Juni bis August 2010 - Epiphanien
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wohlig in meinem Bett einkuscheln kann. Meine Lietzenseer kannten<br />
mich und hatten deshalb Verständnis für mein<br />
Vorhaben, im Gemeindehaus eine Suppenküche<br />
einzurichten. Spenden wurden gesammelt,<br />
einige Haupt- und Ehrenamtliche konnten<br />
sich vorstellen, mir dabei zu helfen. Es<br />
hätte mit Beginn des folgenden Winters<br />
also losgehen können, - wenn nicht<br />
gerade in diesem Augenblick die<br />
Abwasserrohre im Gemeindehaus undicht<br />
geworden wären und eine Totalsanierung notwendig<br />
machten. Als ich davon im Pfarrkonvent berichtete, kam der Kollege<br />
Richwin aus der Trinitatisgemeinde auf mich zu und sagte in der ihm<br />
eigenen Art:“Bruder,-dann kommt ihr eben nach Trinitatis,- ich mach`<br />
das schon.“<br />
So begannen wir im Januar 1991 in der Trinitatiskirche mit unserer<br />
Suppenküche, indem wir in einem Raum neben der Sakristei auf einem<br />
Hockerkocher die angelieferte Suppe erwärmten und dann am Altar<br />
vorbei unter den Augen des segnenden Christus die Suppe in einen<br />
Nebenraum trugen, in dem wir von Anfang an unsere Besucher nicht<br />
als Bittsteller sondern als unsere Gäste bewirteten.<br />
Das hatte allerdings auch zur Folge, daß z.B. im nächsten Winter<br />
regelmäßig eine größere Gruppe von polnischen Besuchern kam, die<br />
merkwürdigerweise auf unsere einfache aber nahrhafte Suppe mit<br />
Unmut reagierten, was für uns wegen der Sprachprobleme zunächst<br />
völlig unverständlich war. Erst mit Hilfe unseres dolmetschenden<br />
Kirchwarts, Herrn Lesny, erfuhren wir, daß ein geschäftstüchtiger<br />
Busunternehmer aus Polen Einkaufsfahrten nach Berlin mit<br />
Mittagessen am Karl-<strong>August</strong>-Platz im Programm hatte. Kein Wunder,<br />
daß unsere polnischen Gäste verärgert waren, wenn sie merkten, daß<br />
sie in eine Armenküche geschickt worden waren.<br />
Ein andermal hatte Frau Sperling mit dem Schuhhaus Salamander<br />
ausgehandelt, daß unsere Suppenküchenbesucher jeweils ein Paar<br />
neue Schuhe bekommen sollten. So trafen wir uns vor offizieller<br />
Ladenöffnungszeit in der Filiale in der Wilmersdorfer Straße, und<br />
unsere Männer probierten ganz aufgeregt die bereitgestellten Schuhe<br />
an. Einer von ihnen, dem man immer noch anmerkte, daß er einmal<br />
bessere Zeiten gesehen hatte, suchte sich ein Paar Lackschuhe aus.<br />
Auf meine Frage, warum er sich nicht lieber feste Schuhe für die Straße<br />
ausgesucht habe, antwortete er mir: „Ach, Herr Pfarrer, vielleicht<br />
kommen ja auch noch `mal bessere Zeiten für mich.“ Als wir dann auch<br />
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