journal pdf - Transform Network
journal pdf - Transform Network
journal pdf - Transform Network
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
14<br />
Gerassimos Moschonas<br />
Die EU und die Destabilisierung des radikalen Projektes<br />
Ein Teil der Linken hat sich nicht angemessen auf die Dynamik der Kettenreaktion,<br />
die durch den Bau Europas in Gang gesetzt wurde, eingestellt. Die<br />
beiden zentralen Glieder in dieser Kette können „Große Koalition“ und „Reform“<br />
genannt werden. Damit eine bestimmte Politik angenommen wird<br />
(abhängig von Bereich und Institution), bedarf es entweder klarer qualifizierter<br />
Mehrheiten oder Einstimmigkeit, weshalb die Mitgliedsstaaten oder<br />
die nationalen Parteien entweder große Koalitionen bilden oder ihre politischen<br />
Grundsätze aufgeben. Dieser konservative Charakter der europäischen<br />
Arbeitsweise 12 ist nicht durch liberalen Eigensinn entstanden und wird nicht<br />
leicht zu ändern sein: Seine Daseinsberechtigung ergibt sich aus den vielen<br />
Staaten und den verschiedenen Ebenen des Systems, woraus sich die Notwendigkeit<br />
von Beschränkungen ergibt, damit eine Gruppe von Ländern oder<br />
Beteiligten nicht die anderen dominiert 13 . Auf dieser Grundlage wäre es naiv<br />
anzunehmen, dass die gemeinsame Führung von souveränen Staaten in absehbarer<br />
Zukunft auf andere Art gestaltet werden könnte, ganz gleich, ob freiwillig<br />
oder auf revolutionäre Weise. Solange die Macht der Nationen Realität<br />
bleibt, bleibt auch Europa als multistaatliches Gebilde ein politisches Gebilde,<br />
das auf Kompromissen basiert. Per Definition besteht die europäische Landschaft<br />
aus Allianzen und Reformen – auch wenn diese natürlich nur mit viel<br />
Geduld und Mühe zu erzielen sind. Angesichts dieser Rahmenbedingungen<br />
können weder der traditionelle Reformismus noch die radikalen Strategien<br />
unverändert bleiben, da sich das institutionelle und politische System grundlegend<br />
verändert hat.<br />
Historisch gesehen war der linke Radikalismus (in Bezug auf den Nationalstaat)<br />
politisches Projekt des anti-kapitalistischen Bruches, dessen strategisches<br />
Fundament sich auf die Fähigkeit gründete, den Staat kontrollieren zu<br />
können (entweder durch aufständische oder durch demokratische Mittel). So<br />
gesehen war die Logik des historischen radikalen Projektes, sei es in seiner anfänglichen<br />
aufständischen Version oder der späteren demokratischen Version<br />
(„der demokratische Weg zum Sozialismus“), rückblickend mit der post-nationalen<br />
Erfahrung betrachtet, ziemlich kohärent: a) den Aufbau einer starken,<br />
zentralisierten Partei (die die Rolle des koordinierenden, strategischen<br />
Zentrums übernehmen sollte), b) Unterstützung durch mächtige zusätzliche<br />
Organisationen (wie zum Beispiel Gewerkschaften), c) Unterstützung durch<br />
die aktive Beteiligung des Volkes (oder später besonders im Zusammenhang<br />
mit dem Projekt der Eurokommunisten unterstützt durch eine Mehrheitskoalition,<br />
die möglichst mit sozialen Bewegungen in Verbindung steht).<br />
Der revolutionäre Akteur war trotz der Überbewertung der zentralen Rolle<br />
der Revolutionspartei durch den Leninismus (was bei den Abweichlern Lu-