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Schweizerische Gewerbezeitung - Die Zeitung für KMU | Ausgabe ...

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20<br />

<strong>KMU</strong>-PORTRÄT<br />

GOLDEN CREATIVITY<br />

AWARD 2012<br />

Grosse Ehre <strong>für</strong> Karin Bertschi (21):<br />

<strong>Die</strong> Geschäftsführerin des «Recycling-<br />

Paradies» in Reinach/AG (vgl.<br />

Haupttext) wird mit dem «Golden<br />

Creativity Award 2012» der <strong>Schweizerische</strong>n<br />

Gesellschaft <strong>für</strong> Ideen- und<br />

Innovationsmanagement Idee Suisse<br />

ausgezeichnet. <strong>Die</strong> Verleihung der<br />

Auszeichnung findet übermorgen<br />

Sonntag, 13. Mai, um 14 Uhr im<br />

Theater am Bahnhof, Tunaustrasse 5<br />

in Reinach statt. Festredner ist Michel<br />

Monteil, Chef der Sektion Abfallverwertung<br />

und -behandlung im Bundesamt<br />

<strong>für</strong> Umwelt BAFU. <strong>Die</strong> Laudatio<br />

an die junge, äusserst innovative<br />

Unternehmerin hält Olaf J. Böhme,<br />

Präsident der Idee Suisse.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

RECYCLING-PARADIES – <strong>Die</strong> 21-jährige Karin Bertschi mischt als Recycling-Pionierin die Schweizer Sammelstellen auf.<br />

Auch Frauen und Kinder fühlen sich bei ihr willkommen.<br />

Für alle Abfälle bestens gerüstet<br />

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Fragt man Erwachsene nach ihren<br />

Kindheitserinnerungen zum Thema<br />

Recycling, steuert das Gespräch<br />

schnell auf jene Schulstunden zu, als<br />

man als Dreikäsehoch <strong>Zeitung</strong>sbündel<br />

einsammeln und durchs Dorf tragen<br />

musste. <strong>Die</strong> Altpapiertage waren zwar<br />

eine willkommene Alternative zu den<br />

langweiligen Mathematikstunden, jedoch<br />

wurde die Motivation, auch andere<br />

Materialien zu sammeln, kaum<br />

geweckt. Falls man überhaupt mal mit<br />

den Eltern nutzlos Gewordenes auf<br />

dem Werkhof entsorgte, blieb einem<br />

die Dorfsammelstelle als düsterer Ort<br />

in Erinnerung: Selbst wenn man genug<br />

alt war, dass einem die bärtigen<br />

Männer keine Angst mehr einjagten,<br />

musste man sich immer noch davor<br />

<strong>für</strong>chten, auf dem unübersichtlichen<br />

Gelände einem Auto in die Quere zu<br />

kommen.<br />

Grosse Spiel- und Sammelecke<br />

<strong>für</strong> kleine Umweltschützer<br />

Umso grösser ist der Neid auf jene<br />

Kinder, die ihren getrennten Müll im<br />

aargauischen Reinach abgeben dürfen.<br />

<strong>Die</strong> grüne Gebäudefassade des<br />

«Recycling-Paradies» wirkt einladend,<br />

Vorplatz und Abfallhof sind übersichtlich<br />

und lichtdurchflutet. Hier muss<br />

niemand Angst haben. Was noch besser<br />

ist: In der Abgabehalle wurde eine<br />

Kinderecke eingerichtet, in dem es<br />

zahlreiche Spielzeuge zum Ausprobieren<br />

hat. Da wird keinem Kind langweilig.<br />

Weil aber Kinder auch zeigen<br />

wollen, dass sie gross genug sind, ihre<br />

Joghurtbecherdeckel, Batterien<br />

oder alten Comic-Hefte selber zu entsorgen,<br />

stehen in dem sogenannten<br />

«Kinder-Paradies» auch eigens auf<br />

Kinderbedürfnisse zugeschnittene<br />

bunte Sammelbehälter.<br />

Das Angebot <strong>für</strong> die kleinen Umweltschützer<br />

hat die 21-jährige Karin<br />

Bertschi eingerichtet. Sie hat sich da-<br />

Im Recycling-Paradies im aargauischen Reinach herrscht viel Betrieb.<br />

So schön kann Recycling sein: Karin Bertschi (links) mit ihrem Team im Recycling-<br />

Paradies.<br />

Recycling soll Spass machen: Das Recycling-Paradies ist auch ein Paradies<br />

<strong>für</strong> Kinder.<br />

mit einen eigenen Kindertraum erfüllt,<br />

ist sie doch quasi auf der Sammelstelle<br />

aufgewachsen. «Meine Eltern<br />

haben als Inhaber der Bertschi<br />

Mulden + Container Transporte AG<br />

seit Ende der Neunzigerjahre im Auftrag<br />

der Gemeinde Reinach den regionalen<br />

Recyclinghof geführt», erklärt<br />

sie. Als Kind habe sie mit ihren drei<br />

Geschwistern an den freien Nachmittagen<br />

fleissig mitgeholfen.<br />

Bei allem Spass habe sie dennoch etwa<br />

das ständige Treppen hoch- und<br />

runterlaufen bei der Abgabe der <strong>Zeitung</strong>sbündel<br />

als anstrengend empfunden.<br />

«<strong>Die</strong> heutige Sammelstelle<br />

ist dagegen in jeder Hinsicht kundenund<br />

kindergerecht», so Bertschi. Davon<br />

überzeugen sich jeweils auch<br />

Schulklassen und andere Kindergruppen,<br />

<strong>für</strong> die sie Führungen anbietet.<br />

Mit 20 Chefin geworden<br />

<strong>Die</strong> junge Frau ist nicht etwa nur <strong>für</strong><br />

den Kinderbereich verantwortlich,<br />

sondern seit dem März 2010 <strong>für</strong> die<br />

ganze Sammelstelle. Sie wurde mit<br />

gerade mal 20 Jahren als frischgebackene<br />

Kauffrau Chefin, nachdem sich<br />

aus gesundheitlichen Gründen ihr<br />

anderer Traum, Militärpilotin zu werden,<br />

zerschlagen hatte. «Als sich wegen<br />

den eng gewordenen Platzverhältnissen<br />

eine Erweiterung der Sammelstelle<br />

aufdrängte, gaben mir meine<br />

Eltern die Gelegenheit, gleich ein<br />

neues Recycling-Konzept <strong>für</strong> die Sammelstelle<br />

auszuarbeiten», erinnert<br />

sich Karin y. Ihre Ideen waren so<br />

überzeugend, dass im März 2010<br />

nicht nur die Eröffnung des 900 Quadratmeter<br />

grossen Neubaus gefeiert<br />

worden konnte, sondern Ende 2011<br />

auch die Gründung eines neuen, eigenständigen<br />

Unternehmens. «Das<br />

Recyling-Paradies gehörte vorhin zu<br />

Bertschi Mulden + Container Transporte<br />

AG und ist seit Dezember 2011<br />

ein eigenständiges Unternehmen. Mit<br />

der Bertschi Mulden + Container<br />

Transporte AG meiner Eltern arbeite<br />

ich aber eng zusammen», so die Unternehmerin<br />

und Geschäftsführerin.<br />

Führungsrolle unproblematisch<br />

Jung ist nicht nur die Chefin, sondern<br />

auch ihre Crew. <strong>Die</strong> fünf Frauen und<br />

der Mann sind alle Anfang bis Mitte<br />

20. Karin Bertschi denkt sozial und<br />

bevorzugt bei der Anstellung auch<br />

schon mal leicht behinderte oder sozial<br />

schwache Menschen. Wichtig<br />

sei, dass alle Freude an der Arbeit<br />

haben und auch die jungen Damen<br />

sich nicht an dreckigen Händen stören.<br />

Mit der Führungsrolle hat sie<br />

kein Problem, wobei sie zugibt, dass<br />

dies bei doppelt so alten Angestellten<br />

vielleicht anders wäre: «Wir harmonieren<br />

gut miteinander und versuchen<br />

auch unsere Kundinnen und<br />

Kunden immer mit einem Lächeln<br />

und mit Charme zu begrüssen», sagt<br />

Karin Bertschi. Überhaupt sei der<br />

«Willkommen»-Gedanken wichtig in<br />

ihrem Betrieb. Nebst den Männern,<br />

denen oftmals ein Flair <strong>für</strong> Entsorgungsgüter<br />

und Maschinen nachgesagt<br />

wird, sollen sich auch Frauen<br />

und Kinder bei ihr wohlfühlen.<br />

«Unsere Sammelstelle soll stöckelschuhtauglich<br />

sein», sagt Bertschi.<br />

Kundenfrequenz vervierfacht<br />

Rund 2000 Personen besuchen das<br />

Recyling-Paradies im Schnitt jede Woche<br />

– bei einem Haupteinzugsgebiet<br />

von etwa 100000 Einwohnern. Zum<br />

Vergleich: Im Vorgängerbetrieb waren<br />

vor fünf Jahren etwa 500 Personen<br />

gezählt worden.<br />

Gesammelt wurden beispielsweise<br />

im Jahr 2011:<br />

n 62 Tonnen PET-Flaschen (1 Tonne<br />

= 40 Kubikmeter), d.h. rund 2500<br />

Kubikmeter<br />

n 270 Tonnen Glas<br />

n 70 Tonnen Büchsen<br />

n 290 Tonnen Karton<br />

n 72 Tonnen Textilien<br />

Karin Bertschi weiss, dass manche<br />

Kundinnen und Kunden weite Umwege<br />

auf sich nehmen, um ihren<br />

Abfall in Reinach zu entsorgen. Dem<br />

versucht sie einerseits dadurch zu<br />

begegnen, dass sie demnächst in<br />

weiteren Gemeinden Sammelstellen<br />

mit dem Gütesiegel «Recycling-Paradies»<br />

eröffnet. Andererseits trifft<br />

sie immer wieder Vertreter von Gemeinden,<br />

Betrieben und Schulen,<br />

um ihnen ihr Abfallkonzept vorzustellen.<br />

«Auch eine Delegation der<br />

Stadt Zürich war schon bei mir zu<br />

Gast», erzählt sie. Auf Wunsch erstellt<br />

sie <strong>für</strong> Firmen und Behörden<br />

ein zugeschnittenes Entsorgungskonzept<br />

<strong>für</strong> den täglichen Entsorgungs-<br />

und Recyclingablauf und <strong>für</strong><br />

besondere Veranstaltungen.<br />

Auch ökonomisch wichtig<br />

«Eine Goldgrube, dank der man ohne<br />

Fleiss und Einsatz über Nacht reich<br />

wird, ist das Recyling-Paradies zwar<br />

nicht, doch selbsttragend ist die Firma»,<br />

erklärt sie. Entscheidend sei indes<br />

auch, dass das Geschäftsmodell<br />

auf dem Nachhaltigkeitsgedanken<br />

basiere. «Es ist aus ökologischer wie<br />

ökonomischer Sicht wichtig, dass wir<br />

möglichst sparsam mit unseren Ressourcen<br />

umgehen. <strong>Die</strong> Rohstoffe sind<br />

nicht grenzenlos verfügbar und werden<br />

immer teurer», mahnt Karin Bertschi.<br />

Doch sie weiss, dass das richtige<br />

Instrument, um die ohnehin schon<br />

hohen Recyclingquoten der Schweizer<br />

zu steigern, nicht der moralische<br />

Zeigefinger ist. «Abfalltrennen soll<br />

Spass machen. Da<strong>für</strong> versuche ich,<br />

Tag <strong>für</strong> Tag meinen Beitrag zu leisten»,<br />

erklärt sie. <strong>Die</strong> Chancen stehen<br />

gut, dass künftige Generationen nur<br />

noch positive Erinnerungen an ihre<br />

ersten Recycling-Erlebnisse haben<br />

werden. Matthias Engel<br />

LINK<br />

www.recycling-paradies.ch<br />

DAS UNTERNEHMEN<br />

Der rund 900 Quadratmeter grosse<br />

Abfallentsorgungshof Recycling-Paradies<br />

wurde am 20. März 2010 im<br />

aargauischen Reinach eröffnet. Das<br />

Annahmesortiment umfasst über 30<br />

verschiedene Materialien, wovon die<br />

meisten gratis entgegengenommen<br />

werden. Unter dem Namen «Kinder-<br />

Paradies» wurde zudem eine Sammelecke<br />

<strong>für</strong> Kinder eingerichtet.<br />

Regelmässig finden Führungen <strong>für</strong><br />

Schulklassen statt.<br />

Auf Wunsch erstellt das Recycling-<br />

Paradies <strong>für</strong> Betriebe, Schulen und<br />

Gemeinden ein individuell auf die<br />

jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittenes<br />

Entsorgungskonzept zusammen.<br />

Gründerin und Geschäftsführerin des<br />

«Recycling-Paradies» ist die 21-jährige<br />

Karin Bertschi, die ein sechsköpfiges<br />

Team mit Durchschnittsalter 25<br />

aufgestellt hat. <strong>Die</strong> Eltern der<br />

Jungunternehmerin sind Inhaber der<br />

Bertschi Mulden + Container Transporte<br />

AG, welche Ende 2009 den<br />

Recyclinghof Reinach betrieben hat<br />

und mit der das Recycling-Paradies<br />

eng zusammenarbeitet.<br />

LINKS<br />

www.idee-suisse.ch<br />

www.idee-suisse.info

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