SBB - Sächsischer Bergsteigerbund
SBB - Sächsischer Bergsteigerbund
SBB - Sächsischer Bergsteigerbund
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
36<br />
Vor 40 Jahren: Unglück in der Eiger-Nordwand<br />
Erinnerungen an Kurt Richter<br />
Es war im August 1956, ganz am Anfang<br />
meines Bergsteigerlebens. Zum ersten Male<br />
stand ich auf dem Bloßstock. Fred Barth,<br />
unser Kletterlehrmeister, hatte uns über den<br />
Schöneweg auf den Gipfel gelotst. Völlig<br />
ausgepumpt und deprimiert von den mehr<br />
überlebten als erlebten Überhängen und<br />
Rissfolgen saß ich dann irgendwo oben, als<br />
Fred uns auf eine Seilschaft am Fehrmann-<br />
Gedächtnis-Weg aufmerksam machte.<br />
Traumhaft sicher kletterte der Seilerste die<br />
Südwestkante höher und höher. Obwohl mir<br />
das eben Überstandene noch tief aufs Gemüt<br />
drückte, faszinierte mich dieses schwerelose<br />
Steigen, das wir schräg unter uns<br />
beobachten konnten. Keiner von uns kannte<br />
den Vorsteiger.<br />
Erst später erfuhr ich seinen Namen. Er hieß<br />
Kurt Richter und gehörte zu den Karl-Marx-<br />
Städter Bergsteigern um Rudi Pimper und<br />
Werner Bregula. Wäre mir in dieser Gipfelstunde<br />
prophezeit worden, dass ich Jahre<br />
später mit diesem mir Unbekannten Höhen<br />
und Tiefen des Bergsteigens ausloten würde,<br />
dass uns gemeinsame Wege zu vielen<br />
Gipfeln anderer Gebirge bis zur Eiger-Nordwand<br />
(damals im Alpinismus das Reizthema<br />
Nr. 1) führen sollten, ich hätte ihn für total<br />
verrückt erklärt.<br />
Kurt Richter, der heutigen Klettergeneration<br />
wohl nur durch seine wenigen Erstbegehungen<br />
im Elbsandsteingebirge und in den Greifensteinen<br />
interessant, gehört zweifellos zu<br />
den hervorragenden Vertretern sächsischer<br />
Klettergeschichte nach dem 2. Weltkrieg.<br />
Hätte ihn nicht, ähnlich wie Karlheinz Gonda,<br />
sein tragischer Tod in der Eiger-Nordwand<br />
so frühzeitig aus dem Leben gerissen, er<br />
wäre sicher in die Galareihe des Sächsischen<br />
Bergsteigens aufgestiegen.<br />
Seine Erstbegehungen, allen voran die Teufelsturm-Ostwand,<br />
mit der er dort nach fast<br />
30 Jahren eine Mauer der Erschließungsruhe<br />
durchbrach, waren eigentlich nur Vorboten<br />
für noch Größeres, das er im Gebirge vorhatte.<br />
Um das<br />
Leistungsvermögen<br />
Kurt Richters<br />
richtig<br />
einzuschätzen,<br />
muss<br />
man ihn in<br />
seiner Zeit<br />
betrachten.<br />
Er hat damals<br />
alles<br />
geklettert,<br />
was es bei<br />
uns gab:<br />
extrem<br />
Schwieriges und Ausgesetztes, Großbaustellen<br />
und Wege aus der Raritätenkiste. Er kletterte<br />
mehrfach die Dreifingerturm-Risse,<br />
Bergfinkenweg, Meurerturm-Westwand, den<br />
Dolch, nachdem sich dort seit 1959 niemand<br />
mehr heranwagte (16. Beg.), den Falkenstein-Westgrat<br />
(5. Beg.). Er hob Fledermausweg,<br />
Urbanquergang und die Westwände<br />
von Jortanshorn und Turm am Verborgenen<br />
Horn aus der Taufe. Auf sein Konto kamen<br />
niedrige Begehungen an Wilder Kopf-Dir.<br />
Westkante (3. Beg.), Schrammtorwächter-<br />
Ostwand (7. Beg.), Sommerwand-Nordwand<br />
(4. Beg.), Freier Turm-Herbstweg (3. Beg.)<br />
und Dir. Talweg (4. Beg.), Höllenhund-Talweg<br />
(8. Beg.), Pfaffenschluchtspitze-Dir. Herbstweg<br />
(4. Beg.), Heringstein-Ostwand (10. Beg.),<br />
Falkenstein-Südwand (11. Beg.), Schrammtorwächter-Nordwand,<br />
Schwarze Kante,<br />
Rostkante und und und ... Ich war Augenzeuge,<br />
wie er, nachdem Fritz Eske passen<br />
musste, leichtfüßig und sicher am Zwerg die<br />
steile, ausgesetzte Rampe der Nordkante<br />
von Wilfried Hennersdorf hochbalancierte.<br />
Ob Wünschepfeiler und Eckweg am Goldstein,<br />
Kuniskante oder Mönch-Nordverschneidung<br />
- Kurt brachte einfach alles.<br />
Doch Kurt war vor allem der Mann fürs Hochgebirge.<br />
Trittsicher und tempostark, mit einem<br />
Gespür für das Richtige in brisanten<br />
Situationen, umsichtig, ruhig und mit strategischem<br />
Blick für das Gesamtunternehmen,