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November 07 10ter Jahrgang - Archiv

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24 FREIeBÜRGER<br />

Keine Grabsteine aus Kinderhand!<br />

Kürzlich war wieder Allerheiligen, der Tag an dem Angehörige<br />

ihre Verstorbenen auf dem Friedhof besuchen. Doch beim Gang<br />

über die letzte Ruhestätte sollte man sich auch mal Gedanken<br />

machen, wie die teilweise schönen und einzigartigen Grabsteine<br />

entstanden sind. Denn mittlerweile kommen ungefähr zwei Drittel<br />

der deutschen Grabsteine aus Granitsteinbrüchen in Indien,<br />

in welchen zum Großteil Kinder arbeiten müssen.<br />

Hier wird Schotter für den Straßen- und Hausbau in Indien von<br />

Kindern hergestellt.<br />

Zwar ist auch in Indien mittlerweile Kinderarbeit und Sklaverei verboten,<br />

wie in jedem anderen zivilisierten Land auch, doch man nimmt<br />

es dort leider nicht so genau mit der Umsetzung dieser Gesetze. So<br />

zum Beispiel bei der Firma „Enterprising Enterprises“, ein indischer<br />

Großkonzern, der zu den zehn größten Steinproduzenten der Welt<br />

gehört. Von den mehr als 10 000 Steinminen in Indien besitzt der<br />

Konzern ca. 70 % und in jeder dieser Betriebsstätten arbeiten Minderjährige!<br />

Marmor, Granit und Sandstein gehören zu den<br />

wichtigsten Exportgütern Indiens, allein 110<br />

000 Tonnen Steine und Steinwaren liefern die<br />

Inder jedes Jahr nach Deutschland, vor allem<br />

Grab- und Pflastersteine. Mehr als eine Million<br />

Menschen arbeiten in den tausenden von<br />

Steinbrüchen des Landes, davon geschätzte<br />

150 000 Kinder! Diese Zahl ist allerdings nur<br />

ein Schätzwert von Menschenrechtsorganisationen,<br />

die Dunkelziffer dürfte noch höher<br />

liegen! Allerdings ist es schwierig, einen Beweis<br />

darüber zu führen, welcher Stein denn<br />

nun durch Kinderarbeit entstanden ist, weil<br />

reelle Kontrollen fast nicht möglich sind und<br />

zuvor angemeldete immer nur reguläre Arbeiter<br />

vorfinden lassen.<br />

Aus diesem Grund haben im Jahr 2005 eine<br />

Gruppe Freiburger Steinmetze zusammen mit<br />

der deutschen Hilfsorganisation Misereor<br />

und einigen bekannten Persönlichkeiten den<br />

Verein Xertifix gegründet, der indische Steinbrüche<br />

kontrolliert und ein Gütesiegel für „fair<br />

gehandelte“ Steine vergibt. Mehrere Hilfsorganisationen,<br />

sowie Vertreter von Handel und<br />

Gewerkschaften bauen derzeit ein System auf,<br />

welches auch unabhängige Kontrollen in in-<br />

dischen Steinbrüchen gewährleisten soll. Der Freiburger Benjamin<br />

Pütter, Kinderarbeitsexperte von Misereor, bereist seit einigen Jahren<br />

den Subkontinent, um sich von der kinderfreien Arbeit in den<br />

Steinbrüchen zu überzeugen. Kommt er als Misereor- Experte, sind<br />

in den Steinminen selbstverständlich<br />

keine Kinder zu sehen,<br />

und alles scheint mit rechten<br />

Dingen zuzugehen. Deshalb<br />

ist er vor einiger Zeit auf<br />

den Dreh gekommen, sich als<br />

interessierten Natursteinhändler<br />

auszugeben und so<br />

die Steinbrüche zu besuchen,<br />

dabei ist es ihm sogar gelungen<br />

ein Filmteam mit einzuschleusen,<br />

welches die Missstände<br />

aufzeichnete. Dabei<br />

habe er bisher ausnahmslos<br />

an allen Arbeitstellen minder-<br />

jährige Beschäftigte gesehen,<br />

teilweise erst 10 Jahre alt oder<br />

jünger - so zum Beispiel einen<br />

dreizehnjährigen Jungen, der<br />

seit 5 Jahren dort arbeitet!<br />

Auch dieser Junge arbeitet in einem Steinbruch,<br />

der für den europäischen Markt Granit<br />

produziert. Eine Schule gibt es auch hier<br />

nicht.<br />

Für die Kinder heißt es arbeiten seit<br />

frühester Kindheit ohne die Möglichkeit,<br />

jemals etwas anderes als<br />

Steineklopfen zu erlernen.<br />

Wie kommt das eigentlich, wenn doch Kinderarbeit verboten ist?<br />

Das Prinzip nennt sich Schuldknechtschaft und beruht auf Schulden<br />

der Eltern! Meistens haben sich die Eltern bei irgendeinem<br />

Geldverleiher verschuldet, um z.B. einen Krankenhausaufenthalt<br />

bezahlen zu können. Da sie das Geld durch überhöhte Zinsen wahrscheinlich<br />

zeitlebens nicht mehr abzahlen können, verleihen sie die<br />

Arbeitskraft ihrer Kinder an die Minenbesitzer, die meistens mit den<br />

Geldverleihern identisch sind! Somit sind sie moderne Sklaven. Die<br />

Kinder müssen dann sechs Tage in der Woche für einen Hungerlohn<br />

von 300 Rupien (weniger als sechs Euro) wöchentlich arbeiten.<br />

Dabei sieht man dort 10-jährige Knaben, die<br />

in körperlich sehr schlechter Verfassung sind,<br />

an 45 Kilogramm schweren Pressluft-hämmern<br />

stehen, teilweise sogar festgekettet und<br />

die Granitblöcke aufbohren, obwohl das<br />

selbst für einen Erwachsenen Knochenarbeit<br />

ist. „Ohrenschützer, Helme, Mundschutz oder<br />

festes Schuhwerk gibt es nur in Ausnahmefällen“<br />

sagt Benjamin Pütter „Verletzungen<br />

sind daher an der Tagesordnung!“<br />

Auf Grund dieser katastrophalen Arbeitsbedingungen<br />

liegt die Lebenserwartung der<br />

Kinder bei nur ungefähr 35 Jahren. Auch beim<br />

Sprengen der Granitblöcke müssen Kinder<br />

mitarbeiten, und da die Sprengungen ohne<br />

größere Sicherheitsvorkehrungen stattfinden<br />

kommt es auch hier zu häufigen Unfällen, die<br />

aber scheinbar als geplantes Risiko angesehen<br />

werden.<br />

Zu dieser körperlich schweren Arbeit kommen<br />

auch noch die elenden sozialen Verhältnisse,<br />

in denen die Kinder aufwachsen. Meist<br />

leben sie in Zeltcamps vor oder direkt im<br />

Steinbruch, weit ab von irgendwelchen Ortschaften,<br />

es gibt dort weder Schulen noch<br />

sonstige Einrichtungen für die Heranwachsenden.

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