OB-Wahl: Nur die Hälfte geht zur Urne - zfd-online.net
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Jeder Tritt aufs Gaspedal kostet ein Stück Wald<br />
10 Jahre Waldschadenforschung<br />
80 Prozent<br />
zuviel Stickoxide<br />
60.000 Autos zuviel<br />
und was in Darmstadt getan wird<br />
Das Bundesforschungsministerium veröffentlicht <strong>die</strong> Ergebnisse von mehr<br />
als 800 Wissenschaftlern, <strong>die</strong> im Auftrag der Bundesregierung 10 Jahre<br />
lang versuchten, hinter <strong>die</strong> Ursachen für das Waldsterben zu kommen.<br />
Glaube nur niemand: Was <strong>geht</strong> das mich an, das ist doch nur etwas für<br />
Waldschrate und alte Leute. Die Grundlagen unseres Lebens, <strong>die</strong> Luft und<br />
vor allem unser Grundwasser sind höchst gefährdet. Überleben <strong>die</strong><br />
Wälder nicht, dann haben auch wir nur noch geringe Aussichten auf ein<br />
gesundes Leben. Das Ergebnis der Stu<strong>die</strong>.<br />
„Einschneidende Maßnahmen sind<br />
nötig, um <strong>die</strong> Belastung auf ein verträgliches<br />
Maß zu senken“. Gemeint sind<br />
damit <strong>die</strong> Autofahrer, denn während „bei<br />
Kraftwerken und Industrieanlagen deutliche<br />
Erfolge“ beim Rückgang der Stickoxide<br />
verzeich<strong>net</strong> wurden (seit 1982 um<br />
70 Prozent) stiegen <strong>die</strong> Abgase aus PKW<br />
so stark an, daß eine Minderung „weitgehend<br />
aufgehoben “ wurde – trotz Katalysator.<br />
In Darmstadt sind über 80.000<br />
Autos für 55.000 Haushalte zugelassen –<br />
mindestens 60.000 zuviel, denn „grobe<br />
Schätzungen haben ergeben…, daß<br />
Schwefeldioxide um 80 bis 90% reduziert<br />
werden müßten“, so <strong>die</strong> Bundesregierung.<br />
Es ist nicht so, wie viele denken,<br />
„was macht es schon, wenn ich mit meinem<br />
Auto fahre“ – <strong>die</strong> Vielzahl der<br />
PKW-Bewegungen ad<strong>die</strong>rt sich zu ungeheuren<br />
Mengen an Schadstoffen.<br />
Das alles ist nicht neu, und allein mit<br />
dem Bewußtsein <strong>die</strong>ser platten Erkenntnis<br />
leben, heißt, den Wald weiter sterben<br />
lassen.<br />
Ein Spaziergang im Winter durch den<br />
Wald läßt das Ausmaß erst erkennen:<br />
Der Bestand ist stark gelichtet, und wo<br />
ehedem <strong>die</strong> Neugier angespornt war, wie<br />
es wohl hinter <strong>die</strong>sen Tannen oder jenen<br />
Lärchen aussehen mag, ist in wenigen<br />
Jahren <strong>die</strong> Durchsicht Regel, wie heute<br />
bereits im Westwald.<br />
Baumkrankheiten wie „Storchennester“<br />
(flache, breite Baumkronen), „Angstreiser“<br />
in Armhöhe an normalerweise<br />
schlanken Buchenstämmen, fehlende<br />
Seitentriebe in den Kronen, entlaubte<br />
Zweige, fallende Rinden - <strong>die</strong> Liste ist<br />
lang. Kein Vorbei gibt es an den vielen<br />
bereits wieder gefallenen Bäumen, <strong>die</strong><br />
trotz emsiger Abräumarbeiten der Forstleute<br />
überall im Wald zu finden sind –<br />
auch ohne Sturm.<br />
Obwohl bereits in den sechziger Jahren<br />
Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen<br />
im norddeutschen Forschungs-<br />
Projekt „Solling“ wesentliche Ursachen<br />
und Symptome erkannt und gewarnt hatten,<br />
trat <strong>die</strong> Bundesregierung erst 1981<br />
auf den Plan. Sie beauftragte an verschiedenen<br />
Standorten Wissenschaftler mit<br />
exakteren Untersuchungen, denn <strong>die</strong> bis<br />
dahin vorliegenden Erkenntnisse<br />
beschrieben keinen Ausweg aus der<br />
hoffnunglosen Zukunftsperspektive.<br />
Sehr schnell wurde klar, es ist nicht das<br />
Schwefeldioxyd allein oder das Ozon, es<br />
kamen sehr schnell weitere schädigende<br />
Chemikalien hinzu, <strong>die</strong> als Folge von<br />
landwirtschaftlicher, industrieller Produktion<br />
und vor allem des Verkehrs eine<br />
Vielzahl ineinander wirkender schädlicher<br />
Einflüsse für unsere Wälder darstellen.<br />
Die von Wissenschaftlern erstmals in<br />
den siebziger Jahren vorgetragene<br />
Bezeichnung „Ökosystem“ (auch als<br />
Biosystem bezeich<strong>net</strong>), und von der Politik<br />
als grüne Spinnerei belächelte Vokabel,<br />
ist in <strong>die</strong> ernsthafte politische Vorgabe<br />
der Erforschung des „Ökosystems<br />
Wald“ eingegangen. Exaktes Beobachten<br />
der Veränderung verschiedener Baumarten<br />
in unterschiedlich belasteten<br />
Regionen erwies sich sehr schnell als<br />
nicht ausreichend, denn es besagte nichts<br />
über <strong>die</strong> Ursachen. So blieb das Kiefernsterben<br />
ebenso wie das Fallen der Tannen<br />
in Süddeutschland zunächst „rätselhaft“.<br />
Erst als auch Fichten und Laubbäume<br />
ähnliche Symptome zeigten, kam<br />
man auf <strong>die</strong> Idee, auch einmal unter der<br />
Erde an den Wurzeln Forschung zu<br />
betreiben.<br />
Sicher war zu dem damaligen Zeitpunkt<br />
lediglich der Zusammenhang zwischen<br />
Luftschadstoffen (<strong>die</strong>s wird bereits seit<br />
1870 erfolgreich im Erzgebirge bestaunt)<br />
und dem Fallen der Bäume. Biologen<br />
und Chemiker waren jetzt gefordert:<br />
Was passiert, wenn ein Baum aus der<br />
Luft oder dem Wasser (und damit dem<br />
Boden) Nährstoffe und mit ihnen Chemikalien<br />
aufnimmt? Neue Beobachtungsverfahren<br />
wurden entwickelt, und so<br />
kann heute <strong>die</strong> Nährstoff-Aufnahme von<br />
der Wurzelspitze bis in <strong>die</strong> letzte Zelle<br />
verfolgt werden. Weniger eindeutig sind<br />
<strong>die</strong> Erkenntnisse: das Problem bilden<br />
chemische Verbindungen und deren Folgen.<br />
Allein aus dem Auspufftopf eines<br />
PKW kommen „neben den Gasen …<br />
weitere, zum Teil stark giftige Stoffe,<br />
wie nitrierte und halogenierte Aromaten<br />
… dreißig verschiedene hat man am<br />
Rande der Straße“ bis heute nachweisen<br />
können. Aber während man noch auf der<br />
Suche nach den Schadstoffen selbst ist,<br />
muß sich <strong>die</strong> Wissenschaft gleichzeitig<br />
damit beschäftigen, in welchen Wechselwirkungen<br />
<strong>die</strong>se und andere Schadstoffe<br />
im komplizierten Lebenshaushalt Waldboden,<br />
Kleingetier, Photosynthese (Nahrungsaufnahme<br />
des Baumes) und Waldsterben<br />
stehen.<br />
Ein Baum braucht lange zum Wachsen,<br />
und Schäden aus mangelhafter oder verseuchter<br />
Nahrungsaufnahme müssen<br />
über lange Zeiträume beobachtet werden,<br />
bevor Zusammenhänge erkennbar<br />
sind – und dann bestehen kräftige Zweifel,<br />
ob das Erkannte auch richtig ist.<br />
Um <strong>die</strong>sen vielfältigen Verflechtungen<br />
auf <strong>die</strong> Spur zu kommen, <strong>geht</strong> es nicht<br />
ohne Chemie: Schwefeldioxid, Stickoxide,<br />
Ammoniak, Kadmium, Salpeter,<br />
Salzsäure, Magnesium, Ozon, Kalk und<br />
viele andere gehen Verbindungen ein,<br />
deren Kenntnis überhaupt erst ein Verständnis<br />
ermöglichen, wie ein Ökosystem<br />
Namens Wald funktioniert, und<br />
warum es gestört ist.<br />
Die Naturwissenschaft<br />
spricht heute nicht mehr<br />
von Kausalketten, sondern<br />
von Wirkungssystemen,.<br />
Es <strong>geht</strong> nicht mehr allein um<br />
das Sterben einzelner Bäume,<br />
sondern ganzer Wälder,<br />
der in ihnen lebenden Kleintiere<br />
und um verseuchtes Wasser<br />
„Die Notwendigkeit des ver<strong>net</strong>zten, des<br />
ökologischen Denkens ist auch und gerade<br />
durch <strong>die</strong> Waldschäden offenkundig<br />
geworden“, schreibt das Bundesforschungsministerium.<br />
„Auf und unter einem Quadratmeter<br />
Waldboden leben etwa 250 Regenwürmer,<br />
mehrere hundert Bodenspinnen,<br />
30.000 bis 60.000 Springschwänze…<br />
mehrere hunderttausend Nematoden,<br />
vorwiegend Bakterien und mehrere Millionen<br />
von Einzellern“ (so der Bericht).<br />
Ebenso groß wie ihre Zahl ist und so<br />
vielfältig ihre Funktionen untereinander<br />
sind in dem Gleichgewicht „Ökosystem“,<br />
ebenso viel Arbeit wird <strong>die</strong> Wissenschaft<br />
haben, um – wenn überhaupt –<br />
jemals klare Aussagen darüber treffen zu<br />
können, wie <strong>die</strong>ses komplexe System<br />
arbeitet. Dies aber ist <strong>die</strong> Voraussetzung<br />
dafür, daß das Waldsterben auf lange<br />
Sicht erfolgreich beendet werden kann.<br />
Wäre es da nicht sinnvoller, lieber öfter<br />
und immer öfter auf das Auto zu verzichten?<br />
Was passiert in Darmstadt?<br />
Darmstadt rangiert mit einem fast vollständig<br />
geschädigten Wald (96%) heute<br />
mit an vorderster Stelle in der Bundesrepublik,<br />
nach Sachsen: 8.000 Hektar<br />
Wald sind dort bereits eine verseuchte,<br />
tote Mondlandschaft,„für Deutschland<br />
ein trauriger Rekord“. Ende März stellte<br />
Darmstadts Umweltdezernent Heino<br />
Swyter (F.D.P.) den „Forstbericht 1992“<br />
vor. Die nahezu gleichen Aussagen wie<br />
im zuvor veröffentlichten Waldschadensbericht<br />
des Hessischen Forstamtes<br />
verleiteten einen der Urheber zu dem<br />
Kommentar, das ist doch nur abgekupfert“.<br />
Doch ganz wird <strong>die</strong>ser Kommentar<br />
dem Bericht (aufgesetzt von Gartenbaudirektor<br />
Ruoff) nicht gerecht, denn<br />
er hat erkannt, daß <strong>die</strong> „besonders hohe<br />
NOx-Belastung, verursacht durch <strong>die</strong><br />
sehr hohe innerörtliche Verkehrsbelastung<br />
und <strong>die</strong> Pendlerströme … reduziert<br />
werden muß“. Dies soll durch<br />
„Geschwindigkeitsbeschränkungen auf<br />
Straßen und Autobahnen, <strong>die</strong> durch<br />
Verhandlungen über einen Baum, der bereits gefällt ist<br />
Um einen Götterbaum, ein Stückchen<br />
Lebensqualität ging es den AnliegerInnen<br />
des Hauses Rhönring 17, als sie<br />
Widerspruch gegen <strong>die</strong> Fällgenehmigung<br />
der Stadt am 25.2. eingelegt hatten.<br />
Vergebens war ihr Gesuch bei den<br />
Behörden, denn dort wurde ihnen kein<br />
schriftlicher Bescheid erteilt, so daß<br />
Architekt Volker Schmidt (SPD) den<br />
Baum am 8.3. fällen lassen konnte (siehe<br />
ZD 46). Große Überraschung bei den<br />
AnliegerInnen: im April kamen vom<br />
Rechtsamt der Stadt Einladungen,<br />
am 11.5. über den Widerspruch zu<br />
verhandeln; „obwohl der Baum nicht<br />
mehr steht?“ fragten sie sich. Karl-<br />
Heinz Zuber nahm den Termin wahr<br />
und stellte der Assessorin des Rechtsamtes,<br />
Frau Demes, <strong>die</strong> Frage: „Worüber<br />
wollen wir denn verhandeln, der<br />
Baum ist doch gefällt?“<br />
Mit formalen Gründen antwortete sie:<br />
„Wir müssen Verhandlung über jeden<br />
Widerspruch führen“. Sie meinte, der<br />
Bescheid sei zu Recht ergangen, denn<br />
er, Zuber, habe als Dritter gar kein<br />
Widerspruchsrecht. Wer Widerspruch<br />
einlegen darf, ist in der Baumschutzsat-<br />
Nummer 48 · 14.5..1993 · Seite 4<br />
Noch ist der Wald nur licht und mit Halbschatten durchsetzt. Im Westwald zeich<strong>net</strong> sich heute jedoch schon <strong>die</strong> weitere Entwicklung<br />
ab, dort fallen immer mehr Bäume und in wenigen Jahren enstehen Kahlflächen. Im Frühjahr werden <strong>die</strong> Krankheiten<br />
durch das Grün ein wenig kaschiert. Foto as<br />
Waldgebiete der Stadt führen“, erreicht<br />
werden. Gleichzeitig schränkt Swyter<br />
ein, „es ist ja doch nur eine Frage von<br />
Sekunden, bis <strong>die</strong> Schnellfahrer wieder<br />
im Stau stehen“. Nebenbei erwähnt er<br />
auch <strong>die</strong> Müllverbrennungsanlage als<br />
NOx-Verursacher. Zahlen für <strong>die</strong><br />
Abgas-Minderung beispielsweise durch<br />
Untersuchungen, bei welchen Tempo-<br />
Beschränkungen wieviel Schadstoffe<br />
eingespart werden, hat das Umweltamt<br />
nicht parat. Auch ist kein Wort von Verminderung<br />
des Verkehrs zu lesen, gar<br />
von einem generellen Stop im Straßenbau,<br />
nicht einmal <strong>die</strong> Forderung wird<br />
aufgestellt. Auf der Roßdörfer Autobahn,<br />
dem Darmstädter Kreuz und der<br />
B3 soll Tempo 70 eingeführt werden -<br />
so ein Magistratsbeschluß vom 26.3.93,<br />
der trotz Zusage der ZD nicht zugestellt<br />
worden ist.<br />
Swyter und Ruoff erklären übereinstimmend:<br />
„Die Stadt Darmstadt hat … eine<br />
Vorreiterrolle übernommen“. Diese<br />
sehen unsere städtischen Umweltschützer<br />
eher in der „Festlegung der Wirtschaftsziele“<br />
bezogen auf das Fällen von<br />
Bäumen und das Verkaufen des Holzes,<br />
im Rahmen des „Verzichtes auf Kostendeckung<br />
im Forstbereich“.<br />
Dr. Arnulf Rosenstock vom Hessischen<br />
Forstamt sieht <strong>die</strong>s anders: „Der Wald<br />
ist für <strong>die</strong>se hohen Belastungen eine<br />
Fehlkonstruktion“, er spricht von einem<br />
„aberwitzigen Szenario“ und kritisiert<br />
<strong>die</strong> „Gesellschaft, <strong>die</strong> einen weiten<br />
Bogen um ihre Probleme macht. Die<br />
Grenzen des Wachstums“, so Rosenstock,<br />
„sind überschritten“. In krassem<br />
Gegensatz zu den Interessen der Stadt<br />
(<strong>die</strong> mehr Gewerbe ansiedeln und mehr<br />
Arbeitsplätze und Wohngebiete ausweisen<br />
möchte) steht seine Forderung an<br />
eben <strong>die</strong> Stadt, <strong>die</strong> „an den Regierungspräsidenten<br />
herantreten und andere Ziele<br />
im Regionalen Raumordnungsplan<br />
festhalten lassen sollte.“<br />
Den RROP-Entwurf hat <strong>die</strong> ZD bislang<br />
vergebens beim Regierungspräsidenten<br />
angefordert. M. Grimm<br />
zung (vom 22.9.83) jedoch nicht geregelt.<br />
Bislang hat Architekt Schmidt keinen<br />
Ersatzbaum pflanzen lassen, obwohl<br />
ihm <strong>die</strong>s <strong>zur</strong> Auflage in der Genehmigung<br />
gemacht worden war.<br />
Pikantes Bonmot am Rande: Das<br />
Rechtsamt hat weitere zahlreiche EinwenderInnen<br />
zu laden, denn sie waren<br />
alle nicht erschienen. Wozu denn auch,<br />
wenn der Baum gefällt ist, und sowohl<br />
<strong>die</strong> Behörden, als auch das Rechtsamt<br />
nicht für das Einhalten ihrer eigenen<br />
Satzungen sorgen. sb