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Bensberger Symposium - Katholische Tageseinrichtungen für ...

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I. Bindungstheorie: eine<br />

Beziehungswissenschaft par<br />

excellence<br />

Eine einheitliche Beziehungswissenschaft,<br />

d.h. eine Wissenschaft, die mit zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen befasst ist,<br />

gibt es noch nicht. Stattdessen lässt sich<br />

eher von unterschiedlichen Beziehungsforschungen<br />

als von einer Beziehungsforschung<br />

sprechen (Mikula 1993). Gründe<br />

hier<strong>für</strong> dürften zum einen darin liegen,<br />

dass es so viele ganz unterschiedliche<br />

Beziehungstypen gibt, etwa Eltern-Kind-<br />

Beziehungen, Geschwisterbeziehungen,<br />

Partnerbeziehungen, Freundschaftsbeziehungen,<br />

Berufsbeziehungen oder Nachbarschaftsbeziehungen,<br />

mithin Beziehungen,<br />

deren Gemeinsamkeiten sich eben nicht<br />

leicht fassen lassen. Zum anderen ist der<br />

Gegenstand einer solchen Beziehungswissenschaft<br />

nur schwer zu defi nieren, reklamieren<br />

doch die beiden Grundlagenwissenschaften,<br />

Psychologie und Soziologie,<br />

eine Zuständigkeit <strong>für</strong> die Erforschung von<br />

Beziehungen. Für den kommunikativen<br />

Sachverhalt wäre die Soziologie zuständig,<br />

während es sich bei dem Konstrukt<br />

Beziehungsfähigkeit etwa um ein individuelles<br />

Merkmal handelt, mit dem sich die<br />

Beziehungspsychologie beschäftigt.<br />

Asendorpf und Banse (2000, 141ff.) nennen<br />

in ihrer „Psychologie der Beziehungen“<br />

die folgenden 7 wichtigsten Paradigmen<br />

der heutigen Beziehungsforschung:<br />

psychoanalytische Ansätze,<br />

kognitive Ansätze,<br />

evolutionsbiologische Ansätze,<br />

ROLAND SCHLEIFFER<br />

Wie viel und welche<br />

Beziehung braucht<br />

das Kind?<br />

Erkenntnisse der Bindungsforschung<br />

Roland Schleiffer<br />

bindungstheoretische Ansätze,<br />

austauschtheoretische Ansätze,<br />

systemische Ansätze sowie<br />

Netzwerkansätze.<br />

Unter diesen Paradigmen dürfte dem<br />

bindungstheoretischen Ansatz eine herausragende<br />

Bedeutung zukommen. Nach<br />

Mikula (1993) ist „eines der Themen, das<br />

von Vertretern verschiedener Disziplinen<br />

aufgegriffen wurde, und wo sich so etwas<br />

wie eine Integration von Erkenntnissen verschiedener<br />

Disziplinen abzeichnet, (…) das<br />

Konzept der Bindung, oder allgemeiner die<br />

Bedeutung frühkindlicher Beziehungserfahrungen<br />

<strong>für</strong> zwischenmenschliche Beziehungen<br />

in späteren Lebensphasen.“ Demnach<br />

handelt es sich bei der Bindungstheorie um<br />

eine Beziehungswissenschaft par excellence,<br />

„die nicht nur als Erklärungsrahmen <strong>für</strong> die<br />

Dynamik von Eltern-Kind-Dyaden, sondern<br />

<strong>für</strong> vielfältige Beziehungsnetzwerke<br />

im Laufe der Entwicklung dient“<br />

(Suess 2003).<br />

Insofern sollte von Interesse sein, ob von<br />

Seiten der Bindungstheorie Erkenntnisse<br />

vorliegen, die die Diskussion um die außerunterrichtlicher<br />

Betreuung von Kindern im<br />

Grundschulalter befördern könnten. Dies<br />

soll im Folgenden geschehen. Zunächst<br />

(II) sollen in Kürze einige Grundlagen<br />

der Bindungstheorie dargestellt werden.<br />

Danach wird auf die Entwicklung der<br />

Bindungsbeziehungen im Grundschulalter<br />

eingegangen, wobei besondere Bedeutung<br />

dem Verhältnis von Bindung und<br />

Lernen zukommt (III). Abschließend (IV)<br />

soll die außerunterrichtliche Betreuung<br />

von Kindern im Grundschulalter aus einer<br />

bindungstheoretischen Perspektive<br />

betrachtet werden.<br />

II. Einige Grundlagen der<br />

Bindungstheorie<br />

Biologische Verankerung<br />

Die erste Phase der Bindungsforschung<br />

ist mit dem Namen von John Bowlby, dem<br />

britischen Kinderpsychiater und Psychoanalytiker<br />

(1907 – 1990), untrennbar verbunden.<br />

Nach Bowlby läst sich auch beim<br />

Menschen ein Bindungsverhaltenssystem<br />

nachweisen, das sich im Verlauf der Evolution<br />

entwickelt hat und dem die Funktion<br />

zukommt, dem Kind das Überleben zu<br />

sichern. In Situationen der Gefahr produziert<br />

ein Kind besondere Bindungsverhaltensweisen<br />

wie Suchen bzw. Rufen, Weinen,<br />

Nachfolgen, Anklammern sowie Protest<br />

bei Trennung. Diese Signale sollen den<br />

Eltern die Gefahr anzeigen und sie dazu<br />

bringen, ihr Kind zu schützen. Das diesem<br />

korrespondierende Pfl egeverhalten der<br />

Eltern ist ebenfalls biologisch verankert.<br />

Beim Bindungsverhaltenssystem handelt<br />

es sich um ein primäres Motivationssystem,<br />

dessen Ausbildung sich nicht auf den Nahrungs-<br />

oder Sexualtrieb zurückführen lässt,<br />

wie die traditionelle psychoanalytische<br />

Lehrmeinung postulierte. Dabei besteht<br />

zum Erkundungssystem ein antagonistisches<br />

Verhältnis. Die Kindern angeborene<br />

Neigung zur Exploration der Umgebung<br />

wird gehemmt, wenn das Bindungsverhaltenssystem<br />

aktiviert ist.<br />

KOMPAKT Spezial 21

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