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4 gelesen <strong>die</strong> <strong><strong>reformiert</strong>en</strong>.<strong>upd@te</strong> 11.3<br />

Dem Wort folgen<br />

Das Lukasevangelium und <strong>de</strong>r<br />

1. Korintherbrief in Predigten<br />

ausgelegt<br />

Die <strong>reformiert</strong>e Reformation<br />

begann mit <strong>de</strong>r Abschaffung<br />

<strong>de</strong>r Perikopenordnung und <strong>de</strong>r<br />

Einführung <strong>de</strong>r lectio continua,<br />

<strong>de</strong>r fortlaufen<strong>de</strong>n Auslegung <strong>von</strong><br />

biblischen Büchern in Predigten.<br />

So kann man vielleicht etwas überpointiert<br />

sagen. Aber als Zwingli<br />

am 2. Januar 1519 seine Tätigkeit<br />

in Zürich aufnahm, begann<br />

er seine Reihenpredigten <strong>zum</strong><br />

Matthäusevangelium und wen<strong>de</strong>t<br />

sich pointiert gegen <strong>die</strong> Perikopenordnung,<br />

<strong>die</strong> nach seiner Meinung<br />

<strong>die</strong> Bibel zerstückelt. Bullinger<br />

schließt sich an und in Genf geht<br />

Calvin erst in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit <strong>de</strong>m streitbaren<br />

Hamburger Westphal explizit auf<br />

<strong>die</strong> leectio continua ein, weil sie in<br />

Genf bereits üblicher Brauch war.<br />

Westphal hatte <strong>de</strong>n Vertretern <strong>de</strong>r<br />

fortlaufen<strong>de</strong>n Predigt <strong>de</strong>n Bruch<br />

mit <strong>de</strong>r Tradition vorgeworfen,<br />

Calvin weist Westphal nun darauf<br />

hin, dass <strong>die</strong> Entstehung <strong>de</strong>r Perikopenordnung<br />

bereits als Bruch<br />

mit <strong>de</strong>r ihr vorangehen<strong>de</strong>n lectio<br />

continua zu verstehen sei – das<br />

Kirchenjahr wer<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Perikopenordnung<br />

höher geachtet als <strong>die</strong><br />

doctrina evangelii.<br />

Die Pastoren in <strong>de</strong>n <strong><strong>reformiert</strong>en</strong><br />

Gemein<strong>de</strong>n haben sich auch in<br />

Deutschland an vielen Orten lange<br />

Zeit nicht <strong>de</strong>r Perikopenordnung<br />

verpflichtet gewusst, son<strong>de</strong>rn<br />

haben <strong>die</strong> Praxis <strong>de</strong>r Auslegung<br />

ganzer biblischer Bücher gepflegt<br />

– und manche Predigtbän<strong>de</strong> vom<br />

17. bis <strong>zum</strong> 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt sind<br />

ein <strong>de</strong>utlicher Beleg dafür. Im<br />

zwanzigsten Jahrhun<strong>de</strong>rt gibt es<br />

in vielen <strong><strong>reformiert</strong>en</strong> Gemein<strong>de</strong>n<br />

weiterhin <strong>die</strong>se Praxis, aber <strong>die</strong><br />

Belege wer<strong>de</strong>n seltener. Der frühe<br />

Barth hat in Safenwil verschie<strong>de</strong>ne<br />

biblische Bücher ausgelegt, vom<br />

berühmten Walter Lüthi existieren<br />

eine Menge Predigten, in <strong>de</strong>nen<br />

einzelne biblische Bücher fortlaufend<br />

ausgelegt wer<strong>de</strong>n. Die Reihe<br />

ließe sich fortsetzen, aber <strong>de</strong>utlich<br />

ist auch: Die lectio continua wird<br />

auch in <strong><strong>reformiert</strong>en</strong> Gemein<strong>de</strong>n<br />

nur <strong>von</strong> einer Min<strong>de</strong>rheit geübt.<br />

Dabei gab es in <strong>de</strong>n achtziger<br />

Jahren sogar einen Versuch seitens<br />

<strong>de</strong>r Göttinger Predigtmeditationen,<br />

hier Mut zu Predigtreihen zu machen<br />

– das Experiment wur<strong>de</strong> aber<br />

wohl mangels Interesse eingestellt.<br />

Deswegen mutet es fast etwas<br />

anachronistisch an, wenn ich hier<br />

auf drei Predigtbän<strong>de</strong> <strong>von</strong> Karl<br />

Müller hinweise. Anachronistisch<br />

auch <strong>de</strong>shalb, weil ich nicht selten<br />

in <strong>de</strong>n letzten Jahren bei Pastoren<br />

und Pastorinnen reines Unverständnis<br />

erlebt habe, als ich <strong>die</strong><br />

lectio continua ins Gespräch bringen<br />

wollte. Karl Müller je<strong>de</strong>nfalls<br />

ist treuer Verfechter <strong>de</strong>r fortlaufen<strong>de</strong>n<br />

Auslegung biblischer Bücher<br />

in Predigten – und <strong>die</strong> drei Bän<strong>de</strong><br />

sind dafür ein beredtes Zeugnis.<br />

In <strong>de</strong>n Jahren 1989 bis 1994 hat<br />

Müller in <strong>de</strong>n ev.-ref. Gemein<strong>de</strong>n<br />

in Gambach und Ober-Hörgern mit<br />

Unterbrechungen das Lukasevangelium<br />

gepredigt – in 135 Predigten.<br />

2010 hat er sie in zwei Bän<strong>de</strong>n<br />

unter <strong>de</strong>m Titel „Die Freu<strong>de</strong> zieht<br />

durchs Land“ herausgegeben – und<br />

<strong>de</strong>r Untertitel ist als Programm zu<br />

verstehen: „Das Lukasevangelium<br />

für <strong>die</strong> Gemein<strong>de</strong> ausgelegt“. Und<br />

<strong>de</strong>r 1. Korintherbrief wur<strong>de</strong> in 49<br />

Predigten 1976-1978 in Offenheim,<br />

Weinheim und Erbes-Bü<strong>de</strong>sheim<br />

ausgelegt und ebenfalls 2010<br />

herausgegeben unter <strong>de</strong>m Titel:<br />

„Gemein<strong>de</strong> Jesu Christi – Vorausabteilung<br />

<strong>de</strong>s Reiches“.<br />

Was kennzeichnet <strong>die</strong> Predigten<br />

Müllers? Zunächst einmal ist<br />

festzustellen, dass sie am biblischen<br />

Text erarbeitet wur<strong>de</strong>n. Man<br />

merkt <strong>de</strong>n Predigten an, dass sie<br />

im Gespräch mit an<strong>de</strong>ren Auslegungen<br />

entstan<strong>de</strong>n sind, wobei<br />

<strong>die</strong>se sowohl wissenschaftliche<br />

Kommentare, Predigtmeditationen<br />

und auch an<strong>de</strong>re Predigten sind.<br />

Es ist <strong>de</strong>shalb auch wohltuend<br />

<strong>de</strong>utlich, dass immer <strong>die</strong> Absicht<br />

leitend ist, eine in <strong>de</strong>n biblischen<br />

Schriften selbst gefun<strong>de</strong>ne Anfrage<br />

o<strong>de</strong>r Ermutigung aufzunehmen<br />

und weiterzusagen. Sodann ist zu<br />

sehen, dass Müller sich auf <strong>de</strong>m<br />

Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Hei<strong>de</strong>lberger Katechismus<br />

befin<strong>de</strong>nd versteht – auch er<br />

wird für Müller immer wie<strong>de</strong>r als<br />

Ausleger biblischer Texte herangezogen.<br />

Bei<strong>de</strong> Beobachtungen führen<br />

aber nicht dazu, <strong>die</strong> Gemein<strong>de</strong>,<br />

in <strong>de</strong>r <strong>die</strong> Predigten gehalten<br />

wer<strong>de</strong>n, nur als Ort und nicht als<br />

Subjekt zu verstehen: Die Anre<strong>de</strong><br />

an <strong>die</strong> versammelte Gemein<strong>de</strong> ist<br />

in je<strong>de</strong>r Predigt <strong>de</strong>utlich. Es sind<br />

<strong>de</strong>shalb ansprechen<strong>de</strong> und einfach<br />

verständliche Predigten, <strong>die</strong> auch<br />

<strong>die</strong> sogenannten einfachen Leute<br />

verstehen können. Er nimmt <strong>die</strong><br />

Menschen mit auf einen Verstehensweg<br />

<strong>de</strong>s Evangeliums,<br />

das als Zuspruch und Anspruch<br />

je<strong>de</strong>n Menschen angeht. Immer<br />

wie<strong>de</strong>r <strong>die</strong>nen kleine Geschichten<br />

und Erlebnisse zur Illustration.<br />

Tagespolitische Aktualität ist <strong>de</strong>n<br />

Predigten, je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>n gedruckten,<br />

nur zuweilen zu entnehmen<br />

– sie verstehen sich nicht als ein<br />

Wort zur Lage son<strong>de</strong>rn eher zur<br />

Sache. Viele Predigten greifen<br />

eher grundsätzliche Fragestellungen<br />

und Probleme auf, sowohl<br />

gemeindliche wie individuelle.<br />

Das mag in <strong>de</strong>r gegenwärtigen<br />

homiletischen Großwetterlage als<br />

Makel empfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Aber<br />

einmal sind gedruckte Predigten<br />

immer etwas an<strong>de</strong>res als gehörte,<br />

weil dort Anspielungen und<br />

Hinweise ganz an<strong>de</strong>rs Wirklichkeit<br />

aufnehmen können. Außer<strong>de</strong>m ist<br />

ein zeitlicher Abstand <strong>von</strong> mehr als<br />

zwanzig Jahren da und manches<br />

hören wir heute auch nicht mehr.<br />

weiter S. 43

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