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Schweizerische Gewerbezeitung - Die Zeitung für KMU | Ausgabe ...

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11. MAI 2012<br />

AZA 3001 Bern<br />

MOBILITÄT – Der sgv fordert die Gleichbehandlung des privaten und öffentlichen Verkehrs. Und<br />

er wehrt sich gegen weitere Zwangsmassnahmen zulasten der Strasse.<br />

VerkehrspolitikaufAbwegen<br />

Nach Ansicht des <strong>Schweizerische</strong>n<br />

Gewerbeverbands sgv ist die Verkehrspolitik<br />

der Schweiz auf Abwege<br />

geraten. Insbesondere die Ungleichbehandlung<br />

der Verkehrsträger<br />

– konkret die Bevorzugung der<br />

Schiene zulasten der Strasse – stösst<br />

im grössten Wirtschaftsdachverband<br />

des Landes auf Unverständnis. Der<br />

sgv lehnt sowohl die Vorlage zur<br />

Bahnfinanzierung FABI wie auch die<br />

Preiserhöhung der Autobahnvignette<br />

von 40 auf 100 Franken ab. <strong>Die</strong><br />

Engpassbeseitigungen im Arc lémanique<br />

und im Grossraum Zürich sowie<br />

die Aufnahme der beiden Netzergänzungen<br />

«Umfahrung Morges»<br />

und «Glattalautobahn» in den Netzbeschluss<br />

werden vom sgv be<strong>für</strong>wortet.<br />

Stärken sinnvoll verbinden<br />

«Der sgv setzt sich <strong>für</strong> eine Verkehrspolitik<br />

ein, welche die Stärken aller<br />

Transportmöglichkeiten sinnvoll und<br />

optimal miteinander verbindet», sagte<br />

sgv-Vizepräsident Dino Venezia<br />

diese Woche vor den Medien in Bern.<br />

<strong>Die</strong> Schweizer Verkehrsprobleme seien<br />

in erster Linie hausgemacht. Wegen<br />

der Querfinanzierung der Schiene<br />

durch die Strasse drohe aber künftig<br />

ein Mangel an Finanzen <strong>für</strong> den<br />

notwendigen Ausbau der Strasse.<br />

«Wir fordern die Gleichbehandlung<br />

des privaten mit dem öffentlichen<br />

Verkehr und damit keine Zwangsmassnahmen<br />

mehr zulasten der<br />

Strasse», so Venezia.<br />

«FABI ist keine Alternative»<br />

Der sgv begrüsst die Ablehnung der<br />

VCS-Initiative durch den Bundesrat.<br />

<strong>Die</strong> Initiative sieht vor, Gelder aus<br />

KONGRESS 2012 – <strong>Die</strong> Wahl eines neuen sgv-Präsidenten steht im Mittelpunkt des Grossanlasses<br />

vom kommenden 23. Mai in Bern. Nationalrat Jean-François Rime dürfte das Rennen machen.<br />

Kampfwahl ist unwahrscheinlich<br />

Wird nicht noch direkt am Kongress<br />

eine Kampfkandidatur lanciert – die<br />

Statuten erlauben das ja –, wird Jean-<br />

François Rime wohl problemlos zum<br />

17. Präsidenten des sgv gewählt.<br />

Seine Wahl würde Verbandsgeschichte<br />

machen, hat es doch seit der Gründung<br />

1879 noch nie einen Romand<br />

auf dem Chefsessel gegeben.<br />

Lorenz Hess verzichtet<br />

Dass die Delegierten offiziell «nur»<br />

mit einer Einerkandidatur konfrontiert<br />

werden, hat zwei Gründe. Erstens<br />

schlägt die <strong>Schweizerische</strong> Gewerbekammer<br />

dem Kongress allein<br />

den Freiburger Holzunternehmer vor.<br />

Der 61-Jährige hat sich im Gewerbeparlament<br />

deutlich gegen den Walli-<br />

Abwegig und verfehlt: <strong>Die</strong> heute betriebene Verkehrspolitik führt in die verkehrspolitische Wüste, findet der sgv.<br />

der Mineralölsteuer, die heute dem<br />

Strassenverkehr zugute kommen, zugunsten<br />

des öffentlichen Verkehrs<br />

und der Verlagerung einzusetzen.<br />

«Damit würde die zukünftige Finanzierung<br />

der Strasseninfrastruktur in<br />

Frage gestellt», so sgv-Direktor Hans-<br />

Ulrich Bigler. FABI, der bundesrätliche<br />

Gegenvorschlag zur VCS-Initiative,<br />

sei aber keine Alternative. Anlass<br />

zur Kritik durch den sgv gibt<br />

ser Mitbewerber, Ständerat Jean-René<br />

Fournier, durchgesetzt. Zweitens<br />

zog der Berner Nationalrat Lorenz<br />

Hess seine (auch nach der Niederlage<br />

in der Gewerbekammer aufrechterhaltene)<br />

Kandidatur doch noch<br />

zurück. Er tat dies nach Absprache<br />

mit Berner <strong>KMU</strong>, dem grössten kantonale<br />

Gewerbeverband der Schweiz.<br />

Angesehen, uanbhängig, vernetzt<br />

Nach Ansicht der Kammer erfüllt<br />

Jean-François Rime das anspruchsvolle<br />

Anforderungsprofil am besten.<br />

Dazu gehören neben dem eidgenössischen<br />

Parlamentsmandat und der<br />

Bereitschaft, die Interessenspolitik<br />

des sgv der eigenen Parteipolitik<br />

überzuordnen, auch die politische<br />

auch die Tatsache, dass die Transferzahlungen<br />

von der Strasse zur Schiene<br />

neu nicht nur zeitlich unlimitiert,<br />

sondern mit der Reduktion des Fahrkostenabzugs<br />

<strong>für</strong> Pendler und Pendlerinnen<br />

noch ergänzt werden sollen.<br />

Damit werde die Mobilität insgesamt<br />

verteuert, was die rund 300000 vom<br />

sgv vertretenen Klein- und Mittelbetriebe,<br />

die auf die Strasse angewiesen<br />

seien, am härtesten treffe.<br />

Verankerung bzw. den Leistungsausweis<br />

im Gewerbe sowie Zweisprachigkeit.<br />

«Rime ist ein weit über die<br />

Parteigrenzen hinaus angesehener,<br />

unabhängiger Bundespolitiker, der<br />

sich durch eine gradlinige Haltung<br />

und profunde Dossierkenntnisse auszeichnet.<br />

Ebenso ist er durch sein<br />

politisches Engagement und seine<br />

Tätigkeiten im gewerblichen Verbandswesen<br />

bestens vernetzt», heisst<br />

es im Antrag an den Kongress.<br />

Der Kongress wird auch Wahlen in<br />

die Gewerbekammer und in den<br />

Schutzfonds vornehmen sowie eine<br />

aktuelle Resolution zum Thema<br />

«Wachstumspolitik <strong>für</strong> unsere <strong>KMU</strong>»<br />

diskutiren und verabschieden. Lu<br />

Nein zu teurerer Vignette<br />

Weil <strong>für</strong> die zur Kasse gebetenen<br />

<strong>KMU</strong> kein effektiver Mehrwert entsteht,<br />

spricht sich der sgv zudem gegen<br />

eine Verteuerung der Autobahnvignette<br />

auf 100 Franken aus. «Dazu<br />

gibt es keinen Grund», so Bigler, «der<br />

Eigenfinanzierungsgrad der Strasse<br />

beträgt schon heute über 100 Prozent».<br />

Pd<br />

BERICHTE SEITE 2<br />

Gelangt mit Jean-François Rime erstmals<br />

ein Westschweizer an die Spitze<br />

des sgv?<br />

Weit über 100000 <strong>KMU</strong>-<br />

Führungskräfte im Visier<br />

BILDUNGSWEGE<br />

Nr.<br />

10<br />

– 129.<br />

Jahrgang<br />

Diplom <strong>für</strong> <strong>KMU</strong>-Frauen<br />

Dass Gewerbler häufig nur erfolgreich wirken,<br />

weil sie durch Partnerinnen tatkräftig unterstützt<br />

werden, ist sattsam bekannt. Ebenso kennt man<br />

<strong>KMU</strong>-Powerfrauen, die ihre eigenen Betriebe an<br />

die Spitze führen. Für den Unternehmenserfolg<br />

gab es bisher <strong>für</strong> die Frauen bloss symbolische<br />

Anerkennung - jetzt können sie mit gezielter<br />

Schulung ein Diplom anstreben. Lu<br />

INHALT<br />

BERICHT SEITE 7<br />

BERUFSBILDUNG – Wie<br />

britische Experten über<br />

das Schweizer Dualsystem<br />

staunen. SEITE 6<br />

SWISSNESS – Gibt es trotz<br />

Widerstand der Landwirte<br />

im Parlament doch ein<br />

Happy-End? SEITE 9<br />

SOLARIEN – Eine Branche<br />

wird systematisch durch<br />

Politik und Prävention<br />

«geknechtet». SEITE 13<br />

Redaktion: Telefon 031 380 14 14 – Fax 031 380 14 15 Internet: www.sgv-usam.ch – E-Mail: info@sgv-usam.ch Inserate: Telefon 031 387 22 11


2<br />

DIESE WOCHE<br />

FABI UND NETZBESCHLUSS – sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler wehrt sich gegen eine Verteuerung<br />

der Mobilität, ohne dass die <strong>KMU</strong> da<strong>für</strong> einen Mehrwert erfahren.<br />

Absage an Quersubventionen<br />

Der <strong>Schweizerische</strong> Gewerbeverband<br />

sgv fordert die Gleichbehandlung von<br />

Strasse und Schiene sowie einen bedürfnisgerechten<br />

Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen<br />

(vgl. Titelseite<br />

und Artikel unten auf dieser Seite).<br />

Vor diesem Hintergrund beleuchtete<br />

sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler diese<br />

Woche vor den Medien zwei aktuelle<br />

verkehrspolitische Vorlagen des Bundes,<br />

die derzeit in den Kommissionen<br />

<strong>für</strong> Verkehr- und Fernmeldewesen des<br />

Nationalrates und des Ständerates behandelt<br />

werden: die FABI-Vorlage und<br />

den Netzbeschluss.<br />

<strong>Die</strong> Volksinitiative «Für den öffentlichen<br />

Verkehr» des VCS will <strong>für</strong> die Finanzierung<br />

des öffentlichen Ver-kehrs<br />

zusätzliche Gelder aus der Mineralölsteuer,<br />

die bisher dem Strassenverkehr<br />

zugute kamen, in den öffentlichen Verkehr<br />

und die Verlagerung umleiten.<br />

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung<br />

der VCS-Initiative und hat dem<br />

Parlament die Botschaft «Finanzierung<br />

und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur<br />

FABI» als direkten Gegenvorschlag<br />

unterbreitet. Zudem unterbreitete die<br />

Regierung dem Parlament die Botschaft<br />

zum Netzbeschluss, worin unter<br />

anderem die Verteuerung der Autobahnvignette<br />

von 40 auf 100 Franken<br />

beantragt wird.<br />

<strong>Die</strong> Mobilität wird verteuert<br />

«Der sgv begrüsst selbstredend die Ablehnung<br />

der VCS-Initiative durch den<br />

Bundesrat», so Bigler. Mit der Annahme<br />

der Initiative würde die zukünftige<br />

Finanzierung der Strasseninfrastruktur<br />

grundsätzlich in Frage gestellt. Der sgv<br />

sehe aber in der FABI-Vorlage des Bundesrates<br />

keine Alternative bzw. keinen<br />

Gegenvorschlag. «Beide Vorlagen entziehen<br />

dem privaten Strassenverkehr<br />

in Zukunft Jahr <strong>für</strong> Jahr Finanzmittel<br />

in Milliardenhöhe, die <strong>für</strong> den Substanzerhalt<br />

sowie <strong>für</strong> den Ausbau der<br />

Kantons- und Nationalstrassen fehlen<br />

<strong>KMU</strong> UND MOBILITÄT – «<strong>Die</strong> Strasse ist die Lebensader <strong>für</strong> das Gewerbe», stellt sgv-Vizepräsident<br />

Dino Venezia fest und verlangt den Ausbau der Inrastrukturen rund um Genf und Zürich.<br />

«<strong>Die</strong> Verlagerungspolitik ist gescheitert»<br />

«Mobilität ist ein wesentlicher Faktor<br />

<strong>für</strong> das reibungslose Funktionieren<br />

von Gesellschaft und Wirtschaft»,<br />

hielt sgv-Vizepräsident Dino Venezia<br />

diese Woche vor den Medien in Bern<br />

fest. Nur wenn die <strong>KMU</strong> den heute<br />

geforderten ständigen und jederzeitigen<br />

Mobilitäts- und Erreichbarkeitserfordernissen<br />

nachkommen könnten,<br />

blieben sie wirtschaftlich leistungs-<br />

und überlebensfähig. «Konkret<br />

bedeutet dies: Gewerbler müssen 365<br />

Tage im Jahr rund um die Uhr verfügbar<br />

sein», so Venezia. Und: «<strong>Die</strong><br />

Strasse stellt deshalb <strong>für</strong> <strong>KMU</strong> die<br />

Lebensader schlechthin dar.»<br />

Optimale Kombination<br />

Der sgv-Vize betonte in seinem Referat<br />

denn auch besonders den Versorgungsaspekt.<br />

«<strong>Die</strong> Versorgung der<br />

Wirtschaft und die Feinverteilung der<br />

Güter erfolgt hauptsächlich auf der<br />

Strasse – und nicht entlang der Schiene.»<br />

Randregionen und Berggebiete<br />

seien in der Regel nicht ans Schienennetz<br />

angebunden. «Aber auch die<br />

ländlichen Gebiete und die Agglomerationen,<br />

in denen sich viele <strong>KMU</strong><br />

und Konsumenten befinden, sind auf<br />

die Versorgung und Feinverteilung<br />

der Güter auf der Strasse angewiesen.»<br />

Der sgv setze sich <strong>für</strong> eine Verkehrspolitik<br />

ein, welche die Stärken aller<br />

Transportmöglichkeiten sinnvoll und<br />

optimal miteinander verbinde und<br />

fordere daher, «dass die Verkehrsinfrastrukturen<br />

bedürfnisgerecht und<br />

budgetneutral ausgebaut, weiter entwickelt<br />

und erhalten werden.»<br />

<strong>Die</strong> stetig zunehmenden Staus seien<br />

wirtschaftlich äusserst schädlich, da<br />

sie Wachstum und Wertschöpfung<br />

minderten. «Staustunden führen in<br />

den <strong>KMU</strong> zu hohen Produktivitätsverlusten,<br />

belasten damit die Kostenstrukturen<br />

und führen zu höheren<br />

Preisen oder schränken die Margen<br />

ein.» Mangelnde Produktivität<br />

gehe zulasten des Wirtschaftswachstums.<br />

Pro Jahr würden allein auf<br />

Nationalstrassen rund 10 000<br />

Staustunden registriert, und Staus<br />

IMPRESSUM Herausgeber/Verlag: <strong>Schweizerische</strong>r Gewerbeverband sgv<br />

Schwarztorstrasse 26, Postfach, 3001 Bern – Tel. 031380 14 14<br />

Fax 031380 14 15 – verlag@sgv-usam.ch – www.sgv-usam.ch<br />

Herausgeber: Hans-Ulrich Bigler, Direktor – Verlagsleiter: Urs Wyler<br />

Der Gewerbeverband fordert eine Kehrtwende in der Schweizer Verkehrspolitik und die Abkehr von der einseitigen Bevorzugung<br />

des öffentlichen Verkehrs zuungunsten der Strasse.<br />

werden.» Damit werde die mittel- bis<br />

langfristige Finanzierung des wichtigsten<br />

Verkehrsträgers gefährdet und «die<br />

finanzpolitische Baustelle von den<br />

Bahnen auf die Strassen verlagert».<br />

Sowohl die VCS-Initiative als auch der<br />

FABI-Gegenentwurf machten eine erhebliche<br />

Erhöhung der Stras-senabgaben<br />

unumgänglich, wenn es darum<br />

gehe, Bevölkerung und Wirtschaft vor<br />

dem Verkehrschaos und -kollaps zu<br />

bewahren. <strong>Die</strong> FABI-Vorlage führe zu<br />

einer Finanzierungslücke von jährlich<br />

400 Millionen und halte am Prinzip<br />

der Quersubventionierung der Schiene<br />

durch die Strasse fest, ja sie zementiere<br />

diese geradezu. Von den Automobilistinnen<br />

und Automobilisten würden<br />

neue Steuern und Angaben gefordert.<br />

«<strong>Die</strong> Mobilität wird insgesamt verteuert,<br />

was die Klein- und Mittelbetriebe<br />

am härtesten trifft, die vielfach auf die<br />

Strasse angewiesen sind.»<br />

<strong>Die</strong> Strasse finanziert die Schiene<br />

Stossend sei insbesondere, so Bigler,<br />

dass konkrete Vorschläge betreffend<br />

Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur<br />

gemacht würden, bei den<br />

Strasseninfrastrukturen – insbesondere<br />

jenen <strong>für</strong> die Nationalstrassen – eine<br />

vergleichbare Herangehensweise aber<br />

nicht ersichtlich sei. «Mit FABI wird die<br />

Diskussion um die Finanzierung der<br />

Strasse lediglich vertagt. Nur die Finanzierung<br />

der Schiene steht zur Diskussion,<br />

was das Prinzip der Gleichbehandlung<br />

Schiene–Strasse verletzt.»<br />

Der Deckungsgrad der Bahn liege heute,<br />

bezogen auf die Infrastruktur, bei<br />

lediglich rund 60 Prozent; ihr<br />

Eigenwirtschaftlichkeitsgrad betrage<br />

sogar bloss rund 40 Prozent. Völlig anders<br />

präsentiere sich das Bild bei der<br />

Strasse. Seit 1995 liege der Eigenwirtschaftlichkeitsgrad<br />

Individualverkehrs<br />

bei mehr als 100 Prozent. Damit komme<br />

die Strasse ohne Zuschüsse <strong>für</strong> ihre<br />

Kosten auf. «Das Strassennetz ist ein<br />

zentraler Teil des produktiven Kapitals<br />

der Schweiz», hielt Bigler fest. «Der<br />

Verkehrsträger Strasse liefert jährlich<br />

in Form von Steuern, Abgaben und<br />

Gebühren von Autofahrern und Transporteuren<br />

rund zwölf Milliarden Franken<br />

an den Staat. <strong>Die</strong> Strasse finanziert<br />

damit bereits heute die Schiene.» <strong>Die</strong><br />

weitere Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur<br />

dürfe demnach nicht<br />

mehr quersubventioniert werden und<br />

müsse ohne Transferzahlungen durch<br />

den Strassenverkehr auskommen.<br />

würden jährlich rund 1,5 Milliarden<br />

Franken an Zusatzkosten verursachen.<br />

Einseitige Schienenpolitik<br />

<strong>Die</strong> Zuwanderung allein <strong>für</strong> die zunehmenden<br />

Verkehrsprobleme verantwortlich<br />

zu machen, sei falsch,<br />

betonte Venezia. <strong>Die</strong> Probleme der<br />

Schweiz in diesem Bereich seien in<br />

erster Linie hausgemacht. Sie resultierten<br />

aus einer seit Jahren ideologisch<br />

betriebenen Verlagerungspolitik<br />

unter dem verhängnisvollen Motto<br />

«Öffentlicher Verkehr ist gut, motorisierter<br />

Individualverkehr ist<br />

schlecht».<br />

<strong>Die</strong> Verkehrsverlagerungspolitik des<br />

Bundes sei faktisch gescheitert. Sie<br />

habe in den vergangenen Jahren dazu<br />

geführt, «dass die Benützung der<br />

Strasse mit unnötigen und wirtschaftsschädlichenZwangsmassnahmen<br />

eingeschränkt» werde. Strassenbenützer<br />

trügen überproportional<br />

viel zur Finanzierung des öV bei und<br />

würden dabei übermässig mit Abga-<br />

Redaktion:<br />

Patrick M. Lucca, Chefredaktor<br />

Gerhard Enggist, Stv. Chefredaktor<br />

redaktion@sgv-usam.ch – Tel. 031380 14 14<br />

Nicht ohne Mehrwert <strong>für</strong> <strong>KMU</strong><br />

<strong>Die</strong> Position des sgv zum Netzbeschluss<br />

– dadurch sollen knapp 400<br />

Kilometer bestehende Strassen neu<br />

ins Nationalstrassennetz aufgenommen<br />

werden – umriss der Gewerbedirektor<br />

wie folgt: Der sgv unterstütze<br />

die Engpassbeseitigungen im Arc<br />

lémanique und im Grossraum Zürich<br />

sowie die Aufnahme der beiden<br />

Netzergänzungen «Umfahrung Morges»<br />

und «Glattalautobahn» in den<br />

Netzbeschluss. Dagegen seien die<br />

aktuellen Umfahrungen von Le Locle<br />

und La Chaux-de-Fonds nicht prioritär<br />

und aus dem Netzbeschluss zu<br />

streichen.<br />

Der Verband lehne neue Steuern und<br />

Abgaben ebenso wie deren Erhöhung<br />

ab. «Insbesondere spricht sich der sgv<br />

deshalb gegen eine neue Autobahngebühr<br />

von 100 Franken aus, weil <strong>für</strong><br />

die zur Kasse gebetenen <strong>KMU</strong> kein<br />

effektiver Mehrwert entsteht.» Auch<br />

der Kompromiss, die Vignette bloss<br />

auf 70 Franken zu erhöhen, werde<br />

nicht unterstützt.<br />

LINK<br />

www.sgv-usam.ch<br />

ben und Steuern belastet sowie zusätzlich<br />

mit Auflagen und Verboten<br />

überhäuft.<br />

Zweite Röhre durch den Gotthard<br />

Zudem seien die Verkehrsprojekte<br />

des Bundes in aller Regel unter Vernachlässigung<br />

des motorisierten Individualverkehrs<br />

einseitig auf die öffentlichen<br />

Verkehrsmittel ausgerichtet.<br />

«Der sgv fordert deshalb eine<br />

Gleichberechtigung von Strasse und<br />

Schiene», so Venezia. <strong>Die</strong> bis anhin<br />

betriebene, einseitige Schienenpolitik<br />

müsse aufgegeben werden, «so dass<br />

die Strasse nicht mehr länger vernachlässigt<br />

wird und endlich die<br />

dringend notwendigen Ausbauarbeiten<br />

in Angriff genommen werden».<br />

Dazu gehörten die Umfahrungen im<br />

Arc lémanique, in Zürich, aber auch<br />

eine zweite Gotthardröhre, «ansonsten<br />

das Verkehrssystem kollabiert»<br />

beziehungsweise im Falle des Gotthardtunnels<br />

die <strong>KMU</strong>-Wirtschaft des<br />

Kantons Tessin vom Rest der Schweiz<br />

abgehängt werde.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

DIE MEINUNG<br />

Der Kuh-Hintern<br />

und seine üblen Folgen<br />

Hans-Ulrich Bigler,<br />

Direktor <strong>Schweizerische</strong>r<br />

Gewerbeverband sgv<br />

Was wie ein schlechter Scherz und blanker<br />

Unsinn erscheint, ist bitterer<br />

Ernst. <strong>Die</strong> Lobby der Grünen, Linken<br />

und Umweltaktivisten hat ein neues Betätigungsfeld<br />

entdeckt und sich umgehend an dessen<br />

Bewirtschaftung gemacht. So wird am kommenden<br />

Wochenende – pünktlich zum traditionellen<br />

«Metzger-Grilltag» namens «Food on<br />

Fire» – in Lyss im Kanton Bern ein amtlich verordneter<br />

Vegetariertag eingeführt. Und schon<br />

diskutieren auch weitere Städte über die Einführung<br />

eines fleischlosen Tages.<br />

Konkret bedeutet dies: Kein Fleisch auf den Tellern<br />

in öffentlichen Altersheimen, Spitälern oder<br />

subventionierten Gastrobetrieben, Schüler- und<br />

Kinder-Tagesstätten. Quasi staatlich verordnet,<br />

besiegelt und bewilligt. <strong>Die</strong> Begeisterung des<br />

grünen Nationalrats Bastien Girod überschlägt<br />

sich im «Sonntag», weil dadurch ein enorm<br />

wichtiger Beitrag an den Klimaschutz geleistet<br />

werde. Ich bin da persönlich schon etwas mehr<br />

um Girods Sixpack besorgt, der unter dem Mangel<br />

an Proteinzufuhr allenfalls in Mitleidenschaft<br />

gezogen werden könnte.<br />

Der geneigte Leser wird sich nun fragen,<br />

wo der Zusammenhang zwischen einem<br />

amtlich verordneten Vegi-Tag und dem<br />

Klimaschutz liegt. Das bringt mich zur Feststellung<br />

im Titel: Der Kuh-Hintern und seine Folgen.<br />

Lassen Sie es mich deutsch und deutlich<br />

sagen: <strong>Die</strong> furzende Kuh ist das wahre Problem!<br />

Denn das liebe Vieh und sein Mist sind wahre<br />

Treibhausgas-Schleudern! Und die saubere Kuhschweizer-Idylle<br />

trügt: <strong>Die</strong> Landwirtschaft ist<br />

Gift <strong>für</strong> unser Klima – nicht nur wegen der grossen,<br />

filterlosen Traktoren. Eine ausgewachsene<br />

Milchkuh verursacht mit den Rülpsern beim<br />

Wiederkäuen und dem entweichenden Gas pro<br />

Jahr 115 Kilogramm des schädlichen Treibhausgases<br />

Methan (CH4).<br />

<strong>Die</strong>se bedenkliche Erkenntnis wiederum hat die<br />

Spezialisten des Bundesamts <strong>für</strong> Umwelt Bafu<br />

auf den Plan gerufen. Es liegt natürlich auf der<br />

Hand, dass so viel Methan verheerend ist und<br />

sich zu gewaltigen Mengen summiert. Sagenhafte<br />

Zahlen wurden da in unseren Amtsstuben<br />

auf zwei Stellen nach dem Komma genau errechnet.<br />

Bei 716 000 Kühen (Stand 2002) beläuft<br />

sich der Schweizer Methan-Ausstoss damit täglich<br />

auf 226, jährlich auf 82 500 Tonnen. Weitere<br />

53 500 Tonnen steuern Rinder, Schafe, Ziegen<br />

und weiteres Kleinvieh bei.<br />

Mit diesen eindrücklichen, empirisch erhärteten<br />

Resultaten entsteht umgekehrt natürlich<br />

ein gewisser Argumentations-Notstand. Man<br />

will es sich ja nicht mit der Bauernschaft verderben<br />

– und schon gar nicht mit den Kühen.<br />

Flugs wurde deshalb das Bonmot geprägt: «<strong>Die</strong><br />

Kuh ist nicht der Täter, sondern nur der Tatort.»<br />

Das klingt einleuchtend – und dem ist<br />

nichts beizufügen.<br />

Gelesen habe ich auch, die Kühe sollten<br />

wieder mehr Gras anstatt Kraftfutter<br />

aus Mais, Getreide und Soja fressen,<br />

weil damit mehr CO2 im Boden gebunden sei.<br />

Mir fällt dazu zunächst nur ein, dass ich auch<br />

lieber ein Kalbssteak verzehre als schnöde<br />

Hackfleischbällchen – aber diese Sorge habe<br />

ich bald nicht mehr, weil sie mir der Staat mit<br />

dem Vegi-Tag abnimmt, indem er Gott sei Dank<br />

<strong>für</strong> mich sorgt.<br />

Übrigens: Der <strong>Schweizerische</strong> Gewerbeverband<br />

sgv akzeptiert nicht, dass den <strong>KMU</strong> immer mehr<br />

Auflagen und Vorschriften gemacht sowie zusätzliche<br />

Sonderaufgaben aufgebürdet werden.<br />

Der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft<br />

setzt sich deshalb <strong>für</strong> eine massive Verringerung<br />

gesetzlicher Regulierungskosten in<br />

den <strong>KMU</strong> ein.<br />

Anzeigen: Publicitas Publimag AG, Seilerstrasse 8 – Postfach, 3001 Bern –<br />

Tel. 031387 22 11 – service.be@publimag.ch – Leitung: Alfred Blaser<br />

Herstellung: St.Galler Tagblatt AG – Auflage: 108536 Exemplare (WEMF-<br />

Beglaubigung 2010). Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen


4<br />

GEWERBE AKTUELL<br />

HF BÜRGENSTOCK – Der Verband <strong>Schweizerische</strong>r Schreinermeister und Möbelfabrikanten hat<br />

seine modern erweiterte Ausbildungsstätte eingeweiht. Am 9. Juni ist die Öffentlichkeit geladen.<br />

«SchreinersMagglingen»<br />

Für rund 5,5 Millionen Franken hat<br />

der VSSM das im Jahr 1944 eröffnete<br />

Schreinerhaus auf dem Bürgenstock<br />

erweitert. Mit der Inbetriebnahme<br />

des Erweiterungsbaus kann<br />

das «Trainingszentrum» hoch über<br />

dem Vierwaldstättersee nun auch<br />

den zunehmenden Platzbedürfnissen<br />

wieder gerecht werden. Über 150<br />

Gäste aus Politik, Wirtschaft und<br />

Schreinerkreisen bildeten den Rahmen<br />

zur feierlichen Einweihung des<br />

modernen Weiterbildungszentrums.<br />

Teil der VSSM-Erfolgsgeschichte<br />

Rund 68 Jahre nach der Einweihung<br />

des Schreinerhauses wurde damit auf<br />

dem Bürgenstock ein weiterer grosser<br />

«Meilenstein» gesetzt, wie VSSM-<br />

Zentralpräsident Ruedi Lustenberger<br />

in seiner Festrede sagte. «Was Magglingen<br />

<strong>für</strong> den Schweizer Sport bedeutet,<br />

ist <strong>für</strong> uns Schreiner der Bürgenstock.»<br />

Das Schreinerhaus sei «ein<br />

wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte<br />

des VSSM. Ohne unsere Ausbildungsstätte<br />

wäre der VSSM heute<br />

nicht das, was er auch im Quervergleich<br />

mit ähnlichen Institutionen<br />

darstellt, nämlich eine zwar kleine,<br />

aber trotzdem grosszügig ausgestattete<br />

Höhere Fachschule.»<br />

Neben der verbandspolitisch elementaren<br />

Aufgabe der Förderung des eigenen<br />

Kadernachwuchses hafte dem<br />

«Bürgenstock» <strong>für</strong> sehr viele VSSM-<br />

Mitglieder auch eine emotionale Seite<br />

an, so Lustenberger weiter.<br />

Vollholzbau im Schindelkleid<br />

Mit den Investitionen von rund 5,5<br />

Mio. Franken wurden in einer Bau-<br />

zeit von lediglich neuneinhalb Monaten<br />

eine Erweiterung der Höheren<br />

Fachschule Bürgenstock und der Umbau<br />

des alten Gebäudes in herrlicher<br />

Umgebung realisiert. Der viergeschossige<br />

Anbau mit einer Grundfläche<br />

von 21 mal 11 Metern ist als Voll-<br />

Hans-Peter Pfyl, Präsident der Stiftung Schreinerhaus (l.), übergibt den Schlüssel<br />

zur erweiterten Höheren Fachschule Bürgenstock an VSSM-Zentralpräsident<br />

Ruedi Lustenberger.<br />

ANZEIGE<br />

«Tradition trifft Moderne»: Das 1944 eröffnete Schreinerhaus erlebt nach seiner Erweiterung einen zweiten Frühling.<br />

holzbau auf einem Betonfundament<br />

erstellt worden. <strong>Die</strong> örtlichen Voraussetzungen<br />

ermöglichten es, ein<br />

behagliches Innenraumklima zu<br />

schaffen, und das einzig durch natürliche<br />

Nachtauskühlung, einem<br />

ausgeklügelten Schlitzholzdämmsystem<br />

– ohne zusätzliche Lüftung und<br />

Klimaanlage. In der kalten Jahreszeit<br />

sorgt eine Schnitzelheizung <strong>für</strong> zusätzliche<br />

Wärme. Der Erweiterungsbau<br />

ist architektonisch klar vom Altbau<br />

abgetrennt und präsentiert sich<br />

in einem frischen Holzschindelkleid.<br />

«Tradition trifft Moderne», brachte<br />

es Architekt Claudio Clavadetscher<br />

auf den Punkt.<br />

Im Rahmen der 125-Jahr-Feiern<br />

Hans-Peter Pfyl, Präsident der Stiftung<br />

Schreinerhaus, übergab im Beisein<br />

des Nidwaldner Bildungsdirektors<br />

Regierungsrat Res Schmid, von<br />

Max Binder, Nationalrat und Zentralpräsident<br />

Waldwirtschaft Schweiz<br />

sowie von BBT-Direktorin Ursula Renold<br />

den – selbstverständlich aus<br />

Holz gefertigten – Schlüssel zum<br />

neuen Schreinerhaus an Ruedi Lustenberger.<br />

«<strong>Die</strong>se Einweihung ist ein<br />

wichtiger Bestandteil der Jubiläums-<br />

Feierlichkeiten 125 Jahre VSSM», ergänzte<br />

der Zentralpräsident des Verbandes<br />

<strong>Schweizerische</strong>r Schreinermeister<br />

und Möbelfabrikanten vor<br />

der illustren Gästeschar.<br />

Offene Türen am 9. Juni<br />

<strong>Die</strong> breite Öffentlichkeit hat am Tag<br />

der offenen Tür vom Samstag, 9. Juni,<br />

die Chance, einen Blick hinter<br />

die Kulissen der HF Bürgenstock zu<br />

werfen. Dabei können auch die drei<br />

aus Eichenholz gefertigten, übergrossen<br />

Schmetterlings-Cocons des<br />

Nidwalder Künstlers Rochus Lussi<br />

vor dem Eingang des erweiterten<br />

Schreinerhauses bewundert werden.<br />

LINKS<br />

www.hf-buergenstock.ch<br />

www.vssm.ch<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

AKTUELL<br />

Fragen an die SKS<br />

Mit einer letzte Woche<br />

eingereichten<br />

Interpellation der<br />

Aargauer SVP-Nationalrätin<br />

Sylvia<br />

Flückiger-Bäni (Bild)<br />

möchte der sgv <strong>für</strong><br />

mehr Transparenz<br />

bei der Stiftung <strong>für</strong><br />

Konsumentenschutz<br />

(SKS) sorgen. <strong>Die</strong>se<br />

erhält vom Bund<br />

jährlich rund 240 000 Franken an Subventionen.<br />

Dabei bleibt offen, aufgrund welcher gesetzlichen<br />

Grundlage dieser Betrag ausbezahlt<br />

wird und wo<strong>für</strong> er ausgegeben werden darf.<br />

Der sgv fordert, dass dieses Geld nicht <strong>für</strong> politische<br />

Zwecke eingesetzt werden darf und<br />

der entsprechende Nachweis durch den Subventionsempfänger<br />

auch <strong>für</strong> die Öffentlichkeit<br />

erbracht werden muss.<br />

Der sgv stellt fest, dass die Faktenlage bezüglich<br />

der SKS in vielen Bereich unklar ist und<br />

Fragen aufwirft. Darf eine Organisation, die<br />

Bundessubventionen erhält, auch Produkte<br />

kommerziell anbieten? Warum deklariert die<br />

SKS in ihrer Homepage Subventionen als<br />

«selbst erwirtschaftete Mittel»? Und: Wie wird<br />

durch den Bund sichergestellt, dass die an die<br />

SKS bezahlten Beiträge im Sinne des gesellschaftlichen<br />

Interesses und nicht <strong>für</strong> politische<br />

Aktivitäten verwendet werden? Der von sgv-<br />

Vorstandsmitglied Sylvia Flückiger-Bäni eingereichte<br />

Vorstoss will Licht ins Dunkel bringen<br />

und zwingt den Bund, die bisherige Praxis<br />

zu durchleuchten. Das Hauptanliegen des sgv<br />

ist es, Transparenz im Bereich der Verwendung<br />

öffentlicher Gelder zu schaffen. Zweckentfremdungen<br />

von Bundessubventionen bekämpft<br />

der grösste Dachverband der Wirtschaft vehement.<br />

Anlass zur Kontroverse um die SKS-Finanzierung<br />

war das kürzliche Erscheinen des Ratgebers<br />

«Zölle, Steuern und Co», in dem die Konsumentenorganisation<br />

das Einkaufen im Ausland<br />

erläutert. Der sgv ist ja federführend in<br />

der laufenden Kampagne «Ja zur Schweiz –<br />

Hier kaufe ich ein». Er sieht in der SKS-Broschüre<br />

eine Ermutigung zum Einkaufstourismus,<br />

der die heimische Wirtschaft um viele<br />

Milliarden Franken schwächt.<br />

Kritik an Lieferanten<br />

<strong>Die</strong> diesjährige Delegiertenversammlung von<br />

Swiss Fashion Stores (SFS), dem Verband des<br />

Modefachhandels, hat am Sitz der Firma Planzer<br />

in Pratteln stattgefunden. Präsident Ulrich<br />

Stalder kritisierte in seiner Eröffnungsansprache<br />

die schwarzen Schafe unter den Lieferanten,<br />

die dem Modefachhandel trotz starken<br />

Frankens zu hohe Preise verrechnen und die<br />

Währungsvorteile nicht weitergeben. <strong>Die</strong> Branche<br />

mag diese Praktiken nicht einfach hinnehmen:<br />

Der Druck auf die Lieferanten und Importeure<br />

soll weiter erhöht werden, damit in<br />

Euro fakturiert wird und Direktimporte nicht<br />

behindert werden.


8<br />

WIRTSCHAFT&POLITIK<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

AGRARPOLITIK 2014–2017 – In den nächsten Monaten wird das Parlament die Weichen <strong>für</strong> die Landwirtschaft stellen. Letzte<br />

Gelegenheit, Mut zu zeigen und überholte Privilegien der Bauern abzuschaffen.<br />

Gewerbe will fairen Wettbewerb<br />

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Am 21. Mai 2012 starten die parlamentarischen<br />

Beratungen zur Agrarpolitik<br />

2014–2017 in der WAK Nationalrat mit<br />

Hearings. Im Vorfeld hat sich der sgv<br />

kritisch zur Vorlage geäussert. <strong>Die</strong><br />

bundesrätliche Vorlage verfolgt zwar<br />

die richtigen Zielsetzungen, weist aber<br />

vor allem drei Mängel auf: <strong>Die</strong> Bauern<br />

werden mit zu vielen Vorschriften eingeschnürt,<br />

der Strukturwandel wird<br />

zu stark abgebremst, und besonders<br />

gravierend: die <strong>KMU</strong>-Wirtschaft sieht<br />

sich gegenüber der Landwirtschaft<br />

auch weiterhin ungleich langen Spiessen<br />

gegenüber.<br />

Gute Rahmenbedingungen<br />

Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist<br />

immer noch die Erzeugung von qualitativ<br />

hochwertigen Agrarprodukten<br />

<strong>für</strong> die einheimische Bevölkerung.<br />

Dazu kommen gemäss Verfassungsauftrag<br />

die Erhaltung der natürlichen<br />

Lebensgrundlagen und die Pflege der<br />

Kulturlandschaft sowie die dezentrale<br />

Besiedlung des Landes. Leider<br />

wurde das Kerngeschäft in der letzten<br />

Zeit zunehmend vernachlässigt,<br />

und die Landwirtschaft suchte ihr<br />

Heil mehr und mehr in x-beliebigen<br />

Nebenerwerbstätigkeiten, um ein angemessenes<br />

Einkommen erzielen zu<br />

können. Es gilt nun, diesen Trend hin<br />

zur Verzettelung zu brechen und die<br />

staatlichen Anreize so umzugestalten,<br />

dass die Bauern wieder in der<br />

Lage sind, ihr Auskommen vorwiegend<br />

oder ausschliesslich aus ihrem<br />

Kerngeschäft zu erwirtschaften.<br />

Zur Stärkung der zentralen Aufgaben<br />

sind neben einem Abbau der vielen<br />

staatlichen Vorschriften und Auflagen,<br />

die <strong>für</strong> die Bauern kostentreibend sind,<br />

die Anreize so auszugestalten, dass<br />

der Strukturwandel nicht allzu stark<br />

abgebremst wird. Mit weniger als jährlich<br />

zwei Prozent ist er gegenwärtig<br />

eindeutig zu langsam; der Abstand zur<br />

europäischen Landwirtschaft wird<br />

noch grösser, die Wettbewerbsfähig-<br />

<strong>Die</strong> Milchwirtschaft<br />

gehört<br />

<strong>für</strong> die Schweizer<br />

Bauern weiterhin<br />

zum Kerngeschäft<br />

– Nebenbeschäftigungen<br />

haben sicher<br />

nicht die erste<br />

Priorität.<br />

keit des Agrarsektors sinkt. Bei der<br />

zentralen Strukturfrage hat der Bundesrat<br />

wenig Mut gezeigt und er ist<br />

vor den Forderungen der mächtigen<br />

Bauernlobby einmal mehr eingeknickt.<br />

So ist es unverständlich, dass<br />

das minimale Arbeitseinkommen als<br />

Eintrittsschwelle <strong>für</strong> den Bezug von<br />

Direktzahlungen im Tal- und Hügelgebiet<br />

nicht wie ursprünglich vorgeschlagen<br />

von 0,25 auf 0,4 Standardarbeitskräfte<br />

erhöht worden ist. Kritisch<br />

zu vermerken ist auch, dass ein grosser<br />

Teil der Direktzahlungen weiterhin<br />

unabhängig von konkreten, ökonomischen<br />

Leistungen ausbezahlt und na-<br />

mentlich die Versorgungssicherheitsbeträge<br />

weiter aufgestockt werden.<br />

Wettbewerbsneutralität sichern<br />

Zitat aus der im Jahre 2008 vom Gewerbekongress,<br />

unserem höchsten Organ,<br />

verabschiedeten «Strategie 2008»:<br />

«<strong>Die</strong> Landwirtschaft geniesst gegenüber<br />

der <strong>KMU</strong>-Wirtschaft vielfach eine<br />

Vorzugsbehandlung. Der sgv wehrt<br />

sich gegen eine mit staatlichen Unterstützungsmassnahmen<br />

geförderte<br />

weitere Bevorzugung der Landwirtschaft<br />

und verlangt eine Angleichung<br />

der Wettbewerbsbedingungen und die<br />

Schaffung gleich langer Spiesse.» Im<br />

Klartext: Falls die Bauern auf dem<br />

raumplanerisch geschützten und billigen<br />

Landwirtschaftsland Tätigkeiten<br />

ausüben, die das Gewerbe konkurrenzieren,<br />

muss dies zu gleichen Bedingungen<br />

gegenüber der <strong>KMU</strong>-Wirtschaft<br />

erfolgen, das heisst ohne staatliche<br />

Unterstützungs- und Förderungsmassnahmen,<br />

es sei denn, die im<br />

Wettbewerb stehenden Gewerbebetriebe<br />

sind damit einverstanden. Das<br />

Landwirtschaftsgesetz hat sich daher<br />

grundsätzlich auf die Urproduktion,<br />

das eigentlich Kerngeschäft der Bauern,<br />

zu beschränken und ist nicht auf<br />

x-beliebige weitere, in Konkurrenz zur<br />

<strong>KMU</strong>-Wirtschaft stehende Aktivitäten<br />

auszuweiten.<br />

Trotz guten Ansätzen hat es der Bundesrat<br />

verpasst, den Begriff der Wettbewerbsneutralität<br />

zwischen Landwirtschaft<br />

und Gewerbe befriedigend<br />

zu klären und die gewerbenahen Tätigkeiten<br />

der Bauern (beispielsweise<br />

Hofläden oder Besenbeizen) denselben<br />

Spielregeln zu unterstellen wie<br />

jenen der <strong>KMU</strong>-Wirtschaft. Damit werden<br />

die durch die unterschiedlichen<br />

gesetzlichen Vorgaben heute bestehenden<br />

Marktverzerrungen wie beispielsweise<br />

im Raumplanungsrecht, betreffend<br />

Investitionskrediten und Starthilfen,<br />

bei der Lebensmittelkontrolle oder<br />

bei gewissen Transportdienstleistungen<br />

unbesehen weitergeführt. Der sgv<br />

hat nichts gegen paralandwirtschaftliche<br />

Tätigkeiten der Bauern einzuwenden,<br />

sofern sie zu den gleichen Bedingungen<br />

wie <strong>für</strong> das Gewerbe erfolgen<br />

und von den betroffenen Gewerbebetrieben<br />

keine Einsprachen erhoben<br />

werden. Der sgv wird im Laufe der<br />

beginnenden parlamentarischen Beratung<br />

entsprechende Anträge einbringen,<br />

ebenso wird er das ungerechte<br />

Versteigerungssystem beim Fleisch bekämpfen.<br />

Nationalrat Gerhard Pfister<br />

hat am 22. Dezember 2011 mit einer<br />

Interpellation (11.4131, Gewerbe und<br />

Landwirtschaft. Gleich lange Spiesse!)<br />

das Terrain dazu vorbereitet.<br />

Rudolf Horber


<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong> – 11.<br />

Mai 2012<br />

WIRTSCHAFT&POLITIK 9<br />

SWISSNESS – Nach langen Vorarbeiten hat der Nationalrat die heiss umstrittene Vorlage in der Frühlingssession verabschiedet. Das<br />

Ergebnis ist <strong>für</strong> die <strong>KMU</strong>-Wirtschaft sehr unbefriedigend und muss korrigiert werden.<br />

Sorgt das «Stöckli» <strong>für</strong> Happy-End?<br />

Der sgv und Swiss Label, die Gesellschaft<br />

zur Förderung von Schweizer<br />

Produkten und <strong>Die</strong>nstleistungen mit<br />

der Armbrust, haben sich von Anfang<br />

an <strong>für</strong> eine klare und verständliche,<br />

<strong>KMU</strong>-taugliche Swissness-Vorlage<br />

eingesetzt. Der Nationalrat hat<br />

zwar in der Frühlingssession 2012<br />

einige Korrekturen in die richtige<br />

Richtung vorgenommen, so eine Unterscheidung<br />

zwischen schwach und<br />

stark verarbeiteten Lebensmitteln.<br />

Bei den <strong>für</strong> die <strong>KMU</strong> wichtigeren<br />

Non-Food-Produkten ist die vom sgv<br />

und von Swiss Label unterstützte<br />

Minderheit, die das Inlanderfordernis<br />

auf den bisherigen 50 Prozent<br />

belassen und nicht auf willkürliche<br />

60 Prozent erhöhen wollte, leider<br />

knapp unterlegen. Der sgv und Swiss<br />

Label rufen den Ständerat bereits<br />

heute dazu auf, die notwendigen<br />

Korrekturen und Vereinfachungen<br />

vorzunehmen.<br />

aus dem Emmental oder ein kleiner<br />

Uhrenhersteller aus dem Berner Jura<br />

alle diese Gesetzesartikel verstehen<br />

und auch umsetzen können? Wer<br />

kontrolliert die Einhaltung der Bestimmungen,<br />

und wer garantiert <strong>für</strong><br />

deren Durchsetzung? Da viele Unternehmen<br />

ausländische Rohstoffe verarbeiten,<br />

die preislich und mengenmässig<br />

grossen Schwankungen unterworfen<br />

sind, müsste die Swissness<br />

immer wieder neu überprüft bzw.<br />

bewiesen werden. Damit würden vor<br />

allem kleinere Unternehmen einer<br />

erheblichen bürokratischen Zusatzbelastung<br />

ausgesetzt – oder sie verzichten<br />

auf den Swissness-Bonus von<br />

bis zu 20 Prozent und riskieren damit<br />

Marktanteilsverluste oder Preiseinbussen.<br />

Kompliziert und <strong>KMU</strong>-untauglich<br />

Verfehlte Rohstoff-Fixierung<br />

<strong>Die</strong> Schweiz lebt nicht von den Rohstoffen,<br />

sondern von deren Veredelung<br />

zu hochwertigen Produkten.<br />

Deshalb ist es grundsätzlich verfehlt,<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Swissness-Vorlage ist Swissness primär über die Rohstoffe<br />

zu kompliziert und nicht <strong>KMU</strong>-taug- zu definieren. Mit der vom Nationallich.<br />

Wie soll ein Schreinermeister rat beschlossenen Definition werden<br />

die Wirtschaftsleistung und das<br />

VOLKSINITIATIVE IN SICHT<br />

<strong>Die</strong> Bauern drohen<br />

Es gibt nur wenige Vorlagen, die im und ums Parlament<br />

herum <strong>für</strong> Dauerwirbel sorgen und zu einer «unendlichen<br />

Geschichte» werden. In den letzten Jahren gilt dies<br />

wohl nur <strong>für</strong> die Abzocker-Initiative von Thomas Minder<br />

und die Swissness-Gesetzgebung. Bei der letzteren<br />

könnte das Rennen irgendwann auch an der Urne<br />

entschieden werden. Der <strong>Schweizerische</strong> Bauernverband<br />

(SBV) droht nämlich mit einer Volksinitiative. Der<br />

Grundsatzentscheid ist im November 2011 bereits<br />

gefallen: <strong>Die</strong> SBV-Delegierten be<strong>für</strong>worteten an ihrer<br />

Jahresversammlung einstimmig die Lancierung. Ob aber<br />

tatsächlich Unterschriften gesammelt werden, hängt<br />

vom Parlament ab. Wird die Gesetzesvorlage des Bundesrates<br />

beim inländischen Rohstoffanteil abgeschwächt,<br />

wollen die Bauern die Initiative definitiv lancieren.<br />

SBV-Chef und Nationalratspräsident Hansjörg Walter<br />

wählt <strong>für</strong> einmal harte Worte: «Wir lassen uns von der<br />

Industrie nicht in die Knie zwingen.»<br />

Know-how aus der Verarbeitung<br />

weitgehend ausgeblendet. Swissness<br />

steht aber primär nicht <strong>für</strong> den Rohstoff,<br />

sondern hat mit Forschung,<br />

Produktionsentwicklung, dem Savoir<br />

faire, der Fabrikation, der Qualitätskontrolle<br />

und weiteren Werten zu<br />

tun, <strong>für</strong> welche die rohstoffarme<br />

Schweiz in der Welt bekannt geworden<br />

ist. Wie die NZZ zu Recht festhielt,<br />

sollten Produkte und Marken<br />

ihre Qualität im Wettbewerb beweisen<br />

und nicht auf ein Gütezeichen<br />

bauen, das aufgrund fragwürdiger<br />

Kriterien verliehen wird.<br />

Zu hoch angesetzte Messlatte<br />

Mit dem von 50 auf 60 Prozent erhöhten<br />

Inlandrohstoff-Erfordernis <strong>für</strong><br />

Industrieprodukte und den verlangten<br />

80 Prozent bei den verarbeiteten<br />

Naturprodukten werden die heutigen<br />

<strong>Die</strong> Marke Schweiz hat einen hohen Stellenwert – entsprechend gehen auch die Gemüter hoch. BILD: BAUERNZEITUNG<br />

Regeln zum Teil deutlich verschärft. den ins Ausland verlegt. <strong>Die</strong> Vorlage Schweizer Wirtschaft vom Gesetzge-<br />

<strong>Die</strong>s hat zur Folge, dass ganze Bran- dient vor allem den Interessen einiger ber nicht zu hoch angesetzt werden;<br />

chen und viele Unternehmen die heu- grosser Unternehmen im Hochpreis- andernfalls würden wir uns gegentige<br />

Swissness-Prämie verlieren und segment, die hohe Bruttomargen erüber der ausländischen Konkurrenz<br />

damit gegenüber der ausländischen zielen können.<br />

ohne Not benachteiligen. Viele <strong>KMU</strong><br />

Konkurrenz benachteiligt werden.<br />

würden den Swissness-Bonus verlie-<br />

Zwei konkrete Beispiele sind die Her- Freiwillige Mehrleistungen ren, oder sie wären gezwungen, bilsteller<br />

von Daunenbettwaren, die im Es gilt, eine einfachere, <strong>KMU</strong>-taugliligere Rohstoffe aus dem Ausland zu<br />

Falle einer Verschärfung der Regeln che Vorlage auszuarbeiten, die im beziehen, was der Qualität der Pro-<br />

bereits angekündigt haben, ihre Pro- Wesentlichen die heute geltende und dukte abträglich sein könnte. Es ist<br />

duktion voraussichtlich in der eingespielte Praxis gemäss Urteil des einzelnen Branchen und privaten<br />

Schweiz einzustellen, sowie die klei- Handelsgerichts St. Gallen im Mar- Vereinigungen wie Swiss Label mit<br />

nen und mittleren Uhrenunternehkenschutzgesetz mit einigen griffigen der Armbrust zu überlassen, auf freimen,<br />

viele davon traditionelle Fami- Regeln festschreibt und dann auch williger Basis höhere Anforderungen<br />

lienbetriebe. Konsequenz: Der Pro- konsequent umsetzt und Missbräu- an die Swissness zu stellen.<br />

duktionsstandort Schweiz würde che bekämpft. <strong>Die</strong> Messlatte <strong>für</strong> das<br />

massiv geschwächt statt gestärkt, Ar- Swissness-Erfordernis darf in der Rudolf Horber, sgv-Ressortleiter<br />

beitsplätze gingen verloren oder wür- stark international vernetzten und Geschäftsführer Swiss Label<br />

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10<br />

WIRTSCHAFT&POLITIK<br />

VOLKSABSTIMMUNG VOM 17. JUNI – Der Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl ist überzeugt,<br />

dass die Initiative «Staatsverträge vors Volk» unnötig ist und dem Gewerbe schadet.<br />

Heutige Regelung genügt<br />

<strong>Die</strong> Aktion <strong>für</strong> eine unabhängige und<br />

neutrale Schweiz Auns will mit der<br />

Initiative «Für eine Stärkung der<br />

Volksrechte in der Aussenpolitik<br />

(«Staatsverträge vors Volk!») die<br />

Stimmbevölkerung automatisch über<br />

Staatsverträge in sogenannt «wichtigen<br />

Bereichen» abstimmen lassen.<br />

<strong>Die</strong> Initiative legt aber keine Kriterien<br />

da<strong>für</strong> fest, was «wichtige Bereiche»<br />

sind. Im Einzelfall müssten Bundesrat<br />

und Parlament immer auch<br />

darüber diskutieren, ob ein Vertrag<br />

einem «wichtigen Bereich» zuzuordnen<br />

sei oder nicht.<br />

Genügend Kontrollinstrumente<br />

<strong>Die</strong> Initiative ist unnötig, denn bereits<br />

heute muss über einen Beitritt zu einer<br />

supranationalen Gemeinschaft wie<br />

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der EU oder zu einer Organisation <strong>für</strong><br />

kollektive Sicherheit (Nato) zwingend<br />

abgestimmt werden. Es braucht dazu<br />

eine Ja-Mehrheit von Volk und Ständen<br />

(obligatorisches Referendum).<br />

Staatsverträge, die unbefristet und unkündbar<br />

sind oder rechtsetzende Bestimmungen<br />

enthalten, sind dem fakultativen<br />

Referendum unterstellt:<br />

50000 Stimmberechtigte oder acht<br />

Kantone können eine Volksabstimmung<br />

über das betreffende Abkommen<br />

verlangen. <strong>Die</strong>se bewährte Regelung<br />

garantiert, dass das Volk über<br />

alle Staatsverträge abstimmen kann,<br />

über die es auch abstimmen will.<br />

Keine Vorteile <strong>für</strong> die Wirtschaft<br />

<strong>KMU</strong> bilden die grosse Masse der Unternehmen<br />

und der Arbeitsplätze und<br />

Bei Staatsverträgen gibt es kein Demokratiedefizit: Über wirklich wichtige Abkommen<br />

entscheidet schon heute das Volk an der Urne.<br />

werden deshalb zu Recht als das<br />

«Rückgrat» der Schweizer Wirtschaft<br />

bezeichnet. Nur etwas mehr als 1000<br />

der rund 300000 Unternehmen in der<br />

Schweiz beschäftigen mehr als 250<br />

Mitarbeitende. Auf der andern Seite<br />

repräsentieren 261000 Kleinstunternehmen<br />

mit weniger als 10 Beschäftigten<br />

gut ein Viertel der Arbeitsplätze.<br />

<strong>Die</strong> Schweizer <strong>KMU</strong> zeichnen sich zudem<br />

durch ein überdurchschnittlich<br />

hohes Wachstum der Produktivität<br />

aus. Von der internationalen durch<br />

Staatsverträge rechtlich abgesicherten<br />

Verflechtung profitiert vor allem auch<br />

das Gewerbe.<br />

Direkte Abhängigkeit der <strong>KMU</strong><br />

Gemäss dem Swiss International Entrepreneurship<br />

Survey (SIES) resultierten<br />

im Jahr 2009 über 53 Prozent des<br />

Umsatzes von Schweizer <strong>KMU</strong> aus<br />

Exporten. <strong>Die</strong>s betrifft sowohl Mikrounternehmen<br />

(weniger als 10 Mitarbeiter<br />

mit 52,2 Prozent), Kleinunternehmen<br />

(10–49 Mitarbeiter mit 52,4<br />

Prozent) und Mittlere Unternehmen<br />

(50–249 Mitarbeiter mit 60,5 Prozent).<br />

<strong>KMU</strong> sind wie multinationale Konzerne<br />

darauf angewiesen, dass sie möglichst<br />

diskriminierungsfrei exportieren<br />

können, ihre Investitionen im Ausland<br />

geschützt sind und eine doppelte Besteuerung<br />

vermieden wird. Freihandelsabkommen,Doppelbesteuerungsabkommen<br />

und Investitionsschutzabkommen<br />

sind von grosser Bedeutung<br />

und schaffen Transparenz, Vorhersehbarkeit<br />

und Rechtssicherheit. <strong>Die</strong>s ist<br />

insbesondere <strong>für</strong> kleinere Unternehmen<br />

wichtig, die bei einer ungerecht(fertigt)en<br />

Behandlung im Ausland<br />

nicht ihre Marktmacht in die<br />

Waagschale werfen können. Staatsverträge<br />

können damit eine direkte<br />

Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit<br />

in der Schweiz haben und sind<br />

<strong>für</strong> binnenmarktorientiertes Gewerbe<br />

und <strong>KMU</strong> relevant, etwa im Rahmen<br />

der Personenfreizügigkeit und der bilateralen<br />

Abkommen mit der EU oder<br />

im Rahmen des Europäischen Übereinkommens<br />

über den Schutz von Tieren<br />

beim internationalen Transport,<br />

das <strong>für</strong> den Detailhandel oder die<br />

Fleischverarbeitung Relevanz hat.<br />

Indirekte Betroffenheit<br />

Da Unternehmen Vorleistungen von<br />

anderen Unternehmen beziehen, löst<br />

die Nachfrage nach Gütern und<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen bei den Vorleistungsproduzenten<br />

zusätzliche Lieferungen<br />

und damit Wertschöpfung und Beschäftigung<br />

aus. Damit sind auch Gewerbebetriebe,<br />

die vermeintlich nur<br />

in der Schweiz aktiv sind, auf inter-<br />

national ausgerichtete <strong>KMU</strong> und multinationale<br />

Konzerne angewiesen, sei<br />

es als Zulieferer von Produkten oder<br />

als Anbieter von. Eine Studie im Auftrag<br />

von economiesuisse kommt zum<br />

Schluss, dass die von börsenkotierten<br />

Unternehmen ausgehenden indirekten<br />

Effekte gesamtwirtschaftlich bedeutsam<br />

sind. Mehr als 250 000 Arbeitskräfte<br />

und eine Wertschöpfung<br />

von zirka 31 Milliarden Franken werden<br />

über die Zulieferketten in der<br />

Schweiz geschaffen.<br />

Nein zur Initiative<br />

Jährlich schliesst die Schweiz rund<br />

500 Staatsverträge ab. Von diesem<br />

dichten Netz profitieren die Wirtschaft<br />

und damit vor allem auch die<br />

<strong>KMU</strong>. Es garantiert ihnen die nötige<br />

Anbindung an die internationalen<br />

Märkte. <strong>Die</strong> Schweizer Wirtschaft ist<br />

auch weiterhin auf gute Rahmenbedingungen<br />

angewiesen und braucht<br />

funktionierende Staatsverträge. Deshalb<br />

ist die Initiative der Auns abzulehnen.<br />

Werner Luginbühl,<br />

Ständerat BDP, Krattigen BE<br />

Er lehnt das Auns-Volksbegehren ab:<br />

Ständerat. Werner Luginbühl.<br />

sgv-PAROLE<br />

Meinungsdifferenzen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Schweizerische</strong> Gewerbekammer<br />

hat im vergangenen November die<br />

Nein-Parole zur Auns-Initiative<br />

beschlossen. Der Entscheid des<br />

Gewerbeparlaments fiel mit 26 zu<br />

12 Stimmen (bei 7 Enthaltungen)<br />

realtiv knapp aus. In der kurzen<br />

Diskussion zeigte sich, dass viele<br />

Kammermitglieder möglichst viele<br />

Abkommen dem Volk vorlegen<br />

möchten, weil sie eine sehr enge<br />

Interpretation des Begriffs «wichtiger<br />

Bereich» durch die Behörden<br />

be<strong>für</strong>chten. <strong>Die</strong> Mehrheit argumentierte<br />

hingegen im Sinne des Beitrags<br />

von Ständerat Luginbühl.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

NACHLESE<br />

sgv gegen «Mediensteuer»<br />

Mit Spannung wurde der bundesrätliche Entwurf<br />

<strong>für</strong> ein revidiertes Radio- und Fernsehgesetz<br />

(RTVG) erwartet, das ein neues Gebührensystem<br />

bringt, das alle Haushalte und Unternehmen<br />

grundsätzlich einer Abgabepflicht<br />

unterstellt. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein<br />

Empfangsgerät vorhanden ist. Allerdings<br />

musste die Landesregierung einen Parlamentsbeschluss<br />

mitberücksichtigen, wonach u.a.<br />

kleinere gewerbliche Betriebe vom Obligatorium<br />

auszunehmen sind. Doch wo setzt man<br />

die Grenze an? Der Bundesrat sieht als Schwelle<br />

einen Jahresumsatz von 500 000 Franken.<br />

<strong>Die</strong>ser Wert entspricht der Limite <strong>für</strong> die Buchführungspflicht<br />

nach neuem Rechnungslegungsrecht<br />

und betrifft nicht ganz 60 Prozent<br />

aller Unternehmen. Der sgv hat in einer ersten<br />

Stellungnahme den Vorschlag trotz diesem<br />

«Zückerchen» strikte abgelehnt. Der zuständige<br />

Ressortleiter <strong>Die</strong>ter Kläy: «Wir werden uns<br />

aus Prinzip gegen diese durch die Hintertür<br />

eingeführte Mediensteuer wehren.»<br />

Katastrophen-Signal<br />

«Signalsetzen» heisst ein Spielchen, auf das<br />

sich nicht wenige Eidgenossen bei manchen<br />

Urnengängen – vorab bei ökologischen Vorlagen<br />

– einlassen. Dass der Wink mit dem<br />

Stimmzettel ganz schön in die Hosen gehen<br />

kann, zeigte sich etwa 1994 bei der Alpeninitiative<br />

und kürzlich bei der Zweitwohnungsinitiative.<br />

Weil (zu) viele winkten, kam ein Ja<br />

zustande – und die Folgen sind unabsehbar.<br />

So kommen jetzt viele Bündner auf die Welt,<br />

denn wegen der Weber-Initiative könnten Erstwohnungen<br />

in den Tourismusorten Graubünden<br />

wegen der Einschränkung der Eigentümerrechte<br />

bis zu einem Drittel an Wert verlieren.<br />

Fachleute rechnen gemäss der <strong>Zeitung</strong> «Südostschweiz»<br />

mit einem Wertverlust von mindestens<br />

2,5 Milliarden Franken allein <strong>für</strong> das<br />

Bündnerland; <strong>für</strong> den gesamten Schweizer Alpenraum<br />

wird die Horrorsumme von 20 Milliarden<br />

genannt. Kein Wunder, dass bereits über<br />

Entschädigungsansprüche der Eigentümer diskutiert<br />

wird. Wertverluste in dieser Höhe hätten<br />

böse Folgen nicht nur <strong>für</strong> private Altersvorsorge,<br />

Pensionskassen, Lebensversicherer<br />

und Immobilienfonds, auch der Hypothekarmarkt<br />

würde heftig reagieren. Bundesrätin Doris<br />

Leuthard, verantwortlich <strong>für</strong> die Umsetzung<br />

der Initiative, ist wahrlich nicht zu beneiden.<br />

Der Wert der Zweitwohnungen soll übrigens<br />

laut Experten massiv steigen.<br />

Bürokraten in Höchstform<br />

Der «Rostige Paragraph», die von der IG Freiheit<br />

verliehene Auszeichnung <strong>für</strong> «das dümmste<br />

und unnötigste Gesetz», geht 2012 an die<br />

Stadtzürcher Polizei. <strong>Die</strong>se hatte dem Pächter<br />

eines See-Restaurants in Zürich-Wollishofen<br />

das Montieren von Gummipuffern am Schiffssteg<br />

verboten. Mit diesen Fendern wollte der<br />

Wirt verhindern, dass die Boote seiner Gäste<br />

durch den Wellengang an den Steg geschleudert<br />

und beschädigt werden. Das Verbot wurde<br />

damit begründet, dass die aufblasbaren<br />

Gummischläuche gegen die städtischen<br />

Schiffstationierungsvorschriften vorstossen,<br />

welche es untersagen, «an den vorhandenen<br />

Anlagen irgendwelche Änderungen vorzunehmen.»<br />

<strong>Die</strong> Absurdität hat übrigens noch kein<br />

Ende: <strong>Die</strong> Gummipuffer sind auch in diesem<br />

Jahr verboten.<br />

Faites vos jeux<br />

Der Vorstand des<br />

Schweizer Casino-Verbandes<br />

(SCV), der die<br />

Interessen von 19<br />

Schweizer Spielbanken<br />

vertritt, hat den CVP-<br />

Präsidenten und Walliser<br />

Nationalrat Christophe<br />

Darbellay (Bild) <strong>für</strong><br />

seinen Spitzenposten<br />

nominiert. Darbellays Wahl durch die Delegiertenversammlung<br />

am 1. Juni ist so gut wie sicher,<br />

denn er ist der einzige Kandidat. «Er ist<br />

eine weitherum hochgeachtete und gut vernetzte<br />

Persönlichkeit, die unserem Präsidium<br />

gut ansteht», freut sich SCV-Geschäftsführer<br />

Marc Friedrich.


12<br />

PUBLIREPORTAGE<br />

Frühe Rente auf Raten<br />

Seit 2010 profitieren Firmen, die<br />

der Gebäudehüllen-Branche angehören,<br />

von einem neuen Vorruhestandsmodell:<br />

Arbeiter können ab<br />

dem 60. Lebensjahr gestaffelt in<br />

Rente gehen. So behalten die Firmen<br />

das Know-how ihrer qualifizierten<br />

Mitarbeiter.<br />

Christian Zweili freut sich auf die Pension<br />

– und das schon viel früher als gedacht.<br />

Mit seinen 62 Jahren arbeitet er<br />

ab 1. April 2012 nur noch 50 Prozent<br />

bei der Firma Marx AG in Muttenz und<br />

hat dennoch fast so viel Einkommen wie<br />

vorher. <strong>Die</strong> Geschäftsleitung der Marx<br />

AG freut sich auch über diese neue Konstellation.<br />

Mit dem 50-Prozent-Pensum<br />

kann Geschäftsführer Erwin Plattner seinen<br />

Mitarbeiter in einer neuen Funktion<br />

weiterbeschäftigen, nachdem dessen<br />

körperliche Verfassung die bisherige Tätigkeit<br />

nicht mehr zugelassen hätte.<br />

«Wenn es nicht diese Möglichkeit <strong>für</strong><br />

den flexiblen Vorruhestand gäbe, hätten<br />

wir Herrn Zweili streng genommen nicht<br />

weiterbeschäftigen können. Aber das<br />

fällt natürlich schwer, vor allem, wenn<br />

jemand wie er seit 35 Jahren bei der<br />

Firma (ehemals Jauslin) ist», erzählt Erwin<br />

Plattner. Das Vorruhestandsmodell<br />

im Dach- und Wandgewerbe (VRM) ist<br />

2010 nach einer dreijährigen Entwicklungsphase<br />

<strong>für</strong> die 800 Betriebe, die<br />

dem Gesamtarbeitsvertrag der Branche<br />

unterstellt sind, eingeführt worden. Es<br />

ermöglicht jedem Mitarbeiter eines angeschlossenen<br />

Betriebes, ab dem 60.<br />

Lebensjahr in den Vorruhestand zu gehen,<br />

entweder ganz oder – was die Väter<br />

des VRM eher im Visier hatten – gestaffelt.<br />

«Wir haben bereits rund 40 Bezüger<br />

einer VRM-Überbrückungsrente,<br />

davon ist die Mehrheit mit 20 bis 80<br />

Prozent weiterhin beschäftigt», erklärt<br />

Jürg Lehmann, Mitentwickler und Berater<br />

des VRM Dach und Wand bei der AXA<br />

Winterthur. Wie viel ein Teilzeitrentner<br />

arbeitet und wie er die Teilzeit leistet,<br />

handeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

individuell aus. «Es gibt viele Varianten»,<br />

sagt Jürg Lehmann. Das Spektrum reiche<br />

von einem Sizilianer, der mit 60<br />

komplett in den Vorruhestand und zurück<br />

in seine Heimat gegangen ist, über<br />

einen Arbeiter, der nur im Winter mit der<br />

Arbeit aussetzt, bis hin zum Vorarbeiter,<br />

der nur noch mit 20 Prozent auf der<br />

Lohnliste seines Arbeitgebers steht und<br />

von diesem nur bei komplizierten Aufträgen<br />

gerufen wird. Aber nicht jeder<br />

Betrieb, nicht jede Branche und nicht<br />

jede Position erlaubt so flexible Alters-<br />

teilzeitmodelle. «Ich kann keinen Baustellenleiter<br />

beschäftigen, der 80 Prozent<br />

arbeitet, donnerstags ins Wochenende<br />

geht und die ihm unterstellten Mitarbeiter<br />

auf der Baustelle sich selber<br />

überlässt», erklärt Erwin Plattner. Hingegen<br />

wäre es in seinem Betrieb gut<br />

möglich, dass ein Teilzeitrentner nur die<br />

Wintermonate über pausieren würde.<br />

Solidarische Finanzierung<br />

Finanziert wird das VRM im Umlageverfahren<br />

mit 1,60 Prozent der SUVApflichtigen<br />

Lohnsumme. Jeder Mitar-<br />

VRM DACH UND WAND<br />

Das VRM im Dach- und Wandgewerbe<br />

wurde mit dem Ziel entwickelt, älteren<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,<br />

die aktiv an der Gebäudehülle<br />

tätig sind und vor der ordentlichen<br />

Pensionierung stehen, die Möglichkeit<br />

zu einer Reduktion der Arbeitszeit zu<br />

geben, indem sie…<br />

n das zeitliche Arbeitspensum reduzieren<br />

n bestimmte Tage in der Woche zuhause<br />

bleiben<br />

n sich <strong>für</strong> bestimmte Monate aus dem<br />

Arbeitsumfeld zurückziehen oder<br />

n sich frühzeitig aus dem Arbeitsprozess<br />

zurückziehen können.<br />

<strong>Die</strong> Einsatzzeit des Mitarbeiters kann<br />

im gegenseitigen Einvernehmen mit<br />

seinem Arbeitgeber entsprechend angepasst<br />

werden.<br />

Vom VRM Dach und Wand profitieren<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die<br />

kumulativ folgende Bedingungen erfüllen:<br />

n sie stehen maximal fünf Jahre vor<br />

der ordentlichen Pensionierung<br />

n sie sind während mindestens<br />

15 Jahren in der Branche tätig gewesen<br />

n dies innerhalb der letzten 25 Jahre<br />

vor dem Leistungsbezug<br />

beiter eines GAV unterstellten Betriebs<br />

zahlt mittels Lohnabzug 0,65 Prozent<br />

seines Einkommens in die Stiftung<br />

VRM, die Arbeitgeber zahlen 0,95 Prozent<br />

dazu. «Das Umlageverfahren ist<br />

ein Solidarmodell, bei dem die jüngeren<br />

Arbeitnehmer die heutigen Rentner finanzieren»,<br />

erklärt Jürg Lehmann. Dass<br />

das VRM daher vor allem bei jüngeren<br />

Arbeitnehmern nicht vorbehaltlos Anklang<br />

findet, ist nachvollziehbar. Sie<br />

finanzieren de facto mit ihren Beiträgen<br />

die Überbrückungsrenten der heutigen<br />

Bezüger. Und da im Moment nur die<br />

«Der Branche dieTreue halten»<br />

Kurzinterview mit Franz Cahannes<br />

Co-Sektorleiter Gewerbe der Unia<br />

Warum be<strong>für</strong>wortet die Gewerkschaft<br />

Unia das Vorruhestandsmodell VRM?<br />

Das Modell führt hoffentlich dazu, dass<br />

Leute ab einem gewissen Alter der Branche<br />

eher die Treue halten. In einer Phase,<br />

in der sich körperliche Gebresten<br />

häufen, ermöglicht das VRM flexible Anpassungsschritte,<br />

die betriebsintern zu<br />

vereinbaren sind.<br />

Werden jüngere Arbeitnehmer hier nicht<br />

benachteiligt?<br />

Das VRM funktioniert im Rentenwertumlageverfahren,<br />

also wie die AHV. Mit 0,65<br />

Prozent Kostenbeteiligung zahlen jüngere<br />

Beschäftigte lediglich etwa 400 Franken<br />

pro Jahr. Da<strong>für</strong> besteht die Chance,<br />

gegen Ende des Arbeitslebens auch davon<br />

zu profitieren.<br />

Werden andere<br />

Branchen das<br />

Modell übernehmen?<br />

Für uns ist klar,<br />

dass nicht jede<br />

Branche ein eigenes<br />

Modell entwickeln<br />

darf. Arbeitnehmerbe-<br />

BERUFLICHE VORSORGE ⁄ MIT DER<br />

AXA WINTERTHUR<br />

Weil die Zahl der Arbeitnehmer abnehmen<br />

wird, ist es künftig wichtig, dass<br />

bewährte Mitarbeiter nicht von heute<br />

auf morgen in Pension gehen, sondern<br />

in mehreren Schritten. Da<strong>für</strong> sollte diese<br />

Möglichkeit aber im Pensionskassenreglement<br />

vorgesehen sein. <strong>Die</strong><br />

Pensionskassenlösungen der AXA Winterthur<br />

enthalten diese Option generell.<br />

Patrons, die dieses Thema schon früh<br />

aufgreifen, profilieren sich als «gute<br />

Chefs». Und bei einem guten Chef blei-<br />

Moderne Vorruhestandslösung bei der Firma Marx AG in Muttenz: Teilzeitrentner Christian Zweili (Mitte) freut sich mit dem Geschäftsführer Erwin Plattner (r.) und Personalchef<br />

Camille Stebler über seine Altersteilzeit.<br />

Franz Cahannes, Co-<br />

Sektorleiter Gewerbe<br />

der Unia.<br />

kommen dann Probleme, wenn sie zwischen<br />

den Baubranchen wechseln. <strong>Die</strong><br />

Branchen müssen sich entscheiden, ob<br />

sie Lösungen wollen, und wenn ja, ob sie<br />

eher ein flexibles Modell à la VRM wollen<br />

oder ein Modell mit einem fixen Altersrücktritt.<br />

Das VRM ist eine verhandelbare<br />

Grundlage. Vorauszugehen hat aber ein<br />

Grundsatzentscheid in SachenAltersrücktritt<br />

seitens der Branchenverbände. Und<br />

da sind noch einige Stolpersteine aus dem<br />

Weg zu räumen.<br />

ben erfahrene Mitarbeiter vielleicht<br />

auch gerne ein paar Jahre länger.<br />

Als Unternehmer haben Sie stets beide<br />

Hände voll zu tun und kümmern sich<br />

um Alles selbst. Lassen Sie sich in der<br />

beruflichen Vorsorge unter die Arme<br />

greifen.<strong>Die</strong> AXA WInterthur bietet einfache<br />

und umfassende Vorsorgeelemente,<br />

auf die Sie Ihre Zukunft bauen.<br />

Weitere Informationen auf:<br />

www.AXA.ch<br />

n und haben davon die letzten sieben<br />

Jahre vor dem Leistungsbezug ununterbrochen<br />

in einem Betrieb des Dachund<br />

Wandgewerbes gearbeitet.<br />

Fallbeispiel<br />

Max Muster wird am 17. Mai 2012 61<br />

Jahre alt. Seit 30 Jahren ist er in der<br />

Branche tätig. Er verdient CHF 6000 im<br />

Monat. Seit 18 Jahren arbeitet er <strong>für</strong><br />

die Gebäudehüllen AG. Gerne möchte<br />

er von den Leistungen des VRM profitieren.<br />

Er vereinbart mit seinem Arbeitgeber,<br />

dass er ab dem 1. Juni 2012<br />

sein Arbeitspensum um 40% auf noch<br />

60 % reduziert. Somit ergibt sich <strong>für</strong><br />

Max Muster per 1. Juni 2012 folgende<br />

Einkommenssituation:<br />

Betriebe der Gebäudehüllenbranche<br />

das VRM kennen, verlieren Angestellte,<br />

die die Branche wechseln, auch ihre<br />

Ansprüche. «Daher wäre es toll, wenn<br />

das VRM auch in anderen Sparten des<br />

Baunebengewerbes angenommen würde»,<br />

sagt Jürg Lehmann. Ihm ist bekannt,<br />

dass weitere Branchenverbände<br />

vereint mit den Gewerkschaften Unia<br />

und Syna ebensolche Überlegungen<br />

machen. «Für uns Arbeitgeber ist das<br />

VRM natürlich auch eine zusätzliche<br />

finanzielle Belastung», räumt Geschäftsführer<br />

Erwin Plattner ein. «Damit<br />

Zusatzleistung Sparbeitrag BVG<br />

n Der Bezüger einer Überbrückungsrente<br />

hat ab dem 1. Januar 2012<br />

zusätzlich Anspruch auf Beiträge an<br />

die berufliche Vorsorge in Höhe von<br />

16,6 % der gewährten Überbrückungsrente.<br />

n <strong>Die</strong> Beiträge an die berufliche Vorsorge<br />

kompensieren den Verlust von<br />

BVG-Vorsorgeleistungen aufgrund der<br />

Reduktion des Arbeitspensums vor der<br />

ordentlichen Pensionierung.<br />

n Bei Reduktion des Arbeitspensums<br />

verbleibt der Mitarbeitende mit reduziertem<br />

Lohn in der Pensionskasse<br />

seines Arbeitgebers.<br />

n Bei vorzeitiger Pensionierung wird die<br />

berufliche Vorsorge des Mitarbeitenden<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

Vorruhestandsmodell im <strong>Schweizerische</strong>n Dach- und Wandgewerbe<br />

kommen wir nun auf 22 Prozent Sozialabgaben<br />

pro Arbeitnehmer», rechnet<br />

der Geschäftsleiter kritisch vor. Für ihn<br />

als Arbeitgeber ist das eine Finanzbelastung,<br />

die beim herrschenden Preisdruck<br />

im Markt kaum mehr zu stemmen<br />

ist. Handkehrum ist auch die Firma<br />

Marx AG vom Problem Nummer<br />

eins der <strong>KMU</strong> betroffen: Fachkräftemangel.<br />

<strong>Die</strong> demografische Entwicklung<br />

auf der einen Seite und der technologische<br />

Fortschritt auf der anderen<br />

fordern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern<br />

die ständige Bereitschaft zur<br />

Weiterbildung. «Es kommen immer<br />

neue Materialien und neue Produkte<br />

auf den Markt, und zusätzlich verschärfen<br />

sich ständig die Sicherheitsanforderungen<br />

– da muss man immer auf<br />

dem neusten Stand bleiben, sonst ist<br />

man ganz schnell draussen», erklärt<br />

Erwin Plattner.<br />

Qualifizierte Mitarbeitende<br />

sind wertvoll<br />

In die notwendigen Weiterbildungen<br />

investieren <strong>KMU</strong> wie die Marx AG viel<br />

Geld. «Es sind nicht nur die Kosten <strong>für</strong><br />

die Teilnahme an mehrtägigen Schulungen,<br />

sondern auch der Lohn, den<br />

ich den Arbeitern weiterzahle, und der<br />

Produktionsausfall, den der Betrieb zu<br />

tragen hat», rechnet Camille Stebler,<br />

Finanz- und Personalchef der Marx AG,<br />

vor. Da ist es naheliegend, dass Firmen<br />

ihre qualifizierten Mitarbeitenden möglichst<br />

lange halten wollen. Dazu kann<br />

das VRM einen Beitrag leisten: Mit einer<br />

Altersteilzeit ist dem Arbeitnehmer<br />

gedient, der mit 60 vielleicht nicht<br />

mehr 100 Prozent arbeiten will oder<br />

kann, gleichzeitig aber nicht auf sein<br />

erreichtes Lohnniveau verzichten will.<br />

Auch dem Arbeitgeber ist gedient,<br />

wenn der erfahrene Mitarbeiter dem<br />

Betrieb bis zum Erreichen des Rentenalters<br />

als motivierte Arbeitskraft erhalten<br />

bleibt.<br />

Sandra Willmeroth<br />

bis zur ordentlichen Pensionierung an<br />

die Stiftung Auffangeinrichtung BVG<br />

übertragen, welche künftige BVG-Vorsorgeleistungen<br />

ausrichten wird.<br />

n <strong>Die</strong> Details regelt die Stiftung VRM<br />

Dach und Wand mit dem Arbeitgeber<br />

und der Pensionskasse des Arbeitgebers<br />

beziehungsweise der Stiftung<br />

Auffangeinrichtung BVG.<br />

n Bei vorzeitiger Pensionierung wird<br />

dem Mitarbeitenden empfohlen,<br />

zwecks Erhalt der AHV-Altersleistungen<br />

selbst <strong>für</strong> die Mindestbeiträge besorgt<br />

zu sein.<br />

n Für die definitiven Leistungen und<br />

deren Voraussetzungen ist ausschliesslich<br />

das Reglement VRM<br />

massgebend.<br />

Berechnungsbeispiel:<br />

Bruttomonatslohn: CHF 6000<br />

Bruttomonatslohn inklusive Anteil 13. Monatslohn CHF 6500<br />

Nettolohn (Annahme Abzug 18 % des Bruttolohnes)<br />

Arbeitszeitreduktion (Beschäftigungsgrad 60 %) 40 % Nettomonatslohn nach der Arbeitszeitreduktion,<br />

CHF 4920<br />

ausbezahlt durch die Gebäudehüllen AG CHF 2952<br />

Überbrückungsrente VRM, ausbezahlt durch die Durchführungsstelle VRM CHF 1820<br />

Monatliches Einkommen ab 1. Juni 2012 CHF 4772<br />

Jährlicher BVG-Sparbeitrag CHF 3625


<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong> – 11.<br />

Mai 2012<br />

<strong>KMU</strong>-WELT 13<br />

SOLARIEN– Immer öfter und lauter werden Sonnenstudios als gesundheitsschädigend angeprangert. Obwohl sich die Nischenbranche<br />

selbst Qualitätsanforderungen auferlegt hat, wollen Präventionspolitiker neue Einschränkungen und Verbote.<br />

Eine ganze Branche unter Beschuss<br />

VERBAND PHOTOMED<br />

Seit 25 Jahren aktiv<br />

Photomed ist der Fachverband der Solarienbranche in<br />

der Schweiz. Er wurde 1987 gegründet und zählt heute<br />

81 Mitglieder. Nebst unabhängigen Sonnenstudios gehören<br />

dazu auch sogenannte Kleinbetriebe (bis 2 Solariumgeräte)<br />

wie Gesundheits-, Wellness- und Fitnesszentren,<br />

Hotels, Hallenbäder, Saunen oder Kosmetiksalons<br />

sowie Händler und Importeure im Bereich Solarien und<br />

Zubehör.<br />

Ziele des Verbands sind unter anderem die fachliche<br />

Aufklärung der Öffentlichkeit über Nutzen und<br />

Risiken der Besonnung; Steigerung der fachlichen<br />

Qualifikation durch Schulungen sowie die Förderung<br />

der Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Anwendern,<br />

Benutzern und Herstellern von Besonnungs- und<br />

Bestrahlungsgeräten.<br />

Photomed unterhält eine Zusammenarbeit mit dem<br />

deutschen Bundesfachverband <strong>für</strong> Besonnung und ist<br />

Miglied des europäischen Verbandes ESA (European<br />

Sunlight Association).<br />

LINK<br />

www.photomed.ch<br />

Wer ein Solarium besucht, setzt<br />

sich einem Gesundheitsrisiko aus;<br />

Hautkrebs und vorzeitige Hautalterung<br />

seien die Folgen. So lautete<br />

der Tenor mehrerer Studien, die<br />

sei 2000 in den Medien gross von<br />

sich reden machten. Entsprechend<br />

wurden Solarien bezüglich Krebsgefährdung<br />

in «Klasse 1» kategorisiert.<br />

Was verschwiegen wird: in dieselbe<br />

«Klasse 1» gehört nebst Arsen, Tabak,<br />

Rotwein und Bier auch das natürliche<br />

Sonnenlicht. Das heisst im Klartext,<br />

es müsste auch vor Badeanstalten<br />

und Sonnenwiesen gewarnt werden.<br />

Seltsame Studien und Vorstösse<br />

Ihren Beginn nahm die grosse Anti-<br />

Solarien-Kampagne mit einer WHO-<br />

Untersuchung über Hautkrebs, die<br />

gezielt prominent veröffentlicht<br />

wurde. Doch nur fünf von 23 behandelten<br />

Studien lieferten statistisch<br />

relevante Ergebnisse und bezogen<br />

sich zudem auf Menschen des hel-<br />

len Hauttyps 1, denen seit je von<br />

Solariumbesuchen abgeraten wird.<br />

Fakten, die man der Öffentlichkeit<br />

nicht kommunizierte. «Unsere Kunden<br />

wurden durch diese Berichte<br />

massiv verunsichert», betont Heinz<br />

Wolf von Photomed, dem schweizerischen<br />

Verband der Solarienbranche.<br />

<strong>Die</strong> Verbots-Geschichte wurde 2005<br />

von der Politik lanciert. Im EU-Parlament<br />

reichten ein griechischer<br />

und ein spanischer Abgeordneter<br />

erfolgreich den Antrag ein, die Solarienbranche<br />

punkto Strahlen-Output<br />

zu regulieren. «In Griechenland gibt<br />

es kein einziges Solarium, in Spanien<br />

nur einige wenige in Grossstädten»,<br />

hält Wolf kopfschüttelnd fest. Den<br />

beiden Politikern sei es einzig darum<br />

gegangen, sonnenhungrige Touristen<br />

in ihr Land zu holen. «So banal kann<br />

es manchmal sein.» In der Folge kam<br />

die EU-Gesetzgebungsmaschinerie<br />

GESUNDHEIT – Weil unsere Winter lang sind, bietet sich das Solarium<br />

als eigentliche Vitamin-D-Tankstelle an.<br />

Ohne Sonnenlicht geht nichts<br />

Sonne ist notwendig <strong>für</strong> Leben<br />

und Gesundheit – daran zweifelt<br />

eigentlich niemand. Doch in den<br />

letzten Jahren geriet die direkte<br />

Sonneneinstrahlung auf Menschen<br />

zunehmend in Verruf (vgl. Hauptartikel).<br />

Vor lauter Warnungen vor<br />

der «bösen» Sonne gingen dabei die<br />

heilenden Kräfte der «guten» Sonne<br />

beinahe vergessen. Wie bei so vielen<br />

helfenden oder heilenden Mitteln<br />

gilt aber auch hier der altbekannte<br />

Grundsatz: Vernunft regiert,<br />

es kommt auf die richtige Anwendung<br />

und vor allem auf die richtige<br />

Dosierung an.<br />

Glückshormone in Bewegung<br />

Sonnenlicht trägt entscheidend zu<br />

unserem Wohlbefinden bei. Das<br />

merkt man spätestens dann, wenn<br />

alljährlich in den «dunklen» Monaten<br />

der Winter-Blues aufkommt.<br />

Guckt die Frühlingssonne wieder<br />

hervor, melden sich die positiven<br />

Gefühle zurück. <strong>Die</strong>se verdanken<br />

wir dem «Sonnenscheinvitamin»<br />

<strong>Die</strong> Schweizer Solarien stehen unter Dauerdruck. Ob die Argumente der Präventionsbürokraten und profilsüchtigen<br />

Politikerinnen stimmen, ist dabei Nebensache.<br />

D, das die Endorphine (Glückshormone)<br />

in Bewegung setzt. Mithilfe<br />

der UVB-Strahlung stellt unsere Haut<br />

Vitamin D her, das einzige Vitamin<br />

übrigens, das der Körper selber produzieren<br />

kann.<br />

Seit gut hundert Jahren weiss die<br />

Medizin, dass Vitamin D unabdingbar<br />

ist <strong>für</strong> starke Knochen, also ein<br />

probates Mittel gegen die früher<br />

weit verbreitete Rachitis. Ansonsten<br />

schrieb man dem Sonnenscheinvitamin<br />

aber keine besonderen heilenden<br />

Eigenschaften zu. Zu Unrecht, wie<br />

neuste Studien und Untersuchungen<br />

beweisen: Vitamin D hilft nicht<br />

nur vorbeugend gegen Osteoporose,<br />

sondern mobilisiert das Immunsystem<br />

gegen Infektionen, schützt<br />

vor Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen und Diabetes sowie<br />

vor gewissen Krebsarten. Positive<br />

Ergebnisse mit Vitamin D wurden<br />

zudem bei Asthma, in der Leber-<br />

Forschung, bei Multiple Sklerose<br />

und auf vielen anderen Gebieten<br />

verzeichnet.<br />

ins Rollen. Heute dürfen im EU-Raum<br />

und auch in der Schweiz gemäss Europäischer<br />

Norm (Hausgeräteverordnung)<br />

nur noch neue Solariumgeräte<br />

in Betrieb genommen werden, die<br />

pro Quadratmeter 0,3 Watt abgeben,<br />

anstelle der früheren 0,6 Watt.<br />

Frau Teuschers Täuschung<br />

Was die Schweiz bislang aber noch<br />

nicht kennt, sind erweiterte Rahmenbedingungen,<br />

wie sie beispielsweise<br />

in Deutschland gelten. Doch die helvetischen<br />

Präventionspolitiker stehen<br />

in den Startlöchern. So reichte<br />

die grüne Berner Nationalrätin Franziska<br />

Teuscher 2009 eine Motion<br />

ein, in der sie vom Bundesrat ein<br />

Solarium-Gesetz und ein Solarium-<br />

Verbot <strong>für</strong> Minderjährige verlangte.<br />

Heinz Wolf: «Unsere Bundesbehörden<br />

und gewisse Politiker blicken in<br />

vorauseilendem Gehorsam immer<br />

Weil Vitamin D mit der Nahrung nur<br />

in geringen Mengen aufgenommen<br />

wird, ist eine dosierte Sonnenbestrahlung<br />

<strong>für</strong> den Körper umso wichtiger.<br />

Und hier liegt die Krux: Nicht zuletzt<br />

wegen der teils undifferenzierten<br />

Warnungen leidet heute mehr<br />

als die Hälfte aller Europäer an Vitamin-D-Mangel,<br />

weltweit sind es über<br />

eine Milliarde Menschen. In der Folge<br />

verursachen Vitamin-D-Mangelkrankheiten<br />

jährlich Gesundheitskosten<br />

in Milliardenhöhe.<br />

Kinder brauchen Sonne<br />

Besonders gravierend ist der Mangel<br />

bei – ohnehin sturzgefährdeten<br />

und krankheitsanfälligen – Senioren<br />

und neuerdings auch bei Kindern, die<br />

sich zu selten oder zu gut geschützt<br />

im Freien aufhalten. Bei Letzteren<br />

sind die Folgen mittlerweile so, dass<br />

der deutsche Berufsverband der Kinder-<br />

und Jugendärzte kürzlich an die<br />

Öffentlichkeit und die Eltern appelliert<br />

hat, Kinder «massvoll» an die<br />

Sonne zu schicken. mg<br />

mit einem Auge auf die EU. Aber<br />

man muss doch schauen, ob etwas<br />

<strong>für</strong> die Schweiz auch Sinn macht»,<br />

ärgert sich der Fachmann. So beschränke<br />

sich die Schweizer Branche<br />

auf eine UVB-Bestrahlung pro Röhre<br />

von 0,9 Prozent, während diese in<br />

Deutschland früher bei 1,4 bis 2,5<br />

Prozent lag. In Deutschland besuchen<br />

rund 19 Prozent der Gesamtbevölkerung<br />

gelegentlich ein Solarium,<br />

in der Schweiz nur 10 Prozent.<br />

Regelmässige Solariennutzer bei uns<br />

machten noch 5 Prozent aus, das<br />

heisst sie legen sich im Schnitt 1,5<br />

Mal pro Monat <strong>für</strong> 11,5 Minuten auf<br />

eine Sonnenbank.<br />

Widersprüchliche Studien<br />

Eine im Winter 2010/2011 von Photomed<br />

durchgeführte Kundenbefragung<br />

kommt zum Schluss, dass Solarium-<br />

Kunden hierzulande verantwortungsbewusst<br />

sind. <strong>Die</strong> beiden Hauptkritikpunkte,<br />

dass Solarium-Besucher<br />

immer jünger werden und Solarien<br />

Sonnenbrände verursachen würden,<br />

konnten klar wiederlegt werden.<br />

Lediglich 1,3 Prozent der Benutzer<br />

sind unter 18 Jahre alt. Der freiwillige<br />

Hinweis «Zutritt ab 18 Jahren», den<br />

die Photomed-Studios beim Eingang<br />

anbringen, wird also befolgt.<br />

Während sich im Solarium 17 Prozent<br />

einmal einen Sonnenbrand holten,<br />

hatten 63 Prozent der Befragten<br />

schon einen Sonnenbrand im Freien<br />

– 53 Prozent davon mehrmals.<br />

Bei einer fast zur gleichen Zeit im<br />

Auftrag des emsigen Bundesamtes<br />

<strong>für</strong> Gesundheit (BAG) durchgeführten<br />

Studie sieht das Resultat ganz<br />

anders aus. Sie nennt <strong>für</strong> junge Solariumbesucher<br />

Zahlen zwischen 24<br />

Prozent (wöchentlich) und 49 Prozent<br />

(einmal pro Monat). Nur: in dieser<br />

Studiengruppe wurden unverständlicherweise<br />

«Jugendliche» von<br />

16–25 Jahren zusammengefasst!<br />

Bestätigt wird von der BAG-Studie<br />

die Anzahl Sonnenbrände, es werden<br />

jedoch keine Vergleichszahlen zu<br />

Sonnenbränden im Freien genannt.<br />

Aus durch Präventionsgesetz?<br />

<strong>Die</strong> von viel Publicity begleitete<br />

Motion der Jugendretterin Teuscher<br />

wurde damals vom Bundesrat in<br />

dieser Form zwar abgelehnt. Doch<br />

Photomed be<strong>für</strong>chtet, dass analoge<br />

Postulate in anderen Gesetzen (z.B.<br />

Strahlenschutz) aufgenommen werden;<br />

zudem könnte das umstrittene<br />

Präventionsgesetz eine Grundlage<br />

<strong>für</strong> weitere Einschränkungen bieten.<br />

«Sollte ein explizites Verbot <strong>für</strong><br />

Minderjährige kommen, bedeutet<br />

das das Aus <strong>für</strong> die Sonnenstudios»,<br />

erklärt Heinz Wolf. Denn die grosse<br />

Mehrheit der Studios in der Schweiz<br />

sind Selbstbedienungsbetriebe, und<br />

trotz der äusserst kleinen Anzahl<br />

Besucher in dieser Alterskategorie,<br />

müssten Kontrollen eingeführt werden.<br />

«Solche Personalkosten kann<br />

sich kein Studio leisten, geschweige<br />

denn die möglichen Bussen.» Für<br />

Photomed ist es deshalb sehr wichtig,<br />

den 2011 vom Verband aufgestellten<br />

Qualitätsanspruch auch durchzusetzen;<br />

ab 2013 will man eigene Kontrollen<br />

durchführen. «Denn», so Wolf,<br />

«wir müssen der Kritik begegnen und<br />

alles unternehmen, damit wir nicht<br />

verwundbar sind.» Photomed will<br />

auch noch versuchen, die bisherigen<br />

«freien» Studios, die öfters die Regeln<br />

verletzten, <strong>für</strong> einen Verbandsbeitritt<br />

zu gewinnen.<br />

Es trifft halt die Kleinen...<br />

Ein Fakt bleibt so oder so: Von den<br />

insgesamt 14800 Solariumgeräten<br />

in der Schweiz werden nur 4800<br />

kommerziell eingesetzt – die restlichen<br />

10 000 (67,5 Prozent ) stehen<br />

bei Privaten, wo keine Regulierungen<br />

gelten. «Es ist widersinnig, eine<br />

Branche zu attackieren, die ihre Bestmögliches<br />

tut, während die Privaten<br />

machen können, was sie wollen»,<br />

fasst Heinz Wolf zusammen. «Aber es<br />

ist einfach, auf einen kleinen Marktteilnehmer<br />

einzudreschen, der sich<br />

nicht gross wehren kann.»<br />

Marianne Grossenbacher<br />

Heinz Wolf (56) ist Vizepräsident von Photomed. Als Geschäftsführer leitet er<br />

die at the beach AG, ein Solarienunternehmen, das 18 Zentren (hauptsächlich<br />

im Kanton Zürich) betreibt.


14<br />

IT FÜR <strong>KMU</strong><br />

MESSE TOPSOFT – <strong>Die</strong> topsoft in Zürich vermittelte Anregungen <strong>für</strong> einen optimalen IT-Einsatz im Unternehmen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

Business Software:<strong>Die</strong> Trends 2012<br />

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Unter dem diesjährigen Leitmotiv<br />

«Ideen, Impulse und Innovationen»<br />

wurden an der topsoft in der Messe<br />

Zürich IT-Lösungen, Services sowie<br />

Infrastruktur präsentiert, die sich eng<br />

am Bedarf von <strong>KMU</strong> orientieren. Folgende<br />

Trends waren an der diesjährigen<br />

<strong>Ausgabe</strong> tonangebend:<br />

«Software as a Service»<br />

Beim SaaS-Modell werden sowohl<br />

Software als auch die gesamte IT-Infrastruktur<br />

von einem externen<br />

<strong>Die</strong>nstleister betrieben und dem Kunden<br />

als Service zur Verfügung gestellt.<br />

Als Teilbereich des Cloud-Computings<br />

gewinnt SaaS, zunehmend an Bedeutung,<br />

vor allem seit die Daten wie bei<br />

Swisscom IT Services und weiteren<br />

Anbietern in der Schweiz bleiben.<br />

Cloud-Integratoren<br />

Erwartung meets Realität: <strong>Die</strong> ersten<br />

Erfahrungen mit Cloud-Computing<br />

sind gemacht. Während viele <strong>KMU</strong><br />

seit Jahren private Cloud-Konzepte<br />

<strong>für</strong> ihr Unternehmen betreiben, bestehen<br />

gegenüber der sogenannten<br />

Public Cloud jedoch noch Vorbehalte.<br />

An der topsoft wurden unter anderem<br />

von myfactory und Comarch-<br />

Cloud-Integrationen vorgestellt sowie<br />

anlässlich des Praxis-Forums «Business<br />

Software as a Service».<br />

Business Intelligence<br />

Im Rahmen der Kostenoptimierung<br />

bzw. des Kostendrucks suchen viele<br />

<strong>KMU</strong> den Schlüssel zum Erfolg in Business<br />

Intelligence (BI). Als unternehmensweites<br />

Konzept erlaubt BI die<br />

Analyse und das automatisierte Reporting<br />

von in der Firma gespeicherten<br />

Daten. <strong>Die</strong> auf diese Weise gewonnenen<br />

Erkenntnisse lassen sich <strong>für</strong> Managemententscheidungen<br />

nutzen. Es<br />

ist selbstredend, dass dieses Wissen<br />

mit der Qualität der aufbereiteten Daten<br />

steht und fällt. Einblicke in BI boten<br />

an der topsoft Heyde, Comarch<br />

sowie das Praxis-Forum «BI <strong>für</strong> <strong>KMU</strong>».<br />

Business-getriebene Projekte<br />

nehmen zu<br />

Bei IT-Lösungen wird die betriebswirtschaftlich-organisatorische<br />

Sicht<br />

zunehmend von der darunterliegenden<br />

technischen Komplexität entkoppelt,<br />

der entsprechende Ansatz<br />

ist somit Business-getrieben und<br />

nicht IT-forciert.<br />

Geballte Kompetenz präsentierte sich den Besuchern der topsoft in Zürich.<br />

Im Rahmen von IT-Konkret Fallstudien<br />

und der Messe ONE wurden an<br />

der topsoft Business-getriebene Projekte<br />

erläutert.<br />

Vermehrt Prozessberatung auch<br />

in <strong>KMU</strong>-Projekten<br />

<strong>Die</strong> Prozessberatung, das sogenannte<br />

Business Process Redesign (BPR),<br />

hat die Optimierung von Geschäftsprozessen<br />

zum Ziel in Form von Qualitätsverbesserungen<br />

und Prozessvereinfachungen.<br />

<strong>Die</strong> IT-Messe topsoft bot den zahlreichen<br />

Besuchern am 9. und 10. Mai<br />

in Zürich dazu Beratungsdienstleistungen<br />

sowie Unterstützung bei Evaluationen<br />

und Projektbegleitungen.<br />

Am 9. und 10.<br />

Mai drehte sich<br />

an der topsoft in<br />

der Messe Zürich<br />

alles um Business-Software<br />

und um Web-<br />

Business.<br />

BILDER: TOPSOFT<br />

Branchen im Fokus<br />

Da <strong>KMU</strong> nach einem Anbieter von<br />

IT-Lösungen mit Branchenerfahrung<br />

und Business-Expertise verlangen,<br />

richten sich viele Anbieter je länger,<br />

desto mehr vertikal auf die jeweiligen<br />

Bedürfnisse aus.<br />

An der topsoft veranschaulichten dies<br />

diverse spezialisierte IT-Unternehmen<br />

sowie als Praxiswissen <strong>für</strong> Anwender<br />

im Rahmen von IT-Konkret.<br />

Weitere generelle Trends, die sich an<br />

der topsoft in Zürich identifizieren<br />

liessen, betreffen die Effizienzsteigerung,<br />

die Agilität der Software auf<br />

Business-Veränderungen, aber auch<br />

die Tatsache, dass IT-Verantwortliche<br />

zunehmend als «Businesspartner» gefordert<br />

werden. stö<br />

LINK<br />

www.topsoft.ch<br />

TOPSOFT<br />

Software <strong>für</strong> <strong>KMU</strong><br />

im Mittelpunkt<br />

<strong>Die</strong> 12. Auflage der topsoft überzeugte<br />

diese Woche in der Messe<br />

Zürich mit zahlreichen Events und der<br />

ersten Austragung des Swiss E-Commerce<br />

Award (Gewinner bei Redaktionsschluss<br />

dieser <strong>Ausgabe</strong> noch<br />

nicht bekannt). Das Themenspektrum<br />

der über 120 Aussteller reichte von<br />

ERP- und CRM-Systemen über Dokumentenverwaltung<br />

bis hin zu Individualentwicklungen.<br />

Livecontest: Systeme<br />

im direkten Vergleich<br />

Zum ersten Mal konnten die Besucher<br />

im Rahmen von Livecontests mehrere<br />

Systeme direkt miteinander vergleichen.<br />

Anhand von vorgegebenen<br />

Szenarien sowie unvorbereiteten<br />

Beispielen stellten sich verschiedene<br />

ERP- und CRM-Anbieter der direkten<br />

Konkurrenz. Praxis-Foren <strong>für</strong> <strong>KMU</strong> zu<br />

den Themen Business-Intelligence und<br />

Cloud-Computing machten die topsoft<br />

unter dem Leitmotiv «Ideen, Impulse<br />

und Innovationen» erneut zu einem<br />

schweizweit einmaligen Anlass.<br />

Premiere: Messe ONE<br />

Parallel zur topsoft feierte die Messe<br />

ONE in Zürich Premiere. Mit der ONE<br />

verfügt die Schweiz endlich wieder<br />

über eine repräsentative Leistungsschau<br />

über alle Disziplinen des Online<br />

Business hinweg. Im Rahmen der<br />

grössten Internetkonferenz der<br />

Schweiz referierten Experten zu<br />

Themen wie Social Media, E-Commerce,<br />

Cloud-Computing, Suchmaschinenoptimierung<br />

oder Business mit<br />

mobilen Anwendungen u.v.a.m. stö


<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong> – 11.<br />

Mai 2012<br />

IT FÜR <strong>KMU</strong> 15<br />

BEAT BUSSMANN – Der CEO der Krienser Opacc Software AG nimmt Stellung zu Trends, aber auch zu Stolpersteinen rund um<br />

Business-Software und erklärt, was er unter <strong>KMU</strong>-freundlich versteht.<br />

«Viele Prozesse auf kleinem Raum»<br />

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<strong>Gewerbezeitung</strong>: Herr Bussmann,<br />

wie sieht eine moderne ERP-Lösung<br />

mit integriertem CRM aus?<br />

n Beat Bussmann: <strong>Die</strong> ersten CRM-<br />

Benutzer waren mit wenigen Informationen<br />

und Funktionen zufrieden<br />

und erfolgreich. Inzwischen hat aber<br />

eine grosse Inflation an benötigter<br />

Funktionalität eingesetzt. <strong>Die</strong>se hat<br />

dazu geführt, dass ein Vielfaches an<br />

Daten benötigt und gesammelt wird.<br />

Viele dieser Daten sind in den ERP-<br />

Systemen vorhanden. Somit wurde<br />

auch der Druck zur Integration <strong>für</strong> bestehende<br />

«Offline CRM» immer grösser.<br />

Und diese Integration ist mit zahlreichen<br />

Stolpersteinen verbunden.<br />

«VIELE GLAUBEN IMMER<br />

WIEDER, DASS <strong>KMU</strong><br />

AUCH KLEINE UND MITT-<br />

LERE ANFORDERUNGEN<br />

HABEN.»<br />

Wie räumen Sie bei Opacc diese<br />

Stolpersteine aus dem Weg?<br />

n Mit der Software-Familie Opacc-<br />

One haben wir einen radikalen Weg<br />

gewählt: Statt Dritt-CRM-Systeme<br />

über Schnittstellen anzubinden, haben<br />

wir selber ein CRM realisiert.<br />

<strong>Die</strong>ses verwendet von Anfang an die<br />

«Benutzer lassen sich heute praktisch<br />

weltweit an ein System in der<br />

Schweiz anschliessen»: Beat Bussmann,<br />

CEO Opacc Software AG.<br />

BILD: OPACC<br />

Daten und Funktionen des ERP<br />

(OpaccOne BackOffice) mit. Somit<br />

stehen dem CRM-Benutzer alle verfügbaren<br />

Kundeninformationen aktuell<br />

und sicher zur Verfügung.<br />

Was sollte dabei eine <strong>KMU</strong>-freundliche<br />

Lösung auszeichnen?<br />

n Viele verfallen immer wieder der<br />

Meinung, dass <strong>KMU</strong> auch kleine und<br />

mittlere Anforderungen haben. Dem<br />

ist nicht so. Ganz im Gegenteil. Hier<br />

findet sich oft auf kleinem Raum ei-<br />

ne Vielzahl von Prozessen und Daten.<br />

Eine <strong>KMU</strong>-freundliche Lösung<br />

muss diese abbilden können. Und<br />

zwar so, dass die realisierte Lösung<br />

flexibel bleibt und den Anschluss an<br />

neue Versionen nicht verpasst. Ein<br />

<strong>KMU</strong> kommt ja nicht wirklich vorwärts,<br />

wenn es alle fünf Jahre die<br />

Software wechseln muss!<br />

Auch <strong>KMU</strong> expandieren immer<br />

mehr ins Ausland. Folgt ihnen<br />

dabei die Business-Software?<br />

n Dank der explosionsartig gestiegenen<br />

Bandbreiten in der elektronischen<br />

Kommunikation ist dies heute<br />

deutlich einfacher geworden als noch<br />

vor zehn Jahren. Benutzer lassen sich<br />

heute praktisch weltweit an ein System<br />

in der Schweiz anschliessen.<br />

Und welches sind die besonderen<br />

Anforderungen beim Schritt ins<br />

Ausland?<br />

n Der Haken dabei ist natürlich,<br />

dass die Schweizer Lösung dann<br />

auch die zusätzlichen Anforderungen,<br />

welche durch die Internationalisierung<br />

entstehen, erfüllen muss.<br />

OpaccOne beispielsweise erfüllt diese<br />

Anforderungen im Standard. Zusätzlich<br />

stehen umfangreiche Möglichkeiten<br />

zur Verfügung, um selbst<br />

bei rechtlich selbständigen Unternehmen<br />

Daten und Prozesse unter-<br />

nehmensweit zu vereinheitlichen<br />

und zu automatisieren.<br />

E-Commerce wird <strong>für</strong> immer mehr<br />

<strong>KMU</strong> zum Thema. Was soll eine<br />

E-Commerce-Lösung leisten?<br />

n Es geht ja darum, Kunden elektronisch<br />

zu integrieren. <strong>Die</strong> häufigste<br />

Integration sind WebShops. Hier<br />

macht es einen grossen Unterschied,<br />

ob es um die Integration eines Unternehmens<br />

(Business to Business)<br />

oder einer Privatperson (Business to<br />

Consumer) geht:<br />

«WIR ARBEITEN BEI DEN<br />

WEBBASIERTEN ANWEN-<br />

DUNGEN SEIT JAHREN<br />

MIT ROLLENBEZOGENEN<br />

KONZEPTEN.»<br />

n Im Business-to-Business-Bereich<br />

wollen unsere Kunden in ihren Web-<br />

Shops möglichst 1:1 Informationen<br />

bieten (konditionierte Preise, letzte<br />

Bestellungen, eigene Favoriten, Unterstützung<br />

der Kunden-Barcode-Systeme,<br />

Kreditverkäufe etc.).<br />

n Im Business-to-Consumer-Bereich<br />

gehen die aktuellen Anforderungen<br />

klar Richtung Online-Marketing (Suchmaschinen-Optimierung,Online-Kam-<br />

pagnen, dynamische und kontextbezogene<br />

Produktvorschläge etc.).<br />

Beim E-Commerce geht der Trend<br />

in Richtung rollenbezogene Konzepte.<br />

Was ist darunter zu verstehen?<br />

n Meist wird ein Benutzer einer oder<br />

mehreren Rollen zugeteilt. Aufgrund<br />

seiner Rollenzugehörigkeit werden<br />

dann die da<strong>für</strong> vorgesehenen Funktionen<br />

angeboten. Ebenfalls wird die<br />

Datensicht oft der Rolle angepasst.<br />

So sieht beispielsweise ein Mitarbeiter<br />

nur seine Bestellungen, während<br />

sein Chef alle Bestellungen sieht. <strong>Die</strong>se<br />

Konzepte machen sehr viel Sinn.<br />

Wir arbeiten bei den webbasierten<br />

Anwendungen seit Jahren erfolgreich<br />

damit. Interview: stö<br />

LINK<br />

www.opacc.ch<br />

DAS UNTERNEHMEN<br />

Opacc Software AG ist eine Software-<br />

Entwicklerin und IT-Fullservice-Anbieterin<br />

<strong>für</strong> Business-Automation. Das in<br />

Kriens LU domizilierte Unternehmen<br />

bietet umfassende Informatik-Gesamtlösungen<br />

<strong>für</strong> Verkauf, Warenwirtschaft,<br />

Einkauf, Service- und Kundendienst<br />

und Finanzen an.


<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong> – 11.<br />

Mai 2012<br />

INNOVATION 17<br />

INNOVATION – Der traditionell innovative Schweizer Familienbetrieb Kuhn Rikon macht mit neuem Steamer international Furore.<br />

Zaubern? Gern –aber bitte relaxed!<br />

Kuhn Rikon ist quasi ein Synonym<br />

zum Begriff «Swiss Made». SQS-ISO-<br />

9001-zertifiziert seit 25 Jahren, wurde<br />

das Unternehmen schon zweimal<br />

als «stärkste Marke der Schweiz»<br />

ausgezeichnet. Nun macht der Familienbetrieb<br />

mit einer Innovation<br />

Furore. Er will mit einem Power-<br />

Steamer das Kochen im Haushalt<br />

revolutionieren.<br />

Bequem, schonend und energiesparend<br />

soll das Kochen werden. Das<br />

Gerät dazu heisst «Duromatic Relax»,<br />

der erste Powersteamer mit<br />

Touch-Screen-Bedienung <strong>für</strong> den<br />

Haushalt. Und die Bezeichnung «Relax»<br />

ist zugleich Programm: Ganz<br />

relaxed raffinierte Gerichte hinzaubern,<br />

ohne komplizierte Bedienungsanleitung.<br />

Gekocht wird mit<br />

1 bar Druck bei 120 Grad Celsius.<br />

<strong>Die</strong> Dampfgarung garantiert schonendes<br />

Erhitzen der Speisen. Das<br />

Einbaugerät benötigt nur eine<br />

230-Volt-Steckdose und ein Wasseranschluss<br />

ist nicht nötig.<br />

Touch and forget<br />

KUHN RIKON AG<br />

«Fast einzigartig in der Küchenwelt<br />

ist der farbige Touch Screen», erklärt<br />

Rolf Zeindler, Leiter Entwicklung und<br />

Produktion bei Kuhn Rikon. Und das<br />

geht so: Man treffe auf dem Touchscreen<br />

aus einer Menu-Liste seine<br />

Wahl. Das Gerät «quittiert» mit einem<br />

Zeit- und Temperaturvorschlag, der<br />

je nach Gusto abgeändert werden<br />

kann. Man drücke auf «Start» – und<br />

schon läuft alles automatisch. <strong>Die</strong><br />

Bedienung ist also denkbar einfach.<br />

«Touch and forget», simples Handling<br />

in der Küche und erst noch auf hohem<br />

qualitativen Niveau. Überzeugend<br />

auch die Energiebilanz mit Einsparungen<br />

pro Gericht von bis zu 70<br />

Prozent. «Relax» ist zudem auch zum<br />

Sterilisieren geeignet. Das Gerät kosten<br />

5900 Franken.<br />

Mit Hauptsitz und Produktionsstandort in Rikon (ZH)<br />

und Tochtergesellschaften in Grossbritannien, Spanien,<br />

USA und Singapur entwickelt, produziert und vertreibt<br />

Kuhn Rikon AG qualitativ hochwertiges Kochgeschirr<br />

und Zubehör von bester Schweizer Qualität. Kuhn<br />

Rikon-Produkte sind weltweit in über 40 Ländern an<br />

3600 Verkaufspunkten erhältlich. Beschäftigt werden<br />

180 Mitarbeitende. In der Entwicklungsabteilung sind je<br />

vier Ingenieure und Industriedesigner tätig.<br />

ANZEIGE<br />

MARKTPLATZ<br />

PERSONENWAGEN<br />

NUTZFAHRZEUGE<br />

Kochen auf den Punkt gebracht: Der Duromatic Relax des innovativen Familienbetriebs Kuhn Rikon machts möglich.<br />

Eigene Stärke gestärkt<br />

Kochen unter Druck ist seit den 50er-<br />

Jahren das zentrale Thema von Kuhn<br />

Rikon. Rolf Zeindler: «Jetzt bringen<br />

wir ein Cleantech-Gerät in die Haushalte,<br />

das den gängigen drucklosen<br />

Steamern weit überlegen ist.» Der<br />

Weg dahin war neu, spannend und<br />

aufwändig. 2005 begannen erste Versuche.<br />

Danach wurde die ursprüngliche<br />

Idee in Kooperation mit der<br />

Angewandten Forschung weiterentwickelt.<br />

Gemäss CEO Christof Gassner<br />

erwies sich diese Zusammenarbeit<br />

als «notwendig, ratsam und<br />

strategisch klug». Der Grund: «Relax»<br />

verkörpert moderne Mechatronik<br />

die Verbindung von Mechanik, Elektronik<br />

und IT am selben Objekt. Mechatronik<br />

war bis zu diesem Zeitpunkt<br />

aber noch nicht Kernkompetenz<br />

von Kuhn Rikon. Genau deshalb<br />

ergab sich der Bedarf nach einer un-<br />

ZU VERKAUFEN<br />

%gyDp+7z8%kH%wDlO%aZ+0"xrW%K6%4g1.a%Si+15Twk%Ah%"n'.S%Bp+QC4P4Xx%cB%tGrKfDJX%dE%m95Xi-joELD=-a6-kx6DaZ7Xa%uz%OV3g%E7%xOBH=L%W8mHx-Cc3gqn-IJ-ayJqIswHI.NuX%bD%VFUj8f%IZ%HfIFM8iLUQL%dhck7.Cq/%Xn%JlXzAuIEL8E%Sy%j9SN'ZBwUefI%bAu=4.zc=%I'%7CIFM8DjBnLW%E7%xOcHFL%W83qN+vIc+bE+o3%RqDr%Osx7+A=4U+ev=1%qQ%gwA8LT%tV<br />

IT/TELEKOMMUNIKATION<br />

%"0g1+bnI%K6%4gh8%7S%tV'8r-sASdRc-lk-/jkRlOy8l%U3%9nDp%Sy<br />

befangenen Aussensicht durch Wissenschafter.<br />

Und daraus resultierten<br />

laut Zeindler «viele Learnings»: «Hilfreich<br />

war, dass die Basiserfordernisse<br />

aus dem Qualitätsmanagement<br />

mit sehr geringem Aufwand an die<br />

neuen Verhältnisse adaptiert werden<br />

konnten. Man musste etwa nicht lange<br />

überlegen, wie die neue Montage-<br />

Linie aufzubauen ist und wie die<br />

hoch kalibrierte Qualitätssicherung<br />

des neuen Gerätes gewährleistet<br />

wird.»<br />

«Investition in Standort Schweiz»<br />

Entscheidend in jeder Projektphase<br />

war die Rückendeckung aus dem Verwaltungsrat<br />

und aus der Besitzerfamilie,<br />

welche – wie CEO Christof<br />

Gassner unterstreicht – «die langfristigen<br />

Perspektiven aus dieser Innovation<br />

im Fokus hat». Das entspricht<br />

gemäss Gassner der Firmenphiloso-<br />

phie: «Als innovatives Unternehmen<br />

stellen wir systematisch Ressourcen<br />

<strong>für</strong> Entwicklungen zur Verfügung,<br />

bei denen wir den Erfolg nicht von<br />

Anfang an abschätzen können.» In<br />

der Tat: «Relax» ist eines der grössten<br />

Entwicklungsprojekte, das Kuhn Rikon<br />

in den letzten zwanzig Jahren<br />

aufgelegt hat. Das Investment ist beträchtlich,<br />

das Formen des Teams,<br />

die Entwicklungskosten, der Aufbau<br />

der Montage-Linie, die Vorbereitungen<br />

<strong>für</strong> den Markteintritt usw. «<strong>Die</strong>ses<br />

Projekt ist eine Investition in den<br />

Standort Schweiz.»<br />

«<strong>Die</strong> Idee ist der Knochen»<br />

«Entstanden ist das Projekt im ‹Melting<br />

Pot› unseres Innovationsmanagements»,<br />

sagt Entwicklungschef<br />

Zeindler. «Wir haben stets mehr<br />

Ideen, als wir realisieren können.»<br />

Woher die Inputs auch immer kom-<br />

men, entscheidend ist deren sorgfältige<br />

Kanalisierung. Kuhn Rikon hat<br />

keinen Innovationsmanager. Industrie-Design,<br />

Engineering und Produkt-Management<br />

arbeiten gemeinsam<br />

an Innovationen. ID-Leiter und<br />

PM-Leiter sammeln die Ideen und<br />

machen eine Triage. Zeindler: «<strong>Die</strong><br />

Idee ist quasi der Knochen. Erst im<br />

Projekt gibt’s das Fleisch dazu mit<br />

Fragen wie: Können wir das produzieren?<br />

Will der Markt das? Hat die<br />

Idee Potenzial? Dabei beziehen wir<br />

immer den Verkauf und Schlüsselkunden<br />

ein.» Und schon in der Entwicklungsphase<br />

steht bei Kuhn Rikon<br />

nicht nur Innovation, sondern<br />

auch Qualität täglich auf der Agenda,<br />

denn es geht ja um das Anspruchsniveau<br />

der Marke.<br />

Q-Management stärkt Marke<br />

Auch <strong>für</strong> das «Relax»-Projekt gilt:<br />

Qualität beginnt bei Kuhn Rikon<br />

schon ganz am Anfang. Qualität wird<br />

bereits im Industrie-Design definiert.<br />

In der Entwicklung wird gefragt nach<br />

Produktenutzen, Design, Kosten,<br />

Marktchancen usw. Am Schluss wird<br />

geprüft, ob der definierte Qualitätslevel<br />

vorhanden ist. Rolf Zeindler:<br />

«Allfällige Qualitätsprobleme orten<br />

wir laufend anhand der Fehlerquote.<br />

Wir wissen immer Bescheid.» Zuständig<br />

<strong>für</strong> das Qualitätsmanagement<br />

ist der QM-Leiter mit zwei Mitarbeitern<br />

<strong>für</strong> Qualitätssicherung in<br />

der Produktion und im Labor.<br />

«Q-Management betrachten wir als<br />

Plattform, die sicherstellt, dass das<br />

Tagesgeschäft in geordnetem Rahmen<br />

in klaren Prozessen abläuft»,<br />

sagt der Leiter der Produktion. ISO<br />

9001 hat den Vorteil, dass das Ganze<br />

in Prozessen gestaltet, dokumentiert<br />

und überprüft wird. Im Zusammenhang<br />

mit der Innovation «Relax»<br />

wurde der gesamte Entwicklungsprozess<br />

nochmals hinterfragt und,<br />

wo nötig, angepasst. Für Rolf Zeindler<br />

bilden «das Zertifikat wie auch<br />

der Zertifizierungsprozess eine<br />

selbstverständliche Basis <strong>für</strong> das Geschäft.<br />

Der Markt sieht das nicht anders:<br />

Und beim Powersteamer ‹Relax›<br />

ist das genauso.» mtw<br />

LINK<br />

www.kuhnrikon.ch


18<br />

SERVICE<br />

Bei grossen Aufgaben darf man vor lauter Angst das Denken nicht ausschalten und das Ziel aus den Augen verlieren.<br />

ARBEITSPROZESS – Viele Menschen reagieren ängstlich, wenn sie vor neuen Herausforderungen<br />

stehen. Das muss aber wirklich nicht sein, findet Arbeitspsychologin Sabine Prohaska.<br />

Mit Coolness zum Erfolg<br />

In der heutigen Arbeitswelt sind völlig<br />

neue Aufgaben und Herausforderungen<br />

an der Tagesordnung. Es gibt<br />

Veränderungen, weil die Unternehmen<br />

die Arbeitsprozesse neu strukturieren<br />

oder auf andere Technologien<br />

umsteigen wollen bzw. müssen.<br />

Oder es sollen neue Kundengruppen<br />

oder Marktsegmente erschlossen<br />

werden. Entsprechend häufig sehen<br />

sich Mitarbeitende aller Stufen mit<br />

neuen Aufgaben konfrontiert. Ihre<br />

erste Reaktion ist oft Angst oder gar<br />

Panik, denn sie müssen Neuland betreten<br />

und gewohnte Handlungsweisen<br />

aufgeben. «In der Regel sind die<br />

ARBEITSALLTAG<br />

Pausen sind im Sport normal und<br />

notwendig. Nur wer nach dem Training<br />

und Wettkampf ausreichend<br />

und richtig regeneriert, kann sich<br />

erholen, neue Kraft schöpfen und<br />

Höchstleistungen erbringen. Doch im<br />

Arbeitsleben werden Pausen oft als<br />

Schwächen angesehen, kritisiert Ingo<br />

Froböse vom Zentrum <strong>für</strong> Gesundheit<br />

der Deutschen Sporthochschule Köln.<br />

«Erholung gilt als absoluter Luxus,<br />

und <strong>für</strong> Regeneration ist in unserer<br />

Leistungsgesellschaft kein Platz.<br />

Dabei sind Pausen im Arbeitsalltag<br />

genauso wichtig wie im Sport.»<br />

Nur wer ausreichend Pausen macht,<br />

könne Höchstleistungen erzielen. «Regeneration<br />

bedeutet, sich physisch<br />

Be<strong>für</strong>chtungen unbegründet», findet<br />

die erfahrene Unternehmensberaterin<br />

und Arbeitspsychologin Sabine Prohaska.<br />

Neun recht einfache Tipps<br />

<strong>Die</strong> Österreicherin, die zuletzt durch<br />

ihr Buch «Erfolgreich im Training!»von<br />

sich reden machte, gibt neun Tipps,<br />

wie man schwierige Aufgaben entspannter<br />

angeht und höchstwahrscheinlich<br />

auch erfolgreich bewältigt.<br />

n Machen Sie sich bewusst, wie viele<br />

Herausforderungen Sie in Ihrem<br />

Leben schon gemeistert haben. Zum<br />

Beispiel eine Ausbildung, sich im Be-<br />

und psychisch von vorausgegangenen<br />

Belastungen zu erholen», betont der<br />

Wissenschaftler. «Der Organismus<br />

ist nach einem stressigen Arbeitstag<br />

ohne ausreichende Pausen extrem anfällig<br />

<strong>für</strong> Infektionen.» Weitere Folgen<br />

seien unter anderem psychische Überbelastung,<br />

Verspannungen, Aufmerksamkeitsdefizite,<br />

Rückenschmerzen<br />

und Durchblutungsprobleme.<br />

Während Sportler einen Wettkampfkalender<br />

mit klaren Leistungshöhepunkten<br />

haben, muss man in der<br />

Firma jeden Tag maximale Leistung<br />

bringen. «Kein Wunder, dass Probleme<br />

oft erst in den Ferien zum Vorschein<br />

kommen», sagt Froböse. Wichtig sei,<br />

mehrfach am Tag Pausen zu ma­<br />

ruf behauptet, Kinder erzogen, eine<br />

tolle Beziehung geführt, Krankheiten<br />

bewältigt und, und, und... Es gibt<br />

mehr Dinge im Leben, auf die Sie<br />

stolz sein können, als Sie glauben.<br />

n Führen Sie sich vor Augen, wie viele<br />

Dinge Sie in Ihrem Leben schon<br />

gelernt haben. Zum Beispiel laufen,<br />

Autofahren, mit dem PC umgehen,<br />

Freundschaften schliessen und, und,<br />

und...<br />

n Geraten Sie bei neuen Herausforderungen<br />

nicht in Panik. Rufen Sie<br />

sich vielmehr in Erinnerung, was Sie<br />

in Ihrem Leben schon gemeistert und<br />

gelernt haben, obwohl Sie teilweise<br />

Erholung durch Pausen ist nicht nur im Sport wichtig<br />

ANZEIGE<br />

chen – am besten sogar mit ein wenig<br />

Bewegung. Dazu müsse man nicht<br />

zwangsläufig auf den Sportplatz oder<br />

in die Trainingshalle. Auch am Arbeitsplatz<br />

lasse sich mit Gymnastik und<br />

Entspannungsübungen viel erreichen.<br />

Er empfiehlt ausserdem, ausgiebige,<br />

arbeitsfreie Mittagspausen an der frischen<br />

Luft zu geniessen. «Sie beleben<br />

Körper und Geist und aktivieren den<br />

Stoffwechsel. 20 Minuten spazieren<br />

gehen ist Balsam <strong>für</strong> die Leistung.»<br />

Das Wochenende sollte nicht als<br />

Arbeitszeit eingeplant werden, sondern<br />

zur Erholung genutzt werden. Im<br />

Urlaub sollte die Erreichbarkeit auf ein<br />

Minimum oder – wenn möglich – komplett<br />

reduziert werden.<br />

zunächst dachten «Das schaffe ich<br />

nicht». Das steigert Ihre Zuversicht,<br />

dass Sie eventuell auch die neue<br />

Herausforderung meistern können.<br />

Kühle Analyse hilft<br />

n Analysieren Sie, unter welchen Voraussetzungen<br />

Sie die neue Herausforderung<br />

eventuell doch lösen könnten.<br />

Zum Beispiel, wenn Sie mehr<br />

Zeit hätten. Oder wenn Sie einen Unterstützer<br />

hätten. Oder wenn ....<br />

n Scheuen Sie sich nicht, sich und<br />

anderen einzugestehen: «Ich brauche<br />

Unterstützung.» Zum Beispiel in<br />

Form eines Experten, der Ihnen zur<br />

Seite steht und/oder Sie entlastet.<br />

Oder in Form bestimmter Werkzeuge<br />

und Tools, die Ihnen die Arbeit erleichtern.<br />

Oder in Form von Ermutigung<br />

– durch Freunde, Bekannte oder<br />

Kollegen.<br />

n Zergliedern Sie die «Mammut-Aufgabe»<br />

in viele Teilaufgaben, die es zu<br />

erledigen gilt, um das grosse Ziel X<br />

zu erreichen. Erstellen Sie <strong>für</strong> sich<br />

einen Arbeitsplan, bis wann Sie welche<br />

Teilaufgaben alleine oder mit Unterstützung<br />

erledigen.<br />

Ja nicht zu früh aufgeben<br />

n Werfen Sie die Flinte nicht ins Korn,<br />

wenn etwas nicht auf Anhieb klappt.<br />

Denken Sie stets daran: Das Autofahren,<br />

das Arbeiten mit dem PC und<br />

vieles mehr haben Sie auch nicht von<br />

heute auf morgen gelernt.<br />

n Feiern Sie Teilerfolge. Gönnen Sie<br />

sich etwas Gutes oder Schönes, wenn<br />

Sie eine Teilaufgabe erledigt oder ein<br />

Teilziel erreicht haben. Zum Beispiel<br />

ein Candle-Light-Dinner. Oder einen<br />

Besuch im Kino. Oder eine kurze<br />

Auszeit.<br />

n Betrachten Sie das Lernen und Sich-<br />

Verändern als einen Ausdruck von<br />

Leben. Denn wer hierzu nicht bereit<br />

und fähig ist, stagniert, und ist irgendwann,<br />

wenn nicht körperlich,<br />

so doch «mental tot» – und weder ein<br />

attraktiver Mitarbeiter noch Lebenspartner.<br />

Sabine Prohaska<br />

LINK<br />

http:∕∕www.seminarconsult.at<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

GUT ZU WISSEN<br />

«Knigge» <strong>für</strong> Gastgeschenke<br />

Bei Geschäftsreisen ins Ausland packt man<br />

besser immer einige Gastgeschenke ein. Gerade<br />

in Asien und Russland würden Präsente<br />

erwartet, sagt die Imagetrainerin Imme Vogelsang<br />

aus Hamburg. Doch aufgepasst: Auch<br />

diesbezüglich gibt es einen «Knigge», um nicht<br />

in die vielen Fettnäpfchen zu treten. So müssten<br />

Berufstätige die kulturellen Besonderheiten<br />

des jeweiligen Landes beachten, rät die Fachfrau,<br />

die als Sprecherin des Netzwerks Etikette<br />

Trainer International amtet. In Russland sei<br />

zum Beispiel ein guter Whisky gern gesehen,<br />

in Asien Alkohol dagegen als Geschenk unpassend.<br />

«Und in China bloss keine weissen Blumen<br />

schenken, das macht man nur bei Todesfällen.»<br />

In Russland wiederum dürfe man Frauen<br />

keine gelben Blumen schenken, weil sie als<br />

Zeichen der Trennung gelten. In Asien sei zudem<br />

eine aufwendige Verpackung Pflicht, am<br />

besten in Rot, erklärt Vogelsang. «<strong>Die</strong> Vier gilt<br />

dort ausserdem als Unglückszahl.» Eine Viererpackung<br />

Schoggitrüffel wäre also keine gute<br />

Wahl. Gut kämen im Ausland oft bekannte<br />

Schweizer Produkte an, empfiehlt Vogelsang.<br />

Das könnten neben Schokolade etwa Armeemesser,<br />

Uhren oder Markenlederwaren, beispielsweise<br />

Schreibmappen, sein. Ein Geheimtipp:<br />

Asiaten sind in der Regel von einer Pendeluhr<br />

begeistert (sie mögen aber auch Kuckucksuhren!).<br />

Aber auch Kleinigkeiten wie<br />

Zinnlöffel oder Becher mit einem Wappen<br />

drauf eigneten sich. In asiatischen Ländern<br />

müssen Geschäftsreisende sich zudem zurückhalten,<br />

nachdem sie die Geschenke ausgetauscht<br />

haben. Dort ist es ein Zeichen der Gier,<br />

das erhaltene Präsent gleich auszupacken.<br />

Arbeitgeber geschont<br />

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat<br />

ein Grundsatzurteil gefällt, das auch auf die<br />

Schweizer Rechtspraxis Einfluss haben dürfte:<br />

Wer als Bewerber von einem Unternehmen abgelehnt<br />

wird und sich diskriminiert fühlt, hat<br />

keinen Anspruch auf Auskunft über den eingestellten<br />

Mitbewerber. Anders gesagt: Der Arbeitgeber<br />

ist nicht dazu verpflichtet, am Ende einer<br />

Stellenausschreibung mitzuteilen, ob und welchen<br />

Kandidaten er eingestellt hat und welche<br />

Kriterien da<strong>für</strong> entscheidend waren (Rechtssache<br />

C-415/10). Das Gericht bekräftigte einmal<br />

mehr den Grundsatz der Antidiskriminierungsrichtlinie,<br />

wonach kein Bewerber aufgrund seiner<br />

Herkunft, Religion, Geschlecht oder Alter<br />

benachteiligt werden darf.<br />

Geklagt hatte eine Frau aus Deutschland, die<br />

sich bei einer Firma mehrfach erfolglos auf eine<br />

Stelle als Softwareentwicklerin beworben hatte.<br />

Nach der Absage verlangte sie Schadenersatz,<br />

da sie sich aufgrund ihres Geschlechts, ihres Alters<br />

und ihrer ausländischen Herkunft diskriminiert<br />

sah. Ausserdem verlangte sie die Herausgabe<br />

der Bewerbungsunterlagen des eingestellten<br />

Bewerbers – um nachzuweisen, dass sie<br />

selbst besser qualifiziert sei.<br />

Lukrativste Studiengänge<br />

Weil solide Zahlen fehlen, weiss man nicht, mit<br />

welchem Abschluss die Schweizer Studierenden<br />

später das meiste Geld verdienen können. Da<br />

haben es die nördlichen Nachbarn besser: Eine<br />

Studie des Deutschen Instituts <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung<br />

(DIW) zeigt die Top 10 der lukrativsten<br />

Fächer. Am besten schneiden mit 19,33 Euro<br />

Stundenlohn die Zahnmediziner ab, gefolgt<br />

von der Allgemeinmedizin (17,77). Platz 3 belegen<br />

Betriebswirtschaftler (16,58), noch vor<br />

den Juristen (15,86). <strong>Die</strong> restlichen Plätze in<br />

der Hitparade gehen an Wirtschaftsingenieure<br />

(15,00), Volkswirtschaftler (14,57), Wirtschaftsingenieure<br />

FH (14,27), Betriebswirtschaftler FH<br />

(14,14), Informatiker (14,06) und Chemiker<br />

(14,01).


<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong> – 11.<br />

Mai 2012<br />

SERVICE 19<br />

GRÜNER DAUMEN<br />

Kaffeesatz als Dünger<br />

Viele Hobbygärtner schwören darauf, Pflanzen<br />

mit Kaffeesatz zu düngen. Doch nicht allen tut<br />

das gut, denn Kaffeesatz ist kein Dünger, sondern<br />

ein organisches Material, das teils mit Säure<br />

untersetzt ist. Entsprechend mögen ihn nur<br />

Gewächse, die einen säurehaltigen Boden vorziehen.<br />

Dazu gehören etwa Rhododendron (im<br />

Bild die Sorte Firefly) und Azalee sowie Engelstrompete,<br />

Heidelbeere und Hortensie, während<br />

Kakteen oder Steingartenpflanzen diese Art von<br />

Recyling eher übelnehmen. Immerhin: Im Kompost<br />

ist Kaffeesatz auf jeden Fall gut aufgehoben.<br />

Der Boden erhält dadurch nämlich Kalium,<br />

Phosphor und diverse mineralische Stoff.<br />

Tipps <strong>für</strong> Gladiolen<br />

Damit die Gladiolen ihre volle Blütenpracht entfalten<br />

können, sollten Hobbygärtner einige wichtige<br />

Tipps beachten. <strong>Die</strong> oberste Knospe an einem<br />

Gladiolenstiel raubt den anderen Knospen Kraft.<br />

Sie sollte daher stets entfernt werden, damit alle<br />

anderen Knospen gleichmässiger versorgt werden,<br />

rät das renommierte Blumenbüro Holland.<br />

An einem Stiel könne eine Gladiole bis zu 20 Einzelblüten<br />

bilden. <strong>Die</strong> Experten empfehlen, die<br />

Stiele der Schnittblume in Bodenvasen aus Holz<br />

zu stellen, die das exotische Flair der Zwiebelblume<br />

mit Ursprung in Südafrika unterstreichen.<br />

So komme auch die beeindruckende Länge der<br />

Stiele von bis zu 1,50 Meter gut zur Geltung. Wer<br />

die Gladiole auf Balkon oder Terrasse setzen mag,<br />

sollte eine vorgetriebene Knolle bis Ende Mai in<br />

die Erde bringen.<br />

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BETTWANZEN – Sie galten vor kurzem praktisch als ausgerottet, doch sie feiern seit einiger Zeit<br />

ein schmerzhaftes Comeback, das sogar Kammerjäger in Bedrängnis bringt.<br />

<strong>Die</strong> Blutsauger greifen wieder an<br />

In den 1960er-Jahren galten Wanzen<br />

in den Industrieländern dank des<br />

Schädlingsbekämpfungsmittels DDT als<br />

weitgehend ausgerottet. Um 1995 kehrten<br />

die «Zivilisationsfolger» aber zurück<br />

– und wie! Massiv betroffen sind die<br />

USA, insbesondere New York. Und die<br />

Plage trifft dort bei weitem nicht nur<br />

die Slums: <strong>Die</strong> Blutsauger wurden auch<br />

schon in Nobelboutiquen und sogar im<br />

legendären Empire State Building entdeckt.<br />

<strong>Die</strong> Zahlen sind alarmierend:<br />

2004 wurden im «Big Apple» 537 Verwanzungen<br />

gemeldet, 2010 registrierte<br />

man bereits 12768 Fälle. Zu denken<br />

gibt die Entwicklung in den New Yorker<br />

Schulen, wo im letzten Schuljahr<br />

3590 Attacken gemeldet wurden, dreimal<br />

so viele wie noch ein Jahr zuvor.<br />

Nur Kammerjäger können helfen<br />

Da erstaunt es nicht, dass die Wanzen<br />

schliesslich den Weg nach Europa und<br />

in die saubere Schweiz fanden, auch<br />

wenn dies lange niemand zugeben<br />

wollte. Schuld an diesen Einschleppungen<br />

ist zweifellos der Tourismus.<br />

«Mit mangelnder Hygiene hat dies leider<br />

nichts zu tun. <strong>Die</strong> Viecher reisen<br />

als blinde Passagiere in Gepäck und<br />

Kleidung», seufzt ein Berner Hotelier.<br />

In der Branche weiss man unterdessen,<br />

dass das Auftreten der Wanzen<br />

höchste Alarmstufe bedeutet. «Da hilft<br />

nur eines: möglichst sofort einen Kammerjäger<br />

kommen lassen und dabei<br />

nicht sparen», weiss der Mann, der<br />

Überraschende Rückkehr: <strong>Die</strong> fast<br />

ausgerotteten Bettwanzen breiten<br />

sich wieder aus.<br />

eine 4-Sterne-Herberge leitet. Denn die<br />

Nachricht über Wanzenbefall macht<br />

– im Internetzeitalter – (allzu) schnell<br />

die Runde. <strong>Die</strong> Kammerjäger-Branche<br />

zieht mit Das Leader-Unternehmen<br />

Rentokil etwa bietet einen Express-<br />

Bereitschaftsdienst. Und nicht minder<br />

schnell sind auch die Spezialisten der<br />

Insekta Schädlingstechnik GmbH vor<br />

Ort.<br />

Trockeneis statt Insektizide<br />

<strong>Die</strong> «Wanzenkiller» müssen heute flexibel<br />

sein und sich ständig Neues einfallen<br />

lassen. Denn immer mehr Bettwanzen<br />

sind gegenüber den traditionellen<br />

Bekämpfungsmitteln resistent.<br />

Deshalb wendet man sich von<br />

den Insektiziden zunehmend ab. Eine<br />

physikalische, also nicht chemischbiologische<br />

Methode, das Getier zu<br />

bekämpfen, ist Hitze. Jenseits von 50<br />

Grad Celsius lösen sich die Insekten<br />

in ihre Proteinbestandteile auf. Doch<br />

eine solche Kur in Wohnräumen ist<br />

aufwendig und teuer. Es braucht mit<br />

Starkstrom betriebene Spezialöfen,<br />

und das befallene Zimmer muss komplett<br />

abgedichtet werden. Beliebt ist<br />

aber auch der Einsatz von CO2-Trockeneisschnee.<br />

<strong>Die</strong>ser wird über die<br />

befallenen Matratzen ausgebracht und<br />

die Bettwanzen werden durch Erfrierung<br />

abgetötet. «Da die Körperzellen<br />

der Tiere sehr viel Wasser enthalten<br />

und bei Gefrieren zerplatzen, ist diese<br />

Methode sehr erfolgreich», betonen<br />

die Insekta-Experten.<br />

Wanzenbisse sind relativ harmlos.<br />

Bislang sind keine Krankheiten entdeckt<br />

worden, die auf diese Weise<br />

verbreitet werden. Der grösste Schaden<br />

ist psychischer Stress – und nicht<br />

selten fallende Immobilienpreise. Der<br />

Begriff «bed bugs» (Bettkäfer) löst in<br />

New York gemäss der <strong>Zeitung</strong> «Times»<br />

mittlerweile ähnliche Reaktionen aus<br />

«wie die Erwähnung einer Bombe in<br />

einem Flugzeug».<br />

Ausgewachsen sind Wanzen etwa so<br />

gross wie ein Apfelkern und papierdünn.<br />

<strong>Die</strong> Krabbeltiere bleiben stets<br />

in der Nähe ihrer Wirte – in Matratzen,<br />

im Lattenrost oder Bettgestell.<br />

Auch zwischen Sesselpolstern, unter<br />

Teppichen, hinter Holztäfelungen, in<br />

Möbelritzen und Koffern finden sie<br />

Unterschlupf. Dort vermehren sie<br />

sich schnell: An die 500 Eier legt eine<br />

weibliche Wanze im Laufe ihres<br />

Lebens. <strong>Die</strong> Stiche der Bettwanzen<br />

sind schmerzfrei, man bemerkt sie<br />

erst nach dem Aufwachen als kreisrunde<br />

Rötungen, die allerdings ganz<br />

schön jucken können. Lu<br />

LINKS<br />

www.rentokil.ch<br />

www.insekta.ch<br />

GEPÄCK ALS QUELLE<br />

Raffinierte Biester<br />

Wer den Verdacht hat, Wanzen im<br />

Gepäck zu haben, sollte daheim den gesamten<br />

Kofferinhalt auf einem weissen<br />

Laken gründlich untersuchen. Dann<br />

helfen Hitze oder Kälte. Wäsche sollte<br />

bei mindestens 45 Grad gewaschen<br />

und am besten vorher einige Stunden<br />

in Seifenlauge eingeweicht werden.<br />

Den Kaschmirpulli und die Seidenbluse<br />

kann man auch gut in Plastik verpackt<br />

<strong>für</strong> einige Tage ins Gefrierfach legen.<br />

Für einen Koffer oder Rucksack ist dort<br />

meist kein Platz. Gepäckstücke kann<br />

man luftdicht in Plastik einpacken und<br />

einige Wochen an einer warmen Stelle<br />

lagern. <strong>Die</strong> Wanzen lassen sich zwar nur<br />

schwer aushungern. Aber wenn man<br />

den Koffer danach auf einem weissen<br />

Tuch wieder auspackt, kommen sie<br />

schnell heraus und auf den Menschen<br />

zugekrabbelt. Danach wird’s drastisch:<br />

Wanzen einsammeln, mit kochendem<br />

Wasser übergiessen und im WC<br />

entsorgen.


20<br />

<strong>KMU</strong>-PORTRÄT<br />

GOLDEN CREATIVITY<br />

AWARD 2012<br />

Grosse Ehre <strong>für</strong> Karin Bertschi (21):<br />

<strong>Die</strong> Geschäftsführerin des «Recycling-<br />

Paradies» in Reinach/AG (vgl.<br />

Haupttext) wird mit dem «Golden<br />

Creativity Award 2012» der <strong>Schweizerische</strong>n<br />

Gesellschaft <strong>für</strong> Ideen- und<br />

Innovationsmanagement Idee Suisse<br />

ausgezeichnet. <strong>Die</strong> Verleihung der<br />

Auszeichnung findet übermorgen<br />

Sonntag, 13. Mai, um 14 Uhr im<br />

Theater am Bahnhof, Tunaustrasse 5<br />

in Reinach statt. Festredner ist Michel<br />

Monteil, Chef der Sektion Abfallverwertung<br />

und -behandlung im Bundesamt<br />

<strong>für</strong> Umwelt BAFU. <strong>Die</strong> Laudatio<br />

an die junge, äusserst innovative<br />

Unternehmerin hält Olaf J. Böhme,<br />

Präsident der Idee Suisse.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

RECYCLING-PARADIES – <strong>Die</strong> 21-jährige Karin Bertschi mischt als Recycling-Pionierin die Schweizer Sammelstellen auf.<br />

Auch Frauen und Kinder fühlen sich bei ihr willkommen.<br />

Für alle Abfälle bestens gerüstet<br />

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Fragt man Erwachsene nach ihren<br />

Kindheitserinnerungen zum Thema<br />

Recycling, steuert das Gespräch<br />

schnell auf jene Schulstunden zu, als<br />

man als Dreikäsehoch <strong>Zeitung</strong>sbündel<br />

einsammeln und durchs Dorf tragen<br />

musste. <strong>Die</strong> Altpapiertage waren zwar<br />

eine willkommene Alternative zu den<br />

langweiligen Mathematikstunden, jedoch<br />

wurde die Motivation, auch andere<br />

Materialien zu sammeln, kaum<br />

geweckt. Falls man überhaupt mal mit<br />

den Eltern nutzlos Gewordenes auf<br />

dem Werkhof entsorgte, blieb einem<br />

die Dorfsammelstelle als düsterer Ort<br />

in Erinnerung: Selbst wenn man genug<br />

alt war, dass einem die bärtigen<br />

Männer keine Angst mehr einjagten,<br />

musste man sich immer noch davor<br />

<strong>für</strong>chten, auf dem unübersichtlichen<br />

Gelände einem Auto in die Quere zu<br />

kommen.<br />

Grosse Spiel- und Sammelecke<br />

<strong>für</strong> kleine Umweltschützer<br />

Umso grösser ist der Neid auf jene<br />

Kinder, die ihren getrennten Müll im<br />

aargauischen Reinach abgeben dürfen.<br />

<strong>Die</strong> grüne Gebäudefassade des<br />

«Recycling-Paradies» wirkt einladend,<br />

Vorplatz und Abfallhof sind übersichtlich<br />

und lichtdurchflutet. Hier muss<br />

niemand Angst haben. Was noch besser<br />

ist: In der Abgabehalle wurde eine<br />

Kinderecke eingerichtet, in dem es<br />

zahlreiche Spielzeuge zum Ausprobieren<br />

hat. Da wird keinem Kind langweilig.<br />

Weil aber Kinder auch zeigen<br />

wollen, dass sie gross genug sind, ihre<br />

Joghurtbecherdeckel, Batterien<br />

oder alten Comic-Hefte selber zu entsorgen,<br />

stehen in dem sogenannten<br />

«Kinder-Paradies» auch eigens auf<br />

Kinderbedürfnisse zugeschnittene<br />

bunte Sammelbehälter.<br />

Das Angebot <strong>für</strong> die kleinen Umweltschützer<br />

hat die 21-jährige Karin<br />

Bertschi eingerichtet. Sie hat sich da-<br />

Im Recycling-Paradies im aargauischen Reinach herrscht viel Betrieb.<br />

So schön kann Recycling sein: Karin Bertschi (links) mit ihrem Team im Recycling-<br />

Paradies.<br />

Recycling soll Spass machen: Das Recycling-Paradies ist auch ein Paradies<br />

<strong>für</strong> Kinder.<br />

mit einen eigenen Kindertraum erfüllt,<br />

ist sie doch quasi auf der Sammelstelle<br />

aufgewachsen. «Meine Eltern<br />

haben als Inhaber der Bertschi<br />

Mulden + Container Transporte AG<br />

seit Ende der Neunzigerjahre im Auftrag<br />

der Gemeinde Reinach den regionalen<br />

Recyclinghof geführt», erklärt<br />

sie. Als Kind habe sie mit ihren drei<br />

Geschwistern an den freien Nachmittagen<br />

fleissig mitgeholfen.<br />

Bei allem Spass habe sie dennoch etwa<br />

das ständige Treppen hoch- und<br />

runterlaufen bei der Abgabe der <strong>Zeitung</strong>sbündel<br />

als anstrengend empfunden.<br />

«<strong>Die</strong> heutige Sammelstelle<br />

ist dagegen in jeder Hinsicht kundenund<br />

kindergerecht», so Bertschi. Davon<br />

überzeugen sich jeweils auch<br />

Schulklassen und andere Kindergruppen,<br />

<strong>für</strong> die sie Führungen anbietet.<br />

Mit 20 Chefin geworden<br />

<strong>Die</strong> junge Frau ist nicht etwa nur <strong>für</strong><br />

den Kinderbereich verantwortlich,<br />

sondern seit dem März 2010 <strong>für</strong> die<br />

ganze Sammelstelle. Sie wurde mit<br />

gerade mal 20 Jahren als frischgebackene<br />

Kauffrau Chefin, nachdem sich<br />

aus gesundheitlichen Gründen ihr<br />

anderer Traum, Militärpilotin zu werden,<br />

zerschlagen hatte. «Als sich wegen<br />

den eng gewordenen Platzverhältnissen<br />

eine Erweiterung der Sammelstelle<br />

aufdrängte, gaben mir meine<br />

Eltern die Gelegenheit, gleich ein<br />

neues Recycling-Konzept <strong>für</strong> die Sammelstelle<br />

auszuarbeiten», erinnert<br />

sich Karin y. Ihre Ideen waren so<br />

überzeugend, dass im März 2010<br />

nicht nur die Eröffnung des 900 Quadratmeter<br />

grossen Neubaus gefeiert<br />

worden konnte, sondern Ende 2011<br />

auch die Gründung eines neuen, eigenständigen<br />

Unternehmens. «Das<br />

Recyling-Paradies gehörte vorhin zu<br />

Bertschi Mulden + Container Transporte<br />

AG und ist seit Dezember 2011<br />

ein eigenständiges Unternehmen. Mit<br />

der Bertschi Mulden + Container<br />

Transporte AG meiner Eltern arbeite<br />

ich aber eng zusammen», so die Unternehmerin<br />

und Geschäftsführerin.<br />

Führungsrolle unproblematisch<br />

Jung ist nicht nur die Chefin, sondern<br />

auch ihre Crew. <strong>Die</strong> fünf Frauen und<br />

der Mann sind alle Anfang bis Mitte<br />

20. Karin Bertschi denkt sozial und<br />

bevorzugt bei der Anstellung auch<br />

schon mal leicht behinderte oder sozial<br />

schwache Menschen. Wichtig<br />

sei, dass alle Freude an der Arbeit<br />

haben und auch die jungen Damen<br />

sich nicht an dreckigen Händen stören.<br />

Mit der Führungsrolle hat sie<br />

kein Problem, wobei sie zugibt, dass<br />

dies bei doppelt so alten Angestellten<br />

vielleicht anders wäre: «Wir harmonieren<br />

gut miteinander und versuchen<br />

auch unsere Kundinnen und<br />

Kunden immer mit einem Lächeln<br />

und mit Charme zu begrüssen», sagt<br />

Karin Bertschi. Überhaupt sei der<br />

«Willkommen»-Gedanken wichtig in<br />

ihrem Betrieb. Nebst den Männern,<br />

denen oftmals ein Flair <strong>für</strong> Entsorgungsgüter<br />

und Maschinen nachgesagt<br />

wird, sollen sich auch Frauen<br />

und Kinder bei ihr wohlfühlen.<br />

«Unsere Sammelstelle soll stöckelschuhtauglich<br />

sein», sagt Bertschi.<br />

Kundenfrequenz vervierfacht<br />

Rund 2000 Personen besuchen das<br />

Recyling-Paradies im Schnitt jede Woche<br />

– bei einem Haupteinzugsgebiet<br />

von etwa 100000 Einwohnern. Zum<br />

Vergleich: Im Vorgängerbetrieb waren<br />

vor fünf Jahren etwa 500 Personen<br />

gezählt worden.<br />

Gesammelt wurden beispielsweise<br />

im Jahr 2011:<br />

n 62 Tonnen PET-Flaschen (1 Tonne<br />

= 40 Kubikmeter), d.h. rund 2500<br />

Kubikmeter<br />

n 270 Tonnen Glas<br />

n 70 Tonnen Büchsen<br />

n 290 Tonnen Karton<br />

n 72 Tonnen Textilien<br />

Karin Bertschi weiss, dass manche<br />

Kundinnen und Kunden weite Umwege<br />

auf sich nehmen, um ihren<br />

Abfall in Reinach zu entsorgen. Dem<br />

versucht sie einerseits dadurch zu<br />

begegnen, dass sie demnächst in<br />

weiteren Gemeinden Sammelstellen<br />

mit dem Gütesiegel «Recycling-Paradies»<br />

eröffnet. Andererseits trifft<br />

sie immer wieder Vertreter von Gemeinden,<br />

Betrieben und Schulen,<br />

um ihnen ihr Abfallkonzept vorzustellen.<br />

«Auch eine Delegation der<br />

Stadt Zürich war schon bei mir zu<br />

Gast», erzählt sie. Auf Wunsch erstellt<br />

sie <strong>für</strong> Firmen und Behörden<br />

ein zugeschnittenes Entsorgungskonzept<br />

<strong>für</strong> den täglichen Entsorgungs-<br />

und Recyclingablauf und <strong>für</strong><br />

besondere Veranstaltungen.<br />

Auch ökonomisch wichtig<br />

«Eine Goldgrube, dank der man ohne<br />

Fleiss und Einsatz über Nacht reich<br />

wird, ist das Recyling-Paradies zwar<br />

nicht, doch selbsttragend ist die Firma»,<br />

erklärt sie. Entscheidend sei indes<br />

auch, dass das Geschäftsmodell<br />

auf dem Nachhaltigkeitsgedanken<br />

basiere. «Es ist aus ökologischer wie<br />

ökonomischer Sicht wichtig, dass wir<br />

möglichst sparsam mit unseren Ressourcen<br />

umgehen. <strong>Die</strong> Rohstoffe sind<br />

nicht grenzenlos verfügbar und werden<br />

immer teurer», mahnt Karin Bertschi.<br />

Doch sie weiss, dass das richtige<br />

Instrument, um die ohnehin schon<br />

hohen Recyclingquoten der Schweizer<br />

zu steigern, nicht der moralische<br />

Zeigefinger ist. «Abfalltrennen soll<br />

Spass machen. Da<strong>für</strong> versuche ich,<br />

Tag <strong>für</strong> Tag meinen Beitrag zu leisten»,<br />

erklärt sie. <strong>Die</strong> Chancen stehen<br />

gut, dass künftige Generationen nur<br />

noch positive Erinnerungen an ihre<br />

ersten Recycling-Erlebnisse haben<br />

werden. Matthias Engel<br />

LINK<br />

www.recycling-paradies.ch<br />

DAS UNTERNEHMEN<br />

Der rund 900 Quadratmeter grosse<br />

Abfallentsorgungshof Recycling-Paradies<br />

wurde am 20. März 2010 im<br />

aargauischen Reinach eröffnet. Das<br />

Annahmesortiment umfasst über 30<br />

verschiedene Materialien, wovon die<br />

meisten gratis entgegengenommen<br />

werden. Unter dem Namen «Kinder-<br />

Paradies» wurde zudem eine Sammelecke<br />

<strong>für</strong> Kinder eingerichtet.<br />

Regelmässig finden Führungen <strong>für</strong><br />

Schulklassen statt.<br />

Auf Wunsch erstellt das Recycling-<br />

Paradies <strong>für</strong> Betriebe, Schulen und<br />

Gemeinden ein individuell auf die<br />

jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittenes<br />

Entsorgungskonzept zusammen.<br />

Gründerin und Geschäftsführerin des<br />

«Recycling-Paradies» ist die 21-jährige<br />

Karin Bertschi, die ein sechsköpfiges<br />

Team mit Durchschnittsalter 25<br />

aufgestellt hat. <strong>Die</strong> Eltern der<br />

Jungunternehmerin sind Inhaber der<br />

Bertschi Mulden + Container Transporte<br />

AG, welche Ende 2009 den<br />

Recyclinghof Reinach betrieben hat<br />

und mit der das Recycling-Paradies<br />

eng zusammenarbeitet.<br />

LINKS<br />

www.idee-suisse.ch<br />

www.idee-suisse.info


<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong> – 11.<br />

Mai 2012<br />

FORUM 21<br />

ECHOS DER WOCHE<br />

AHV nicht vergessen<br />

Ja zum «System Schweiz», sgz vom 13.April.<br />

Bravo, gut gemacht. <strong>Die</strong> Kampagne «Ja zur<br />

Schweiz – Hier kaufe ich ein» ist nötig und wichtig.<br />

Leider fehlt nebst Qualität, Berufsbildung<br />

und Arbeitsplätze ein wichtiges Element in der<br />

Aufzählung: Nennen wir es «AHV-Beitrag».<br />

Als SAC-Mitglied bin ich oft mit Pensionierten<br />

unterwegs. Dabei wird viel über Preise geredet.<br />

<strong>Die</strong> Herkunft, die verwendeten Rohstoffe, die<br />

Arbeitsbedingungen, unter denen die gekauften<br />

Produkte entstanden sind, Werte eben, scheint<br />

nicht viele zu interessieren – Hauptsache, es<br />

war billig. Das ärgert mich oft, und dann würde<br />

ich sie gerne ermahnen: «Drei Berufstätige arbeiten<br />

unter grossem Stress, damit einer von<br />

euch seine AHV-Rente bekommt. Und was macht<br />

ihr damit? Ihr tragt das Geld ins Ausland. Man<br />

könnte meinen, ihr habt keine Ahnung davon,<br />

woher das Geld <strong>für</strong> eure Rente kommt. Ihr riskiert<br />

eure eigene Rente! Und das nur, weil ihr<br />

profitieren wollt und nur an euch selbst denkt!»<br />

Durch die demographische Entwicklung ist der<br />

Anteil der Pensionierten erheblich. Ich denke,<br />

man sollte diese Gruppe ganz besonders beachten.<br />

Markus Jung, Wernetshausen/ZH<br />

Fair und ehrlich?<br />

Ja zum «System Schweiz», sgz vom 13.April.<br />

Aufgewachsen in einer kleingewerblich-kleinbäuerlichen<br />

BGB-Familie ist mir dieses Milieu<br />

vertraut. Als grünem Kantonsrat und interessiertem<br />

Leser der «<strong>Gewerbezeitung</strong>» ist es mir<br />

aber manchmal etwas rätselhaft. Natürlich ist es<br />

<strong>für</strong> viele <strong>KMU</strong> ärgerlich, wenn jährlich fünf Milliarden<br />

Franken ins Ausland «abfliessen» – auch<br />

wenn das nur ein Prozent des BIP ist. Und natürlich<br />

ist es legitim, seine Pfründen zu verteidigen.<br />

Aber die Verteidigungslinie sollte wenigstens halbwegs<br />

schlüssig, fair und ehrlich sein – und das ist<br />

sie gerade nicht. Es kann nicht angehen, dass nur<br />

die einen, also die <strong>KMU</strong>, vom «System Schweiz»<br />

profitieren und die anderen ausgeschlossen bleiben.<br />

Zum «System Schweiz» gehören nicht nur<br />

der Arbeitsfriede, die Sozialpartnerschaft, das<br />

überzeugende Bildungs- und Ausbildungssystem,<br />

sondern dazu gehört auch der «freie Handel» im<br />

weitesten Sinne. Es ist doch so, dass alle importierenden<br />

<strong>KMU</strong> vom starken Franken enorm profitieren;<br />

es ist so, dass die <strong>KMU</strong> den Parallelimport<br />

unzähliger Güter verhindern; es ist so, dass die<br />

<strong>KMU</strong> ihre «<strong>Die</strong>nstleistungen» auf ihren Weingütern<br />

und auf ihren Fincas weit im Süden einkaufen;<br />

und es ist so, dass die <strong>KMU</strong> ihren Mobilitätswahn<br />

mit hochsubventionierten Verkehrsträgern<br />

auf dem Boden und in der Luft nach Kräften befriedigen.<br />

Das alles ist nicht verboten, aber es ist<br />

unredlich, «Otto Normalverbraucher» ein schlechtes<br />

Gewissen einzureden, wenn er es auch tut.<br />

Persönlich bin ich vom «System Schweiz» voll<br />

überzeugt, finde ich die «Solidarität der Schweizer»<br />

das Grösste überhaupt – schade, dass die<br />

Kampagne keine überzeugenderen Väter und Mütter<br />

hat. Max R. Homberger, Wetzikon/ZH<br />

Fair und anständig<br />

Ja zum «System Schweiz», sgz vom 13.April.<br />

Ihre Kampagne ist nichts als fair und anständig.<br />

Verdienen möchten alle hier und einkaufen dort,<br />

wo es am billigsten ist. Der eigene Lohn ist heilig<br />

– ob andere auch fair verdienen, spielt dann<br />

keine Rolle, selbst Kinderarbeit in Asien rechtfertigt<br />

sich über den Preis. Gratuliere zu dieser<br />

Kampagne und lasst euch alle hinreissen zu einem<br />

fairen Markt. Paul Kleger, Zürich<br />

Kann nicht aufgehen<br />

Ja zum «System Schweiz», sgz vom 13.April.<br />

Danke dem Gewerbeverband <strong>für</strong> seine Kampagne.<br />

Früher schützte man den Import mit Zöllen und<br />

erreichte so einen ausgeglichenen Markt. Heute<br />

schützt man nur noch die Löhne mit flankierenden<br />

Massnahmen und den Konusum überlässt<br />

man dem Billigstanbietern oder dem Ausland. <strong>Die</strong>s<br />

kann auf Dauer nicht aufgehen.<br />

Markus Müller, Sempach Station/LU<br />

LINK<br />

www.in-der-schweiz-gekauft.ch<br />

TRIBÜNE<br />

Eine Revolte wider die Natur<br />

Pierre Bessard* über die<br />

Utopie eines Grundeinkommens,<br />

das vom Himmel fällt.<br />

<strong>Die</strong> Utopie des bedingungslosen Grundeinkommens<br />

ist wieder einmal unter uns.<br />

<strong>Die</strong>smal sogar in Form einer Volksinitiative.<br />

<strong>Die</strong> Idee eines Einkommens, das gleichsam<br />

vom Himmel fällt, also keinerlei Anstrengung<br />

erfordert, ist ebenso verlockend wie infantil.<br />

Tatsächlich kann ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />

natürlich nur auf Kosten anderer erzielt<br />

werden. Es ist also gar nicht bedingungslos,<br />

sondern setzt voraus, dass die notwendigen Mittel<br />

einem Teil der Bevölkerung, wohl den «Reichen»<br />

oder Produktiven, abgenommen werden. Kein<br />

Wunder, ist diese Idee auch im Programm der<br />

realitätsfremden Sozialdemokratischen Partei der<br />

Schweiz zu finden – die daneben den Kapitalismus<br />

überwinden und Aktiengesellschaften in<br />

Arbeitergesellschaften umwandeln will.<br />

Gerne wird der Ersatz aller Sozialprogramme<br />

durch das bedingungslose Grundeinkommen als<br />

ein wesentlicher Vorteil aufgeführt. Auch dies ist<br />

jedoch naiv – die überzogene Umverteilung des<br />

Sozialstaats kann nicht durch eine Verallgemeinerung<br />

seiner Fehlanreize behoben werden. Man<br />

denke hier beispielsweise an die AHV: Seit der<br />

Einführung 1948 hat sich die Lebenserwartung<br />

erfreulicherweise von 68 auf 82 Jahre verlängert.<br />

Das gesetzliche Referenzalter <strong>für</strong> eine Rente ist<br />

dennoch bei 65 Jahren stecken geblieben, <strong>für</strong><br />

Frauen sogar bei 64 Jahren. In diesem Sinne hat<br />

die AHV ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />

<strong>für</strong> diesen Lebensabschnitt schon verwirklicht.<br />

Wollen wir wirklich nach gleichem Muster die<br />

ganze Gesellschaft in ein totales Volksheim<br />

verwandeln? <strong>Die</strong> richtige Antwort auf heutige<br />

Herausforderungen hiesse genau umgekehrt:<br />

mehr Eigenverantwortung, mehr autonome<br />

Kapitalbildung, mehr individuelle Ersparnisse.<br />

Nicht noch mehr Umverteilung!<br />

Es sollte wohl unbestritten sein, dass der<br />

Wohlstand einer Gesellschaft vor allem auf<br />

der Initiative und der Arbeitskraft jedes<br />

Bürgers beruht. Besonders in einem Land mit<br />

hoher Erwerbsquote und hohem Durchschnittslohn<br />

wie der Schweiz gliche die Einführung eines<br />

bedingungslosen Grundeinkommens daher einer<br />

umfassenden Demontage des wirtschaftlichen<br />

Erfolgs. <strong>Die</strong> Produktivität würde sinken, Unternehmen<br />

und Unternehmer würden wegziehen,<br />

notwendiges Knowhow würde nicht mehr erworben<br />

und übertragen. Sobald der bestehende<br />

Kapitalstock aufgebraucht wäre, versänke die<br />

Gesellschaft schnell in Armut. Früher oder später<br />

könnte dann das bedingungslose Grundeinkommen<br />

nicht mehr bezahlt werden, und dessen<br />

Empfänger müssten wieder anständig arbeiten,<br />

um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der<br />

Erfolg des Gesellschaftsexperiments: wie im<br />

frühen 19. Jahrhundert wäre die Schweiz wieder<br />

ein Schwellenland, das gegenüber seinen Nachbarn<br />

aufholen müsste.<br />

Letztlich ist der Vorschlag eines bedingungslosen<br />

Einkommens schlicht absurd, denn er<br />

verneint die Natur der menschlichen Kondition.<br />

Der Mensch muss sich stets bemühen, um in<br />

einer Welt knapper Ressourcen materielle Wohlfahrt<br />

erfahren zu können. Wenn er dies nicht<br />

selber tut, dann tut er es auf Kosten anderer.<br />

Einer freien Gesellschaft liegt darum eine ebenso<br />

einfache wie bewährte Ethik zugrunde: jeder<br />

darf nur das benutzen oder austauschen, was<br />

ihm gehört, seien es seine Fähigkeiten, sein<br />

Geld oder physische Produktionsfaktoren, und<br />

jeder hat ein legitimes Anrecht auf die Früchte<br />

seiner Arbeit. Werden diese Regeln respektiert,<br />

so sind Wohlstand und Frieden die Folge, werden<br />

sie gebrochen, so entstehen Armut und<br />

Unfrieden.<br />

Umverteilungsutopien wie das bedingungslose<br />

Grundeinkommen gehen<br />

dagegen von dem falschen Bild einer<br />

statischen Gesellschaft aus, in der Wohlstand<br />

ein <strong>für</strong> allemal gegeben ist und beliebig verteilt<br />

werden kann, wie ein Kuchen. Mit anderen<br />

Worten: Das unvermeidliche Scheitern des<br />

bedingungslosen Grundeinkommens hat nicht<br />

allein ökonomische, sondern vor allem auch<br />

moralische Gründe. Der anhaltende Fortschritt<br />

der Schweiz dank liberalem Arbeitsrecht und<br />

relativ moderaten Steuern zeigt: die Ethik der<br />

Freiheit ist nicht nur gerecht, sondern auch<br />

Gleichbleibend tiefes Rentenalter bei stetig steigendem Lebensalter: Für die AHV-Bezüger ist das bedingungslose<br />

Grundeinkommen schon heute Realität. Wie lange es zahlbar bleibt, ist offen... BILD: FOTOLIA<br />

ANZEIGE<br />

effizient. Kein Anlass also <strong>für</strong> zerstörerische<br />

Experimente.<br />

*Pierre Bessard ist Direktor des Liberalen Instituts in<br />

Zürich.<br />

LINK<br />

www.libinst.ch.<br />

<strong>Die</strong> Tribüne-Autoren geben ihre eigene Meinung<br />

wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv<br />

decken.


22<br />

PUBLIREPORTAGE<br />

Online-Marketing: Neue Tools<br />

unterstützen <strong>KMU</strong><br />

Inserate, Plakate und Prospekte<br />

sind längst nicht mehr die einzigen<br />

Kommunikationsmittel, die <strong>KMU</strong> <strong>für</strong><br />

ihre Werbung zur Verfügung stehen.<br />

Im digitalen Zeitalter eröffnet Online-Marketing<br />

den Unternehmen<br />

ganz neue Möglichkeiten. Denn es<br />

ist schnell, flexibel und ermöglicht<br />

den Dialog mit dem Kunden. Online-<br />

Marketing ist aber auch aufwendig<br />

und erfordert technisches Wissen.<br />

Webbasierte Applikationen schaffen<br />

da Abhilfe.<br />

Online-Marketing ist in aller Munde. Nicht<br />

zuletzt hat auch der Hype rund um Social<br />

Media dem Thema zu neuer Aufmerksamkeit<br />

verholfen. Zu Recht, denn die<br />

Möglichkeiten von Online-Marketing sind<br />

vielfältig. Für die meisten Unternehmen<br />

ergänzt die eine oder andere Massnahme<br />

die gewohnten Marketinginstrumente<br />

ideal. Obwohl sich der Dialog mit den<br />

Kunden immer mehr ins Netz verlagert<br />

und die digitalen Medien bei der Kundengewinnung<br />

und -betreuung an Bedeutung<br />

zulegen, sind viele <strong>KMU</strong> beim Einstieg in<br />

die Welt des Online- und Social-Media-<br />

Marketings zurückhaltend. Auch hier, zu<br />

Recht. Online- und vor allem Social-Media-Marketing<br />

sind mit zusätzlichem Aufwand<br />

verbunden. Denn mit dem Versand<br />

eines Newsletters oder Eröffnen eines<br />

Facebook-Firmenprofils ist es nicht getan.<br />

Damit man bei den Kunden im Gespräch<br />

bleibt, braucht es regelmässige Updates<br />

Mehr Spass als Stress: Webbasierte Applikationen erleichtern <strong>KMU</strong> den Einstieg ins Online-Marketing.<br />

über Aktionen oder neue Produkte. <strong>Die</strong><br />

da<strong>für</strong> nötigen Ressourcen sind gerade<br />

bei <strong>KMU</strong> oft nicht vorhanden.<br />

Keine Installation nötig<br />

Erleichtert wird der Einstieg ins Online-<br />

Marketing durch webbasierte Applikationen.<br />

Sie ermöglichen es <strong>KMU</strong>, mit vernünftigem<br />

Aufwand Online-Marketing zu<br />

betreiben. Denn webbasierte Applikatio-<br />

nen benötigen meist keine Installation,<br />

sondern können mit einem einfachen Login<br />

über das Internet von überall her bedient<br />

werden. Dadurch entfällt gleichzeitig<br />

die Wartung des Systems. Auch bei<br />

der Anwendung selbst hält sich der Aufwand<br />

vergleichsweise in Grenzen. Da die<br />

Applikationen bausteinartig aufgebaut<br />

sind und oft spezielle Vorlagen enthalten,<br />

erfordern sie von den Unternehmen kein<br />

technisches Vorwissen oder eine Schulung<br />

der Mitarbeitenden.Trotzdem, auch<br />

mit unterstützenden Tools ist und bleibt<br />

Online-Marketing nicht trivial. Eine weitere<br />

Herausforderung ist beispielsweise<br />

die Wahl des geeigneten Online-Kanals.<br />

Gängige Applikationen bieten von E-Mailund<br />

SMS-Versänden über Microsites und<br />

Coupons bis hin zu Umfragen und Formularen<br />

ein breites Spektrum. Je nach<br />

Zielgruppe, Zeitpunkt und Grund der Aktion<br />

eignet sich das eine oder andere<br />

Kommunikationsmittel besser.<br />

Richtiges Kommunikationsmittel<br />

wählen<br />

Microsites sind beispielsweise besonders<br />

geeignet <strong>für</strong> zeitlich befristete Massnahmen.Denn<br />

Microsites sind Miniwebseiten,<br />

die <strong>für</strong> eine befristete Zeit aufgeschaltet<br />

und über einen speziellen Link erreicht<br />

werden. Sie eignen sich besonders <strong>für</strong><br />

Umfragen, Aktionen oder als Landeseite<br />

einerWerbekampagne.Microsites werden<br />

deshalb gerne zusammen mit Coupons,<br />

also Gutscheinen,verwendet.Der Coupon<br />

wird dabei in die Microsite eingebunden<br />

und während einer bestimmten Zeitdauer<br />

aufgeschaltet – zum Beispiel <strong>für</strong> eine<br />

Preisaktion oder ein Kundengeschenk.Sobald<br />

der Kunde den Coupon aufruft bzw.<br />

ausdruckt, wird dies auf der Datenbank<br />

der Applikation registriert. So entfällt das<br />

aufwendige,manuelle Nacherfassen.Auch<br />

Formulare können in Microsites eingebunden<br />

werden. <strong>Die</strong> im Formular eingetragenen<br />

Daten werden direkt in die verknüpfte<br />

Datenbank der Applikation übertragen,<br />

was wiederum den administrativen Aufwand<br />

reduziert. Gleiches gilt auch <strong>für</strong> die<br />

Antworten bei Online-Umfragen.<br />

Social Media integrieren<br />

Praktisch an den webbasierten Applikationen<br />

ist weiter, dass die verschiedenen<br />

Kommunikationsmittel oft mit wenig Auf-<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gewerbezeitung</strong><br />

– 11.<br />

Mai 2012<br />

wand miteinander verbunden werden<br />

können. Also – wie bereits beschrieben<br />

– beispielsweise Microsites mit Coupons<br />

oder Formularen.EinigeTools bieten auch<br />

die direkte Integration in Social-Media-<br />

Plattformen an. So kann beispielsweise<br />

ein Online-Shop in derApplikation erstellt<br />

und dann direkt in Facebook integriert<br />

werden.Voraussetzung da<strong>für</strong> ist natürlich<br />

ein vorhandenes Facebook-Profil. Ob ein<br />

solches <strong>für</strong> ein Unternehmen Sinn macht,<br />

hängt von den Kommunikations- und Marketingzielen<br />

sowie den vorhandenen Ressourcen<br />

ab. Social Media sind in erster<br />

Linie <strong>für</strong> den Dialog mit den Kunden gedacht.<br />

Sie müssen deshalb auch betreut<br />

und bearbeitet werden. <strong>Die</strong>s beinhaltet<br />

neben regelmässigen «News-Schaltungen»<br />

und personellen Ressourcen auch<br />

eine klare Kommunikationsstrategie.<br />

Fazit<br />

Letztlich nehmen die technischen Hilfsmittel<br />

keinem Unternehmen den Entscheid<br />

ab, in welche Kommunikationskanäle<br />

es investieren will. Ist die Wahl<br />

allerdings einmal getroffen, erleichtern<br />

die Tools die Umsetzung massgeblich.<br />

Durch die einfache Bedienung reduzieren<br />

sie den Aufwand und ermöglichen<br />

so auch <strong>KMU</strong> mit beschränkten Ressourcen,<br />

Online-Marketing zu betreiben.<br />

LINK<br />

www.swisscom.ch∕businessbox

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