Landtag Wahlkreis Halberstadt - DIE LINKE. Harz
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<strong>Harz</strong>kreis saniert sich auf Kosten schwerbehinderter Kinder<br />
Bericht vom Kreistag zur Sitzung am 12.09.2012<br />
Eberhard Schröder, Stellv. Vors. der Kreistagsfraktion<br />
Der Landkreis <strong>Harz</strong> hat 2011<br />
eine neue Geldquelle für sich<br />
erschlossen. Er beansprucht<br />
das Kindergeld für sich, das<br />
Eltern für ihre erwachsenen<br />
schwerbehinderten Kinder<br />
erhalten.<br />
Im Juni 2011 begann der<br />
Landkreis flächendeckend, sich<br />
im Steinbruch des<br />
Sozialstaates zu bedienen.<br />
Von allen 241 Familien, in denen ein erwachsenes<br />
schwerbehindertes Kind lebt, wollte der Kreis das<br />
Kindergeld haben. Auf einen Schlag wurden bei der<br />
Familienkasse Magdeburg 241 "Kindergeldabzweigungen"<br />
an den <strong>Harz</strong>kreis beantragt.<br />
Keine einzige Familie, schon gar nicht der Kreistag,<br />
wurde von dieser Nacht-und-Nebel-Aktion informiert.<br />
Über die Familienkasse ist es dem Landkreis so bisher<br />
gelungen, 150 Familien das Kindergeld zu entziehen<br />
oder wie es im Beamtendeutsch heißt "abzuzweigen".<br />
Bei weiteren 70 ist man noch dabei.<br />
In ihrer Not wandten sich im Mai 2012 Eltern an die<br />
Kreistagsfraktion <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>. Nach gründlicher<br />
Beschäftigung mit dem Thema war klar:<br />
Der Landkreis muß nicht so handeln. Es gibt<br />
Alternativen, die durch Gerichtsurteile gedeckt sind. So<br />
hat die Stadt Gera die Abzweigungen rückwirkend<br />
zurückgenommen, wo die Kinder in den Familien leben.<br />
Auch wird Gera für solche Fälle keine Abzweigung<br />
mehr durchführen.<br />
Deshalb schlugen wir noch im Juni 2012 vor diese<br />
"Abzweigungspraxis" zu beenden. Anfang September<br />
präzisierten wir unseren Vorschlag wie folgt:<br />
Der Landkreis beendet die Abzweigungspraxis, die seit<br />
Mitte 2011 angewandt wird und nimmt die<br />
Abzweigungen für die Fälle zurück, bei denen die<br />
behinderten Kinder von den Familien betreut werden.<br />
Dann werden Kindergeldabzweigungen nur noch in<br />
begründeten Ausnahmefällen angestrebt. Ausserdem<br />
soll der Landkreis die Familien, in denen ein<br />
behindertes Kind lebt, noch effektiver unterstützen.<br />
Mit dem knappsten aller möglichen<br />
Abstimmungsergebnisse, nämlich Stimmengleichheit,<br />
wurde unser Antrag abgelehnt. 18 Mitglieder des<br />
Kreistages stimmten mit ja und damit für das Ende der<br />
Abzweigungspraxis. Die Abstimmung erfolgte<br />
namentlich.<br />
Zu den 18 Kreistagsmitgliedern, die dagegen gestimmt<br />
haben und damit weiter das Kindergeld den Familien<br />
entziehen wollen, gehören der Landrat Dr. Michael<br />
Ermrich (CDU), der Fraktionsvorsitzende Thomas<br />
Balcerowski (CDU), der Vorsitzende des<br />
Sozialausschusses Michael Schubert (SPD) und die<br />
amtierende Kreistagsvorsitzende Christa Grimme<br />
(SPD).<br />
8 Kreistagsmitglieder enthielten sich tapfer der Stimme,<br />
darunter die Fraktionsvorsitzenden Birgit Voigt (SPD)<br />
und Stefan Brüne-Wonner (Grüne).<br />
Die Linksfraktion wird die betroffenen Eltern weiter<br />
unterstützen. So findet am 25.09.12 ab 10:00 Uhr in<br />
der Gaststätte Samocca (Lange Gasse 30 in<br />
Quedlinburg) eine Beratung mit der Elterninitiative statt,<br />
an der Eberhard Schröder (<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>) teilnehmen<br />
wird. Betroffene Eltern und interessierte<br />
Kreistagsmitglieder sind herzlich eingeladen.<br />
Auf der Homepage der Linksfraktion (www.dielinkefraktion-harz.de)<br />
sind das Abstimmungsverhalten aller<br />
Kreistagsmitglieder und Informationen zur<br />
Kindergeldabzweigung nachlesbar. (18.09.2012)<br />
Zum Änderungsantrag 825.2/2012<br />
Betreff: Abzweigungspraxis von Kindergeld an den<br />
Landkreis <strong>Harz</strong> als Träger der Sozialhilfe beenden<br />
Beschlussvorschlag:<br />
1. Der Landkreis beendet seine seit 2011 geübte<br />
Praxis, Anträge auf Abzweigung des Kindergeldes<br />
von volljährigen Kindern mit Behinderung zu stellen.<br />
2. Der Landkreis sorgt zeitnah dafür, dass durch<br />
das Sozialamt beantragte und durch die<br />
Familienkasse bereits entschiedene bzw. dort noch<br />
anhängige Fälle, zurückgenommen werden.<br />
3. Der Landkreis stellt künftig nur noch in<br />
begründeten Ausnahmefällen nach eigener<br />
gründlicher Vorprüfung und unter Beachtung der<br />
Urteile des 5. Senats des FG Sachsen-Anhalt sowie<br />
des Finanzgerichts Münster Anträge zur Abzweigung<br />
von Kindergeld.<br />
4. Der Landkreis unterstützt Familien mit<br />
behinderten Angehörigen, die ihre Kraft dringend für<br />
die Pflege und Betreuung ihrer Angehörigen<br />
benötigen, noch intensiver bei der Bewältigung<br />
bürokratischer Verfahren.<br />
Begründung:<br />
Der Landkreis stellte ab Juni 2011 für alle Familien,<br />
in den erwachsene Kinder Behinderungen Leben<br />
Anträge auf die Abzweigung von Kindergeld. Diese<br />
Anträge erfolgten offenbar ohne eine eigene gründliche<br />
Vorprüfung der konkreten Situation in den Familien.<br />
Der Landkreis beruft sich dabei auf eine<br />
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes vom<br />
17.12.2008. Dieses Urteil enthält die KANN-<br />
Formulierung „Nach § 74 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Sätze 1<br />
und 3 EStG kann das für ein Kind festgesetzte<br />
Kindergeld nach § 66 Abs. 1 EStG auch an die Person<br />
oder Stelle ausgezahlt werden, die dem Kind Unterhalt<br />
gewährt…“