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Joachim Bischoff, Bernhard Müller<br />
Annahme eines ununterbrochenen Wachstums von rd. zwei % bis 2015 im<br />
Euroraum basiert auf einer fortgesetzten Exportkonjunktur, die erwarten<br />
lässt, dass die Investitionen mit einer Jahresrate zwischen drei und vier %<br />
wachsen, während der private Konsum in der Eurozone deutlich hinter dem<br />
BIP hinterherhinkt. Folglich geht die Arbeitslosigkeit nur äußerst schleppend<br />
zurück – was umgekehrt für eine fortschreitende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse<br />
spricht. Die kumulierte Gesamtverschuldung der Staaten wird<br />
trotz massiver Sparpolitik – die jährliche öffentliche Verschuldung soll von<br />
sechs % in den Jahren 2010 bis 2015 auf 1,5 % sinken – weiterhin bei weit<br />
über vier Fünftel des BIP liegen. Die europäische Integration ist an den Systemgrenzen<br />
des Finanzmarktkapitalismus angelangt.<br />
Niedergang der Peripherie<br />
Griechenland war das erste europäische Land, in dem sich schon Anfang 2010<br />
deutliche Symptome einer Insolvenz des Banken- und Staatssystems zeigten.<br />
Messlatte hierfür war die zunehmende Unmöglichkeit der Refinanzierung der<br />
aufgelaufenen öffentlichen Kredite an den internationalen Finanzmärkten.<br />
Mit einem Hilfskredit von Eurostaaten und Internationalem Währungsfonds<br />
(IWF) in Höhe von 110 Mrd. Euro wurde Griechenland im Mai 2010 eine<br />
zeitlich begrenzte Unabhängigkeit von den Finanzmärkten verschafft – wie<br />
kurz darauf auch Irland und Portugal. Mittlerweile sind aber auch Spanien<br />
und Italien näher an die Grenze der Schuldentragfähigkeit gerückt.<br />
Aber haben die Griechen den Absturz nicht selbst programmiert, weil sie<br />
lange über ihre Verhältnisse gelebt haben? Sicher, die griechische Ökonomie<br />
ist durch die Finanzialisierung der letzten Jahrzehnte in eine falsche Richtung<br />
getrieben worden. Die niedrigen Zinssätze erlaubten eine Kaschierung der<br />
Strukturprobleme durch die Expansion der öffentlichen und privaten Verschuldung.<br />
Nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Mitte<br />
September 2008 haben die meisten Staaten – auch Griechenland – für ihre<br />
Banken Garantien abgegeben. Außerdem päppelten viele Länder ihre angeschlagenen<br />
Geldhäuser mit neuem Eigenkapital auf und gaben Milliarden für<br />
Konjunkturpakete aus, um die Schäden für die Realwirtschaft abzumildern.<br />
Aufgestaute Strukturprobleme wie tendenzielle Überschuldung, Banken- und<br />
Finanzkrise sowie die weltwirtschaftliche Rezession enthüllten schlagartig die<br />
Schuldenfalle. Die globale Finanzkrise hat den prekären Zustand der öffentlichen<br />
Finanzen 5 nicht verursacht, sondern nur ans Licht gebracht, zugleich<br />
aber durch Explosion der Zinssätze verschärft.<br />
Die Schwäche der griechischen Ökonomie hat strukturelle Ursachen, die tief<br />
in der Gesellschaft verankert sind. In den letzten Jahrzehnten sind wichtige<br />
Bereiche der gesellschaftlichen Wertschöpfung durch die Produktivitätsent-