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BeHMI 2010 - Historisches Institut - Universität Bern

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Stelle für Spitzelei im Deutschen Bund. So kamen<br />

im Laufe der Ermittlungen immer mehr Details<br />

aus dem innersten Zirkel der Verschwörung ans<br />

Peter Dängeli<br />

Tageslicht, vieles blieb aber auch im Obskuren,<br />

der Mordfall ist beispielsweise bis heute ungelöst<br />

geblieben.<br />

„Allein, das Auge des Gesetzes wacht!“<br />

Das ungesetzliche Verhalten Einheimischer und temporär Zugewanderter auf einer schweizerischen<br />

Grossbaustelle anfangs des 20. Jahrhunderts<br />

Grosse Infrastrukturprojekte greifen mittel-<br />

und langfristig in die räumliche Struktur des betroffenen<br />

Gebietes ein, in kurzer Zeit verschieben<br />

sich die demographischen Gewichte häufig besonders<br />

stark. Durch den Bau des Lötschberg-Scheiteltunnels<br />

(1906–1915) stieg die Einwohnerzahl<br />

des Bergdorfs Kandersteg zwischen 1900 und<br />

1910 von 445 auf 3554 an, wobei die Zuwanderer<br />

zur grossen Mehrheit aus Italien stammten.<br />

Die Arbeit nimmt diese Ausnahmesituation zum<br />

Anlass, die gesellschaftliche Integration der zugewanderten<br />

Arbeiter zu untersuchen und zu analysieren,<br />

wie die Zuwanderung im Oberen Kandertal<br />

ihren Niederschlag in Reglementen und Gesetzen<br />

fand. Ausgehend von den behördlichen Kontrollinstanzen<br />

und basierend auf den von ihnen<br />

produzierten Akten erfolgt eine Einschätzung, in<br />

welchem Mass die Zuwanderer, aber auch die Einheimischen<br />

mit den verschiedenen Paragraphen in<br />

Konflikt gerieten.<br />

Eine Beschreibung, wie sich die Talbevölkerung<br />

mit den Zuwanderern arrangierte und wie die<br />

Fremden wahrgenommen wurden, bildet den ersten<br />

Teil der Untersuchung. Sie basiert zur Hauptsache<br />

auf Protokollen der Gemeindebehörden<br />

und auf Zeitungsartikeln. Bei der Ansiedlung der<br />

Arbeitermassen waren die Gemeindebehörden auf<br />

räumliche Segregation bedacht. Dafür, dass die<br />

Arbeitersiedlungen fast zuhinterst im Tal entstanden,<br />

waren in Kandersteg nicht nur pragmatische<br />

Gründe der Nähe zum entstehenden Tunnelportal<br />

ausschlaggebend, sondern auch die Sorge des Ver-<br />

Lizentiatsarbeit bei Prof. Dr. Christoph Maria Merki<br />

kehrsvereins um die „Entwicklung des Ortes als<br />

Fremdenplatz.“ Zur Regelung der Wohnsituation<br />

wurden in den ersten Jahren des Tunnelbaus mehrere<br />

Bau- und Sanitätsreglemente erlassen, deren<br />

Einhaltung von eigens eingesetzten Kommissionen<br />

und den Beamten des 1905 eingerichteten<br />

und kontinuierlich ausgebauten Landjägerpostens<br />

überwacht wurde.<br />

Die empirische Beantwortung der Frage nach der<br />

Delinquenz, die den analytischen Hauptteil der Arbeit<br />

bildet, stützt sich zur Hauptsache auf Aktenbestände<br />

des Regierungsstatthalteramtes Frutigen<br />

— den Schwerpunkt bildet eine Bussenkontrolle<br />

des Bezirks mit 1231 Busseinträgen der Jahre<br />

1912 und 1913 — und der kantonalen Gerichte.<br />

Die Untersuchung zeigte, dass es nicht nur zwischen<br />

Ausländern und Schweizern Unterschiede in<br />

Art und Ausmass der aktenkundigen Regelverstösse<br />

gab, sondern auch innerhalb dieser beiden Herkunftsgruppen.<br />

Ein deutlicher Unterschied trat bei<br />

der Unterscheidung von schwerer und leichter Delinquenz<br />

zu Tage, wobei Schweizer bei Vergehen<br />

und Übertretungen die grosse Mehrheit stellten,<br />

während Ausländer sich ungleich häufiger für Verbrechen<br />

verantworten mussten. Die zeitgenössisch<br />

geläufigen Verallgemeinerungen der „gefährlichen<br />

Messerhelden aus dem Süden“ mit ihrem ausgeprägten<br />

Hang zu „Messereien“ werden entgegen<br />

diesem Befund durch gesamthaft mässige absolute<br />

Fallzahlen relativiert.<br />

Zur weiten Verbreitung solcher Stereotype dürfte<br />

die Tatsache beigetragen haben, dass Schuss- und<br />

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