Im Bilde 02/2006 - BBK-Bayern
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<strong>BBK</strong> München und Oberbayern<br />
18<br />
INBETWEEN<br />
– STEREOTYPE<br />
LESBARKEITEN<br />
Adidal Abou-Chamat, Petra Gerschner,<br />
Aldo Giannotti, Stefano Giuriati, Farida<br />
Heuck, Walter Seidl und Silke Witzsch,<br />
GALERIE DER KÜNSTLER, München,<br />
11. März bis 13. April <strong>2006</strong><br />
Auf ganz unterschiedliche Weise befassen<br />
sich die Installationen, Foto- und Videoarbeiten<br />
der sieben Künstlerinnen und Künstler<br />
mit der Konstruktion von Persönlichkeit und<br />
der Zuschreibung von Identität. Stereotype<br />
Lesbarkeiten, die mit gesellschaftlichen, ethnischen<br />
oder sozialen Codes und deren medialer<br />
Repräsentation einhergehen, bilden den<br />
Ausgangspunkt der künstlerischen Auseinandersetzung.<br />
<strong>Im</strong> Zentrum des gemeinsamen<br />
Interesses steht die Frage, wie stereotype Vorstellungen<br />
sichtbar gemacht werden können,<br />
um entstehende Vorurteile zu hinterfragen.<br />
Stereotypen werden oftmals als undifferenzierte<br />
Versuche, fremde Realität in die eigene<br />
Erfahrungswelt einzubeziehen, wahrgenommen.<br />
Ihre Entstehung ist eng an Prozesse der<br />
Kategorisierung und Generalisierung gebunden.<br />
Die Einordnung des Fremden erleichtert<br />
zwar die Wahrnehmung, befördert jedoch<br />
auch Einseitigkeit und führt zu Missverständnissen<br />
und Vorurteilen. Die Ausstellung untersucht<br />
kulturelle Codes, entstehende Ordnungen<br />
und institutionalisierte Rollen, die<br />
festgelegte Funktionen innerhalb der Gesellschaft<br />
erfüllen. Der jeweilige Blickwinkel der<br />
Künstlerinnen und Künstler verspricht dabei<br />
eine spannende Erweiterung dieser hochaktuellen<br />
Fragestellung, die sich für den Betrachter<br />
in unterschiedlichen Bildfindungsprozessen<br />
visualisiert.<br />
im <strong>Bilde</strong> 2/06<br />
Adidal Abou-Chamat (geb. in München,<br />
lebt und arbeitet in München)<br />
Adidal Abou-Chamat operiert mit künstlerischen<br />
Mitteln an der Nahtstelle zwischen<br />
Fremdem und Vertrautem. Vor dem Hintergrund<br />
ihrer bi-kulturellen syrisch-deutschen<br />
Herkunft erprobt sie kulturelle Demarkationslinien<br />
und Grenzerfahrungen. Die fotografischen<br />
Bildserie „Inbetween“ und die Videoarbeit<br />
„Fleshdance“, beide 2005 entstanden,<br />
beschäftigen sich mit Themen der ethnischen<br />
Differenz und sozio-kulturellen Zuschreibungen.<br />
Autobiografische Teilelemente verleihen<br />
den fotografischen Inszenierungen zusätzliche<br />
Brisanz. Die Arbeiten von Adidal Abou-<br />
Chamat kreisen einerseits um die Rolle der<br />
Frau in islamischen und islamistischen Gesellschaften<br />
und Kulturkreisen, rücken andererseits<br />
aber auch die sexuelle Besetzung des<br />
weiblichen Körpers bei gleichzeitiger Tabuisierung<br />
und Dämonisierung von Fleischlichkeit<br />
und Erotik ins Blickfeld. Die Fotoarbeiten<br />
überschreiten dabei immer wieder gesellschaftliche<br />
Grenzen oder konterkarieren politisch<br />
korrekte Sichtweisen.<br />
Petra Gerschner (geb. in München, lebt und<br />
arbeitet in München)<br />
In der neuen Folge ihres doku-fiktionalen Videomagazins<br />
„Problem oder Lösung“ befasst<br />
sich Petra Gerschner mit der aktuellen Debatte<br />
über die Anwendung von Folter als Mittel<br />
der Politik. Es gibt auf der Welt keinen Friedenszustand<br />
mehr, der ohne Krieg auskommt.<br />
Krieg heißt Folter, Zivilisation durch Folter,<br />
Foltern für den Frieden; welche Strategien<br />
können die herrschende Logik von Krieg,<br />
Folter und Zerstörung durchbrechen? Mit einem<br />
großformatigen Digitaldruck aus dem<br />
Zyklus „What does memory mean to you?“<br />
(<strong>2006</strong>) demaskiert die Künstlerin die Demonstrationsmacht<br />
der Staatsgewalt in einer<br />
Gegenüberstellung von Parteiwerbung, politischen<br />
Slogans und Pin-ups, die im Stadtraum<br />
aufeinander treffen. In einer Art visueller<br />
Spurensicherung untersucht Petra Gerschner<br />
den Wandel von medialen Produktions- und<br />
Reproduktionsstrukturen – dadurch werden<br />
Methoden und Strategien dieser Systeme<br />
sichtbar gemacht und hinterfragt sowie neue<br />
Bedeutungs- und Wirklichkeitsebenen eingeführt.<br />
Aldo Giannotti (geb. in Genua, lebt und arbeitet<br />
in Wien)<br />
Die archetypische Geste des Lächelns steht<br />
im Zentrum von Aldo Giannottis Videoinstallation<br />
„Smile“. Als freundliche Geste wirkt<br />
das Lächeln in allen Kulturkreisen allein<br />
durch die Mimik des Gesichts einnehmend<br />
und gewinnend. Vor allem die Werbung hat<br />
sich seine Wirkungsweise zu Nutze gemacht.<br />
In Zeitungen, Werbebroschüren oder im<br />
Fernsehen überfluten uns die Medien geradezu<br />
mit den <strong>Bilde</strong>rn lächelnder Frauen und<br />
Männer, deren Botschaft hinter dem Lächeln<br />
zu verschwinden droht. Es scheint, als ob<br />
über das Lächeln nur noch ein <strong>Im</strong>age kommuniziert<br />
wird, mit dem der Konsument ein<br />
Produkt oder eine Person assoziiert. In seiner<br />
Videoinstallation dekonstruiert Aldo Giannotti<br />
diese Instrumentalisierung des Lächelns,<br />
indem er unzählige Ausschnitte lächelnder<br />
Menschen mit raschen Schnitten aneinanderfügt.<br />
Als Close-Ups wirken die Münder jedoch<br />
bedrohlich, fast aggressiv. Verstärkt<br />
wird dieser Charakter noch zusätzlich durch<br />
die Form der Präsentation: <strong>Im</strong> Raum schwebende<br />
Ballons, die als Projektionsfläche dienen,<br />
verzerren die lächelnden Münder und<br />
lassen sie plötzlich als maskenhaften Fratzen<br />
erscheinen. Aldo Giannotti, der das Lächeln<br />
in seiner Demaskierung als „kannibalistische<br />
Attacke auf die freie Entscheidung“ versteht,