Juni bis August 2010 - Epiphanien
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Es stellt sich ein seelsorgerliches Erkennen her: Wie sehr unsere<br />
Überzeugungen auch mit eigener Lebensgeschichte verwachsen sind…<br />
Mein Erleben gerät dann mit meinen Worten in eine<br />
Übersetzungsarbeit. Theologisch wäre somit weniger die übliche<br />
„Vermittlung“ von alten Sprachen und Weltbildern gemeint, als eher die<br />
Wahrnehmung meiner tatsächlichen Lebenssituation. Daraus wandelt sich<br />
„Verkündigung“ in wirklichkeitsvermittelnde Praxis, in ein Lernen von und<br />
mit einander.<br />
Will ich das Übersetzen deuten wie ein Über–setzen über einen Fluß,<br />
dann weiß ich zugleich, daß ich manchen Ballast der Vergangenheit am<br />
hiesigen Ufer zurücklassen muß (Wer in den phasenhaften Wechseln des<br />
Lebens etwa von seiner großen alten Wohnung in ein viel kleineres<br />
Domizil wechseln mußte, weiß, wie das schmerzt…). Daß<br />
Überschreitungen jedoch auch für mich unausweichlich sind, steht außer<br />
Frage. Deshalb sind gerade die menschlichen Begegnungen in meiner<br />
Gemeinde so nötig, weil dort einer dem anderen ans Ufer neuer<br />
Erkenntnisse und Wagnisse verhilft.<br />
Dann wäre das wechselseitige Psalmlesen nicht die innovative<br />
Kommunikationsform etwa im Gottesdienst, sondern tatsächliche Fragen<br />
leiten in Liturgie und Predigt an zu lebensdienlichen Antworten.<br />
„Übersetzung“ ist dann nicht irgendwie verpackte Vermittlung der<br />
Wissenden an die Unwissenden, vielmehr begeben wir uns in den<br />
Austausch von Mit-Teilungen, als Gemeinschaft der Teilgebenden und –<br />
nehmenden.<br />
Ein Verständnis von Kirche als einer aus der „Welt“ herausragenden<br />
Insel ist vorbei. Wir arbeiten an einem Selbstverständnis von Orten des<br />
menschlich-geschwisterlichen Gespräches.<br />
Im Gegenversuch zu den zunehmend unpersönlichen Arbeitsverhältnissen<br />
erscheinen mir Austausch und Mitsprache immer nötiger.<br />
(Ähnlich zu beobachten an Menschen, die als Einzelne aus vorher<br />
druckvollen Arbeitsvorgängen eines Tages in beziehungslose Einsamkeit<br />
geraten). Gemeinde als Ort, wo wir nicht zweckorientiert von anderen<br />
verplant werden, vielmehr uns sinnvoll Gedanken machen dürfen im freien<br />
Miteinander. Dazu benötigen wir weniger ausgeliehenes Pathos, als<br />
selber durchgearbeitete Klarheit. Für mich bleiben in diesem nüchternheiteren<br />
Zukunftsdenken manche Worte Jesu vom Annehmen und<br />
einander Begleiten ermutigend. Wir Kirchenmenschen dürfen<br />
hinausstapfen in die Zukunft, in Reifungs-Schritten. Nicht nur, indem wir<br />
die alten Schuhe – aus Kindertagen vielleicht noch – wieder besohlen<br />
lassen. Ich möchte dringend lernen und reifen, weil die Freude am<br />
Entdecken auch ganz neue Liebe zum Leben verspricht.<br />
Pfarrer Wolfgang Bings<br />
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