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Re-Präsentationen - PUB - Universität Bielefeld

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Politik der <strong>Re</strong>präsentation<br />

präsentationspolitiken stabilisiert werden. Scheinbar paradoxerweise<br />

macht eine Politik der <strong>Re</strong>präsentation nur dann Sinn, wenn sowohl<br />

die Subjekte als auch der Prozess der <strong>Re</strong>präsentation permanent einer<br />

Problematisierung zugeführt werden. Die Ziele anti-hegemonialer<br />

Politiken riskieren deswegen ins Leere zu laufen, wenn die konstitutive<br />

Macht der eigenen <strong>Re</strong>präsentation unbeachtet bleibt. Eine Lösung<br />

des Problems der <strong>Re</strong>präsentation darin zu suchen, die Kategorie „Migrantin“<br />

aus rein „strategischen“ Motiven heraus zu nutzen, löst das<br />

grundlegende Problem der <strong>Re</strong>präsentation allein deshalb nicht, da die<br />

Strategie selbst Effekte hervorbringt, die die intendierten Ziele jederzeit<br />

subvertieren können (vgl. Butler 1990, 4). Spivak bemerkt in diesem<br />

Zusammenhang, dass es nicht möglich ist, nicht essentialistisch<br />

zu sein, weswegen sie für einen „strategischen Essentialismus“ plädiert<br />

(vgl. Spivak 1996, 7, 205; vgl. auch Castro Varela 2003). Dieser ermöglicht<br />

es über und für eine minorisierte Gruppe zu sprechen, diese zu<br />

repräsentieren, obschon die Fallen dieser <strong>Re</strong>präsentation offenkundig<br />

sind. Doch da ansonsten die Stimmen dieser nicht vernommen werden,<br />

bleibt die Verantwortung, diese zu repräsentieren. Man kann diesem<br />

Dilemma nicht einfach ausweichen, indem man eine <strong>Re</strong>präsentation<br />

verweigert. Eine der größten Herausforderungen liegt deshalb in der<br />

effektvollen Problematisierung der Kategorien selbst, die unhinterfragt<br />

als Instrumente der Kritik fungieren. Eine wichtige Konsequenz postkolonialer<br />

Intervention ist insoweit, dass Kategorien wie etwa „Migrantin“<br />

nicht als stabile, sondern irritierende Signifikanten gelten.<br />

Von der Unmöglichkeit adäquater <strong>Re</strong>präsentation<br />

Eins der Ziele herrschaftskritischer Theoriebildung ist es, eine Sprache<br />

zu entwickeln, die in der Lage ist, minorisierte Gruppen adäquat zu<br />

repräsentieren und die Gewalt unterdrückerischer Sprache aufzudecken<br />

und zu skandalisieren. Doch die politische und linguistische <strong>Re</strong>präsentation<br />

determiniert irritierenderweise immer auch die Kriterien,<br />

denen zufolge das Subjekt geformt wird, so dass <strong>Re</strong>präsentation nur<br />

für diejenigen gültig sein kann, die Anerkennung als Subjekt finden.<br />

Die Anerkennung als Subjekt geht der <strong>Re</strong>präsentation unweigerlich<br />

voraus. Wie nun Butler in Anlehnung an Foucault zeigt, produziert die<br />

Macht die Subjekte, die analog repräsentiert werden. Das minorisierte<br />

32<br />

María do Mar Castro Varela & Nikita Dhawan<br />

und marginalisierte Subjekt wird diskursiv durch eben das politische<br />

System hergestellt, welches vorgibt, es zu emanzipieren (vgl. Butler<br />

1990). Wenn nun die Diskurse das produzieren, was sie lediglich zu repräsentieren<br />

vorgeben, so bedeutet dies auch, dass die entscheidende<br />

Frage nicht jene ist, die nach den Möglichkeiten einer adäquaten <strong>Re</strong>präsentation<br />

sucht, sondern dass es vielmehr darum gehen muss, herauszufinden,<br />

wie das Subjekt durch die Machtstrukturen sozialer Widerstandsbewegungen<br />

produziert und eingeschränkt wird (vgl. Butler<br />

1990, 2).<br />

Westliche kritische Theorie legt häufig einen kolonisierenden Impetus<br />

an den Tag, indem sie geradezu erwartet, dass sich postkoloniale<br />

Subjekte ohne Widerrede ihren Vorstellungen von „Unterdrückung“<br />

und „Emanzipation“ fügen. Dabei wird die so genannte ‚Dritte Welt‘<br />

produziert oder auch der ‚Orient‘ als ein Raum konstruiert, für den<br />

etwa die Unterdrückung der Frauen aufgrund seines essentiellen<br />

nichtwestlichen ‚Primitivismus‘ und ‚Barbarismus‘ geradezu symptomatisch<br />

ist (vgl. Castro Varela/Dhawan 2006, Said 1997). Die Folgen<br />

hiervon sind z. B. quasi-normalisierte Darstellungen von MigrantInnen<br />

als die Anderen. Sie besetzen heute den imaginären Raum, den vormals<br />

die Kolonisierten besetzten: Für die Dominanzbevölkerung<br />

verkörpern sie gleichzeitig das „Bedrohliche“, „Barbarische“ und „Exotische“.<br />

Über einen anhaltenden Diskurs um innere Sicherheit und<br />

Terrorismus sind MigrantInnen zum lebendigen und beschreibbaren<br />

„Sicherheitsrisiko“ geworden. Sie sind scheinbar der Grund dafür, warum<br />

mehr und mehr BürgerInnenrechte abgebaut werden, ohne dass<br />

sich wirklicher Widerstand dagegen rührt. MigrantInnen stellen aber<br />

auch das „Barbarische“ dar. Sie müssen deswegen in den verordneten<br />

Orientierungskursen, die der so genannten Integration dienen sollen,<br />

lernen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Insbesondere<br />

Menschen aus Ländern mit muslimischen Mehrheiten stehen unter<br />

dem beständigen Verdacht, die Menschenrechte zu missachten. So<br />

werden Menschen aus postkolonialen Ländern nach wie vor als nichtmoderne<br />

Subjekte gekennzeichnet, die noch in die Moderne finden<br />

müssen. Und wieder scheint es dabei die „Bürde des weißen Mannes“<br />

zu sein, die „Andere Frau vor den Anderen Mann“ zu retten (vgl. Spivak<br />

1988).<br />

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