November 07 10ter Jahrgang - Archiv
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06 FREIeBÜRGER<br />
Wer Radio Dreyeckland (RDL) kennt,<br />
weiß: Finanzkrisen sind keine wirkliche<br />
Neuheit für das Freie Radio in Freiburg.<br />
Als nicht-kommerzielles, linkes Medienprojekt<br />
wird man nun nicht mal mit Geld<br />
beworfen. Aber so ernst war es noch nie:<br />
Seit Monaten kann RDL die Miete nicht<br />
mehr bezahlen, die Programmzeitung<br />
wurde eingestellt, defekte Studiotechnik<br />
bleibt defekt. Es fehlt das Geld zur Reparatur<br />
oder für Neuanschaffungen. Die<br />
ersten „festen Freien“, die bisher mit einem<br />
Pauschalhonorar rechnen konnten,<br />
haben Hartz IV-Anträge gestellt.<br />
Spenden für Radio Dreyeckland<br />
Das älteste freie Radio der Bundesrepublik in Finanznot<br />
Hintergrund der Krise ist ein zermürbender<br />
Streit mit der Landesanstalt für Kommunikation<br />
(LfK), der Medienbehörde im<br />
Ländle. Im Kern geht es um das „Morgenradio“,<br />
eine werktägliche Schiene von 8-<br />
10 Uhr, die seit 2006 auf der 102,3 Mhz zu<br />
hören ist. Dieses Morgenradio wird in Freiburg<br />
über den Sender Vogtsburg und in Schopfheim/Lörrach über<br />
den Sender Hohe Möhr ausgestrahlt. Damit will Radio Dreyeckland<br />
seinem Namen gerecht werden: Ein regional ausgerichtetes Programm<br />
für das Dreyeckland. So war es bei der LfK beantragt, so<br />
wurde es anfangs gefördert, aus Rundfunkgebührenmitteln des<br />
Landes. Bald jedoch drehte die LfK den Geldhahn wieder zu. Die<br />
Fördergelder wurden 2006 reduziert und im April 20<strong>07</strong> schließlich<br />
ganz eingestellt. Radio Dreyeckland produziere kein eigenständiges<br />
Programm für das Sendegebiet Hohe Möhr, hieß es als Begründung.<br />
Lange Auflistungen der Interviews mit zahlreichen Projekten,<br />
Organisationen, Gruppen aus dem Lörracher und Basler Raum<br />
beeindruckte die Behörde nicht. Genauso wenig die Tatsache, dass<br />
das Morgenradio seit Mai 20<strong>07</strong> zum Teil aus einem eigens eingerichteten<br />
Studio in Lörrach sendet.<br />
Radio Dreyeckland zog vor Gericht, um mit einer einstweiligen Anordnung<br />
die Auszahlung der Gelder zu erstreiten. Denn das nicht<br />
vorhandene Geld wurde gleichzeitig ausgegeben, auch um den<br />
Anspruch auf die Fördergelder nicht zu verlieren. Das Sendestudio<br />
in Lörrach wurde aufrechterhalten, die Honorare gezahlt. Bei Radio<br />
Dreyeckland türmten sich die Schulden.<br />
Anfang Oktober hat nun das Verwaltungsgericht Stuttgart die Verweigerung<br />
der Rundfunkgebührenmittel durch die LfK für rechtens<br />
erklärt. Nach einem sechsmonatigen „Eilverfahren“ befanden die<br />
Richter, es handle sich hier um eine „Ermessungserwägung der Behörde“.<br />
Radio Dreyeckland hat bereits Beschwerde eingelegt gegen<br />
dieses Urteil. Allerdings ist das politische Klima im Ländle eher<br />
eine Klimakatastrophe und so sieht Andreas Reimann, langjähriger<br />
Redakteur, die Lage realistisch: „Seit bei der LfK Thomas Langheinrich<br />
als Chef eingesetzt wurde, ein Mann aus der Riege von<br />
Ministerpräsident Oettinger, weht den freien Radios ein schärferer<br />
Wind entgegen. Wir sind oft gegen die einseitige Medienpolitik<br />
aus Stuttgart vor Gericht gezogen. Das hat uns dort nicht gerade<br />
Freunde verschafft.“<br />
Mit Einsparungen und Privatkrediten kann sich RDL nun nicht länger<br />
über Wasser halten. Ausstehende Forderungen, wie 6000 Euro<br />
für Leitungskosten zum Sender Hohe Möhr, deren Zahlung die LfK<br />
seit April ebenfalls verweigert, stehen als Konkursdrohung im Raum.<br />
Zusätzlich spitzt sich die Förderpolitik im Land immer weiter zu.<br />
„Die Mittel für freie Radios sollen reduziert werden. Gelder soll es<br />
vermehrt nur noch für Projekte geben, die inhaltliche Auflagen er-<br />
füllen – das bedeutet einen Eingriff in die<br />
Programmfreiheit von freien Radios“, fasst<br />
Andreas Reimann die Entwicklung zusammen.<br />
Radio Dreyeckland setzt daher jetzt auf die<br />
Solidarität der Hörerinnen und Hörer und<br />
aller Menschen, die ein selbstverwaltetes,<br />
unabhängiges Radio ohne Werbung für<br />
eine gute Sache halten. Noch immer sorgen<br />
etwa 150 RedakteurInnen, die ehrenamtlich<br />
rund um die Uhr senden, in 14 verschiedenen<br />
Sprachen, für die nötige Vielfalt<br />
in der Medienlandschaft. Im Gruppenradio<br />
senden immer wieder Streetpunks,<br />
auch die FREIeBÜRGER-Redaktion hat sich<br />
dort schon vorgestellt und Uli vom<br />
FREIeBÜRGER bestreitet seit Jahren die<br />
„Panne Show“. Noch immer ist Radio<br />
Dreyeckland ein lebendiges Projekt, getragen<br />
von Menschen verschiedener Herkunft,<br />
verschiedener Generationen, unterschiedlicher<br />
sexueller Orientierung, unterschiedlichen<br />
Haarfarben und Schuhgrößen. Unzählige Organisationen,<br />
Gruppen, Projekte und Einzelpersonen haben in den letzten<br />
30 Jahren die Gelegenheit genutzt, über die 102,3 Mhz mit ihren<br />
Anliegen an die Öffentlichkeit zu gehen. Auf ihre Unterstützung<br />
setzt RDL jetzt: „Wir brauchen 500 mal 50 Euro Spenden bis Jahresende“,<br />
so Reimann, „und um das nächste Jahr zu überstehen, reicht<br />
unser Freundeskreis mit 1.300 zahlenden Mitgliedern nicht aus. Mit<br />
4.000 Mitgliedern wäre unsere Finanzierung gesichert. Wenn jedeR<br />
Zehnte unserer 40.000 HörerInnen Mitglied werden würde, wäre<br />
Radio Dreyeckland wirklich unabhängig.“<br />
Eine Mitgliedschaft bei RDL kostet 3 Euro im Monat für Nicht-<br />
Verdienende und 5,50 für Verdienende. Im Moment gibt es für einen<br />
Eintritt sogar ein Geschenk: Die Radio Dreyeckland-DVD (für Computer)<br />
zu 30 Jahren freier Radiogeschichte.<br />
Birgit Huber<br />
RDL