journal pdf - Transform Network
journal pdf - Transform Network
journal pdf - Transform Network
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
16<br />
Gerassimos Moschonas<br />
außerordentliche Komplexität erreicht. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist<br />
für alle strategischen Optionen beträchtlich geschrumpft. Das revolutionäre<br />
Projekt hat an Kohärenz und Schärfe verloren.<br />
Eine Linke ohne Strategie ist eine harmlose Linke<br />
Wenn dieses Bild stimmt, sind die Schlussfolgerungen weitreichend.<br />
1. Die Europäische Union untergräbt durch ihre Struktur, nicht durch den<br />
Zusammenhalt, die Handlungsmodi des historischen Radikalismus. Verhandlungen,<br />
die endlosen Prozesse von Kompromissen und Kuhhandel,<br />
und die gestiegene Bedeutung technokratischer Lösungen sind mit der Kultur<br />
des Radikalismus nicht vereinbar. In Wirklichkeit sind sogar klassische<br />
revolutionäre Konzepte und die Europäische Union unvereinbar. Es gibt<br />
keine revolutionäre Strategie für Europa und es hat keinen Zweck, eine solche<br />
formulieren zu wollen. Wenn eine linke Partei der Revolution Priorität<br />
einräumt oder denkt, dass die Bedingungen für einen anti-kapitalistischen<br />
Umsturz oder sogar den vollständigen Ausstieg aus dem Kapitalismus existieren<br />
oder in naher Zukunft existieren werden, ist es nicht sinnvoll, in ein<br />
kompliziertes Spiel mit 26 Mitstreitern und ein extrem starres System der<br />
Regierung auf mehreren Ebenen verwickelt zu werden (ein System, das<br />
darüber hinaus mit einem riesigen Arsenal von Auslassventilen ausgestattet<br />
ist – mindestens 27, so viele wie es dort nationale Regierungen gibt).<br />
Das ist irrational. Für alle politischen Parteien, die sich dafür entscheiden,<br />
im Rahmen der EU zu arbeiten, lautet der Schlüssel für jegliche Kohärenz<br />
„Reform“. Der Bereich der radikalen Linken, der sich für eine europäische<br />
Strategie entscheidet, entscheidet sich aus Notwendigkeit für eine Reformstrategie.<br />
Das europäische Gebiet ist per Definition ein Gebiet der Reform,<br />
und zwar schwieriger, umständlicher Reformen. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal<br />
ist der Stellungskrieg, nicht der Bewegungskrieg.<br />
2. Der Aufbau Europas erfordert es, Schwierigkeiten bei den Reforminhalten<br />
und bei thematischen Allianzen mit anderen politischen Familien direkt<br />
anzupacken. Kohärente ernstgenommene globale Reformen 15 und eine<br />
Strategie der mittelfristigen Ziele sind Vorbedingungen für jegliches Handeln<br />
in Europa. Eine Linke, die alles auf dem Planeten kritisiert, was sich<br />
bewegt, oder um Jean-Luc Mélenchon zu zitieren: „gegen alles und jeden<br />
[…], und nicht in der Lage […], unter welchen Bedingungen auch immer<br />
mit irgendjemandem eine Einigung zu erreichen“ – das ist eine durch und<br />
durch harmlose Linke, da ihr jeder Sinn für Geschichtliches fehlt.<br />
So gesehen geht es nicht um das Ideologische („für“ oder „gegen“ Europa).<br />
Es geht um grundlegende strategische Kohärenz. Jede große Entscheidung<br />
bringt eine Auswahl von Möglichkeiten mit sich – aber ebenso