Schweizerische Gewerbezeitung - Die Zeitung für KMU | Ausgabe ...
Schweizerische Gewerbezeitung - Die Zeitung für KMU | Ausgabe ...
Schweizerische Gewerbezeitung - Die Zeitung für KMU | Ausgabe ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
8<br />
WIRTSCHAFT&POLITIK<br />
<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />
– 11.<br />
Mai 2012<br />
AGRARPOLITIK 2014–2017 – In den nächsten Monaten wird das Parlament die Weichen <strong>für</strong> die Landwirtschaft stellen. Letzte<br />
Gelegenheit, Mut zu zeigen und überholte Privilegien der Bauern abzuschaffen.<br />
Gewerbe will fairen Wettbewerb<br />
ANZEIGE<br />
Am 21. Mai 2012 starten die parlamentarischen<br />
Beratungen zur Agrarpolitik<br />
2014–2017 in der WAK Nationalrat mit<br />
Hearings. Im Vorfeld hat sich der sgv<br />
kritisch zur Vorlage geäussert. <strong>Die</strong><br />
bundesrätliche Vorlage verfolgt zwar<br />
die richtigen Zielsetzungen, weist aber<br />
vor allem drei Mängel auf: <strong>Die</strong> Bauern<br />
werden mit zu vielen Vorschriften eingeschnürt,<br />
der Strukturwandel wird<br />
zu stark abgebremst, und besonders<br />
gravierend: die <strong>KMU</strong>-Wirtschaft sieht<br />
sich gegenüber der Landwirtschaft<br />
auch weiterhin ungleich langen Spiessen<br />
gegenüber.<br />
Gute Rahmenbedingungen<br />
Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist<br />
immer noch die Erzeugung von qualitativ<br />
hochwertigen Agrarprodukten<br />
<strong>für</strong> die einheimische Bevölkerung.<br />
Dazu kommen gemäss Verfassungsauftrag<br />
die Erhaltung der natürlichen<br />
Lebensgrundlagen und die Pflege der<br />
Kulturlandschaft sowie die dezentrale<br />
Besiedlung des Landes. Leider<br />
wurde das Kerngeschäft in der letzten<br />
Zeit zunehmend vernachlässigt,<br />
und die Landwirtschaft suchte ihr<br />
Heil mehr und mehr in x-beliebigen<br />
Nebenerwerbstätigkeiten, um ein angemessenes<br />
Einkommen erzielen zu<br />
können. Es gilt nun, diesen Trend hin<br />
zur Verzettelung zu brechen und die<br />
staatlichen Anreize so umzugestalten,<br />
dass die Bauern wieder in der<br />
Lage sind, ihr Auskommen vorwiegend<br />
oder ausschliesslich aus ihrem<br />
Kerngeschäft zu erwirtschaften.<br />
Zur Stärkung der zentralen Aufgaben<br />
sind neben einem Abbau der vielen<br />
staatlichen Vorschriften und Auflagen,<br />
die <strong>für</strong> die Bauern kostentreibend sind,<br />
die Anreize so auszugestalten, dass<br />
der Strukturwandel nicht allzu stark<br />
abgebremst wird. Mit weniger als jährlich<br />
zwei Prozent ist er gegenwärtig<br />
eindeutig zu langsam; der Abstand zur<br />
europäischen Landwirtschaft wird<br />
noch grösser, die Wettbewerbsfähig-<br />
<strong>Die</strong> Milchwirtschaft<br />
gehört<br />
<strong>für</strong> die Schweizer<br />
Bauern weiterhin<br />
zum Kerngeschäft<br />
– Nebenbeschäftigungen<br />
haben sicher<br />
nicht die erste<br />
Priorität.<br />
keit des Agrarsektors sinkt. Bei der<br />
zentralen Strukturfrage hat der Bundesrat<br />
wenig Mut gezeigt und er ist<br />
vor den Forderungen der mächtigen<br />
Bauernlobby einmal mehr eingeknickt.<br />
So ist es unverständlich, dass<br />
das minimale Arbeitseinkommen als<br />
Eintrittsschwelle <strong>für</strong> den Bezug von<br />
Direktzahlungen im Tal- und Hügelgebiet<br />
nicht wie ursprünglich vorgeschlagen<br />
von 0,25 auf 0,4 Standardarbeitskräfte<br />
erhöht worden ist. Kritisch<br />
zu vermerken ist auch, dass ein grosser<br />
Teil der Direktzahlungen weiterhin<br />
unabhängig von konkreten, ökonomischen<br />
Leistungen ausbezahlt und na-<br />
mentlich die Versorgungssicherheitsbeträge<br />
weiter aufgestockt werden.<br />
Wettbewerbsneutralität sichern<br />
Zitat aus der im Jahre 2008 vom Gewerbekongress,<br />
unserem höchsten Organ,<br />
verabschiedeten «Strategie 2008»:<br />
«<strong>Die</strong> Landwirtschaft geniesst gegenüber<br />
der <strong>KMU</strong>-Wirtschaft vielfach eine<br />
Vorzugsbehandlung. Der sgv wehrt<br />
sich gegen eine mit staatlichen Unterstützungsmassnahmen<br />
geförderte<br />
weitere Bevorzugung der Landwirtschaft<br />
und verlangt eine Angleichung<br />
der Wettbewerbsbedingungen und die<br />
Schaffung gleich langer Spiesse.» Im<br />
Klartext: Falls die Bauern auf dem<br />
raumplanerisch geschützten und billigen<br />
Landwirtschaftsland Tätigkeiten<br />
ausüben, die das Gewerbe konkurrenzieren,<br />
muss dies zu gleichen Bedingungen<br />
gegenüber der <strong>KMU</strong>-Wirtschaft<br />
erfolgen, das heisst ohne staatliche<br />
Unterstützungs- und Förderungsmassnahmen,<br />
es sei denn, die im<br />
Wettbewerb stehenden Gewerbebetriebe<br />
sind damit einverstanden. Das<br />
Landwirtschaftsgesetz hat sich daher<br />
grundsätzlich auf die Urproduktion,<br />
das eigentlich Kerngeschäft der Bauern,<br />
zu beschränken und ist nicht auf<br />
x-beliebige weitere, in Konkurrenz zur<br />
<strong>KMU</strong>-Wirtschaft stehende Aktivitäten<br />
auszuweiten.<br />
Trotz guten Ansätzen hat es der Bundesrat<br />
verpasst, den Begriff der Wettbewerbsneutralität<br />
zwischen Landwirtschaft<br />
und Gewerbe befriedigend<br />
zu klären und die gewerbenahen Tätigkeiten<br />
der Bauern (beispielsweise<br />
Hofläden oder Besenbeizen) denselben<br />
Spielregeln zu unterstellen wie<br />
jenen der <strong>KMU</strong>-Wirtschaft. Damit werden<br />
die durch die unterschiedlichen<br />
gesetzlichen Vorgaben heute bestehenden<br />
Marktverzerrungen wie beispielsweise<br />
im Raumplanungsrecht, betreffend<br />
Investitionskrediten und Starthilfen,<br />
bei der Lebensmittelkontrolle oder<br />
bei gewissen Transportdienstleistungen<br />
unbesehen weitergeführt. Der sgv<br />
hat nichts gegen paralandwirtschaftliche<br />
Tätigkeiten der Bauern einzuwenden,<br />
sofern sie zu den gleichen Bedingungen<br />
wie <strong>für</strong> das Gewerbe erfolgen<br />
und von den betroffenen Gewerbebetrieben<br />
keine Einsprachen erhoben<br />
werden. Der sgv wird im Laufe der<br />
beginnenden parlamentarischen Beratung<br />
entsprechende Anträge einbringen,<br />
ebenso wird er das ungerechte<br />
Versteigerungssystem beim Fleisch bekämpfen.<br />
Nationalrat Gerhard Pfister<br />
hat am 22. Dezember 2011 mit einer<br />
Interpellation (11.4131, Gewerbe und<br />
Landwirtschaft. Gleich lange Spiesse!)<br />
das Terrain dazu vorbereitet.<br />
Rudolf Horber