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Gute Arbeit?, Gute Umwelt?, Gute Technik - artec - Universität Bremen

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<strong>artec</strong>-paper Nr. 98 – Oktober 2002<br />

Ein weiteres Moment tritt hinzu, das die saubere Trennung von Werten und Daten verschwimmen<br />

lässt: Die mangelnde Prognostizierbarkeit der Auswirkungen neuer <strong>Technik</strong>en<br />

oder der menschlichen Eingriffe in die Natur. Die Risikodebatte hat das weite Feld der hypothetischen<br />

Risiken eröffnet, mögliche Schädigungen, die man nicht kennt, aber gleichwohl<br />

vermuten kann. Die Debatte um die Gentechnologie ist ein Beispiel, die Probleme der Folgen<br />

eines möglichen Klimawandels ein anderes aus der langen Reihe von Beispielen. Die Diskrepanz<br />

von Wissen und Handlungsfolgen ist erst gegenwärtig in ihrer ganzen Schärfe bewusst<br />

geworden. Hieß es früher, erst Wissen, dann Handeln, so hat sich dies heute umgekehrt: Zuerst<br />

Handeln, um später vielleicht etwas zu wissen. Dieser Vorrang des Handelns gegenüber<br />

dem Wissen führt zu einer eigentümlichen Verkehrung der Beweislast in der <strong>Umwelt</strong>debatte.<br />

Nicht mehr feststellbare Gefahren und deren Abwehr spielen die zentrale Rolle einer Vorsorgepolitik,<br />

sondern Gefahren oder Schäden, die in weiter Ferne liegen, die unbekannt sind,<br />

aber theoretisch und logisch nicht ausgeschlossen werden können. Diese Argumente beruhen<br />

auf theoretischen Annahmen und möglichen empirischen Beobachtungen, die per Definition<br />

vorläufig sind und damit offen für Falsifikationen durch künftige Forschungen (Wynne 1988).<br />

Die wissenschaftliche Expertise wird dann spekulativ, und unter den Bedingungen fehlenden<br />

Wissens, einer nicht aufhebbaren Unsicherheit, zeigt sich, das auch wissenschaftliches Wissen<br />

mit dem Makel, lediglich Vermutung und ad hoc-Plausibilität zu sein, belastet ist. Nicht<br />

umsonst appellieren Experten an das Vertrauen ihres Publikums (Fischer 1990).<br />

5. Offene Probleme: Nichtwissen und Interdisziplinarität<br />

Nichtwissen<br />

Traditionell spielte Nichtwissen oder Unsicherheit in der Wissenschaft eine untergeordnete<br />

Rolle. Unwissen war ein defizienter Modus des Wissens, den es zu überwinden galt, wenn<br />

nicht heute, dann doch in der näheren Zukunft. Aus dieser Grundeinstellung rührt das Aufklärungspathos<br />

der Wissenschaft, da wissenschaftliches Wissen gleichgesetzt wurde mit dem<br />

Voranschreiten der Emanzipation des Menschen aus den Zwängen der äußeren und inneren<br />

Natur. Inzwischen scheint die positivistische Überzeugung zunehmend an Plausibilität einzubüßen,<br />

die nur noch durch metaphysische Setzungen zu retten ist, wie etwa durch die Gleichung<br />

Wertfreiheit = Intersubjektivität = Wahrheit = wirkliche Welt.<br />

Japp unternimmt eine Rehabilitation des Nichtwissens und weist ihm eine soziale Realität sui<br />

generis zu. "Diese Möglichkeit ergibt sich, wenn Nichtwissen, als (buchstäblich) andere Seite<br />

des Wissens, als andere Seite einer Unterscheidung also, verstanden wird. Nichtwissen kann<br />

dann (von Wissen) unterschieden und – eigenständig – bezeichnet werden" (S. 26). Dass diese<br />

Reflexionen keine Gedankenspiele sind, sondern in der gesellschaftlichen Kommunikation<br />

und somit in der Realität täglich vorkommen und einen eigenen Erkenntnisgewinn produzieren,<br />

macht er an Beispielen aus der Risikoforschung deutlich. In jeder Risikokommunikation,<br />

ob es sich nun um den BSE-Fall, die Kernenergie oder mögliche Gefahren der Gentechnologie<br />

handelt, immer wird mit wissenschaftlichem Wissen auch Nichtwissen unweigerlich mit<br />

erzeugt, und zwar als spezifiziertes Nichtwissen(Japp 1997) Nicht das Verschwindenlassen<br />

des Nichtwissens, d.h. die Unsichtbarkeit der Kontingenz der Wissenschaft, ist das Problem,<br />

sondern der Umgang mit Nichtwissen in Entscheidungssituationen. Weder Dissens noch Konsens<br />

können die simultane Produktion von Wissen und Nichtwissen aus der Welt schaffen.<br />

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