Ausgabe 6, September 2011 - Quartier-Anzeiger Archiv - Quartier ...
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Wird die Zentrums-Auktion zum Rohrkrepierer?<br />
Das Zentrum Witikon wurde zwar<br />
an die Hess-Gruppe versteigert,<br />
aber damit steht der künftige Eigentümer<br />
nach wie vor nicht fest.<br />
Die Vormundschaftsbehörde hat<br />
Karl Ochsner ihren Beschluss<br />
noch nicht zugestellt. Deshalb<br />
verzögert sich auch sein Rekurs.<br />
Beim ersten Verkauf des Zentrums 1990<br />
zogen die Gebrüder Taxi-Meier Karl<br />
Ochsner über den Tisch. Sie boten dank<br />
raffiniert verschachtelten Verträgen unter<br />
dem Strich mehr als zehn Millionen<br />
Franken zu wenig – und der gutgläubige<br />
Eigentümer unterschrieb. Beim zweiten<br />
Verkauf 21 Jahre später heisst der Käufer<br />
Hermann Hess aus Amriswil im<br />
Kanton Thurgau. Sein Angebot liegt jedoch<br />
vier bis sechs Millionen über dem<br />
geschätzten Marktwert des Zentrums.<br />
Damit warf er die Migros, Ochsners<br />
Wunschkandidat als Nachfolger, vorerst<br />
aus dem Rennen.<br />
Entscheidet das Bundesgericht?<br />
Der Zuschlag bei der Versteigerung<br />
durch die Vormundschaftsbehörde heisst<br />
aber nicht, dass Hess das Zentrum Witikon<br />
automatisch übernehmen kann. Er<br />
braucht zuerst die Unterschrift des verbeiständeten<br />
Eigentümers (siehe Seite<br />
rechts unten). Karl Ochsner misstraut<br />
jedoch dem Thurgauer Immobilieninvestor<br />
aus Erfahrung und will deshalb die<br />
Auktion mit einem Rekurs beim Bezirksrat<br />
anfechten. Der Unterlegene<br />
kann den Fall bis vor Bundesgericht<br />
weiterziehen. Die eigentlichen Verlierer<br />
wären dann jedoch das sanierungsbedürftige<br />
Zentrum und die Bevölkerung.<br />
Der gebotene Kaufpreis von 38,4 Millionen<br />
Franken für die vier Fünftel des<br />
Zentrums, die seinem Erbauer gehören,<br />
wäre für den Schweizer Detailhandelsriesen<br />
ein Griff in die Portokasse. Die<br />
Migros will aber nicht mehr bezahlen,<br />
als das Zentrum nach ihren Berechnungen<br />
effektiv wert ist.<br />
Ungewöhnliche Verzögerung<br />
Die Vormundschaftsbehörde hat Karl<br />
Ochsner den offiziellen Beschluss mit<br />
ihrem Entscheid noch nicht zugestellt.<br />
Diese Verzögerung wird von Juristen als<br />
eher ungewöhnlich bezeichnet, denn die<br />
Verhandlungen und Abklärungen sollten<br />
bei der Ansetzung eines Versteigerungstermins<br />
normalerweise abgeschlossen<br />
sein. Dazu gehört in der Regel auch eine<br />
zufrieden stellende Überprüfung der<br />
vorgelegten Dokumente.<br />
Als Käuferin des Zentrums tritt die Nestor<br />
Immobilien AG aus Zürich auf,<br />
eine Tochterfirma der Hess Investment<br />
AG. Einer der möglichen Gründe für<br />
die momentane Blockierung könnte<br />
sein, dass Nestor die Bezahlung vor der<br />
Auktion nicht transparent genug darge-<br />
8<br />
legt hat. Immerhin hatte Hess anfangs<br />
2010, als noch Ochsners damaliger Anwalt<br />
die Verkaufsverhandlungen führte,<br />
keinen rechtsgenügenden Finanzierungsnachweis<br />
vorgelegt.<br />
Nach der Verbeiständung des Eigentümers<br />
war die Hess-Gruppe aber wieder<br />
zurück im Geschäft. Die Vormundschaftsbehörde<br />
hatte das bereits abgeschlossene<br />
mehrstufige Auswahlverfahren<br />
unter den Kaufinteressenten von<br />
sich aus nochmals neu angestossen, obwohl<br />
ihr zwei Verträge unterschriftsreif<br />
zum Entscheid vorlagen.<br />
Hat also die Behörde – gemeint ist die<br />
Sozialarbeiterin Gertrud Wittwer als<br />
Beiständin und vor allem die von ihr zugezogene<br />
externe Rechtsanwältin Ursula<br />
Weber – bei der Prüfung der Bonität<br />
der Käuferin etwas übersehen? Schliesslich<br />
muss die Nestor AG nach dem Bun-<br />
Petition an den Stadtrat<br />
Besorgte Witikerinnen und Witiker lancierten<br />
Ende Juli eine Petition an den Zürcher<br />
Stadtrat. Darin wird dieser aufgefordert,<br />
das Zentrum Witikon an die Migros<br />
zu verkaufen und so dessen Zukunft zu garantieren.<br />
Trotz der Sommerferien unterschrieben<br />
in nur drei Wochen 1728 Personen<br />
die Petition. Die Unterschriften gingen<br />
an Stadtrat Martin Waser als Vorsteher des<br />
Sozialdepartements. (ee)<br />
desgesetz gegen Geldwäscherei genau<br />
offen legen, woher die mindestens<br />
60 Millionen Franken für den Kauf und<br />
die Sanierung des Zentrums stammen.<br />
Die Deklaration wird auch vom Bezirksrat<br />
überprüft, der das Geschäft<br />
noch bewilligen muss.<br />
Hess lässt die Katze aus dem Sack<br />
Nach der Auktion zeigte sich Hermann<br />
Hess in Siegerlaune und lud die Unterlegenen<br />
zum Umtrunk. Bisher hat er<br />
jede öffentliche Aussage über seine Pläne<br />
für das Zentrum verweigert. Dass<br />
dies das <strong>Quartier</strong> verunsichert und für<br />
Ochsner einen Verstoss gegen Treu und<br />
Glauben darstellt, nimmt er in Kauf.<br />
Schliesslich könnte ein Skandal um seine<br />
Person in Zürich seine Ambitionen<br />
als FDP-Nationalratskandidat im Thurgau<br />
kompromittieren. Im kleinen Kreis<br />
jedoch liess er die Katze aus dem Sack<br />
und verkündete für die Witiker Unglaubliches.<br />
Als erstes werde er die Verlängerung<br />
des Mietvertrags für das Restaurant Elefant<br />
als nichtig erklären lassen und das<br />
Lokal schliessen. Das Restaurant sei<br />
veraltet und ohnehin immer fast leer.<br />
Ein kleines «smartes Gastrokonzept» sei<br />
hier angebracht. Die Säle seien nicht<br />
nötig, in der Stadt unten gebe es genug.<br />
Damit würde es sich der Freisinnige<br />
aber mit der Zunft Witikon wegen deren<br />
Zunftsaal und mit der Zürcher SVP wegen<br />
deren Sitzungssaal verderben.<br />
Die Vertreter der Migros, die heute im<br />
Zentrum noch Mieterin ist, ihren Teil<br />
aber unbedingt kaufen will, erkundigten<br />
sich auch nach der Sanierung und deren<br />
Finanzierung. Diese dürfte schätzungsweise<br />
weitere 20 Millionen Franken kosten.<br />
Es sei klar, meinte Hess, dass er<br />
als Eigentümer diese Kosten nicht allein<br />
übernehme, sondern dass sich die Mieter<br />
beteiligen müssten.<br />
Man muss kein Schwarzmaler sein um<br />
sich die möglichen Folgen vorzustellen.<br />
Der Ladenmix auf der Fussgängerebene<br />
könnte verarmen und das Dienstleistungsangebot<br />
auf den oberen Etagen<br />
schwinden. Deshalb hat sich mittlerweile<br />
auch der <strong>Quartier</strong>verein zu Wort gemeldet<br />
und verlangt eine «baldige umfassende<br />
Information der Bevölkerung»<br />
über die Zukunft des Zentrums, das<br />
«Herz von Witikon».<br />
Grundbucheintrag nur Teilgarantie<br />
Das Sozialdepartement versichert, man<br />
werde Hess als Käufer mit einem Eintrag<br />
im Grundbuch dazu verpflichten<br />
ein Einkaufszentrum zu betreiben. Diese<br />
Auflage gewährt zwar die <strong>Quartier</strong>versorgung,<br />
bietet jedoch keinerlei Garantie<br />
dafür, dass sich die bisherigen<br />
Geschäfte, Schulen oder Arztpraxen<br />
würden halten können. Denn wer wollte<br />
dann noch klagen, wenn es doch anders<br />
käme?<br />
Ein solcher Eintrag eignete sich auch als<br />
Rechtfertigung des Verkaufs und zur<br />
Vertuschung des Vorgehens. Denn die<br />
Vormundschaftsbehörde hatte vom ersten<br />
Tag an den steten Willen und<br />
Wunsch Ochsners, sein Zentrum der<br />
Migros und nicht Hess zu verkaufen,<br />
konsequent überhört und systematisch<br />
übergangen. Er habe nichts mehr zu sagen,<br />
beklagte er sich nach jedem Treffen<br />
resigniert.<br />
Mit der Hess-Gruppe würden jedenfalls<br />
teure Läden und noch teurere Wohnungen<br />
mit Seesicht möglich – ungeachtet<br />
aller Beschwichtigungen und Beschönigungen.<br />
Brisante Stadtratsantwort<br />
In seiner Antwort auf eine Schriftliche<br />
Anfrage von CVP-Gemeinderat Urs<br />
Rechsteiner zum Vorgehen der Vormundschaftsbehörde<br />
stellt der Stadtrat in<br />
Abrede, die Beiständin oder die externe<br />
Rechtsanwältin hätten Ochsner immer<br />
wieder dazu gedrängt, das Zentrum der<br />
Hess-Gruppe statt der Migros zu verkaufen.<br />
Damit scheint deren Handlungsweise<br />
plötzlich ohne Fehl und Tadel. Allerdings<br />
steht die brisante Aussage in merkwürdigem<br />
Gegensatz zu den monatelangen<br />
Beobachtungen im persönlichen<br />
Umfeld des Zentrumbesitzers und vor<br />
allem zu dessen eigenen Schilderungen.<br />
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