Schweizerische Gewerbezeitung - Die Zeitung für KMU | Ausgabe ...
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<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong> – 11.<br />
Mai 2012<br />
<strong>KMU</strong>-WELT 13<br />
SOLARIEN– Immer öfter und lauter werden Sonnenstudios als gesundheitsschädigend angeprangert. Obwohl sich die Nischenbranche<br />
selbst Qualitätsanforderungen auferlegt hat, wollen Präventionspolitiker neue Einschränkungen und Verbote.<br />
Eine ganze Branche unter Beschuss<br />
VERBAND PHOTOMED<br />
Seit 25 Jahren aktiv<br />
Photomed ist der Fachverband der Solarienbranche in<br />
der Schweiz. Er wurde 1987 gegründet und zählt heute<br />
81 Mitglieder. Nebst unabhängigen Sonnenstudios gehören<br />
dazu auch sogenannte Kleinbetriebe (bis 2 Solariumgeräte)<br />
wie Gesundheits-, Wellness- und Fitnesszentren,<br />
Hotels, Hallenbäder, Saunen oder Kosmetiksalons<br />
sowie Händler und Importeure im Bereich Solarien und<br />
Zubehör.<br />
Ziele des Verbands sind unter anderem die fachliche<br />
Aufklärung der Öffentlichkeit über Nutzen und<br />
Risiken der Besonnung; Steigerung der fachlichen<br />
Qualifikation durch Schulungen sowie die Förderung<br />
der Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Anwendern,<br />
Benutzern und Herstellern von Besonnungs- und<br />
Bestrahlungsgeräten.<br />
Photomed unterhält eine Zusammenarbeit mit dem<br />
deutschen Bundesfachverband <strong>für</strong> Besonnung und ist<br />
Miglied des europäischen Verbandes ESA (European<br />
Sunlight Association).<br />
LINK<br />
www.photomed.ch<br />
Wer ein Solarium besucht, setzt<br />
sich einem Gesundheitsrisiko aus;<br />
Hautkrebs und vorzeitige Hautalterung<br />
seien die Folgen. So lautete<br />
der Tenor mehrerer Studien, die<br />
sei 2000 in den Medien gross von<br />
sich reden machten. Entsprechend<br />
wurden Solarien bezüglich Krebsgefährdung<br />
in «Klasse 1» kategorisiert.<br />
Was verschwiegen wird: in dieselbe<br />
«Klasse 1» gehört nebst Arsen, Tabak,<br />
Rotwein und Bier auch das natürliche<br />
Sonnenlicht. Das heisst im Klartext,<br />
es müsste auch vor Badeanstalten<br />
und Sonnenwiesen gewarnt werden.<br />
Seltsame Studien und Vorstösse<br />
Ihren Beginn nahm die grosse Anti-<br />
Solarien-Kampagne mit einer WHO-<br />
Untersuchung über Hautkrebs, die<br />
gezielt prominent veröffentlicht<br />
wurde. Doch nur fünf von 23 behandelten<br />
Studien lieferten statistisch<br />
relevante Ergebnisse und bezogen<br />
sich zudem auf Menschen des hel-<br />
len Hauttyps 1, denen seit je von<br />
Solariumbesuchen abgeraten wird.<br />
Fakten, die man der Öffentlichkeit<br />
nicht kommunizierte. «Unsere Kunden<br />
wurden durch diese Berichte<br />
massiv verunsichert», betont Heinz<br />
Wolf von Photomed, dem schweizerischen<br />
Verband der Solarienbranche.<br />
<strong>Die</strong> Verbots-Geschichte wurde 2005<br />
von der Politik lanciert. Im EU-Parlament<br />
reichten ein griechischer<br />
und ein spanischer Abgeordneter<br />
erfolgreich den Antrag ein, die Solarienbranche<br />
punkto Strahlen-Output<br />
zu regulieren. «In Griechenland gibt<br />
es kein einziges Solarium, in Spanien<br />
nur einige wenige in Grossstädten»,<br />
hält Wolf kopfschüttelnd fest. Den<br />
beiden Politikern sei es einzig darum<br />
gegangen, sonnenhungrige Touristen<br />
in ihr Land zu holen. «So banal kann<br />
es manchmal sein.» In der Folge kam<br />
die EU-Gesetzgebungsmaschinerie<br />
GESUNDHEIT – Weil unsere Winter lang sind, bietet sich das Solarium<br />
als eigentliche Vitamin-D-Tankstelle an.<br />
Ohne Sonnenlicht geht nichts<br />
Sonne ist notwendig <strong>für</strong> Leben<br />
und Gesundheit – daran zweifelt<br />
eigentlich niemand. Doch in den<br />
letzten Jahren geriet die direkte<br />
Sonneneinstrahlung auf Menschen<br />
zunehmend in Verruf (vgl. Hauptartikel).<br />
Vor lauter Warnungen vor<br />
der «bösen» Sonne gingen dabei die<br />
heilenden Kräfte der «guten» Sonne<br />
beinahe vergessen. Wie bei so vielen<br />
helfenden oder heilenden Mitteln<br />
gilt aber auch hier der altbekannte<br />
Grundsatz: Vernunft regiert,<br />
es kommt auf die richtige Anwendung<br />
und vor allem auf die richtige<br />
Dosierung an.<br />
Glückshormone in Bewegung<br />
Sonnenlicht trägt entscheidend zu<br />
unserem Wohlbefinden bei. Das<br />
merkt man spätestens dann, wenn<br />
alljährlich in den «dunklen» Monaten<br />
der Winter-Blues aufkommt.<br />
Guckt die Frühlingssonne wieder<br />
hervor, melden sich die positiven<br />
Gefühle zurück. <strong>Die</strong>se verdanken<br />
wir dem «Sonnenscheinvitamin»<br />
<strong>Die</strong> Schweizer Solarien stehen unter Dauerdruck. Ob die Argumente der Präventionsbürokraten und profilsüchtigen<br />
Politikerinnen stimmen, ist dabei Nebensache.<br />
D, das die Endorphine (Glückshormone)<br />
in Bewegung setzt. Mithilfe<br />
der UVB-Strahlung stellt unsere Haut<br />
Vitamin D her, das einzige Vitamin<br />
übrigens, das der Körper selber produzieren<br />
kann.<br />
Seit gut hundert Jahren weiss die<br />
Medizin, dass Vitamin D unabdingbar<br />
ist <strong>für</strong> starke Knochen, also ein<br />
probates Mittel gegen die früher<br />
weit verbreitete Rachitis. Ansonsten<br />
schrieb man dem Sonnenscheinvitamin<br />
aber keine besonderen heilenden<br />
Eigenschaften zu. Zu Unrecht, wie<br />
neuste Studien und Untersuchungen<br />
beweisen: Vitamin D hilft nicht<br />
nur vorbeugend gegen Osteoporose,<br />
sondern mobilisiert das Immunsystem<br />
gegen Infektionen, schützt<br />
vor Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen und Diabetes sowie<br />
vor gewissen Krebsarten. Positive<br />
Ergebnisse mit Vitamin D wurden<br />
zudem bei Asthma, in der Leber-<br />
Forschung, bei Multiple Sklerose<br />
und auf vielen anderen Gebieten<br />
verzeichnet.<br />
ins Rollen. Heute dürfen im EU-Raum<br />
und auch in der Schweiz gemäss Europäischer<br />
Norm (Hausgeräteverordnung)<br />
nur noch neue Solariumgeräte<br />
in Betrieb genommen werden, die<br />
pro Quadratmeter 0,3 Watt abgeben,<br />
anstelle der früheren 0,6 Watt.<br />
Frau Teuschers Täuschung<br />
Was die Schweiz bislang aber noch<br />
nicht kennt, sind erweiterte Rahmenbedingungen,<br />
wie sie beispielsweise<br />
in Deutschland gelten. Doch die helvetischen<br />
Präventionspolitiker stehen<br />
in den Startlöchern. So reichte<br />
die grüne Berner Nationalrätin Franziska<br />
Teuscher 2009 eine Motion<br />
ein, in der sie vom Bundesrat ein<br />
Solarium-Gesetz und ein Solarium-<br />
Verbot <strong>für</strong> Minderjährige verlangte.<br />
Heinz Wolf: «Unsere Bundesbehörden<br />
und gewisse Politiker blicken in<br />
vorauseilendem Gehorsam immer<br />
Weil Vitamin D mit der Nahrung nur<br />
in geringen Mengen aufgenommen<br />
wird, ist eine dosierte Sonnenbestrahlung<br />
<strong>für</strong> den Körper umso wichtiger.<br />
Und hier liegt die Krux: Nicht zuletzt<br />
wegen der teils undifferenzierten<br />
Warnungen leidet heute mehr<br />
als die Hälfte aller Europäer an Vitamin-D-Mangel,<br />
weltweit sind es über<br />
eine Milliarde Menschen. In der Folge<br />
verursachen Vitamin-D-Mangelkrankheiten<br />
jährlich Gesundheitskosten<br />
in Milliardenhöhe.<br />
Kinder brauchen Sonne<br />
Besonders gravierend ist der Mangel<br />
bei – ohnehin sturzgefährdeten<br />
und krankheitsanfälligen – Senioren<br />
und neuerdings auch bei Kindern, die<br />
sich zu selten oder zu gut geschützt<br />
im Freien aufhalten. Bei Letzteren<br />
sind die Folgen mittlerweile so, dass<br />
der deutsche Berufsverband der Kinder-<br />
und Jugendärzte kürzlich an die<br />
Öffentlichkeit und die Eltern appelliert<br />
hat, Kinder «massvoll» an die<br />
Sonne zu schicken. mg<br />
mit einem Auge auf die EU. Aber<br />
man muss doch schauen, ob etwas<br />
<strong>für</strong> die Schweiz auch Sinn macht»,<br />
ärgert sich der Fachmann. So beschränke<br />
sich die Schweizer Branche<br />
auf eine UVB-Bestrahlung pro Röhre<br />
von 0,9 Prozent, während diese in<br />
Deutschland früher bei 1,4 bis 2,5<br />
Prozent lag. In Deutschland besuchen<br />
rund 19 Prozent der Gesamtbevölkerung<br />
gelegentlich ein Solarium,<br />
in der Schweiz nur 10 Prozent.<br />
Regelmässige Solariennutzer bei uns<br />
machten noch 5 Prozent aus, das<br />
heisst sie legen sich im Schnitt 1,5<br />
Mal pro Monat <strong>für</strong> 11,5 Minuten auf<br />
eine Sonnenbank.<br />
Widersprüchliche Studien<br />
Eine im Winter 2010/2011 von Photomed<br />
durchgeführte Kundenbefragung<br />
kommt zum Schluss, dass Solarium-<br />
Kunden hierzulande verantwortungsbewusst<br />
sind. <strong>Die</strong> beiden Hauptkritikpunkte,<br />
dass Solarium-Besucher<br />
immer jünger werden und Solarien<br />
Sonnenbrände verursachen würden,<br />
konnten klar wiederlegt werden.<br />
Lediglich 1,3 Prozent der Benutzer<br />
sind unter 18 Jahre alt. Der freiwillige<br />
Hinweis «Zutritt ab 18 Jahren», den<br />
die Photomed-Studios beim Eingang<br />
anbringen, wird also befolgt.<br />
Während sich im Solarium 17 Prozent<br />
einmal einen Sonnenbrand holten,<br />
hatten 63 Prozent der Befragten<br />
schon einen Sonnenbrand im Freien<br />
– 53 Prozent davon mehrmals.<br />
Bei einer fast zur gleichen Zeit im<br />
Auftrag des emsigen Bundesamtes<br />
<strong>für</strong> Gesundheit (BAG) durchgeführten<br />
Studie sieht das Resultat ganz<br />
anders aus. Sie nennt <strong>für</strong> junge Solariumbesucher<br />
Zahlen zwischen 24<br />
Prozent (wöchentlich) und 49 Prozent<br />
(einmal pro Monat). Nur: in dieser<br />
Studiengruppe wurden unverständlicherweise<br />
«Jugendliche» von<br />
16–25 Jahren zusammengefasst!<br />
Bestätigt wird von der BAG-Studie<br />
die Anzahl Sonnenbrände, es werden<br />
jedoch keine Vergleichszahlen zu<br />
Sonnenbränden im Freien genannt.<br />
Aus durch Präventionsgesetz?<br />
<strong>Die</strong> von viel Publicity begleitete<br />
Motion der Jugendretterin Teuscher<br />
wurde damals vom Bundesrat in<br />
dieser Form zwar abgelehnt. Doch<br />
Photomed be<strong>für</strong>chtet, dass analoge<br />
Postulate in anderen Gesetzen (z.B.<br />
Strahlenschutz) aufgenommen werden;<br />
zudem könnte das umstrittene<br />
Präventionsgesetz eine Grundlage<br />
<strong>für</strong> weitere Einschränkungen bieten.<br />
«Sollte ein explizites Verbot <strong>für</strong><br />
Minderjährige kommen, bedeutet<br />
das das Aus <strong>für</strong> die Sonnenstudios»,<br />
erklärt Heinz Wolf. Denn die grosse<br />
Mehrheit der Studios in der Schweiz<br />
sind Selbstbedienungsbetriebe, und<br />
trotz der äusserst kleinen Anzahl<br />
Besucher in dieser Alterskategorie,<br />
müssten Kontrollen eingeführt werden.<br />
«Solche Personalkosten kann<br />
sich kein Studio leisten, geschweige<br />
denn die möglichen Bussen.» Für<br />
Photomed ist es deshalb sehr wichtig,<br />
den 2011 vom Verband aufgestellten<br />
Qualitätsanspruch auch durchzusetzen;<br />
ab 2013 will man eigene Kontrollen<br />
durchführen. «Denn», so Wolf,<br />
«wir müssen der Kritik begegnen und<br />
alles unternehmen, damit wir nicht<br />
verwundbar sind.» Photomed will<br />
auch noch versuchen, die bisherigen<br />
«freien» Studios, die öfters die Regeln<br />
verletzten, <strong>für</strong> einen Verbandsbeitritt<br />
zu gewinnen.<br />
Es trifft halt die Kleinen...<br />
Ein Fakt bleibt so oder so: Von den<br />
insgesamt 14800 Solariumgeräten<br />
in der Schweiz werden nur 4800<br />
kommerziell eingesetzt – die restlichen<br />
10 000 (67,5 Prozent ) stehen<br />
bei Privaten, wo keine Regulierungen<br />
gelten. «Es ist widersinnig, eine<br />
Branche zu attackieren, die ihre Bestmögliches<br />
tut, während die Privaten<br />
machen können, was sie wollen»,<br />
fasst Heinz Wolf zusammen. «Aber es<br />
ist einfach, auf einen kleinen Marktteilnehmer<br />
einzudreschen, der sich<br />
nicht gross wehren kann.»<br />
Marianne Grossenbacher<br />
Heinz Wolf (56) ist Vizepräsident von Photomed. Als Geschäftsführer leitet er<br />
die at the beach AG, ein Solarienunternehmen, das 18 Zentren (hauptsächlich<br />
im Kanton Zürich) betreibt.