BeHMI 2010 - Historisches Institut - Universität Bern
BeHMI 2010 - Historisches Institut - Universität Bern
BeHMI 2010 - Historisches Institut - Universität Bern
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Identität, die bei den Mitgliedern der Israelitischen<br />
Kultusgemeinde <strong>Bern</strong> hervortritt, zeichnet<br />
sich in den untersuchten Jahren und in Bezug auf<br />
die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus<br />
und dem Zionismus als eine vorwiegend auf das<br />
Kollektiv bezogene aus. Dieses Kollektiv kann<br />
verschiedene Perspektiven umfassen: Eine Perspektive<br />
umfasst die IKGB-Mitglieder, eine wei-<br />
Kim Hasler<br />
tere alle Schweizer Juden. Eine dritte Sicht ist<br />
jene des Mitglieds der jüdischen Gemeinschaft<br />
weltweit, eine vierte die Haltung als Schweizer<br />
Bürger. Je nach Situation treten diese Perspektiven<br />
in den Vorder- oder Hintergrund und werden von<br />
einem jüdischen, einem schweizerischen oder in<br />
den allermeisten Fällen von einem schweizerischjüdischen<br />
Selbstverständnis getragen.<br />
Radikaler Reformpatriotismus und Revolution<br />
Hans Conrad Eschers staatspolitisches Verständnis im Spiegel seiner parlamentarischen Tätigkeit<br />
während der Helvetik<br />
Die Epoche der Helvetischen Republik gehört<br />
zu den spannendsten Abschnitten in der Schweizer<br />
Geschichte. Die Helvetik stand im Spannungsfeld<br />
zwischen Kräften der gesellschaftlichen<br />
und politischen Erneuerung auf der einen und<br />
denjenigen der Beharrung auf der anderen Seite.<br />
Aufklärung, Helvetische Revolution, neue Ordnungsvorstellungen<br />
und die Patriotenbewegung<br />
sind Schlagworte für diese bewegte Zeit, welche<br />
stark von Männern geprägt worden ist, die sich interessanterweise<br />
aus den traditionellen Eliten des<br />
Ancien Régime rekrutierten. Hans Conrad Escher<br />
(1767-1823) war eine dieser Persönlichkeiten. Der<br />
Spross einer prominenten Familie der alten Zürcher<br />
Machtelite war von 1798 bis 1800 Mitglied<br />
des Grossen Rats — und später div. weiterer Räte<br />
—, wo er sich durch Reformen von oben um politische<br />
Veränderungen rational-utilitaristischen<br />
Charakters bemühte.<br />
Ausgehend von Eschers politischem Wirken im<br />
helvetischen Grossen Rat untersucht die Arbeit,<br />
in welcher Beziehung sein staatspolitisches Verständnis<br />
zu den prägenden Strömungen seiner Zeit<br />
stand. So wird einerseits der Frage nachgegangen,<br />
welche Wirkung die Rezeption von gesellschafts-<br />
und staatstheoretischen Schriften auf Eschers<br />
Weltbild hatte. Andererseits wird ermittelt, wie er<br />
Masterarbeit bei Prof. Dr. André Holenstein<br />
seine Überzeugungen als Grossratsabgeordneter<br />
zum Ausdruck brachte und ob er sie im politischen<br />
Alltag praktisch umsetzten konnte.<br />
Der analytische erste Teil der Arbeit (Kap. 2) stellt<br />
Escher als radikalen Reformpatrioten vor, dessen<br />
politisches Verständnis stark von Jean-Jacques<br />
Rousseaus und Immanuel Kants Ausführungen<br />
gesellschafts- und staatstheoretischer Natur beeinflusst<br />
war. So wird aufgezeigt, wie Escher in<br />
der Tradition des kontraktualistischen Denkens<br />
die Gesellschaft als eine Verbindung freier und<br />
vernünftiger Individuen (Gesellschaftsvertrag)<br />
und die Regierung als ausführendes Organ des<br />
Volkswillens (vgl. Rousseaus „volonté générale“)<br />
sah. Auch wird darauf eingegangen, dass er die<br />
Bedeutung einer gebildeten und durch das Volk<br />
legitimierten Staatsverwaltung hervorhob. Die<br />
Bildungsideale der Aufklärung, der vernunftsoptimistische<br />
Zeitgeist und die Konzepte von Nutzen<br />
und Patriotismus werden dabei als bestimmende<br />
Grössen von Eschers politischer Weltanschauung<br />
ausgemacht, die u.a. seine Vorlesungstätigkeit zur<br />
Verbesserung der politischen Bildung von Regierungsamtsanwärtern<br />
sowie seinen Einsatz für die<br />
Entstehung einer politischen Öffentlichkeit motivierten.<br />
Im empirischen Teil der Arbeit (Kap. 3 u. 4)<br />
25