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Elisabeth Gauthier<br />
von Problemen würde nationalistischen Tendenzen sowie den schon heute in<br />
Europa sehr präsenten populistischen und extremistischen rechtsgerichteten<br />
Kräften nur noch mehr Gewicht verleihen sowie zu einer Spaltung zwischen<br />
dem nördlichen und dem südlichen oder auch dem östlichen und dem westlichen<br />
Teil des Kontinents führen. Auf einer allgemeineren Ebene sollte man<br />
sich klarmachen, dass die aggressive Logik des Finanzkapitalismus eine Bedrohung<br />
der Demokratie und des Friedens darstellt, sodass breitere Fronten<br />
aufgebaut werden müssen, um dagegen anzukämpfen.<br />
Angesichts der Krise wird allenthalben die Frage laut, wie sich ein neuer<br />
gesellschaftlicher Block bilden lässt, der einen Politikwechsel im Sinne einer<br />
alternativen Logik herbeiführen könnte. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen<br />
Zersplitterung, die für das derzeitige neoliberale Regime kennzeichnend<br />
ist, müsste eine solche Perspektive äußerst komplex beschaffen<br />
sein. 17 Unter den heutigen Bedingungen – Klassenkampf, Zersplitterung und<br />
Arbeitsplatzunsicherheit der Lohnempfänger, unterschiedliche Erfahrungen<br />
mit der Krise und der Politik der öffentlichen Hand – sind bei der Suche nach<br />
neuen Allianzen zwischen den beherrschten Klassen innovative Strategien<br />
erforderlich. Es geht nicht nur darum, herauszufinden, welche Art von politischem<br />
Projekt in der Lage sein könnte, die gesellschaftliche Zersplitterung zu<br />
überwinden, sondern auch, welche Art von Positionen förderlich sein könnten,<br />
um unterschiedliche Gruppen zusammenzuführen. Wir haben gesehen,<br />
dass „Würde“ ein Katalysator ist, der in unterschiedlichsten Schichten und an<br />
unterschiedlichsten Orten auf Widerhall stößt, bestens veranschaulicht durch<br />
das außerordentliche Echo auf Stéphane Hessels Aufruf „Empört euch!“.<br />
Wie bereits festgestellt, sind die neoliberalen Ideen im Zusammenbruch<br />
begriffen, was jedoch nicht heißt, dass dadurch eine alternative Perspektive<br />
automatisch die Vormachtstellung einnehmen würde. Groll und Ärger<br />
haben oftmals Schwierigkeiten, ihren Gegenstand, ihre Adressaten und ihr<br />
Ziel genau zu finden, was schließlich zu Erschöpfung und Resignation führt.<br />
Die Verschärfung der Krise haben sowohl den Ärger als auch das Gefühl der<br />
Machtlosigkeit weiter anschwellen lassen. Die mangelnde Interpretationskraft,<br />
die mangelnden Handlungsmöglichkeiten sowie die Schwierigkeiten<br />
bei der Bündelung der verschiedenen Gruppen führen häufig zur Ausbildung<br />
von Ressentiments, die (wie wir es derzeit in Europa erleben) leicht von radikalen<br />
rechtsgerichteten populistischen Kräften aufgegriffen und manipuliert<br />
werden können, die sich als Verteidiger bestimmter sozialer Errungenschaften<br />
für einen engen Bereich der Bevölkerung aufspielen. Kämpferische<br />
Rhetorik ist gewiss erforderlich, reicht aber nicht aus, um solche Ressentiments<br />
zurückzudrängen. Vielmehr müssen zu diesem Zweck unbedingt echte<br />
Perspektiven für die Interpretationskraft, die Handlungsfähigkeit und die<br />
Bündelung der verschiedenen Gruppen und ihrer Kräfte angeboten werden.