SBB - Sächsischer Bergsteigerbund
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Wie war das doch vor einhundert Jahren?<br />
Am 14. September 1907 brachte der „Pirnaer<br />
Anzeiger“ aktuelle „Angaben über das von<br />
der Forstverwaltung beabsichtigte Einschreiten<br />
gegen die Auswüchse des Klettersports“.<br />
Wenige Tage darauf beriet am 22. September<br />
1907 die 30. Hauptversammlung des<br />
Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz<br />
in Anwesenheit des „Schirmherrn des Vereins<br />
Seine Majestät König Friedrich August<br />
von Sachsen“ in Schandau unter anderem<br />
darüber, „was der Gebirgsverein für den Heimatschutz<br />
getan hat“ und „was der Gebirgsverein<br />
in der nächsten Zeit für den Heimatschutz<br />
tun soll“. Und das war zweifellos nicht<br />
wenig!<br />
Ungeachtet dessen veröffentlichte die Königliche<br />
Oberforstmeisterei Schandau am<br />
13. Dezember 1907 im „Pirnaer Anzeiger“ in<br />
einer „Bekanntmachung“ umfangreiche Waldsperrungen,<br />
insbesondere im Rathener Gebiet.<br />
Eine Anordnung, die das Recht der Bürger<br />
am freien Zugang zum Wald wesentlich<br />
einschränkte, weil auch Gründe gesperrt wurden,<br />
in denen nicht oder kaum geklettert<br />
wurde. Bereits am 19. Dezember 1907 richtete<br />
der Kletterklub „Mönchsteiner Pirna“ „anlässlich<br />
des jüngst erlassenen Kletterverbots<br />
in Rathen und Schandau“ einen Protest gegen<br />
diese Verordnung an das Königliche Finanzministerium<br />
sowie an „sämtliche Kletterklubs<br />
und touristische Vereine“ (26), an die<br />
Gemeinderäte in Pötscha, Rathen, Postelwitz,<br />
Wehlen und Schandau, an die Königliche<br />
Oberforstmeisterei Schandau sowie an<br />
die Forstmeister in Lohmen, Hohnstein und<br />
Postelwitz.<br />
Vor einhundert Jahren übernahmen noch einzelne<br />
Kletterklubs die Initiative, ein Bund (wie<br />
wir ihn heute besitzen), der die Interessen<br />
seiner Mitglieder - Bergsteiger und Wanderer<br />
- wirkungsvoll vertreten sollte, entstand<br />
damals erst im Ergebnis dieser Auseinandersetzungen.<br />
In den darauffolgenden Monaten<br />
des Jahres 1908 entwickelten die Bergsteigerklubs<br />
und Alpenvereinssektionen unvorstellbare<br />
Aktivitäten zur Rücknahme des Kletterverbots<br />
und der Sperrung einzelner Grün-<br />
40<br />
Sächsische Bergsteigergeschichte<br />
de. Fast eintausend Wanderer, Bergsteiger<br />
und Heimatfreunde unterschrieben damals<br />
die bei vielen Sportartikelgeschäften ausliegenden<br />
Petitionen. Horst Boyde, Reinhold<br />
Greter, Rudolf Fehrmann und andere schrieben<br />
Artikel, verfassten Streitschriften, führten<br />
Aussprachen, organisierten Ortsbegehungen<br />
und bezogen selbst Landtagsabgeordnete<br />
ein, denn eine forstfachliche Berechtigung<br />
wurde in Zweifel gezogen.<br />
Im Ergebnis dieser unseligen Kraftprobe war<br />
es am Ende kein geringerer als der Sächsische<br />
Innenminister, der dem „Club der Gipfelstürmer“<br />
am 5. Januar 1910 mitteilen<br />
musste, dass das Sächsische Finanzministerium<br />
und die Forstverwaltungen „die Ausübung<br />
des Klettersports ... zu gestatten“ gedenke.<br />
Scharf attackierte königliche Behörden<br />
- selbst der Sächsische Landtag hatte<br />
sich damit beschäftigt - versuchten nun endlich<br />
einen Rückzieher sowie eine Wahrung<br />
ihres Gesichts. Der Sache der Forstämter war<br />
mehr geschadet als genützt worden, schrieben<br />
die Zeitungen. Andererseits waren größere<br />
Teile der Bergsteiger für einen notwendigen<br />
Schutz der Wälder herausgefordert<br />
worden. Weitblickende Heimatfreunde, ob<br />
nun vom Forst als auch Bergsteiger, erkannten<br />
damals schon in den Auseinandersetzungen,<br />
dass dem Gebirge ganz andere Gefahren<br />
drohten!<br />
Neben vielen anderen Auswirkungen hatte<br />
dieser Streit noch weiteres Gutes. Am 1. Oktober<br />
1909 wurde in Dresden ein „Bund touristischer<br />
Vereine“ gegründet, dem zwar kein<br />
langes Leben beschieden war, in dessen<br />
Ergebnis jedoch am 1. März 1911 der Sächsische<br />
<strong>Bergsteigerbund</strong> (<strong>SBB</strong>) gegründet<br />
wurde.<br />
Joachim Schindler<br />
Literaturhinweis: Chronik und Dokumentation<br />
zur Geschichte von Wandern und Bergsteigen<br />
in der Sächsischen Schweiz sowie zur Entwicklung<br />
touristischer Organisationen in Sachsen,<br />
Teil I: 1864 bis 1918 (enthält „Bekanntmachung“,<br />
Brief des Sächsischen Innenministers und andere<br />
Dokumente zum damaligen Kletterverbot)