November 07 10ter Jahrgang - Archiv
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16 FREIeBÜRGER<br />
Auf dem Weg nach Santiago de Compostela<br />
Vom 05. Mai bis zum 29.Juni waren wir in diesem Jahr unterwegs<br />
auf dem Jakobsweg. In der letzten Ausgabe gab es ein wenig über<br />
meine persönlichen Erfahrungen zu lesen. Hier folgt etwas zur<br />
Logistik und dem Weg selber. Im Dezember folgt dann noch etwas<br />
zu Klatsch und Tratsch auf dem Pilgerweg.<br />
„Bei Euch kann alles ganz anders sein“ – Volksfeststimmung<br />
dank Hape Kerkeling?<br />
In diesem Jahr sind wir südlich von Lyon gestartet.<br />
Am 13.Tag, auch wenn wir nicht abergläubisch<br />
sind, hat das Unheil nach uns greifen<br />
wollen. Es hatte nicht nur den ganzen Tag<br />
geregnet, was später das Auflösen der Schuhnähte<br />
beschleunigt hat, nein, auch eine<br />
schlechte Kunde aus dem noch weiten Spanien<br />
drang an unser Ohr. In unserer Unterkunft<br />
in Montredon waren zwei junge deutsche<br />
Frauen die Botinnen. Sie waren nur fünf Etappen<br />
auf dem spanischen Weg von Saint-Jean-<br />
Pied-de-Port aus gegangen, bevor sie umgekehrt<br />
sind. Überfüllte Herbergen hatten zu einem<br />
Wettrennen geführt, dass vor dem Aufstehen<br />
begann. Kein meditatives Gehen mehr,<br />
kein Genießen der Landschaft, nur noch der<br />
Kampf um den Platz zum Übernachten. Und<br />
weil man durchs frühe Losgehen schon mittags<br />
am Zielort sei, wüsste man dann auch<br />
nicht mehr so viel mit dem Tag anzufangen.<br />
Aber, so sagten sie bei ihren ausführlichen<br />
Schilderungen immer, bei euch kann es ganz<br />
anders sein!<br />
Dank Hape Kerkeling waren wir jetzt nicht nur gezwungen, uns<br />
immer zu rechtfertigen („wir haben schon lange vor Erscheinen des<br />
Buches von Hape alles geplant, jawohl!“), sondern sahen uns nun<br />
auch noch in unserer spirituellen Ruhe und Gelassenheit bedroht.<br />
„Sie lassen sich immer wieder etwas Neues einfallen“<br />
– Wege und Straßen<br />
Dabei hatten wir doch in den ersten Tagen in Frankreich schon<br />
vieles genießen können. So die wunderschöne Gegend des Aubrac,<br />
einer Hochebene mit irischem Flair: bunte Blumenwiesen, Steinwälle<br />
und wunderschöne Kühe.<br />
Nun ja, wir hatten bei den verschiedenen Wegen auch hier schon<br />
unseren allzeit verwendbaren Kommentar geprägt. Mal ging der<br />
Weg durch feuchte Gebiete, wo man von Stein zu Stein balanciert,<br />
mal wieder gut bergan; mal steil bergab mit viel Geröll oder mit<br />
einem kleinen Bach. Kurz gesagt: „Sie, die Pilgerwegbauer, lassen<br />
sich immer wieder etwas Neues einfallen“.<br />
Wegmarkierungen und Zustand der Wege waren aber insgesamt<br />
auf unserer gesamten Tour sehr gut. In der Schweiz und in Frankreich<br />
ist es mehr als Wanderweg ausgezeichnet; in Frankreich als<br />
GR 65. In Spanien gibt es dann den gelben Pfeil, den man so gut wie<br />
nicht verfehlen kann. Sowohl in Frankreich<br />
als auch in Spanien gibt es zusätzlich ein<br />
Muschelzeichen als Symbol des Jakobsweges.<br />
Für Frankreich hatten wir noch Landkarten<br />
dabei, die vollkommen überflüssig waren. Mit<br />
dem Outdoor Wanderführer für Frankreich<br />
und den Rother Führer für Spanien waren wir<br />
für den Weg bestens ausgerüstet! (siehe unten).<br />
Wanderwege waren natürlich je nach Wetter<br />
auch mal etwas schlechter zu gehen. Gerade<br />
während großer Regenfälle in Südfrankreich<br />
um Pfingsten herum haben wir darum fast eine<br />
Woche nur die Straßen genutzt, weil an manchen<br />
Stellen die Wege einfach weggespült<br />
waren. Wir haben mit unserem etwas eigenen<br />
Humor immer von den heruntergekommenen<br />
Wegen gesprochen. Von Nachrichtenbildern<br />
her im Fernsehen, die wir in einer Unterkunft<br />
gesehen haben, war es für viele Franzosen<br />
nicht so humorvoll.<br />
In Spanien geht es sehr oft auch über kleine<br />
Straßen und Wege, die normale Ortsverbindungen<br />
sind. Doch die schwierigen Stellen an LKW-Straßen,<br />
wie sie Hape Kerkeling von seinem Weg im Jahr 2001 beschreibt,<br />
gibt es so nicht mehr. Neue Umgehungsstraßen nehmen den Schwerverkehr<br />
auf und auf der alten Straße hat man nun eine eigene<br />
„Pilgerspur“, die mit Betonböllern vom Restverkehr getrennt ist.<br />
Die Wegelogistik ist so ausgeprägt, dass wir an einer Stelle sogar<br />
eigene Umleitungsschilder für den Jakobsweg gesehen haben, wie<br />
sie sonst im Straßenbau zu sehen sind.<br />
Großer Rucksack und kleines Hirn – zuviel ist zuviel<br />
In Cahor trafen wir das erste Mal Christoph, einen jungen Österreicher,<br />
der in Genf gestartet war. Er hatte dort von einem Priester<br />
seinen Pilgerausweis erhalten und seine erste Pilgerlektion. Denn<br />
er war mit einem großen Rucksack gestartet, mit Zelt und vielem,<br />
was er so aus seiner Sicht benötigte. Ca. 20 Kg wog alles zusam-