BRAUNSCHWEIGERJOURNAL - Cyty-Braunschweig
BRAUNSCHWEIGERJOURNAL - Cyty-Braunschweig
BRAUNSCHWEIGERJOURNAL - Cyty-Braunschweig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Braunschweig</strong>er Journal 21<br />
Ausgabe 1/2012<br />
Die älteste Sozialsiedlung der Welt<br />
Text: Wibke Ihlenburg-Dreessen • Foto: Klaus Ihlenburg<br />
Häuser der “Fuggerei” in Augsburg<br />
Am 23. August 1521 stiftete<br />
der reiche Augsburger Kaufmann,<br />
Bankier und Bergwerksunternehmer<br />
Jakob Fugger<br />
("der Reiche") in der Freien<br />
Reichsstadt Augsburg eine<br />
Wohnsiedlung für "würdige<br />
Arme", die schon bald "Fuggerei"<br />
genannt wurde. Sie ist die<br />
älteste noch bestehende Sozialsiedlung<br />
der Welt und eine<br />
der berühmtesten Stiftungen<br />
Europas. Bis heute hält sich die<br />
Stifterfamilie an die von Jakob<br />
Fugger festgelegte Jahresmiete:<br />
ein Rheinischer Gulden,<br />
damals der Wochenlohn eines<br />
Arbeiters. Das ist heute vergleichsweise<br />
weniger, denn<br />
umgerechnet ist eine jährliche<br />
Kaltmiete von 0,88 Euro zu<br />
zahlen. Hinzu kommen weitere<br />
0,88 Euro für den Fuggerei-<br />
Geistlichen. Die Mieter müssen<br />
katholisch sein und täglich<br />
drei Gebete (ein Vaterunser,<br />
ein Glaubensbekenntnis und<br />
ein Ave Maria) für das Seelenheil<br />
des Stifters und der Stifterfamilie<br />
sprechen. Seit 1660<br />
sind die Fuggerschen Stiftungswälder<br />
Grundlage für die<br />
Forstwirtschaft, deren Ertrag<br />
heute noch den Erhalt der Fuggerei<br />
sichert.<br />
In den 67 Reihenhäusern mit<br />
ca. 140 Wohnungen leben zur<br />
Zeit rund 150 überwiegend<br />
ältere Menschen. Früher<br />
wohnten hier bis zu 400 Personen,<br />
darunter viele Familien<br />
mit Kindern. Eine Einheit mit<br />
zwei Zimmern, Flur, Küche<br />
und Bad umfasst ca. 60 qm.<br />
Die Erdgeschosswohnungen<br />
haben einen kleinen Garten mit<br />
Geräteschuppen. In die Obergeschosswohnungen<br />
führt eine<br />
separate schmale Holztreppe,<br />
und hierzu gehört ein kleiner<br />
Speicher. Damit blieb den<br />
Bewohnern schon vor 490 Jahren<br />
ihre Würde und eine für das<br />
16. Jahrhundert fast luxuriös<br />
zu nennende Privatheit erhalten.<br />
Im Gegensatz dazu standen<br />
die damals üblichen<br />
Armenhäuser und Spitäler, in<br />
denen Privatvermögen abgegeben<br />
und in Gruppen von<br />
zwölf und dreizehn (nach dem<br />
Vorbild von Jesus mit seinen<br />
Jüngern) geschlafen und gelebt<br />
werden musste. Die Siedlung<br />
war als Hilfe zur Selbsthilfe<br />
gedacht: Vorübergehend<br />
bedürftige Handwerker und<br />
Tagelöhner sollten nur so lange<br />
mit günstigem Wohnraum<br />
unterstützt werden, bis sie wieder<br />
aus eigener Kraft außerhalb<br />
der Fuggerei leben konnten.<br />
Diese Bewohner zählten<br />
also noch keineswegs zu den<br />
Ärmsten. Ein berühmter Name<br />
ist zu nennen: Der Maurermeister<br />
Franz Mozart, Urgroßvater<br />
von Wolfgang Amadeus,<br />
lebte hier von 1681 bis zu<br />
seinem Tod 1694.<br />
Der dreißigjährige Krieg, die<br />
napoleonischen Kriege und der<br />
2. Weltkrieg haben der Fuggerei<br />
arg zugesetzt, aber sie ist<br />
immer wieder aufgebaut und<br />
auch erweitert worden. Das<br />
Gelände ist durch mehrere<br />
Tore abgeschlossen, und der<br />
Besuch kostet Eintritt. Neben<br />
der beeindruckenden Gesamtanlage<br />
sind die Kirche, das<br />
Fuggereimuseum mit historisch<br />
eingerichteten Räumen<br />
und eine Wohnung in modernem<br />
Stil zu besichtigen.<br />
Außerdem ist hier ein kleiner<br />
Bunker aus dem 2. Weltkrieg<br />
erhalten geblieben, der als<br />
Ausstellungsort für die jüngere<br />
Geschichte dient. Die Fuggerei<br />
gilt als das wichtigste Touristenziel<br />
in Augsburg (neben<br />
dem "Goldenen Saal" im Rathaus<br />
und dem Geburtshaus von<br />
Bertold Brecht).<br />
Was und wer ist unser Staat?<br />
Von Dorothea Körting<br />
Interessante Frage und zur<br />
Zeit besonders aktuell - aber<br />
nicht leicht zu beantworten.<br />
Geografische Grenzen sind<br />
zwar aus Landkarten ersichtlich,<br />
aber was steckt außerdem<br />
hinter diesem Begriff? Der<br />
Blick in ein Lexikon informiert,<br />
dass es seit Jahrtausenden<br />
in der Welt viele verschiedene<br />
Staatsformen gegeben<br />
hat und noch gibt: Oligarchie,<br />
Monarchie, Diktatur, Demokratie<br />
und, und, und.<br />
"Der Staat bin ich!" behauptete<br />
einst der französische Sonnenkönig<br />
Ludwig XIV. Er<br />
wurde zum Vorbild für die<br />
meisten europäischen Fürsten<br />
seiner Zeit. Sie nannten<br />
sich von "Gottes Gnaden",<br />
herrschten mit unumschränkter<br />
Macht und Pracht und<br />
prägten das Zeitalter des Absolutismus.<br />
Ein Jahrhundert später vertrat<br />
der preußische König Friedrich<br />
II., genannt "Der Große"<br />
oder "der alte Fritz", eine<br />
andere Auffassung: "Ich bin<br />
der erste Diener meines Staa-<br />
tes", war seine Maxime. Obwohl<br />
auch er das Regierungsamt<br />
durch Geburt erhalten<br />
hatte, stellte er für sein Handeln<br />
nicht seine Person, sondern<br />
das Wohl des Staates und<br />
seiner Bürger in den Vordergrund.<br />
In Deutschland haben wir<br />
heute eine Demokratie, in der<br />
die Bürger für bestimmte Aufgaben<br />
Politiker und Parteien<br />
wählen. Der Staat, das ist nicht<br />
nur Regierung, sind nicht nur<br />
Verwaltung, Ämter, Behörden;<br />
der Staat, das ist das Volk,<br />
das in diesem Staat lebt.<br />
Aber bekanntlich hat alles<br />
zwei Seiten, und das gilt ebenso<br />
für den Staat und seine Bürger:<br />
- Wer Kritik übt, sollte Verbesserungen<br />
aufzeigen,<br />
- wer materielle oder ideelle<br />
Zuwendungen fordert, sollte<br />
bereit zu Gegenleistungen<br />
sein.<br />
Denn der Staat sind wir alle:<br />
diejenigen, die geben und diejenigen,<br />
die nehmen.<br />
Das <strong>Braunschweig</strong>er Journal<br />
finden Sie im Internet unter:<br />
www.braunschweiger-journal.de