HEFT 4 · 50. JAHRGANG 2007 - Zoo Köln
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Abb. 5: Neun Meter hohe Beobachtungsplattform<br />
am Rande der Waldöffnung.<br />
9-m high observation platform at the edge of<br />
the forest clearing. (Foto: Penny Jarrett)<br />
die Sozialstruktur, Lebensgeschichte<br />
und Populationsdynamik von charismatischen<br />
Säugetieren wie den Flachlandgorillas<br />
zu studieren. Bevor die<br />
Naturschutzaktivitäten in der Region<br />
begannen, wurde Mbeli Bai so wie viele<br />
andere Bais regelmäßig von Wilderern<br />
heimgesucht, denen sich hier Elefanten<br />
als leichte Ziele präsentierten.<br />
Naturschutzproblematik<br />
In den 90er Jahren bestand der Ndoki-<br />
Regenwald aus tausenden Quadratkilometern<br />
undurchdringlichen ursprünglichen<br />
Busches, jedoch nur 20<br />
Jahre später sieht die Situation ganz anders<br />
aus. Holzfirmen beherrschen das<br />
Erscheinungsbild in der Region. Sie<br />
sind einerseits die wichtigsten Arbeitgeber<br />
im Norden Kongos, andererseits<br />
aber auch die größte Gefahr für den<br />
Schutz des Regenwaldes und seiner<br />
einzigartigen Tierwelt. Selbst wenn die<br />
Abholzung anfangs keine allzu direkten<br />
Auswirkungen auf den Regenwald<br />
hatte, da zum Beispiel nur einzelne<br />
Baumarten wie Mahagoni gefällt wurden,<br />
so ermöglichen die vielen neu erschaffenen<br />
Straßen Zugang in vorher<br />
unzugängliche Gebiete und damit auch<br />
zu illegaler Wilderei in den entlegendsten<br />
Regionen. Zusätzlich sorgen die<br />
Abholzungsmethoden vieler (jedoch<br />
nicht aller) Holzfirmen für irreparable<br />
Schäden im Regenwald. Da viele Mahagonibestände<br />
erschöpft sind, beginnen<br />
die Holzfirmen sich auf andere<br />
Baumarten zu spezialisieren. Dies hat<br />
möglicherweise katastrophale Auswirkungen<br />
auf viele Tierarten, da zum Bei-<br />
Wie identifiziert man Gorillas?<br />
Neben offensichtlichen Unterschieden in Körpergröße<br />
und Fellfärbung erkennen wir die<br />
Gorillas an der Form ihrer Überaugenwülste<br />
(browridge), Form der Ohren und ihres<br />
Nasenspiegels (noseprints).<br />
spiel diese Baumarten wichtige Früchte<br />
für Gorillas und Schimpansen (Pan<br />
troglodytes) tragen (MORGAN &<br />
SANZ, <strong>2007</strong>). Ein Konsument in der<br />
westlichen Welt sollte sich deshalb<br />
zweimal überlegen, tropisches Holz zu<br />
kaufen. Zudem haben viele Säugetierpopulationen,<br />
besonders die der Westlichen<br />
Flachlandgorillas im benachbarten<br />
Gabun und im nahegelegenen Odzala-Kokoua-Nationalpark,<br />
enorm unter<br />
den katastrophalen Auswirkungen<br />
der Ebola-Ausbrüche gelitten. Ebola<br />
ist eine Infektionskrankheit, die sowohl<br />
bei den Menschenaffen als auch<br />
bei unserer eigenen Art hämorrhagisches<br />
Fieber auslöst und dies mit äußerst<br />
hoher Sterberate einhergeht. Man<br />
nimmt an, dass eine Population zu 90%<br />
durch Ebola dezimiert werden kann<br />
(WALSH u.a., 2003). Durch den dramatischen<br />
Rückgang der westlichen<br />
Flachlandgorillabestände (TUTIN et<br />
al., 2005) wurde diese Menschenaffenart<br />
vor kurzem in die Rote Liste der<br />
kritisch bedrohten („critically endangered“)<br />
Arten aufgenommen (IUCN,<br />
<strong>2007</strong>). Deshalb ist es heute mehr denn<br />
je notwendig, die Verletzlichkeit dieser<br />
Art zu bewerten und sie langfristig zu<br />
schützen.<br />
Tiere und Forscher auf der Waldlichtung<br />
Bai-Studien bieten den Vorteil, simultan<br />
Daten über viele verschiedene Gruppen<br />
unterschiedlichster Arten zu sammeln.<br />
So wird Mbeli Bai regelmäßig<br />
von vielen unterschiedlichen Gorillagruppen<br />
besucht, was es uns ermög-<br />
Jeder Gorilla hat seinen individuellen Abdruck<br />
des Nasenspiegels, ungefähr so wie unser Fingerabdruck.<br />
Es dauert circa drei Monate, bis<br />
man alle 130 Gorillas kennt, und mit etwas<br />
Erfahrung achtet man nicht mehr auf Nasenspiegel<br />
oder Form der Ohren, sondern erkennt<br />
das Tier innerhalb von Sekunden, so als ob man<br />
einen alten Freund wiedererkennt.<br />
Abb. 6: Identifikationskarte eines weiblichen Gorillas – jedes Tier unterscheidet sich deutlich<br />
von den anderen in seinem Erscheinungsbild.<br />
ID-card of a female gorilla – every gorilla can be identified by its individual features.<br />
licht, Informationen an einer ganzen<br />
Population zu sammeln. Seit Anfang<br />
der Untersuchungen haben wir mehr<br />
als 300 unterschiedliche Gorillas identifiziert<br />
– zum Vergleich: Die gesamte<br />
Populationsgröße der bekannten Berggorillas<br />
im Dreiländereck der Virungaberge<br />
liegt zwischen 300 und 400 Tieren.<br />
Da Flachlandgorillas, im Gegensatz<br />
zu den Berggorillas, nur sehr<br />
schwer im dichten Regenwald zu beobachten<br />
sind, und die Tatsache, dass<br />
bis zu 14 verschiedene Gruppen Mbeli<br />
Bai besuchen, macht diesen Ort einzigartig.<br />
Zurzeit besuchen etwa 130 Gorillas<br />
regelmäßig Mbeli Bai.<br />
Wir beobachten die Säugetiere mit<br />
Fernrohren von einer neun Meter hohen<br />
Holzplattform am Rande der<br />
Waldlichtung (Abb. 5). Alle Gorillas,<br />
die Mbeli Bai besuchen, können wir individuell<br />
an ihren Gesichtszügen,<br />
Form der Überaugenwülste, Einkerbungen<br />
in den Ohren und anderen<br />
Merkmalen wie Fellfärbung erkennen<br />
(Abb. 6). Es dauert ca. 3 Monate, bis<br />
man alle 130 Gorillas individuell identifizieren<br />
kann. Alle unsere Gorillas haben<br />
Namen und die Anfangsmitglieder<br />
aus George’s Gruppe wurden z.B. nach<br />
amerikanischen Präsidenten und ihren<br />
Ehefrauen benannt. Gorillaweibchen<br />
wechseln oftmals die Gruppe und die<br />
Namen helfen uns dann, uns zu erinnern,<br />
aus welcher Gruppe sie ursprünglich<br />
stammen. Neben Gorillas<br />
kennen wir individuell seit 1995 über<br />
250 Waldelefanten, die am besten anhand<br />
der Einkerbungen in ihren Ohren,<br />
der Form ihrer Stoßzähne und an-<br />
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