Re-Präsentationen - PUB - Universität Bielefeld
Re-Präsentationen - PUB - Universität Bielefeld
Re-Präsentationen - PUB - Universität Bielefeld
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Migrationsgesellschaftliche <strong>Re</strong>-<strong>Präsentationen</strong><br />
María do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan thematisieren <strong>Re</strong>präsentation<br />
nicht nur im Sinne von Darstellung und Vertretung, sondern<br />
auch als Indikator für politische Partizipation und fokussieren damit<br />
<strong>Re</strong>präsentation als Machtfrage. Darüber hinaus problematisieren die<br />
Autorinnen den vorschnellen Ruf nach Selbstrepräsentation und der<br />
„authentischen Stimme“. Wissen, Macht und Gewaltverhältnisse als<br />
Kennzeichen von <strong>Re</strong>präsentationsverhältnissen werden in diesem<br />
Beitrag, der letztlich auf die Unmöglichkeit adäquater <strong>Re</strong>präsentation<br />
verweist, aus postkolonialer Perspektive analysiert.<br />
Hier schließt der Beitrag von Astrid Messerschmidt an, die <strong>Re</strong>präsentationsverhältnisse<br />
auf der Folie der postnationalsozialistischen bundesrepublikanischen<br />
Wirklichkeit betrachtet. Die Autorin zeigt auf,<br />
wie rassistische Bilder und Stereotype aus der Zeit des NS auch heute<br />
noch Eingang in die Sprache von Politikern finden, wie und welche<br />
Welt- und Menschenbilder des Nationalsozialismus immer wieder<br />
aktualisiert werden und wie sich der Erinnerungsdiskurs der Mehrheitsgesellschaft<br />
in den vergangenen Jahren verändert hat, weg von<br />
der zentralen Frage der Verantwortung für Krieg und Völkermord, hin<br />
zu einer Fokussierung des eigenen Opferseins. Messerschmidt zeigt<br />
auf, dass die Shoah nicht als Fixpunkt einer nationalen Identität taugt<br />
und spricht Möglichkeiten an, wie Erinnerungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft<br />
aussehen könnte.<br />
Mark Schrödter insistiert in seinem Beitrag darauf, dass es möglich<br />
und erforderlich sei, objektive Urteile darüber zu treffen, ob Rassismus<br />
vorliegt oder nicht. Anhand der Interpretation eines Interviews zeigt<br />
er die von der „objektiven ethnischen Ordnung der Gesellschaft“ bedingten<br />
Wirkungsweise von Rassismus auf. Schrödters Anliegen ist es<br />
darzulegen, wie einem naiven positivistischen Objektivismus ebenso<br />
die Absage erteilt werden kann wie einer naiven subjektivistischen<br />
Standpunktepistemologie. Der Autor plädiert dafür, nicht so sehr die<br />
Alternative zwischen wissenschaftlicher Deutungshoheit einerseits<br />
oder Souveränität der Deutungsmacht der vom Rassismus Betroffenen<br />
andererseits nachzugehen, sondern Urteile auf methodisch überprüfbare<br />
Verfahren der Erkenntnisgewinnung zu gründen.<br />
24<br />
Anne Broden & Paul Mecheril<br />
Im zweiten Buchkapitel werden Artikulation, Sprechen und Verstehen<br />
als Verhinderung, Paradoxie, Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit<br />
thematisiert.<br />
Grada Kilomba zeichnet in ihrem Beitrag die verschiedenen Taktiken<br />
und Herrschaftsmechanismen auf, in denen Minorisierte gewaltvoll<br />
zum Schweigen gebracht werden, um Herrschaftsverhältnisse und<br />
Dominanzpraxen zu legitimieren und zu stabilisieren. Sie zeigt anhand<br />
kolonialer Praxen und deren Persistenz in der postkolonialen Gesellschaft,<br />
wie Strategien des Rassismus nach wie vor virulent sind. Am<br />
Beispiel Schwarzer Wissenschaftlerinnen illustriert sie die Wirkmächtigkeit<br />
des kolonialen Diskurses. Ein Ausweg aus den rassistischen Positionierungen<br />
kann, so die Autorin, in der Dekonstruktion des weißen<br />
Zentrums liegen, um mit der beständigen <strong>Re</strong>produktion von Traumata<br />
zu brechen.<br />
Krassimir Stojanov erläutert in seinem Beitrag das paradoxe Verhältnis<br />
zwischen kultureller Zugehörigkeit und Subjektautonomie. Beide<br />
Begriffe bzw. die Beziehung dieser Begriffe zueinander werden in Hinblick<br />
auf ihre pädagogischen Konsequenzen analysiert. Der Autor vertritt<br />
die These, dass der vermeintliche Widerspruch des Verhältnisses<br />
von (kultureller) Zugehörigkeit und Subjektautonomie für Bildungsprozesse<br />
produktiv zu nutzen ist. Einige Merkmale für ein innovatives<br />
und transformierendes Zusammendenken dieser paradoxen Perspektiven<br />
werden mit Blick auf soziale und (schul-)pädagogische Strukturen<br />
benannt.<br />
Der Beitrag von Leah Carola Czollek und Gudrun Perko geht einer<br />
weiteren Paradoxie nach, nämlich der Unmöglichkeit und gleichzeitigen<br />
Unumgänglichkeit des Verstehens. In Form eines Dialogs zeigen<br />
die beiden Autorinnen auf, dass Verstehen „eigentlich“ nicht möglich<br />
ist, Nicht-Verstehen hingegen die „Normalität“ darstellt und dennoch<br />
immer wieder Kommunikation gelingt. Der Dialog, angereichert mit<br />
jüdischem Humor, Graffitis, „queerer, transgender und cyberborgischer<br />
Perspektive“ führt die Unmöglichkeit und Unvermeidbarkeit<br />
des Verstehens vor. Das Andere des Anderen wird gerade in der Wahrnehmung<br />
der Grenzen des Verstehens deutlich.<br />
25