkäufer im Aussendienst<br />
<strong>für</strong> die Braunkohle-Reviere<br />
Kirgisiens.<br />
KREISLÄUFER<br />
Und gerade dieses tauende Eis ist es,<br />
das bei uns im Ort gerade im Moment<br />
<strong>für</strong> viel Gesprächsstoff sorgt. Denn die<br />
Stadtgewaltigen haben bereits jetzt<br />
beschlossen, dass sie im nächsten<br />
Winter die Wolga eisfrei halten wollen.<br />
Dazu erhielten diese Woche alle Einwohner<br />
des Dorfes Post von der Regierung.<br />
Denn jeder Einwohner muss<br />
sich mit Arbeitseinsätzen auf dem<br />
Eisbrecher nächsten Winter nützlich<br />
machen.<br />
Darüber haben sich einige im Dorf kürzlich<br />
<strong>für</strong>chterlich genervt. Es könne doch<br />
nicht sein, dass man schon wieder zu<br />
Winterdienst verpflichtet werde, noch<br />
bevor der Winter so richtig gegangen<br />
sei. Leider ist dann beim Protestmarsch<br />
vom Wald in die Stadt der Kaffee in fast<br />
jeder Thermoskanne eingefroren, weshalb<br />
der Marsch bald schon sehr klein<br />
wurde.<br />
In ihrer Verzweiflung haben sich einige<br />
besorgte Bürger an mich gewandt. In<br />
langen Gesprächen an der offenen<br />
Feuerstelle habe ich ihnen zugehört. Ich<br />
begreife ja jeden, der heute nicht an<br />
übermorgen denken will, bevor er nicht<br />
weiss, wie das Wetter morgen ist. Was<br />
soll man denn sonst anziehen … Ich<br />
hielt es aber <strong>für</strong> m<strong>eine</strong> Aufgabe als Igor<br />
Motzikov, den Leuten auch m<strong>eine</strong> Sicht<br />
der Dinge darzulegen. Ich müsste ja<br />
sonst nicht Motzikov heissen … Dabei<br />
versuchte ich ihnen zu erklären, dass<br />
es manchmal ganz entscheidend sein<br />
könnte, dass die Chefs der Stadt eben<br />
nicht nur an heute, sondern vor allem<br />
auch an morgen und übermorgen<br />
denken.<br />
Begriffen haben sie es, als ich ihnen<br />
das Beispiel des Bauern Wiatscheslaw<br />
erzählte. Das ist der Bauer, der draussen<br />
bei m<strong>eine</strong>r Datschka heute alle<br />
Holzhäuser baut. Sein Vater Boris hatte<br />
einst den Hof von s<strong>eine</strong>m Grossvater<br />
Mrna geerbt. Irgendwann hatte Vater<br />
Boris erkannt, dass das mit den Kühen<br />
nichts mehr werden würde, weil das<br />
Landwirtschaftsland immer rarer wurde<br />
(unsere Stadt wächst ja rasant schnell).<br />
Also schickte er Wiatscheslaw auf die<br />
Schule der Zimmerleute – denn Wald<br />
hatten wir noch mehr als genug. Grossvater<br />
Mrna wuchsen deshalb viele,<br />
viele graue Haare im Bart, und der<br />
Kummer war gross, dass sein Enkel<br />
dereinst nicht mehr Bauer sein würde.<br />
Und Wiatscheslaw wäre ebenfalls<br />
lieber bei Kühen und Schw<strong>eine</strong>n im<br />
Stall gewesen, weshalb er ganz, ganz<br />
ordentlich motzte. Heute aber ist er<br />
froh darum, dass sein Vater damals so<br />
weit dachte. Heute ist Wiatscheslaw<br />
der Chef <strong>eine</strong>r grossen auf Holzbau<br />
spezialisierten Kolchose. Er pflegt die<br />
endlos weiten Birkenwälder (noch viel<br />
mehr als jene, die ich von m<strong>eine</strong>r<br />
Datschka aus jeweils sehe) und baut<br />
fast alles, was mit Holz gebaut werden<br />
kann. Zum Beispiel auch die <strong>neue</strong><br />
Brücke über die Wolga, die in einigen<br />
Jahren den Fährbetrieb ablösen soll,<br />
womit dann auch unsere Wintereinsätze<br />
ein Ende hätten …<br />
Heute weiss Wiatscheslaw, dass es<br />
manchmal im Leben Entscheide<br />
braucht, die mutig und weitsichtig sind.<br />
Und er kennt das berühmte Sprichwort<br />
bei uns: «Auch ein Zugpferd hat sein<br />
Hirn zum Denken!» Inzwischen haben<br />
sich die Gemüter auch bei uns in Sneirk<br />
etwas beruhigt. Und die Aufregung<br />
über den dauernden Vorwärtsgang<br />
der Stadtoberen ist der Erkenntnis<br />
gewichen, dass es doch eigentlich<br />
zum Wohle der Stadt ist. Und weil<br />
am Schluss ja alle davon profitieren<br />
sollen. Nicht nur von Datschkas und<br />
Brücken …<br />
Igor Motzikov<br />
APRIL 2010<br />
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