Caritas intern - Caritasverband für die Stadt Recklinghausen eV
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Schwerpunktthema<br />
<strong>Caritas</strong>verband <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Recklinghausen</strong> e.V.<br />
Das große Interview zum Schwerpunktthema<br />
Zehn Fragen an Elke Hoffmann (Sozialstation Nord) und Gabriele Rieskamp (SST Süd)<br />
Das <strong>Caritas</strong>-Jahresmotto lautet „Armut macht<br />
krank“. Wie zeigt sich Armut in Ihrem Bereich?<br />
Elke Hoffmann (Foto rechte Seite): Pflege kostet<br />
und muss demnach auch bezahlt werden. Bei einigen<br />
kann sie daher nicht in dem Umfang geleistet werden,<br />
wie es vielleicht nötig wäre. Wir verweisen dann auf das<br />
Sozialamt, aber unsere Klienten sind oft zu verschämt,<br />
um solche Hilfen anzunehmen.<br />
Gabriele Rieskamp (kleines Foto unten): Die Men-<br />
schen ziehen sich immer weiter zurück, sie können sich<br />
keine besonderen Therapien, keine spezielle Ernährung<br />
leisten.<br />
Was fehlt im Alltag der Klienten häufig?<br />
Hoffmann: Im Prinzip fehlt es an der Anzahl der Pflege-<br />
Einsätze. Wir können oft nicht täglich kommen, obwohl<br />
das manchmal besser wäre. Auch an Medikamenten<br />
fehlt es, zum Beispiel Aspririn 100 bei Herzinfarkt-Patienten.<br />
Diese Zuzahlung können sich einige nicht leisten.<br />
Auch an Vorlagen wird gespart oder der Wäschewechsel<br />
erfolgt bei manchen nicht so häufig wie es nötig wäre.<br />
Waschmittel und Wasser kosten ja auch Geld.<br />
Rieskamp: Der Antrieb. Viele verfallen aufgrund ihrer<br />
Kontaktarmut in Lethargie, sie haben einfach keine Lust<br />
mehr, viel zu tun. Das sehe ich sehr häufig.<br />
Wie hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen Jahren<br />
verändert?<br />
Hoffmann: Die Renten werden immer kleiner, das<br />
macht sich natürlich schon bemerkbar. Gerade ältere<br />
Frauen sind betroffen, da machen sich <strong>die</strong> finanziellen<br />
Grenzen immer stärker bemerkbar.<br />
Rieskamp: In den vergangenen Jahren eher wenig. Da<br />
sehe ich <strong>die</strong> Zukunft eher problematisch<br />
Wo stehen wir in ca. fünf Jahren?<br />
Hoffmann: Ich be<strong>für</strong>chte, dass <strong>die</strong> Altersarmut noch<br />
stark zunehmen wird. Es gibt viele Beschäftigte in Kurzund<br />
in Teilzeit-Arbeit oder mit 400-Euro-Jobs, da bleibt<br />
am Ende <strong>für</strong> <strong>die</strong> Rente kaum was übrig, da ist Armut<br />
schon jetzt absehbar.<br />
Rieskamp: Der große Einbruch kommt noch, gerade<br />
wenn ich mir das zu erwartende kommende Renten-Niveau<br />
ansehe. Es gibt häufig nur Mini-Jobs oder 400-Euro-Kräfte.<br />
Da ist doch klar, dass wir schwierigen Zeiten<br />
entgegensteuern.<br />
Wie stark ist <strong>die</strong> versteckte Armut,<br />
wie groß <strong>die</strong> Scham der Betroffenen?<br />
Hoffmann: Je älter unsere Klienten<br />
sind, desto größer ist <strong>die</strong> Scham. Da<br />
sind viele noch aus der Kriegs-Generation.<br />
An das Sozialamt oder ähnliche<br />
Institutionen heranzutreten, käme<br />
Betteln gleich - und das tut man nicht.<br />
Viele sehen dort ihre Würde in Gefahr.<br />
Bei unseren jüngeren Klienten ist<br />
das weniger ein Problem. Da ist eher<br />
das Anspruchsdenken gewachsen, frei<br />
nach dem Motto „Zahlt das nicht das<br />
Sozialamt?“.<br />
4 <strong>Caritas</strong> REport April 2012