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HEFT 4 · 50. JAHRGANG 2007 - Zoo Köln

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z.B. sehr häufig bei Löwen (Panthera<br />

leo) (PUSEY & PACKER, 1994) konnte<br />

mehrfach bei den Berggorillas beobachtet<br />

werden (WATTS, 1989).<br />

Weibchen können während der Stillzeit<br />

kein weiteres Jungtier bekommen. Infantizid<br />

ist deshalb eine evolutionsstabile<br />

Taktik eines Silberrückens, die<br />

darauf beruht, sich mit einem nicht<br />

mehr stillenden Weibchen zu paaren,<br />

um eigene Junge zu zeugen. Man<br />

nimmt an, dass die potentielle Infantizidgefahr<br />

dafür sorgt, dass Weibchen<br />

sehr sorgfältig einen Silberrücken auswählen,<br />

da dieser für die nächsten Jahre<br />

in der Lage sein muss, das heranwachsende<br />

Jungtier gegen Leoparden und<br />

andere Silberrücken zu verteidigen<br />

(ROBBINS et al., <strong>2007</strong>). Auch auf<br />

Mbeli Bai haben wir zwei Angriffe<br />

von Silberrücken auf gruppenfremde<br />

Jungtiere beobachtet und viele Weibchen<br />

haben ihre nicht entwöhnten<br />

Jungtiere bei dem Wechsel zu anderen<br />

Gruppen verloren.<br />

Die genauen Gründe für die Unterschiede<br />

in der Sozialstruktur zwischen<br />

Berggorillas und Flachlandgorillas sind<br />

bis jetzt nicht genau bekannt (HAR-<br />

COURT & STEWART, <strong>2007</strong>), jedoch<br />

ist dies ein Hauptschwerpunkt unserer<br />

Forschung. Es scheint, dass die Anzahl<br />

der Silberrücken in einer Gruppe Einfluss<br />

auf das Überleben eines Jungtieres<br />

hat. So herrscht bei den Berggorillas in<br />

einer Einmännchengruppe eine höhere<br />

Jungtiersterblichkeit als in einer Vielmännchengruppe.<br />

Dies bedeutet, dass<br />

die Sterberate der Jungtiere bei Flach-<br />

Abb. 9: Weibchen Winona mit Jungtier Whiskey, das den Gruppenwechsel<br />

zu einem anderen Silberrücken überlebte.<br />

Female Winona with her offspring Whiskey that survived the transfer<br />

to another silverback. (Foto: Thomas Breuer)<br />

landgorillas (mit ihrer typischen Haremsstruktur)<br />

möglicherweise erhöht<br />

ist, was wiederum Auswirkungen auf<br />

deren Zuwachsrate hat.<br />

Ein möglicher Grund für die Unterschiede<br />

in der Sozialstruktur zwischen<br />

beiden Gorillaarten liegt in den starken<br />

Kontrasten der Lebensräume von<br />

Flachlandgorillas und Berggorillas<br />

(DORAN & MCNEILAGE, 2001).<br />

Berggorillas leben in einem sehr extremen<br />

Ökosystem am Rande des Verbreitungsgebietes<br />

von Gorillas. Sie<br />

kommen, wie ihr Name schon andeutet,<br />

in den Bergregionen der Virunga-<br />

Vulkankette vor und unterscheiden<br />

sich auch äußerlich von ihren Brüdern<br />

im Tieflandregenwald. So haben Berggorillas<br />

viel dichteres, längeres Fell und<br />

ihnen fehlt ein roter Schopf, welcher<br />

für die Flachlandgorillas typisch ist.<br />

Berggorillas fressen hauptsächlich<br />

Sprossen, Blätter, Mark und sonstiges<br />

grünes pflanzliches Material, jedoch<br />

selten Früchte, da diese in ihrem Lebensraum<br />

kaum vorhanden sind<br />

(ROBBINS, <strong>2007</strong>). Das Nahrungsangebot<br />

in den Virungas ist sehr üppig,<br />

das heißt die Dichte der Pflanzen ist<br />

sehr hoch und ist über das ganze Jahr<br />

verfügbar. Deshalb verbringen die<br />

Berggorillas die meiste Zeit mit Fressen<br />

und Ausruhen und wandern nur sehr<br />

wenig in ihren kleinen Streifgebieten<br />

von ungefähr 10 km 2 umher. Im Gegensatz<br />

dazu ist in den Tieflandregenwäldern<br />

des Kongobeckens das Nahrungsangebot<br />

zwar viel artenreicher<br />

(besonders viele Fruchtbäume), jedoch<br />

sind die Nahrungsquellen nicht so<br />

zahlreich und viel weiter verstreut. Zudem<br />

ist die Vegetation sehr saisonal, das<br />

heißt es gibt Jahreszeiten, in denen das<br />

Nahrungsangebot sehr reichhaltig ist,<br />

in anderen Jahreszeiten dagegen tragen<br />

die Bäume kaum Früchte. Dies führt<br />

dazu, dass die Flachlandgorillas wesentlich<br />

mobiler (mit größeren Streifgebieten)<br />

sind als die Berggorillas, und<br />

sich somit die Gruppen viel häufiger<br />

begegnen.<br />

Es wird argumentiert, dass diese saisonal<br />

unterschiedliche Nahrungsverfügbarkeit<br />

Einfluss auf die Wachstumsrate<br />

hat (DORAN & MCNEILAGE,<br />

2001). Wie kann man sich das genau<br />

vorstellen? Wachstum und Stillen von<br />

Jungtieren sind kostspielige Aufgaben<br />

eines jeden Säugetierweibchens. Wenn<br />

man sich darauf verlassen kann, dass<br />

Nahrung ständig vorhanden ist, gibt<br />

es keine Perioden, in denen Engpässe<br />

auftreten. Das heißt Blattfresser, die<br />

kaum Saisonalität ausgesetzt sind,<br />

können ihren Energiebedarf in kürzerer<br />

Zeit decken, was zu einem schnelleren<br />

Wachstum und zu einem früheren<br />

Zeitpunkt der Jungtierentwöhnung<br />

führt. Diese Hypothese scheint für<br />

viele Primatenarten zuzutreffen und ist<br />

besonders deutlich, wenn man <strong>Zoo</strong>tiere<br />

mit freilebenden Individuen vergleicht.<br />

<strong>Zoo</strong>tiere kommen normalerweise<br />

nicht in Energieengpässe und<br />

verbrennen meist weniger Energie,<br />

weil sie weniger Bewegung haben und<br />

ihr Wachstum erfolgt deshalb erheblich<br />

schneller.<br />

Abb. 10: Weibchen Akela beim Stillen ihres fünf Jahre alten Sohnes<br />

Mowgli.<br />

Female Akela is nursing her 5 year-old son Mowgli.<br />

(Foto: Thomas Breuer)<br />

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