Imagixx Ausgabe Nr. 02-2009
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imagixx<br />
Das radiologische Praxismagazin Kostenlos für Sie zum Mitnehmen 2-<strong>2009</strong><br />
Felix Neureuther –<br />
mit neuer Technik<br />
zum Sieg?<br />
Seite 10<br />
Überreicht mit freundlicher Empfehlung<br />
X<br />
X<br />
Radiosynoviorthese hilft bei<br />
kranken Gelenken<br />
Seite 12<br />
Was tun bei Problemen mit<br />
der Schilddrüse?<br />
Seite 16<br />
Foto: AP/Anja Niedrighaus
2 Überblick<br />
Der Körper als Kunstwerk<br />
Die 24 Wirbel der<br />
Wirbelsäule halten<br />
den Menschen aufrecht.<br />
Im Alter gerät<br />
das komplizierte<br />
Konstrukt oft aus<br />
dem Gefüge, weil<br />
Osteoporose die<br />
Wirbel schwächt.<br />
Grundlage dieses<br />
Bildes war eine<br />
digitale Radiographie-Aufnahme.<br />
Sie<br />
erfuhr in der Hand<br />
des Künstlers Günter<br />
von Dulong seine<br />
Vollendung.
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
so ziemlich jeder Mensch leidet im Laufe seines<br />
Lebens unter Rückenschmerzen. Warum ist<br />
ausgerechnet der Rücken eine Schwachstelle?<br />
Die Ursache liegt am aufrechten Gang. 100 Kilogramm<br />
lasten auf der Wirbelsäule im Stehen,<br />
90 im Sitzen und 220, wenn wir uns bücken. Beschwerden<br />
sind vorprogrammiert, wenn nicht<br />
starke Muskeln die Wirbelsäule stützen. Lesen<br />
Sie, wie Sie Rückenbeschwerden vorbeugen<br />
und welche Diagnose- und Therapieansätze die<br />
moderne Medizin bei Rückenbeschwerden heute<br />
bietet. Mehr dazu ab Seite 6.<br />
Wer an Rheuma leidet, muss oft mit starken<br />
Gelenkschmerzen zurechtkommen. Hier hilft<br />
die Radiosynoviorthese, die das entzündete<br />
Gewebe der Gelenkinnenhaut zerstört. Mehr<br />
über dieses Verfahren lesen Sie ab Seite 12.<br />
Ein Unfall ist schnell passiert. Ob beim Auto<br />
fahren, beim Sport oder bei der Haus- und<br />
Gartenarbeit – das Ausmaß und der Schweregrad<br />
einer Verletzung lässt sich mit bildgebenden<br />
Methoden schnell ermitteln. Unfallchirurg<br />
Dr. med. Stefan Huttner und Radiologe<br />
Dipl. med. Heinrich Seilkopf berichten ab der<br />
Seite 14, wann diese Methoden zum Einsatz<br />
kommen.<br />
Jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat eine<br />
vergrößerte Schilddrüse. Welche Konsequenzen<br />
Schilddrüsen-Erkrankungen haben und was<br />
man dagegen tun kann, lesen Sie ab Seite 16.<br />
Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt<br />
in unserer Praxis und gute Besserung.<br />
10<br />
6<br />
12<br />
14<br />
16<br />
18<br />
Impressum<br />
b.e.imaging.gmbh<br />
Dr.-Rudolf-Eberle-Straße 8-10<br />
76534 Baden-Baden<br />
info@be-imaging.de<br />
www.be-imaging.de<br />
Herausgeber (V.i.s.d.P.):<br />
Trurnit & Partner<br />
Verlag GmbH<br />
info@trurnit.de<br />
www.trurnit.de<br />
Dieses Praxismagazin<br />
wird unterstützt von:<br />
Editorial/Inhalt 3<br />
Spitzensportler sind oft<br />
verletzt – ein Interview mit<br />
Skiprofi Felix Neureuther<br />
Diagnose Bandscheibenvorfall<br />
– wie beugt man vor und<br />
welche Therapien gibt es?<br />
Gelenkschmerzen – wie<br />
Radiosynoviorthese die<br />
Schmerzen lindert.<br />
Unfall – neben schneller<br />
Behandlung zählt das richtige<br />
Diagnoseverfahren.<br />
Schilddrüse – ob Unter-<br />
oder Überfunktion, beides<br />
lässt sich gut therapieren.<br />
Züricher Forscher beschreiten<br />
neuen Weg: Operation<br />
am Gehirn mit Ultraschall
4 Wissen aktuell<br />
Wissenschaftler des Uniklinikums<br />
Hamburg-Eppendorf haben nachgewiesen,<br />
dass ein krankhaft erhöhter<br />
pH-Wert der Magensäure<br />
die Calciumaufnahme aus der<br />
Nahrung stört. Damit fanden die<br />
Wissenschaftler die Ursache für<br />
das in großen klinischen Studien<br />
gezeigte erhöhte Knochenbruchrisiko,<br />
das bei Patienten mit Magenerkrankungen<br />
auftrat. Diese<br />
Patienten wurden mit Säureblockern<br />
therapiert, die die Magensäurebildung<br />
verminderten.<br />
Das Team um Priv.-Doz. Dr. Thorsten<br />
Schinke und Prof. Dr. Michael<br />
Ab in die Berge!<br />
Angriff auf die Knochen<br />
Amling fand aber auch heraus,<br />
wie die Osteoporose bei diesen<br />
Patienten verhindert werden kann:<br />
Sie müssen mit einem Calcium-<br />
Präparat auf Basis von Calciumglukonat<br />
behandelt werden. Dieser<br />
Wirkstoff wird – im Gegensatz<br />
zu Calciumcarbonat – vom Körper<br />
magensäureunabhängig aufgenommen.<br />
Derzeit werden jedoch<br />
über 95 Prozent aller in<br />
Deutschland verkauften Calciumpräparate<br />
nicht auf Basis von Calciumglukonat<br />
hergestellt.<br />
Mehr Infos unter www.uke.de/<br />
medien<br />
Rote Bete spendet Ausdauer<br />
Eine Studie der University of Exeter zeigt, dass<br />
bereits ein halber Liter Rote-Bete-Saft die<br />
Ausdauerleistung steigert. Studienleiter Andrew<br />
Jones vermutet, dass die im Wurzelgemüse<br />
zahlreich enthaltenen Nitrite die Sauerstoffversorgung<br />
in den Mitochondrien verbessern.<br />
Wer in hohen Höhen lebt, stirbt seltener an<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Bewohner<br />
des Tieflandes. Das fanden Wissenschaftler<br />
des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin<br />
der Uni Zürich heraus, die die Daten der Swiss<br />
National Cohort auswerteten. Pro 1.000 Meter<br />
Höhenunterschied mehr beim Wohnort sinkt<br />
das Risiko, an Herzinfarkt zu sterben, um<br />
22 Prozent, an Hirnschlag um 12 Prozent.<br />
Mehr Infos unter www.mediadesk.uzh.ch/<br />
articles.html<br />
Hotline für Krebskranke<br />
Menschen, die mit Krebs konfrontiert<br />
werden, egal ob Betroffener oder Angehöriger,<br />
haben viele Fragen. Etwa 200<br />
unterschiedliche Krebsarten sind identifiziert,<br />
und ständig werden neue Thera-<br />
pieansätze entdeckt – der Beratungsbedarf<br />
ist enorm und wird weiter steigen.<br />
Bislang konnte man sich an den Krebsinformationsdienst<br />
des Deutschen Krebsforschungszentrums<br />
(DKFZ) in Heidelberg<br />
und an die Deutsche Krebshilfe in Bonn<br />
wenden. Die Institute haben nun ihre Beratungsstellen<br />
zusammengelegt. Weitere<br />
Partner der Initiative sind die Bundesministerien<br />
für Gesundheit sowie Bildung<br />
und Forschung. Die Hotline unter der<br />
Nummer 0800-4 20 30 40 ist rund um die<br />
Uhr zu erreichen.<br />
Mehr Infos unter: www.krebshilfe.de<br />
Der Rote-Bete-Saft wirkte außerdem blutdrucksenkend.<br />
Bei aller Begeisterung für den<br />
Powersaft sollte man nicht vergessen, dass Nitrite<br />
an der Bildung von Nitrosaminen beteiligt<br />
sind, die als krebserregend gelten.<br />
Mehr Infos unter www.exeter.ac.uk/news
Angst kann man riechen<br />
Eine Arbeitsgruppe am Institut für Experimentelle Psychologie<br />
in Düsseldorf unter der Leitung von Prof. Dr. Bettina<br />
Pause hat erstmals nachgewiesen, dass Angst über den Geruch<br />
zwischen zwei Menschen übertragen werden kann. Dabei<br />
muss der Geruch nicht bewusst wahrgenommen werden,<br />
was beweist, dass auch Menschen chemisch kommunizieren.<br />
Mittels Magnetresonanztomographie wurde ermittelt, dass<br />
im Gehirn eines Menschen die Areale aktiviert wurden, die<br />
für Empathie und die Erkennung von Angstzuständen zu-<br />
Alt werden und fit sein<br />
Der Forschungsbericht <strong>Nr</strong>. 108 des<br />
Kriminologischen Forschungsinstituts<br />
Niedersachsen (KFN) über die<br />
Computerspielabhängigkeit im Kindes-<br />
und Jugendalter führt zu dem<br />
Ergebnis, dass 4,3 Prozent der befragten<br />
Mädchen und 15,8 Prozent<br />
der befragten Jungen mit mehr als<br />
4,5 Stunden täglicher Computerspielnutzung<br />
ein exzessives Spielverhalten<br />
aufweisen. Befragt wurden<br />
15.000 Schülerinnen und Schüler<br />
neunter Klassen. Die Befunde der<br />
Eine groß angelegte Potsdamer Langzeitstudie,<br />
die Heiner Boeing vom Deutschen Institut<br />
für Ernährungsforschung leitete, bringt die<br />
Faktoren für ein gesundes, langes Leben ans<br />
Licht. Wer niemals geraucht hat, nicht massiv<br />
übergewichtig ist, pro Woche mehr als dreieinhalb<br />
Stunden körperlich aktiv ist und sich gesund<br />
ernährt, hat im Vergleich zu einer Person,<br />
die sich gegenteilig verhält, ein um 78 Prozent<br />
vermindertes Risiko, chronisch zu erkranken.<br />
Detailliert betrachtet sinkt bei einer solchen<br />
gesunden Lebensweise das Diabetesrisiko sogar<br />
um 93 Prozent und das Herzinfarktrisiko<br />
um 81 Prozent. Das Schlaganfallrisiko vermindert<br />
sich dabei immerhin noch um die Hälfte<br />
und das Krebsrisiko um 36 Prozent. Für diese<br />
Erkenntnisse wurden 23.000 deutsche Testpersonen<br />
acht Jahre lang beobachtet.<br />
Mehr unter www.dife.de<br />
Wenn Spiele süchtig machen<br />
Untersuchung bestätigen zudem ein<br />
bedeutsames Abhängigkeitspotenzial<br />
von Video- und Computerspielen.<br />
Der „Spielespaß“ hat ernste Konsequenzen:<br />
Viel- und Exzessivspieler<br />
haben schlechtere Noten in den Fächern<br />
Deutsch, Geschichte und<br />
Sport als Schüler, die weniger als<br />
zweieinhalb Stunden spielen. Bei<br />
computerspielabhängigen Jungen<br />
fallen die Leistungen deutlich ab,<br />
auch im Fach Mathematik.<br />
Mehr Infos unter www.kfn.de<br />
Was bislang nur im Tierreich<br />
nachgewiesen war,<br />
wurde nun auch beim<br />
Menschen erforscht – wir<br />
können Angst riechen.<br />
Wissen aktuell 5<br />
ständig sind. „Das bedeutet, dass Angst, wenn sie geruchlich<br />
wahrgenommen wird, ansteckend wirkt und beim Wahrnehmenden<br />
empathisches Miterleben auslöst“, erklärt Pause.<br />
Mehr Infos unter www.uni-duesseldorf.de<br />
Sich regen bringt Segen<br />
Die Aerobics Center Longitudinal<br />
Study (ACLS) des Cooper-Instituts,<br />
Dallas, USA, dokumentiert, dass etwa<br />
16 Prozent der Menschen in den<br />
westlichen Ländern vorzeitig sterben,<br />
weil sie sich zu wenig bewegen.<br />
Für dieses Ergebnis analysierten<br />
Wissenschaftler die Daten von<br />
über 40.000 Menschen, die seit<br />
1970 an einer Langzeitstudie teilnahmen<br />
oder immer noch teilnehmen.<br />
Danach leben Männer, die<br />
moderat Sport treiben, im Schnitt<br />
sechs Jahre länger als ihre trägen<br />
oder inaktiven Zeitgenossen. Schon<br />
30 Minuten Bewegung am Tag würden<br />
jeden sechsten vorzeitigen Todesfall<br />
verhindern, weil die sportliche<br />
Betätigung Herz und Gefäße<br />
stärkt.<br />
Mehr unter: www.apa.org/releases/<br />
sedentary-lives.html
6 Spezial<br />
Rückenmuskeln zu schwach:<br />
Diese Diagnose ist für 80 Prozent<br />
der chronischen Rückenschmerzen<br />
verantwortlich.
Foto: rollover/iStockphoto<br />
Völlig aus der Form<br />
Ohne Bandscheiben wäre unser Körper steif wie ein Stock. Einige der 23 elastischen Puffer<br />
sind besonders anfällig für Deformationen, die stark schmerzen können. Dank individueller<br />
Therapien sind die Aussichten gut, das Leiden loszuwerden. Ein Beitrag von Dr. Stefan Braitinger.<br />
Autsch, das tut weh! Ein<br />
A plötzlicher Bandscheibenvorfall<br />
kann einem<br />
die Tränen in die Augen treiben.<br />
Mit verkrümmtem Oberkörper<br />
zwängt man sich ins Auto und ist<br />
froh, einen Chauffeur zum Arzt<br />
gefunden zu haben. Mit gequältem<br />
Ausdruck im Gesicht wartet<br />
der Patient auf den Arzt und die<br />
Erlösung von den Schmerzen.<br />
Diese Szene spielt sich oft ab in<br />
Deutschland, dem Land der Rückenschmerzgeplagten.<br />
Unsere Wirbelsäule ist ein ausgeklügeltes<br />
System, das uns den<br />
aufrechten Gang ermöglicht und<br />
unglaublich flexibel ist. Einen<br />
wichtigen Beitrag dazu leisten die<br />
Bandscheiben. Die elastischen<br />
Puffer verbinden die einzelnen<br />
Wirbel der Wirbelsäule und ermöglichen<br />
unserer zentralen<br />
Stütze erstaunliche Beweglichkeit:<br />
Der Körper kann gebeugt<br />
werden, gestreckt, gedreht und<br />
zur Seite geneigt.<br />
Diesen Druckpolstern bekommt<br />
aber unsere moderne Lebensweise<br />
nicht. Die einseitige Belastung<br />
durch Sitzen oder Stehen, die Bewegungsarmut<br />
und auch die ungesunde<br />
Ernährung bleiben nicht<br />
ohne Folgen. So haben schon<br />
35 Prozent der jüngeren Bevölkerung<br />
vorgefallene oder degenerierte<br />
Bandscheiben. Dabei sind<br />
Beschwerden an den Wirbelpuffern<br />
eigentlich eine Sache für Ältere.<br />
Das hängt mit dem Aufbau<br />
der Bandscheiben zusammen: Im<br />
Inneren befindet sich der Gallertkern,<br />
den ein Faserring aus Faserknorpel<br />
umschließt. Der Gallertkern<br />
besteht im Wesentlichen aus<br />
Wasser, das für die Pufferwirkung<br />
verantwortlich ist: zu 90 Prozent<br />
bei einem Baby, aber eben nur<br />
noch zu 70 Prozent bei einem<br />
Siebzigjährigen. Die Pufferwirkung<br />
nimmt also mit dem Alter ab,<br />
zusätzlich nagt der Zahn der Zeit<br />
an der Stabilität des Faserrings.<br />
So hält die Bandscheibe bei jungen<br />
Menschen 800 Kilogramm<br />
Druck stand, bei älteren sind es<br />
noch 450 Kilogramm.<br />
Kein Schmerz trotz Vorfall<br />
Rückenschmerzen haben sich<br />
zwar längst zum Volksleiden entwickelt,<br />
doch nicht jeder Schmerz<br />
lässt sich auf die Bandscheiben<br />
zurückführen. Es gibt sogar viele<br />
Menschen, die zwar einen Bandscheibenvorfall<br />
haben, aber keine<br />
Schmerzen spüren und auch sonst<br />
in keiner Weise beeinträchtigt<br />
sind. Gerät die Bandscheibe nämlich<br />
allmählich außer Form, passt<br />
sich das umliegende Gewebe,<br />
auch die Nerven, an die veränderte<br />
Situation an. Verursacht hingegen<br />
eine plötzliche Druckbelastung einen<br />
Vorfall, dann führt dies meist<br />
zu heftigen Schmerzen.<br />
Dr. Stefan<br />
Braitinger,<br />
Arzt für<br />
Radiologie<br />
und Neuroradiologie<br />
Probleme mit Bandscheiben treten<br />
fast überwiegend im Bereich<br />
der Lendenwirbelsäule auf, am<br />
häufigsten zwischen dem vierten<br />
und dem fünften Lendenwirbel<br />
sowie zwischen dem fünften Lendenwirbel<br />
und dem Kreuzbein. In<br />
seltenen Fällen kann es auch den<br />
Halswirbelbereich treffen.<br />
Ein klassischer Vorfall<br />
Ist die Bandscheibe tatsächlich<br />
Auslöser von Rückenschmerzen,<br />
dann kommen zwei Ursachen infrage:<br />
einmal der typische Bandscheibenvorfall<br />
und zum anderen<br />
eine verformte Bandscheibe.<br />
Beim Bandscheibenvorfall reißt<br />
der Faserring, der den Gallertkern<br />
umgibt. Die Gallertmasse quillt<br />
durch den Riss und drängt gegen<br />
die seitlich abgehenden Wurzeln<br />
Ohne Bewegung verhungert die Bandscheibe<br />
In der Bandscheibe befinden sich weder Nerven noch Blutgefäße. Und trotzdem<br />
benötigt sie Nähr- und Sauerstoff zum Leben. Wie geschieht das? Die<br />
Bandscheibe ernährt sich über einen osmotischen Prozess. Bei Belastung wird<br />
ein Teil ihrer Flüssigkeit aus der Bandscheibe gepresst und damit auch Abfallstoffe.<br />
Bei Ruhe, also im Liegen, saugt sie sich voll mit Aminosäuren, Glukose<br />
und Sauerstoff. Weil die Bandscheibe im Laufe des Tages um etwa 10 Prozent<br />
schrumpft, ist man abends etwas kleiner als morgens nach dem Aufstehen.<br />
Der Wechsel zwischen Bewegung und Ruhe sorgt also für ihre optimale Ernährung.<br />
Bewegen heißt aber nicht sitzen und stehen, weil dies die Bandscheiben<br />
einseitig belastet, sondern gehen, laufen, springen, schwimmen, Rad fahren,<br />
turnen, tanzen und vieles mehr, was Spaß macht.<br />
Spezial 7
8 Spezial<br />
der Spinalnerven. Sie kann aber<br />
auch gegen das Rückenmark drücken.<br />
All dies äußert sich in starken<br />
Schmerzen, die je nach Lage<br />
des Bandscheibenvorfalls bis in<br />
die Zehen oder Finger ziehen<br />
können. Weitere Symptome können<br />
Gefühlsstörungen sein wie<br />
Taubheitsgefühl oder Kribbeln,<br />
Muskelschwäche- oder -lähmungen<br />
und Reflexabschwächungen<br />
und -ausfälle.<br />
Eine Vorstufe zum Vorfall ist die<br />
Bandscheibenvorwölbung: Nach<br />
einer Bewegung kehrt der Gallertkern<br />
nicht mehr in seine Ausgangslage<br />
zurück, sondern bleibt<br />
an den Rand des Faserrings gedrückt,<br />
der jedoch intakt bleibt.<br />
Diese Vorwölbung schmerzt nur<br />
Die Magnetresonanztomograph-Aufnahme<br />
zeigt einen<br />
Bandscheibenvorfall zwischen<br />
dem vierten und fünften Lendenwirbel<br />
und eine Bandscheibenvorwölbung<br />
zwischen fünftem<br />
Lendenwirbel und<br />
Kreuzbein.<br />
Das Schmerzmittel millimetergenau am<br />
betroffenen Nerv platzieren – das gelingt<br />
mit einer CT-Aufnahme, die den Einstichkanal<br />
der Nadel (links unten) zeigt.<br />
dann, wenn die Wölbung die Spinalnerven<br />
reizt.<br />
Genaue Diagnose nötig<br />
Handelt es sich nicht um einen –<br />
sehr seltenen – massiven Bandscheibenvorfall,<br />
der zu Lähmungen<br />
führt und einen sofortigen Klinikbesuch<br />
erfordert, dann ist der<br />
Hausarzt die erste Anlaufstelle. Er<br />
versucht herauszufinden, ob es<br />
sich tatsächlich um ein Bandscheibenproblem<br />
handelt, denn Rückenschmerzen<br />
können viele Ursachen<br />
haben. Während 60 Prozent<br />
der Bevölkerung mindestens einmal<br />
im Jahr mit Rückenproblemen<br />
zu tun haben, wird bei nur drei bis<br />
fünf Prozent ein Bandscheibenvorfall<br />
diagnostiziert.<br />
Meist erhält der Patient Schmerzmittel<br />
und eine Überweisung zu<br />
einem Physiotherapeuten. Denn<br />
spätestens nach zwei Tagen Ruhephase<br />
sollte ein spezifisches Bewegungstraining<br />
gestartet werden.<br />
Auch Massagen und Wärmebehandlungen<br />
können wohltuend<br />
sein, weil sie die Durchblutung der<br />
Rückenmuskulatur anregen. In<br />
den ersten drei bis vier Wochen<br />
nach Beginn der Schmerzen ist die<br />
Chance groß, dass sie wieder verschwinden.<br />
Wer allerdings nach<br />
sechs Wochen keine Besserung erfährt,<br />
sollte das Problem nicht auf<br />
die lange Bank schieben.<br />
Besser als röntgen<br />
Um eine zuverlässige Diagnose<br />
stellen zu können, schalten Hausarzt<br />
oder Orthopäde dann einen<br />
Radiologen ein, weil sich computertomographische<br />
Aufnahmen<br />
besser zur Gewebedifferenzierung<br />
eignen als normale Röntgenbilder.<br />
Mit einer Skelett-Computertomographie<br />
lassen sich Knochen in hoher<br />
Auflösung darstellen, sodass<br />
sich diese Methode sehr gut zum<br />
Aufspüren von Arthrosen, Verknöcherungen<br />
von Bandscheiben und<br />
Bändern, aber auch Bandscheibenvorfällen<br />
eignet. Als weiteres<br />
Diagnoseinstrument steht die Magnetresonanztomographie<br />
(MRT)<br />
Sanfte Therapien<br />
Chiropraktik<br />
... beseitigt Fehlstellungen der Wirbel<br />
durch gezielte Griffe. Speziell die Deblockierung<br />
der Hals- und Brustwirbelsäule<br />
gehört nur in sehr erfahrene Hände.<br />
www.chiropraktiker-bund.de<br />
Osteopathie<br />
... arbeitet mit sanften Bewegungen –<br />
Druck, Drehen und Bohren, um die blockierten<br />
Wirbel ins Lot zu bringen.<br />
www.osteopathie.de<br />
Rolfing<br />
... ist eine spezielle Form der Massage,<br />
die Verspannungen, Wirbelsäulenschäden<br />
und Skelettdeformationen beheben<br />
soll.<br />
www.rolfing.de<br />
Krankengymnastik<br />
... kräftigt die Rumpfmuskulatur, die dann<br />
die Wirbelsäule entlastet. Rückenschonendes<br />
Verhalten wird geübt.<br />
www.starker-ruecken.com<br />
Massage<br />
... stimuliert Muskeln und Bindegewebe.<br />
Verhärtete, schmerzende Muskelpartien<br />
werden besser durchblutet.<br />
www.aok.de/bund/rd/136216.htm<br />
Yoga<br />
... hält den Körper geschmeidig. Muskulatur<br />
und Bewegungsapparat werden ausbalanciert.<br />
www.yoga.de<br />
Tai Chi<br />
... ist eine fernöstliche Bewegungslehre,<br />
die einerseits der Gesunderhaltung und<br />
Körperkontrolle dient, andererseits im<br />
Kampf anwendbar sein soll.<br />
www.tai-chi-zentrum.de<br />
zur Verfügung. Die MRT bildet<br />
Nerven und Weichteile – und dazu<br />
zählt die Bandscheibe – hervorragend<br />
ab. Die Aufnahmen geben<br />
Aufschluss über die Zusammensetzung<br />
des Gewebes und ob es<br />
entzündet ist. Aus diesen Bildern<br />
liest der Radiologe heraus, ob für<br />
die Schmerzen eine Entzündung<br />
verantwortlich ist, Abnutzungserscheinungen<br />
der Wirbel, ein Bandscheibenvorfall<br />
oder eine Kombination<br />
daraus.<br />
Anhand dieser Unterlagen aus der<br />
Hand des Radiologen und seiner<br />
eigenen Untersuchungen kann<br />
der Hausarzt oder Orthopäde über<br />
die richtige Therapie entscheiden.
Der Weg aus der Schmerzfalle<br />
Ein Bandscheibenvorfall muss individuell<br />
therapiert werden. Ist das<br />
Ausmaß des Vorfalls nicht zu groß,<br />
wird der Arzt in der Regel mit der<br />
konservativen Therapie fortfahren.<br />
Dazu gehören Hitze- oder Kältebehandlungen,<br />
Schmerzmittel und<br />
Bewegungstherapie. Denn wer rastet,<br />
der rostet und baut noch mehr<br />
Muskeln ab, was die Wirbelsäule<br />
zusätzlich belastet.<br />
Bei stärkeren Schmerzen kommt<br />
zunehmend die Mikrotherapie<br />
zum Tragen, die periradikuläre<br />
Therapie (PRT). Hier werden die<br />
Wirkstoffe unter computer- oder<br />
magnetresonanztomographischer<br />
Kontrolle millimetergenau an die<br />
schmerzende Nervenwurzel gespritzt.<br />
Angewendet werden Kortikosteroide,<br />
die die gereizte Nervenwurzel<br />
abschwellen lassen,<br />
und langwirksame Lokalanästhetika,<br />
die die Schmerzen verringern.<br />
Beide Medikamente wirken<br />
zusätzlich entzündungshemmend.<br />
Der große Vorteil dieser Methode<br />
ist, dass die Medikamente gezielt<br />
an Ort und Stelle wirken und der<br />
restliche Organismus kaum belastet<br />
wird.<br />
Trend zum Minimaleingriff<br />
Auch bei Operationen rückt die<br />
Mikrotherapie zunehmend in<br />
den Fokus. Während bei der<br />
offenen Bandscheibenoperation<br />
durch einen bis zu zwei Zentimeter<br />
langen Haut- und Muskelschnitt<br />
das vorstehende Bandscheibengewebe<br />
abgetrennt wird,<br />
beseitigt der Operateur bei der<br />
operativen Mikrotherapie das<br />
überschüssige Gewebe durch einen<br />
maximal einen Millimeter<br />
langen Hautschnitt. Dazu geht er<br />
mit einer Laserstrahl- oder Thermosonde<br />
an das Bandscheibengewebe<br />
heran und lässt es verdampfen.<br />
Der große Nachteil einer Operation<br />
trifft aber beide Varianten: Es<br />
entstehen immer Narben, die wiederum<br />
Auslöser für Schmerzen<br />
sein können.<br />
Foto: Juriah Mosin/Shutterstock<br />
Der Weg zum gesunden Rücken<br />
Warum leiden so viele Menschen an Rückenbeschwerden?<br />
Eckhardt Böhle: Das Hauptproblem<br />
ist die Bewegungsarmut. Wir sitzen zu<br />
viel am Arbeitsplatz, vor dem Fernseher<br />
oder Computer, im Auto. Dazu<br />
kommen Fehlbelastungen der Wirbelsäule<br />
und Muskeln durch falsche Haltung,<br />
außerdem Übergewicht und ungesunde<br />
Ernährung.<br />
Also sind Rückenbeschwerden ein hausgemachtes<br />
Problem?<br />
Eckhardt Böhle: In der Tat. Es helfen<br />
aber viele dabei mit, dass der Rücken<br />
Schaden nimmt. Das fängt schon im<br />
Kindesalter an, wenn die Schulmöbel<br />
nicht zur Körpergröße des Kindes<br />
passen. Zwar gäbe es mitwachsende<br />
Stühle und Tische, aber sie sind teurer<br />
in der Anschaffung und das Geld hat<br />
der Staat anscheinend nicht. Außerdem<br />
bewegen sich die Kinder viel zu<br />
wenig. In Großbritannien zum Beispiel<br />
steht jeden Tag eine Stunde<br />
Sport auf dem Lehrplan, in Deutschland<br />
sind es zwei Stunden pro Woche<br />
und die fallen häufig aus. Auch im Arbeitsleben<br />
sind ergonomisch gestalte-<br />
Tai Chi eignet sich hervorragend,<br />
um Rückenproblemenvorzubeugen.<br />
Es mobilisiert<br />
Gelenke und Muskeln<br />
durch Spannung und<br />
Entspannung.<br />
Rückenbeschwerden sind vermeidbar, sagt Physiotherapeut Eckhardt<br />
Böhle vom Deutschen Verband für Physiotherapie.<br />
te Arbeitsplätze nicht die Regel. Aber<br />
selbst wenn sie da sind, werden sie<br />
häufig falsch genutzt. Der beste<br />
Schreibtischstuhl hilft nichts, wenn<br />
man ihn nicht passend für sich einstellt<br />
oder nur krumm draufsitzt.<br />
Das Hauptproblem aber, die Bewegungsarmut,<br />
beseitigen auch ergonomisch gestaltete<br />
Arbeitsplätze nicht?<br />
Eckhardt Böhle: Wir hatten vor etwa<br />
20 Jahren schon mal den Gedanken<br />
der Bewegungspause propagiert. Also<br />
nach jeder Stunde für fünf Minuten<br />
aufstehen, sich strecken, dehnen und<br />
bewegen. Das hat sich nicht durchgesetzt.<br />
Leider, wie ich heute sagen muss.<br />
Denn volkswirtschaftlich verursachen<br />
Rückenprobleme enorme Kosten – jedes<br />
Jahr 25 Milliarden Euro.<br />
Was empfehlen Sie Ihren Patienten?<br />
Eckhart Böhle: Sie sollen so viele Bewegungen<br />
in ihren Alltag einbauen<br />
wie möglich. Telefonieren und Lesen<br />
im Stehen zum Beispiel. Erinnern Sie<br />
sich noch an die alten Kontore? Da<br />
gab es Stehpulte. Diese Möbel dienen<br />
sehr der Rückengesundheit.<br />
Spezial 9
10 Titelstory<br />
Warum Neureuther nichts<br />
mehr aus der Kurve wirft<br />
Die Olympischen Spiele stehen vor der Tür − die Hoffnungen der Wintersportfans ruhen auf Felix Neureuther,<br />
dem 25-jährigen Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther. Lange galt er als Pechvogel −<br />
in letzter Zeit verbesserte der Slalom- und Riesenslalomspezialist seine Leistung dramatisch. Er verrät uns wie.<br />
Foto: Norbert Hellinger<br />
Sie haben ein Buch namens<br />
S „Mein Training mit Life<br />
Kinetik“ geschrieben. Was<br />
versteht man darunter?<br />
Neureuther: Dieser komplett neue<br />
Trainingsansatz stammt von Horst<br />
Lutz. Er zeigte mir ein paar dieser<br />
speziellen Übungen. Die Methode<br />
baut darauf auf, dass man den<br />
Kopf mehr ins Training mit einbezieht.<br />
Neue Reize schaffen dabei<br />
völlig neue Verbindungen und<br />
Synapsen im Gehirn. Die Idee ist<br />
vor allem für Skifahrer extrem<br />
passend, denn Skifahren ist ein<br />
Sport, der Koordination verlangt,<br />
daher sind diese Vernetzungen<br />
gefragt.<br />
Welche Rolle spielt die optische<br />
Wahrnehmung, das Sehen?<br />
Neureuther: Lutz hat herausgefunden,<br />
dass es ein dominantes<br />
und ein nicht dominantes Auge<br />
gibt. Das heißt, eine Gehirnhälfte<br />
verarbeitet die Signale des ihr zugehörigen<br />
Auges besser als die<br />
andere Gehirnhälfte. Mein dominantes<br />
Auge war das linke, deshalb<br />
habe ich früher in den<br />
Rechtskurven immer leicht den<br />
Kopf gedreht, damit mein linkes<br />
Auge die Situation erkennen<br />
konnte. Das war der Grund, warum<br />
es mich immer wieder aus<br />
den Rechtskurven geworfen hat,<br />
Sportler brauchen Köpfchen:<br />
Das beweist die neue Trainingsmethode,<br />
die Slalomspezialist<br />
Felix Neureuther seit<br />
drei Jahren anwendet.
aber nie aus den Linkskurven. Bei<br />
Life Kinetik lernt man, die Augen<br />
gleichwertig zu trainieren.<br />
Ein anderer Ansatz ist der, dass man<br />
nicht erst mit der Übung, zum Beispiel<br />
einer Jonglierübung, aufhört,<br />
wenn man sie kann, sondern schon<br />
vorher. Was bringt das?<br />
Neureuther: Es geht ja nicht darum,<br />
die Übungen bis zur Perfektion<br />
zu automatisieren, sondern<br />
darum, neue Verbindungen im<br />
Gehirn zu bilden. Zum Beispiel<br />
die folgende Übung: Du hast in<br />
jeder Hand einen Ball, wirfst sie<br />
hoch, überkreuzt während ihrer<br />
Flugphase die Hände und fängst<br />
sie mit gekreuzten Armen wieder<br />
auf. Das ist für Anfänger sehr<br />
schwer, stimuliert aber verschiedene<br />
Areale des Gehirns. Wenn<br />
man die Übung zum Beispiel<br />
fünfmal macht, bis man sie halbwegs<br />
kann, hat man schon neue<br />
Vernetzungen im Gehirn entwickelt.<br />
Und darum geht es, und<br />
nicht darum, dass man die Übung<br />
perfekt beherrscht.<br />
Wie oft trainieren Sie?<br />
Neureuther: Das Wichtigste daran<br />
ist – man muss konstant dabeibleiben.<br />
Als ich dank dieses Trainings<br />
besser geworden bin, habe<br />
ich damit aufgehört, weil ich<br />
dachte, ich brauche das nicht<br />
mehr. Prompt bin ich aus den ersten<br />
vier Rennen wieder ausgeschieden.<br />
Ich fing also wieder an<br />
mit Horst Lutz zu trainieren, und<br />
am Ende der Saison bin ich kein<br />
einziges Mal mehr aus den Kurven<br />
geflogen. Seither trainiere ich<br />
etwa drei- bis viermal die Woche<br />
eine Dreiviertelstunde mit Life<br />
Kinetik. Das ist natürlich nicht alles,<br />
was ich mache. Auch mein<br />
Körper muss trainiert werden –<br />
fünfmal fünfeinhalb Stunden die<br />
Woche, dazu noch eine Einheit<br />
am Wochenende.<br />
Sie hatten gesundheitlich relativ viele<br />
Probleme, mit erst 25 Jahren zwei<br />
Bandscheibenvorfälle. Im Sommer<br />
2004 kam eine Herzbeutelentzündung<br />
dazu. Wie konnte das alles passieren?<br />
Neureuther: Der Grund für die<br />
Herzbeutelentzündung war, dass<br />
ich trotz einer Erkältung einfach<br />
weitertrainiert habe. Das passiert<br />
mir nicht mehr. Und Rückenschmerzen<br />
plagen mich schon immer,<br />
weil ich eine leichte Fehlstellung<br />
der Hüfte habe. Der Bereich,<br />
wo ich die Bandscheibenvorfälle<br />
hatte, in den Lendenwirbeln, ist<br />
aber ganz klassisch für Skifahrer,<br />
weil hier die Erschütterungen gedämpft<br />
werden. Beim Skifahren<br />
ist man eben extremen Schlägen<br />
und Kräften ausgesetzt.<br />
Man könnte meinen, dass es da eher<br />
die Knie trifft.<br />
Neureuther: Ja, die auch. Ich wurde<br />
auch schon an beiden Knien<br />
wegen Knorpelschäden operiert.<br />
Die Knorpel unter der Kniescheibe<br />
wurden endoskopisch abgeschliffen<br />
und angebohrt, damit<br />
sich neuer Knorpel bildet. Zweimal<br />
wurde ich auch schon an den<br />
Schultern operiert.<br />
Vielleicht ist Skifahren doch nicht die<br />
richtige Sportart für Sie?<br />
Neureuther: Rücken- und Knieprobleme<br />
haben fast alle Skifahrer.<br />
Und man nimmt sie in Kauf,<br />
weil Skifahren einfach so extrem<br />
viel Spaß macht. Mein Problem<br />
war eher, dass ich zu wenig für<br />
meinen Rücken getan habe. Man<br />
muss vor allem die unteren<br />
Bauchmuskeln aufbauen, die stützen<br />
nämlich die Lendenwirbel.<br />
Dieses Areal kräftigt man nicht<br />
mit normalen Sit-ups.<br />
Haben Ihre Eltern Sie zu früh auf<br />
die Skier gestellt? Sie waren zweieinhalb<br />
Jahre alt.<br />
Neureuther: Schon, es war früh,<br />
aber ich wollte es ja so, ich wollte<br />
unbedingt Ski fahren. Und ich<br />
konnte mir nichts Schöneres vor-<br />
Buchtipp<br />
stellen, als Profi-Skifahrer zu<br />
werden. Als ich drei war, ist meine<br />
Mama mit mir an den Babylift.<br />
Nach einiger Zeit hat sie gefroren<br />
und wollte nach Hause, aber ich<br />
wollte nicht und habe wahnsinnig<br />
geweint. Nebenan hat eine Frau<br />
gesagt: „Mei, jetzt schau dir die<br />
Rosi Mittermaier an, jetzt zwingt<br />
sie ihren Sohn schon so jung zum<br />
Skifahren.“ Dabei war es genau<br />
andersherum. Meine Schwester<br />
Ameli ist ja auch keine Skifahrerin<br />
geworden, sie ist Designerin<br />
bei Joop, hat viel Talent zum<br />
Zeichnen und durfte auch das<br />
machen, was sie wollte. Meine Eltern<br />
haben keinen von uns zu irgendwas<br />
gezwungen.<br />
Ist Ihr berühmter Name eher ein<br />
Segen oder eher ein Fluch?<br />
Neureuther: Beides. Manchmal<br />
denke ich, es wäre leichter gewesen,<br />
wenn ich Müller heißen würde.<br />
Auf mir lasten hohe Erwartungen,<br />
und wenn ich mal Mist<br />
baue, heißt es: „Der darf auch nur<br />
mitfahren, weil er Neureuther<br />
heißt.“ Andererseits hatte ich in<br />
meinen Eltern tolle Lehrer.<br />
Titelstory 11<br />
Sinn und Zweck von<br />
Life Kinetik und viele<br />
Übungen dazu enthält<br />
das Buch „Mein Training<br />
mit Life Kinetik“ von<br />
Horst Lutz und Felix Neureuther.<br />
Erschienen im<br />
Nymphenburger-Verlag,<br />
ISBN-10: 3485011878,<br />
16,95 Euro<br />
Felix Neureuther bei seiner<br />
Lieblingsbeschäftigung Foto: dpa
12 Praxis<br />
Die Hände sind ein feinmotorischesWunderwerk.<br />
Wenn die Gelenke<br />
schmerzen, kann die Radiosynoviorthese<br />
helfen.<br />
Per Szintigraphie erkennt<br />
der Nuklearmediziner,<br />
wie sich der Wirkstoff<br />
an den entzündeten<br />
Stellen verteilt.<br />
Beweglich wie zuvor<br />
Chronisch-entzündliche Gelenkerkrankungen sind weit verbreitet und meistens sehr schmerzhaft.<br />
Die Schmerzen kann man mit Radiosynoviorthese in den Griff bekommen. Eine Patientengeschichte<br />
über die Möglichkeiten dieser Methode.<br />
Nuklearmediziner<br />
Dr. Thomas Winter<br />
Von Monat zu Monat wurden die Schmerzen<br />
schlimmer: Magda Gremser (Name von der Redaktion<br />
geändert) konnte sich kaum noch bewegen<br />
– alle Lebenslust war dahin. Die Medikamente,<br />
die sie gegen ihre Krankheit einnahm,<br />
wirkten nicht richtig.<br />
Ihr Leidensweg begann damit, dass ihre Hände<br />
morgens nach dem Aufstehen steif waren. „Es<br />
passierte über Nacht. Ich wachte auf und konnte<br />
meine Finger kaum bewegen“, erinnert sich die<br />
58-Jährige. „Doch nach einer Stunde war wieder<br />
alles normal.“ Als sich schließlich die Fingergelenke<br />
entzündeten – sie fühlten sich heiß<br />
an, waren rot und geschwollen –, ging sie zu ihrem<br />
Hausarzt, der auf Rheumatoide Arthritis<br />
tippte. Eine Blutuntersuchung und eine Ultra-<br />
schallaufnahme erhärteten den Verdacht. Der<br />
Hausarzt überwies sie zum Rheumatologen, der<br />
über ein Röntgenbild den Schweregrad der Erkrankung<br />
feststellte. „Er klärte mich darüber<br />
auf, dass Rheumatoide Arthritis nicht heilbar ist,<br />
sondern dass nur das Fortschreiten der Erkrankung<br />
hinausgezögert werden kann“, sagt Magda<br />
Gremser. „Ich wurde eingehend befragt und untersucht,<br />
bis mir ein passendes Basismedikamt<br />
verordnet wurde, das allerdings starke Nebenwirkungen<br />
auslöste. Ein neues Medikament vertrug<br />
ich besser.“ Nach einem Jahr Behandlung<br />
mit Immunsuppressiva hatte sich die Krankheit<br />
jedoch verschlimmert – Bewegung verknüpfte<br />
Magda Gremser bald wieder mit Schmerz. Zudem<br />
manifestierte sich die Krankheit auch an
den Fußgelenken. Sie sagt: „Das war der Zeitpunkt,<br />
zu dem der Rheumatologe mir eine Behandlung<br />
beim Nuklearmediziner empfahl.“<br />
Strahlen für gesunde Gelenke<br />
Dr. Thomas Winter, ein Spezialist für Radiosynoviorthese,<br />
klärt über das Verfahren auf, das<br />
nicht nur bei Arthritis Anwendung findet, sondern<br />
bei allen entzündlichen Gelenkserkrankungen:<br />
„Bei dem Verfahren spritzen wir Radionuklide<br />
unter örtlicher Betäubung punktgenau<br />
in den Gelenkraum. Diese Substanz ist gering<br />
radioaktiv und wird für jeden Patienten individuell<br />
ausgewählt. Dabei beschränkt sich die<br />
Strahlung des Radionuklids auf die Gelenkschleimhaut.<br />
Das Nuklid wird darüber hinaus<br />
von den oberflächlichen Schleimhautzellen aufgenommen,<br />
was zu einer Verödung dieser Zellschicht<br />
führt. Die entzündete Gelenkschleimhaut<br />
verschorft, das Gelenk schwillt ab und es<br />
bildet sich weniger Gelenkflüssigkeit. Ferner<br />
werden die feinsten Nervenendigungen ausgeschaltet,<br />
was die Schmerzen beseitigt.“ Nach der<br />
Injektion dokumentiert der Nuklearmediziner<br />
anhand einer Skelettszintigraphie, wie sich das<br />
Foto: filo/istockphoto<br />
Welche Radionuklide werden eingesetzt?<br />
Name Einsatzort Halbwertszeit<br />
Yttrium Kniegelenk 64 Stunden<br />
Rhenium Hüft-, Schulter-, Sprung-,<br />
Ellenbogen-, Handgelenk 89 Stunden<br />
Erbium kleine Hand- und<br />
Fußgelenke 226 Stunden<br />
Radionuklid im Gelenk verteilt. Richtig angewendet<br />
wirkt das Radionuklid fast ausschließlich<br />
im Gelenk, sodass der restliche Körper<br />
kaum mit radioaktiver Substanz belastet wird.<br />
Mit dieser Methode kann die entzündete, verdickte<br />
und häufig zottenartig wuchernde Gelenkhaut<br />
zerstört werden – die Ursache für<br />
Unbeweglichkeit, Schmerz und geschädigte Gelenkknorpel<br />
und -knochen.<br />
Eine Woche Ruhe<br />
Magda Gremsers ganze Hoffnung lag auf dieser<br />
Behandlungsmethode. Zuerst fertigte Dr. Winter<br />
ein Szintigramm an, um die Diagnose zu<br />
spezifizieren und die Therapie zu planen. Das<br />
Szintigramm bildet das Skelett ab. Es stellt besonders<br />
gut entzündete Bereiche dar, sie erscheinen<br />
auf dem Bild stärker geschwärzt als<br />
gesunde Bereiche. Der Eingriff selbst dauerte<br />
nur 15 Minuten. Weil die Gelenke 48 Stunden<br />
nach der Radiosynoviorthese nicht bewegt werden<br />
dürfen, erhielt Magda Gremser eine Armschiene.<br />
„Wir haben die Behandlung auf mehrere<br />
Termine verteilt, weil ich bei beidhändiger<br />
Ruhigstellung schon ziemlich hilflos gewesen<br />
wäre“, erklärt sie. Dr. Winter ergänzt: „Die Ruhigstellug<br />
muss sein, damit das Radionuklid<br />
nur im Gelenk wirkt.“ Eine weitere Woche lang<br />
musste Magda Gremser die Hand schonen und<br />
tat sich schwer damit: „Schon nachdem ich die<br />
Schiene abgenommen hatte, spürte ich kaum<br />
noch Schmerzen. Es ist mir schwergefallen, die<br />
neue Freiheit nicht gleich zu nutzen.“<br />
Radiosynoviorthese – wo sie hilft<br />
Radiosynoviorthese ist eine einfache, aber wirkungsvolle<br />
Behandlung von schmerzhaften, entzündlichen<br />
Gelenkserkrankungen wie<br />
� chronische Polyarthritis<br />
� Psoriasisarthritis, Morbus Bechterew, Lyme-Arthritis<br />
(Borreliose), Arthritis bei Hämophilie<br />
(Störung der Blutgerinnung), villonoduläre Synovialitis<br />
(knotig-zottige Veränderung der Gelenkschleimhaut)<br />
� Arthrose<br />
Praxis 13
14 Praxis<br />
Nach einem schweren Unfall ist<br />
das Unfallopfer häufig nicht<br />
ansprechbar. Innere Verletzungen<br />
erkennt man dann<br />
mit einem MRT-Scan. Das<br />
Gerät stellt Organe, Bindegewebe<br />
und Gehirn<br />
genau dar. Auch das<br />
Herz kann damit sehr<br />
gut beurteilt werden.<br />
Nach einem Unfall –<br />
ab in die Röhre?<br />
Ist es sinnvoll, Verletzte prinzipiell mit Computertomographie oder Magnetresonanztomographie<br />
zu untersuchen, um von außen nicht sichtbare Verletzungen zu erkennen? Auf diese Frage antworten<br />
der Unfallchirurg Dr. med. Stefan Huttner und der Radiologe Dipl.-Med. Heinrich Seilkopf.<br />
Mit bildgebenden Verfahren wie Computertomographie<br />
und Magnetresonanztomographie kann man in den Körper<br />
blicken, ohne ihn zu verletzen. Ideale Methoden, um<br />
nach Unfällen innere Verletzungen schnell und genau festzustellen.<br />
Sollten diese Verfahren nach jedem Unfall eingesetzt<br />
werden?<br />
Dr. Huttner: Bei Verletzungen, die weniger schwerwiegend<br />
sind und ambulant behandelt werden können,<br />
ist die Antwort ganz klar Nein.<br />
Dipl.-Med. Heinrich<br />
Seilkopf (links) und<br />
Dr. Stefan Huttner<br />
Wohin führt dann der erste Weg nach einem Unfall?<br />
Dr. Huttner: Der erste Weg bei leichteren Verletzungen<br />
führt zu einem Arzt, der Erfahrung in der Behandlung<br />
von Verletzungen hat. Häufig ist das der<br />
Hausarzt. Er kann die meisten medizinischen Entscheidungen<br />
treffen. Wenn noch Fragen offen sind,<br />
wird meist ein Facharzt herangezogen. Die spezialisierte<br />
radiologische Diagnostik steht bei Verletzungen<br />
und Unfällen somit erst an einer nachgeordneten<br />
Stelle.<br />
Was tun bei einem Arbeitsunfall?<br />
Dr. Huttner: Da sollte unbedingt ein D-Arzt oder<br />
H-Arzt eingeschaltet werden. D-Ärzte sind Durchgangsärzte,<br />
also Chirurgen oder Orthopäden, und<br />
behandeln Unfallpatienten bis sie wieder arbeitsfähig<br />
sind. H-Ärzte, das leitet sich von Heilbehandlung<br />
ab, sind nicht unbedingt Chirurgen. Sie dürfen<br />
Unfallpatienten behandeln, die direkt in seine Praxis<br />
kommen, nicht aber auf Überweisung von anderen
Ärzten. Diese spezialisierten Ärzte veranlassen eine<br />
weiterführende Diagnostik, sofern sie notwendig ist.<br />
Das Prozedere gilt auch für alle Patienten, die privat<br />
versichert sind.<br />
Man hört oft den Begriff „Röhre“. Was ist damit gemeint?<br />
Dipl.-Med. Seilkopf: Der Begriff „Röhre“ wird umgangssprachlich<br />
für verschiedene Formen der modernen<br />
radiologischen Diagnostik benutzt. Ihnen ist gemeinsam,<br />
dass der Mensch in einer röhrenförmigen<br />
Öffnung liegt, damit Bilder aus seinem Körperinneren<br />
erzeugt werden. Meist wird damit die Magnetresonanztomographie<br />
(MRT) oder die Computertomographie<br />
(CT) gemeint, seltener die Szintigraphie.<br />
Erklären sie in wenigen Sätzen den Unterschied zwischen<br />
Kernspintomographie und Computertomographie?<br />
Dipl.-Med. Seilkopf: Um Bildinformationen aus dem<br />
menschlichen Körper zu bekommen, werden in der<br />
Kernspintomographie, die auch Magnetresonanztomographie<br />
genannt wird, Magnetfelder und elektromagnetische<br />
Wellen genutzt, die mit speziellen Antennen<br />
gesendet und empfangen werden. In der<br />
Computertomographie werden spezielle Röntgenröhren<br />
und Detektoren verwendet. Beide Methoden wären<br />
ohne die moderne Computertechnik nicht im<br />
medizinischen Alltag anwendbar.<br />
Viele Beispiele belegen, dass erst mit einer solchen Untersuchung<br />
Verletzungen entdeckt wurden. Wie vereinbaren Sie<br />
das mit Ihrer Feststellung, solche Untersuchungen gehörten<br />
nicht an die erste Stelle der ambulanten Diagnostik?<br />
Dr. Huttner: Diese Beispiele gibt es. Doch stehen ihnen<br />
viel mehr normale Behandlungsabläufe gegenüber.<br />
Daher gehört an die erste Stelle ein Arzt, der<br />
den Verletzten untersucht. Oft kann der erfahrene<br />
Arzt dann schon ohne weitere Hilfsmittel den weiteren<br />
Weg der Behandlung vorschlagen. Die Frage<br />
nach einem Knochenbruch klären meist schon die<br />
Röntgenbilder. Verletzte Muskeln, Sehnen und Organe<br />
können auch oft mit Ultraschall erkannt werden.<br />
Sollten dann noch Fragen offen bleiben, kann die Radiologie<br />
vernünftig und effektiv genutzt werden.<br />
Was meinen Sie mit offenen Fragen?<br />
Dr. Huttner: Das können Widersprüche in der Art<br />
sein, dass die bisherigen Untersuchungsergebnisse<br />
nicht mit den Beschwerden übereinstimmen. Oder<br />
die Entscheidung über die weitere Therapie hängt<br />
von diesen speziellen Ergebnissen ab. Am Beginn unserer<br />
Arbeit stehen jedenfalls Kollegen, die konkrete<br />
Fragen an uns stellen.<br />
Was erfährt der Patient beim Radiologen?<br />
Dipl.-Med. Seilkopf: In einem Gespräch erläutert der<br />
Radiologe dem Patienten, welche Schlüsse er aus den<br />
Bildern zieht. Die weitere Therapie bespricht der Patient<br />
mit dem überweisenden Arzt, der die dafür nötigen<br />
Kenntnisse hat.<br />
Wieso wird davon gesprochen, dass die moderne Mehrzeilen-Computertomographie<br />
ein wesentlicher Fortschritt für<br />
schwer verletzte Patienten ist?<br />
Dr. Huttner: Der schwer verletzte Patient kommt<br />
möglichst schnell in ein Krankenhaus. Häufig hat er<br />
mehrere Verletzungen und ist nicht ansprechbar. In<br />
solchen Fällen ist ein moderner Computertomograph<br />
ein wichtiges Hilfsmittel, um innere Verletzungen<br />
schnell und in vollem Umfang zu erkennen.<br />
Wann werden in diesem Zusammenhang Gutachten erforderlich?<br />
Dr. Huttner: Gutachten wegen Arbeitsunfallfolgen<br />
werden von den Berufsgenossenschaften veranlasst,<br />
die auch die Kosten dafür tragen. Gibt ein Gericht ein<br />
Gutachten in Auftrag, wird dies nach dem Gesetz zur<br />
Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen<br />
vergütet. Bei Gutachten, die für Privatzwecke angefordert<br />
werden, zum Beispiel für private Unfallversicherungen<br />
oder Anwälte, sind die Kosten in der Regel<br />
nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom<br />
Auftraggeber zu entrichten. Viele private Unfallversicherungen<br />
haben hierzu vorgedruckte Formulare.<br />
Welche fachliche Qualifikation muss jemand vorweisen,<br />
um Unfallgutachten ausstellen zu dürfen?<br />
Dipl.-Med. Seilkopf: Die gutachterliche Tätigkeit für<br />
Berufsgenossenschaften setzt in der Regel die Zulassung<br />
als D-Arzt voraus. Hierzu wird die Facharztausbildung<br />
mit Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie<br />
beziehungsweise Facharzt für Orthopädie und<br />
Unfallchirurgie gefordert. Zum Erhalt der Qualifikation<br />
D-Arzt muss man eine gewisse Zahl von Gutachten<br />
einreichen und benötigt ausführlich wissenschaftlich<br />
begründete Zusammenhangsgutachten.<br />
Diese Aufnahme vom<br />
Knie zeigt eine Schienbeinkopffissur<br />
(roter<br />
Pfeil), die auf dem<br />
normalen Röntgenbild<br />
nicht zu erkennen war.<br />
Das MRT-Bild brachte<br />
den Riss ans Tageslicht.<br />
Praxis 15
16 Praxis<br />
Deutschland zählt zu den jod-<br />
D ärmsten Ländern der Erde.<br />
Unser Körper benötigt aber<br />
Jod, um in der Schilddrüse die Hormone<br />
T3, T4 und Kalzitonin herstellen<br />
zu können. Trotzdem die meisten Deutschen<br />
jodiertes Speisesalz oder Meersalz<br />
verwenden, hat immer noch jeder<br />
dritte Erwachsene eine vergrößerte<br />
Schilddrüse.<br />
Das Gefühl der Enge<br />
Um den Jodmangel auszugleichen, vergrößert<br />
die Schilddrüse ihr Volumen.<br />
Das verursacht zunächst keine Beschwerden.<br />
Überschreitet die Vergrößerung<br />
jedoch ein bestimmtes Ausmaß,<br />
Nuklearmedizinerin<br />
Eva Wirthgen-Beyer<br />
können Schluck- und Atemprobleme<br />
die Folge sein. Manchen kommt es vor,<br />
als ob sie einen Kloß im Hals hätten.<br />
Auch ein unangenehmes Druckgefühl<br />
kann sich bemerkbar machen. Der Betroffene<br />
empfindet dann hochgeschlossene<br />
Kleidung als störend.<br />
Als weitere Folge des Jodmangels können<br />
sich Knoten in der Schilddrüse<br />
bilden. Untersuchungen aus den Jahren<br />
2004 bis 2006 zeigen, dass 10 Prozent<br />
der Bevölkerung eine Schilddrüsenvergrößerung<br />
ohne Knoten haben,<br />
10 Prozent eine Vergrößerung mit Knoten<br />
und 14 Prozent der Männer beziehungsweise<br />
17 Prozent der Frauen eine<br />
normal große Schilddrüse mit Knoten.<br />
Je länger die Jodmangelsituation besteht,<br />
desto höher wird die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass entweder „heiße“ Knoten<br />
entstehen, die unkontrolliert Hormone<br />
produzieren, oder aber „kalte“ Knoten,<br />
funktionsuntüchtiges Gewebe wie Zysten<br />
oder Adenome oder aber das sehr<br />
seltene Schilddrüsenkarzinom.<br />
Zurück zur Normalität<br />
Wer bei sich eine Vergrößerung vermutet,<br />
sollte seinen Hausarzt ansprechen,<br />
der den Hals abtastet und die<br />
Meeresfrüchte<br />
für den<br />
schlanken Hals<br />
Funktioniert die Schilddrüse nicht richtig, wirkt sich das eklatant<br />
auf unser Wohlbefinden aus. Was sind die häufigsten<br />
Störungen und wie machen sie sich bemerkbar?<br />
Darüber berichtet Eva Wirthgen-Beyer.<br />
Schilddrüsenhormonwerte im Labor<br />
bestimmen lässt. Zusätzlich kann er<br />
über Ultraschall die Größe der Schilddrüse<br />
und eventuelle Knoten ermitteln.<br />
Findet der Hausarzt Knoten,<br />
überweist er den Patienten an den<br />
Nuklearmediziner, der über die Szintigraphie<br />
herausfindet, ob es sich um<br />
„kalte“, „heiße“ oder „indifferente“<br />
Knoten handelt. Letztere sind nur verdichtetes<br />
Schilddrüsengewebe und<br />
sollten gelegentlich kontrolliert werden.<br />
„Kalte“ Knoten hingegen müssen<br />
weiter untersucht werden, zum Bei-<br />
Wie viel Jod brauche ich?<br />
Der tägliche Jodbedarf eines Erwachsenen<br />
liegt bei 150 bis 300 Mikrogramm, in<br />
der Pubertät, bei Schwangeren und Stillenden<br />
ist der Bedarf höher. Mit jodreicher<br />
Ernährung, zum Beispiel durch<br />
jodiertes Speisesalz, Meeresfrüchte und<br />
Meeresfisch kann man diese Menge erreichen.<br />
Einmal die Woche sollte man Produkte<br />
aus dem Meer verzehren. Bei extremer<br />
Jodzufuhr (über 1 Milligramm pro<br />
Tag) kommt es allerdings zu einer Hormonblockade.<br />
Seetang und Algen sollte<br />
man daher nicht im Übermaß genießen.
spiel durch die Entnahme einer Gewebeprobe<br />
und anschließender feingeweblicher<br />
Untersuchung der Zellen.<br />
Nur so kann zwischen gutartigem und<br />
bösartigem Gewebe differenziert werden.<br />
Schilddrüsenkrebs ist hierzulande<br />
eine sehr seltene Erkrankung, die<br />
gute Heilungschancen hat, wenn der<br />
Tumor rechtzeitig entdeckt wird. In<br />
der Regel muss der Hausarzt aber nur<br />
die vergrößerte Schilddrüse behandeln,<br />
und dafür gibt es zahlreiche erprobte<br />
Therapiemöglichkeiten.<br />
Zu viel oder zu wenig?<br />
Neben der Vergrößerung können<br />
Funktionsstörungen der Schilddrüse<br />
vorliegen – zum Beispiel die Unterfunktion.<br />
Sie ist einfach zu behandeln,<br />
denn der Patient muss nur Schilddrüsenhormone<br />
in Tablettenform einnehmen<br />
und dies ein Leben lang. Eine<br />
Unterfunktion ist die Folge eines Hormonmangels<br />
und kann sich in folgenden<br />
Symptomen zeigen: niedriger<br />
Puls und Blutdruck, Müdigkeit, verminderte<br />
Leistungsfähigkeit, kühle<br />
und trockene Haut, brüchige Haare<br />
und Nägel, Haarausfall, Verstopfung,<br />
Gewichtszunahme, verminderte Bildung<br />
von roten Blutkörperchen, unregelmäßige<br />
Monatsblutung bei Frauen,<br />
und ein Kinderwunsch bleibt<br />
häufig erfolglos.<br />
Die Schilddrüsenüberfunktion hingegen<br />
führt zu entgegengesetzten Symptomen:<br />
hoher Puls, Kurzatmigkeit,<br />
Gewichtsverlust, vermehrtes Schwitzen,<br />
Zittern der Hände, unruhige Stimmung,<br />
verminderter oder sehr starker<br />
Die endokrine, schmetterlingsförmige Schilddrüse,<br />
die aus einem rechten und einem linken<br />
Lappen besteht und etwa 20 bis 60 Gramm<br />
wiegt, stellt die Hormone Tyroxin (T4) und Trijodthyronin<br />
(T3) her. Diese Hormone<br />
X<br />
erhöhen den Sauerstoffverbrauch, den Kohlenhydrat-,<br />
Fett- und Proteinstoffwechsel;<br />
X erzeugen Wärme und spielen so eine wichtige<br />
Rolle beim Erhalt der Körpertemperatur;<br />
X beeinflussen Herzfrequenz und Blutdruck;<br />
Wie funktioniert die Szintigraphie?<br />
Die Schilddrüse produziert Hormone,<br />
deren Hauptbestandteil<br />
Jod ist. Für eine Schilddrüsen-<br />
Szintigraphie verwendet man Radiopharmaka<br />
− überwiegend radioaktives<br />
Technetium. Diese<br />
Substanz wird in die Vene des Patienten<br />
gespritzt und verteilt<br />
sich in dessen Organismus. Am<br />
stärksten reichert sich die Substanz<br />
in der Schilddrüse an. Nach<br />
15 bis 25 Minuten zeichnet eine<br />
spezielle Kamera die radioaktive<br />
Strahlung und damit die Verteilung<br />
der Substanz innerhalb der<br />
Schilddrüse auf. Diese Daten geben<br />
Aufschluss über den Stoffwechsel<br />
der Schilddrüse und es<br />
können „heiße“ von „kalten“<br />
Knoten unterschieden werden.<br />
Die Strahlenbelastung dieses Verfahrens<br />
ist gering, denn das Technetium<br />
hat eine Halbwertszeit<br />
von wenigen Stunden.<br />
Appetit, Ausbleiben der Monatsblutung<br />
bei Frauen. Die Überfunktion<br />
kann einerseits auf Jodmangel basieren,<br />
der das Schilddrüsengewebe zu<br />
übermäßigem Wachstum anregt. Dies<br />
kann die Hormonproduktion unkontrolliert<br />
ansteigen lassen. Zum anderen<br />
gibt es die Autoimmunerkrankung<br />
Morbus Basedow. Hier richtet<br />
sich das Immunsystem, das eigentlich<br />
den Körper vor Bakterien und Viren<br />
schützen soll, gegen eigene Organe, in<br />
diesem Fall die Schilddrüse. Antikör-<br />
Warum ist die Schilddrüse wichtig?<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
Die Schilddrüsen-Szintigraphie<br />
zeigt eine diffus<br />
vergrößerte Schilddrüse<br />
mit einem „kalten“ Knoten<br />
am rechten unteren<br />
Drüsenbereich (schwarz<br />
eingekreist).<br />
wirken sich auf den Wachstums- und Reifungsprozess<br />
des Skeletts und die Entwicklung<br />
des Gehirns aus;<br />
beschleunigen den Auf- und Abbau des Cholesterins;<br />
kurbeln die Eiweißproduktion im Körper an<br />
und fördern die Spaltung von Fetten.<br />
Außerdem erzeugt die Schilddrüse das Hormon<br />
Kalzitonin, das an der Regulierung des<br />
Kalziumstoffwechsels beteiligt ist.<br />
per stimulieren hier die Schilddrüsenzellen<br />
zu vermehrter Hormonproduktion.<br />
Ein Hinweis auf Morbus Basedow<br />
können stark hervortretende Augen<br />
sein. Auch bei Schilddrüsenüberfunktion<br />
stehen mehrere Therapiemöglichkeiten<br />
zur Auswahl — angefangen von<br />
Schilddrüsenblockern über die Radiojodtherapie<br />
bis hin zur Operation.<br />
Für alle Patienten gilt jedoch: Die<br />
Nachsorge ist extrem wichtig, und die<br />
Hormonwerte müssen regelmäßig vom<br />
Arzt kontrolliert werden.<br />
Praxis 17
18 Innovation<br />
Mit Schallwellen<br />
gegen Schmerzen<br />
Krankes Gehirngewebe veröden, ohne den Schädel zu öffnen — genau das ist einem<br />
Spezialistenteam an der Züricher Universitäts-Kinderklinik gelungen. Zehn Patienten „operierten“<br />
sie erfolgreich mit Hochenergie-Ultraschall (HIFU).<br />
Eine Operation am Ge-<br />
E hirn löst bei den meisten<br />
Menschen keine angenehmen<br />
Vorstellungen aus. Eine<br />
Meldung im Juni dieses Jahres<br />
sorgte daher für Aufsehen: Erstmals<br />
erfolgreiche Hirnoperation<br />
mit Ultraschall durchgeführt! Am<br />
Magnetresonanz-Zentrum der Universitäts-Kinderklinik<br />
Zürich wurden<br />
zehn Patienten mit transkraniellem<br />
Hochenergie-Ultraschall<br />
(HIFU) erfolgreich operiert – also<br />
ohne die Schädeldecke zu öffnen.<br />
Schall statt Sonde<br />
Alle zehn Patienten, die im September<br />
2008 mit diesem Verfah-<br />
Thalamus — das Tor zum Bewusstsein<br />
ren behandelt worden waren, litten<br />
an chronischen Schmerzen,<br />
deren Ursache in einer Fehlfunktion<br />
im Thalamus lag. Bislang<br />
wurden solche Störungen mit einer<br />
Sonde behoben, die durch<br />
eine kleine Öffnung im Schädel<br />
in das Zielgebiet geschoben wurde<br />
und dort das Gewebe mit Hitze<br />
verödete. Auch Daniel Jeanmonod,<br />
Neurochirurg am Universitätshospital<br />
Zürich, praktizierte<br />
diese minimalinvasive chirurgische<br />
Methode. Doch birgt dieser<br />
Eingriff auch Risiken wie<br />
Blutungen oder Infektionen. Außerdem<br />
kann gesundes Hirngewebe<br />
zerstört werden an einem<br />
Die Väter des HIFU-Projekts<br />
am Kinderspital<br />
Zürich: Prof. Martin-Fiori<br />
(links) und Prof. Jeanmonod<br />
während einer<br />
HIFU-Operation. Da der<br />
Eingriff nicht invasiv ist,<br />
müssen keine sterilen<br />
Bedingungen herrschen.<br />
Die Computermaus ersetzt<br />
das Skalpell.<br />
Das Gehirn, die zentrale Verwaltungsstation des Körpers, besteht<br />
aus Großhirn, Kleinhirn, Mittelhirn und Zwischenhirn.<br />
Zu Letzterem gehört auch der Thalamus. Seine Aufgabe ist<br />
es, Informationen aus dem Körper und den Sinnesorganen<br />
zur Großhirnrinde weiterzuleiten. Dabei fungiert der Thalamus<br />
als Filter, der entscheidet, welche Informationen für den<br />
Organismus im Moment wichtig sind, sodass sie weitergeleitet<br />
werden und ins Bewusstsein gelangen. Der Thalamus wird<br />
deshalb oft als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet.<br />
Ort, wo jeder Millimeter wichtig<br />
ist. Mit dem Hochenergie-Ultraschall-Verfahren<br />
hingegen arbeitet<br />
das Züricher Team unter ständiger<br />
Bildkontrolle, was die<br />
Risiken minimiert.<br />
Eiweiß erhitzen<br />
Das Ultraschallsystem, der Transducer,<br />
ist eine Art Helm, der über<br />
den Kopf des Patienten gestülpt<br />
wird. Aus diesem Zylinder werden<br />
1.<strong>02</strong>4 Ultraschallbündel ins<br />
Innere des Gehirns gesendet. Jedes<br />
einzelne Ultraschallbündel ist<br />
zu schwach, um Gewebe zu schädigen,<br />
doch im Schnittpunkt aller<br />
1.<strong>02</strong>4 Bündel konzentriert sich<br />
ihre Energie derart, dass dort<br />
Gewebe gezielt erhitzt werden<br />
kann. Temperaturen ab 53 Grad<br />
Celsius reichen aus, um die Nervenzellen,<br />
die im Wesentlichen<br />
aus Eiweiß bestehen, zu veröden.<br />
Da der Schädelknochen jedoch<br />
etwa 80 Prozent der Schallenergie<br />
absorbiert, was ihn erheblich erhitzen<br />
würde, enthält der Transducer<br />
ein Kühlsystem. Das Wasser,<br />
Erfolgskontrolle mit<br />
Magnetresonanztomographie:<br />
Das Hirngewebe wird<br />
in verschiedenen Graustufen<br />
dargestellt, die Liquorräume<br />
sind schwarz. Die<br />
beiden weißen Punkte im<br />
Zentrum des Gehirns<br />
entsprechen dem während<br />
der Operation zerstörten<br />
Gewebe.
Fotos: Kinderspital Zürich<br />
das den Kopf des Patienten umspült,<br />
erfüllt einen weiteren Zweck:<br />
Es ist ein ideales Medium, um die<br />
Schallwellen zu transportieren.<br />
Geplant, durchgeführt und kontrolliert<br />
wird der Eingriff mit<br />
Hilfe von Magnetresonanz-Bildgebung<br />
(MRT). Diese Technik arbeitet<br />
mit Magnetfeldern, die es<br />
ermöglichen, die anatomischen<br />
Strukturen des Gehirns auf<br />
einem Monitor exakt darzustellen.<br />
Mit MRT ist es außerdem<br />
möglich, die Temperatur im Zielgebiet<br />
darzustellen, so dass der<br />
Chirurg weiß, wann die kritische<br />
Grenze erreicht ist.<br />
Bald für Tumore geeignet?<br />
Bislang behandelten die Züricher<br />
Spezialisten lediglich Patienten<br />
mit funktionellen Hirnstörungen.<br />
Das Züricher Team hat jedoch<br />
weitreichende Pläne. Als Nächstes<br />
wollen sie die Methode bei Parkinson-Patienten<br />
einsetzen und<br />
mit zunehmender Erfahrung auch<br />
bei Menschen mit bestimmten<br />
Epilepsieerkrankungen.<br />
Auch bei Tumoren könnte der<br />
Hochenergie-Ultraschall bald einsetzbar<br />
sein. Vor allem bei kleinen<br />
Tumoren, die zentral und damit<br />
für den Chirurgen schlecht er-<br />
Wie funktioniert Ultraschall?<br />
Der Kopf des Patienten ist<br />
fixiert, damit er absolut ruhig<br />
liegt. So kann das Zielgebiet<br />
im Thalamus exakt angesteuert<br />
werden. Im Hintergrund<br />
sieht man die Öffnung des<br />
Magnetresonanz-Scanners.<br />
reichbar im Gehirn sitzen, ist das<br />
Verfahren vorteilhaft, weil es das<br />
gesunde Gehirngewebe nicht beeinträchtigt.<br />
Da Ultraschall nicht<br />
invasiv ist, kann der Tumor in vielen<br />
kleinen Schritten beseitigt<br />
werden. Läuft alles gut, sollen in<br />
einem Jahr die ersten klinischen<br />
Studien mit Patienten durchgeführt<br />
werden.<br />
„Normale“ Ultraschallgeräte arbeiten mit Schallwellen, die<br />
mit mehr als 1 bis 30 Millionen Schwingungen pro Sekunde<br />
weit oberhalb der menschlichen Hörgrenze liegen. Der Schallkopf<br />
sendet kurze Schallwellen, die vom Körper reflektiert<br />
werden („Echos“). Aufgrund dieses Echos berechnet das Ultraschallgerät<br />
ein Schnittbild der inneren Organe.<br />
Beim interventionellen Hochenergie-Ultraschall (HIFU) werden<br />
Schwallwellen gebündelt, sodass im Brennpunkt Gewebe<br />
erhitzt und zerstört werden kann.<br />
Innovation 19
20 xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx<br />
Wasser ist zum<br />
Waschen da –<br />
Seife dazu und<br />
fertig bist du.<br />
Händewaschen<br />
schützt vor Keimen<br />
Seit Wochen wird darüber debattiert, ob Händewaschen vor einer Grippeansteckung schützen kann.<br />
Wir sprachen mit Dr. Frauke Mattner, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft<br />
„Allgemeine und Krankenhaushygiene“ der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie,<br />
über den Nutzen der Hygiene für die Gesundheit des Menschen.<br />
Privatdozentin<br />
Dr. med. Frauke Mattner<br />
Was bringt Händewaschen im Kampf gegen<br />
Krankheiten?<br />
Dr. Mattner: Das Händewaschen verringert<br />
die Zahl der Krankheitserreger auf den Handoberflächen.<br />
Die normale Hautflora umfasst<br />
normalerweise wenigpathogene Hautkeime,<br />
die für den gesunden Menschen keine Gefahr<br />
bedeuten. Hochpathogene Erreger wie Influenza<br />
– also Grippeviren, Noroviren, die schwere<br />
Durchfälle verursachen, und sehr viele andere<br />
können vorübergehend auf den Händen<br />
überleben und auf andere Menschen übertragen<br />
werden. Sie können natürlich auch den<br />
„Träger“ selbst infizieren. Somit reduziert<br />
Händewaschen das Infektionsrisiko mit solchen<br />
Erregern. Noch effektiver ist es allerdings,<br />
die Hände zu desinfizieren, weil so die<br />
Erreger abgetötet werden.<br />
Die Ansicht „Ein bisschen Dreck schadet nicht“ ist<br />
immer noch weitverbreitet. Stärken überstandene<br />
Infektionen tatsächlich das Immunsystem?<br />
Dr. Mattner: Das Immunsystem ist addaptiv,<br />
es lernt dazu. Je mehr Kontakt unser Körper<br />
zu verschiedenen Erregern hatte, desto mehr<br />
Abwehrstrategien kann er in kürzerer Zeit reaktivieren.<br />
Dabei baut er auf die Möglichkeit<br />
von Teilimmunitäten. Das bedeutet, unser<br />
Organismus kann Erreger besser abwehren,<br />
wenn er sich bereits mit einem ähnlichen Erreger<br />
auseinandersetzen musste. Somit wird<br />
das Immunsystem nicht „gestärkt“, sondern<br />
lediglich sein Gedächtnis erweitert und gegebenenfalls<br />
seine Reaktionszeit verkürzt.<br />
Wichtig ist zu beachten, dass alle diese Lernprozesse<br />
auch richtig krank machen können<br />
und eine lebensgefährliche Infektion in Kauf
Ihr Kontakt zu imagixx<br />
Haben Sie eine Anregung oder<br />
möchten Sie, dass wir über ein<br />
bestimmtes Thema in der imagixx<br />
berichten? Dann schicken Sie<br />
eine Mail an:<br />
kontakt@imagixx-magazin.de<br />
zu nehmen, um eine nächste Infektion vielleicht<br />
besser zu überstehen, ist widersinnig.<br />
Daher haben vor allem Impfungen einen<br />
wichtigen Platz in der Gesundheitsvorsorge.<br />
Hingegen enthält „das bisschen Dreck“ im<br />
Sandkasten so gut wie keine pathogenen Erreger,<br />
sodass die Auseinandersetzung mit<br />
Umwelterregern hier überwiegend der Vergrößerung<br />
des immunologischen Gedächtnisses<br />
dient. Natürlich muss auch hier der<br />
Tetanusschutz zwingend vorhanden sein.<br />
Wie wäscht man sich die Hände richtig?<br />
Dr. Mattner: Seife oder Flüssigseife so einmassieren,<br />
dass der ganze sichtbare Schmutz<br />
entfernt ist. Danach gut und lange nachspülen.<br />
Reicht die profane Seife oder braucht man eine Desinfektionslösung?<br />
Dr. Mattner: Das Händewaschen vor dem Essen<br />
und nach dem Toilettengang ist zur Infektionsverhütung<br />
die Basismaßnahme, weil<br />
viele Erreger über den Mund aufgenommen<br />
werden. Sind nun besonders leicht übertragbare<br />
Erreger im Umlauf wie Influenzaviren,<br />
dann gibt nur die Desinfektion der Hände<br />
wirkliche Sicherheit. Zusätzlich muss ein<br />
Mindestabstand von einem Meter zur nächsten<br />
Person eingehalten oder ein Mund-/Nasenschutz<br />
getragen werden.<br />
Hoffnung für Blinde<br />
Schädigungen des Sehnervs, die zum Beispiel<br />
durch Unfälle, Tumore oder neurodegenerative<br />
Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson<br />
oder Multiple Sklerose ausgelöst werden können,<br />
führen in der Regel immer zur Erblindung<br />
des Betroffenen. Auch der grüne Star (Glaukom),<br />
der eine der häufigsten Ursachen für<br />
Erblindung in unserer Gesellschaft darstellt,<br />
ist durch eine Schädigung des Sehnervs bedingt.<br />
Der Arbeitsgruppe um Professor Dietmar<br />
Fischer von der Universität Ulm ist es nun<br />
gelungen, eine Substanz zu finden, die den<br />
zerstörten Sehnerv wiederherstellt. Die vielversprechende<br />
Therapie mit dem Wirkstoff<br />
Pam3Cys wurde allerdings bislang nur im Tiermodell<br />
durchgeführt — ob und inwieweit Pam-<br />
3Cys bei Menschen angewendet werden kann,<br />
muss noch untersucht werden.<br />
Mehr Infos unter: www.uni-ulm.de<br />
Natürliche Geburt<br />
besser fürs Baby<br />
Eine Forschungsgruppe von<br />
der Technisch-Naturwissenschaftlichen<br />
Universität Trondheim/Norwegen<br />
ging der Frage<br />
nach, ob der Genuss von Fisch<br />
und Lebertran das Risiko, an<br />
Hautekzemen zu erkranken,<br />
herabsetze. Das Team fand heraus,<br />
dass Kinder, die mindestens<br />
einmal pro Woche Fisch<br />
aßen, ein um 38 Prozent geringeres<br />
Risiko hatten, bis zum<br />
Alter von zwei Jahren an einem<br />
Vorsorge 21<br />
Rund ein Drittel aller Babys erblickt in Deutschland per Kaiserschnitt<br />
das Licht der Welt – darunter viele aus medizinischen<br />
Gründen nicht notwendige Eingriffe.<br />
Dass die natürliche Geburt Vorteile für das Kind hat, darauf<br />
wies Professor Stephan Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin<br />
der Universität Hoffenheim hin. So sei die Vaginalpassage<br />
entscheidend für einen optimalen raschen Aufbau der<br />
immunrelevanten Darmflora des Neugeborenen. Sämtliche<br />
Schleimhäute und damit auch der Verdauungstrakt sind nämlich<br />
bis zur Geburt keimfrei. Die Erstbesiedlung des Darms<br />
Neugeborener mit „nützlichen“ Bakterien geschieht erst während<br />
der Geburt.<br />
Quelle: www.aerztezeitung.de<br />
Ein aktives Gehirn<br />
lebt länger<br />
Nervenzellen haben eine größere Überlebensfähigkeit,<br />
wenn durch Hirnaktivität ein spezielles genetisches Programm<br />
in Gang gesetzt wird. Dabei werden Schutzgene<br />
aktiviert, die das Überleben der Zellen deutlich verstärken. Das<br />
haben Neurobiologen der Universität Heidelberg unter Leitung<br />
von Prof. Dr. Hilmar Bading nachgewiesen. „Unsere Forschungsergebnisse<br />
eröffnen einerseits neue Perspektiven für therapeutische<br />
Ansätze zur Behandlung degenerativer Erkrankungen des<br />
Nervensystems. Andererseits liefern sie die wissenschaftliche<br />
Grundlage für etwas, was wir eigentlich schon immer wussten:<br />
Ein aktives Gehirn lebt länger“, sagt Prof. Bading.<br />
Fischgenuss für<br />
gesunde Haut<br />
Ekzem zu erkranken, als Kinder,<br />
die weniger Fisch bekamen.<br />
Den Kindern wurde im<br />
Alter von neun Monaten Fisch<br />
gegeben. Lebertran hingegen<br />
zeigte keine Auswirkungen.<br />
Quelle: www.medizin-online.de
22 Service<br />
Bücher<br />
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Bücher<br />
Alles über Rheuma<br />
Rund neun Millionen Deutsche leiden<br />
an Rheuma. Dass diese Krankheit<br />
nur ältere Menschen betrifft, ist ein<br />
weitverbreiteter Irrtum. Es gibt ungefähr<br />
200 Erkrankungen des rheumatischen<br />
Formenkreises – angefangen<br />
von Arthrose bis hin zum seltenen<br />
Lupus erythematodes, eine Autoimmunerkrankung,<br />
die Haut, innere Organe<br />
und Zentralnervensystem befällt.<br />
Rheumatische Erkrankungen wirken<br />
sich bei jedem Betroffenen sehr unterschiedlich<br />
aus, aber es gibt für jeden<br />
Fall Behandlungsmöglichkeiten.<br />
Rheuma: Antworten auf die wichtigsten<br />
Fragen, Verlag: Dorling Kindersley,<br />
ISBN-10: 3831012385, 14,95 Euro<br />
Erste Hilfe – aber wie?<br />
Bei Unfällen können die ersten Minuten<br />
über Leben und Tod entscheiden<br />
oder darüber, ob das Unfallopfer Folgeschäden<br />
davontragen wird. Daher<br />
hängt in solchen Situationen viel davon<br />
ab, wie kundig der Ersthelfer ist.<br />
Jeder Mensch sollte wissen, was in den<br />
ersten Minuten deshalb zu tun ist. Die<br />
richtigen Handgriffe lernt man bei<br />
einem Erste-Hilfe-Kurs, der regelmäßig<br />
aufgefrischt werden sollte.<br />
Wer zwischendurch im Kursbuch Erste<br />
Hilfe liest, ruft sich viel „Vergessenes“<br />
wieder in Erinnerung und handelt<br />
im Fall der Fälle selbstsicher.<br />
Kursbuch Erste Hilfe von Manfred<br />
von Buttlar und Harald Karutz,<br />
Deutscher Taschenbuch Verlag,<br />
ISBN-10: 3423344911, 9,95 Euro<br />
Schilddrüse – klein, aber wichtig<br />
Leiden Sie manchmal unter Herzrasen,<br />
Nervosität und Erschöpfung?<br />
Schwankt Ihr Gewicht oder schlafen<br />
Sie schlecht? Ist Ihre Haut trocken<br />
und der Hals dick? All diese Symtome<br />
können auf eine Schilddrüsen-<br />
Erkrankung hinweisen. Schilddrüsen-Unterfunktion<br />
ist in Deutschland<br />
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– trotz jodiertem Speisesalz – keine Seltenheit.<br />
Dabei kann sich der Mangel an Schilddrüsenhormonen<br />
besonders auf Kinder sehr<br />
negativ auswirken – sie wachsen zu langsam,<br />
bleiben klein, und auch die Gehirnentwicklung<br />
läuft nicht normal ab. Wie man Schilddrüsenkrankheiten<br />
erkennt und sie therapiert,<br />
erfahren Sie in diesem Ratgeber.<br />
Schilddrüse: Mehr wissen — besser verstehen von<br />
Lothar-Andreas Hotze, Trias Verlag,<br />
ISBN-10: 3830434278, 19,95 Euro<br />
Das Rezept für ein langes Leben<br />
In Russland gelingen der Ärztin Galina Schatalova<br />
aufsehenerregende Behandlungserfolge.<br />
Das Geheimnis ihrer Methode liegt in der Wiederherstellung<br />
und Stärkung des Immunsystems<br />
dank einer radikalen Entschlackung des<br />
Magen-Darm-Traktes. Ihr System besteht aus<br />
heilkräftiger Ernährung, richtiger Atmung, Abhärtung<br />
des Körpers, viel Bewegung und dem<br />
Zurückfinden des Menschen zur Natur. Wer dies<br />
beherzigt, wird gesund und agil sein natürliches<br />
Lebensalter erreichen, nämlich 150 Jahre.<br />
Das Buch erklärt das grundsätzliche Konzept<br />
der heilkräftigen Ernährung, gibt aber auch<br />
etliche Rezeptbeispiele.<br />
Heilkräftige Ernährung von Galina Schatalova,<br />
Goldmann Verlag, ISBN-10: 3442217458, 7,95 Euro<br />
Starke Tipps für ein schwaches Kreuz<br />
Mangelnde Bewegung, einseitige Belastung<br />
und Fehlhaltung fordern ihren Tribut: Rund<br />
80 Prozent der Bevölkerung haben Probleme<br />
mit der Wirbelsäule, teilweise sehr schmerzhafte.<br />
Doch nur an den Symptomen orientierte<br />
Therapien bringen selten Besserung. Prof. Dr.<br />
Dietrich Grönemeyer erklärt, wie der Rücken<br />
aufgebaut ist und wo seine Schwachstellen<br />
sind. Er beschreibt die verschiedenen Diagnosemethoden<br />
und Therapieansätze, auch alternative<br />
Verfahren wie Osteopathie oder Yoga.<br />
Ein ausführlicher Test- und Übungsteil motiviert<br />
dazu, den Rücken in Schwung zu bringen<br />
– das beste Training für eine gute Haltung.<br />
Mein Rückenbuch: Das sanfte Programm zwischen<br />
Hightech und Naturheilkunde von Dietrich Grönemeyer,<br />
Goldmann Verlag, ISBN-10: 3442170389,<br />
8,95 Euro<br />
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Fit durch den Winter –<br />
trotz Arthrose<br />
Ist die Knorpelschicht am Gelenk beschädigt, schmerzt oft jede Bewegung. Doch Stillstand<br />
verschlimmert die Beschwerden. Was tun?<br />
Viele denken schon mit<br />
S Schrecken an das kalte<br />
Winterwetter mit Regen,<br />
Wind und Schnee. Besonders Arthrosepatienten<br />
leiden dann verstärkt<br />
unter schmerzenden Gelenken<br />
und bleiben lieber zu Hause<br />
im Warmen. Doch der Rückzug<br />
auf die heimische Couch ist genau<br />
das Verkehrte, denn Bewegungsmangel<br />
verstärkt die Beschwerden.<br />
Mit diesen Tipps kommen<br />
Sie gut durch den Winter.<br />
Wer rastet, rostet<br />
Wer sich nicht bewegt, dessen Gelenke<br />
werden steif und schmerzen<br />
erst recht: Also warm anziehen und<br />
ab nach draußen. Das ist gut für<br />
die Gelenke. Warme Kleidung und<br />
sicheres Schuhwerk sind unverzichtbar.<br />
Nutzen Sie bei Schnee<br />
und Eis einen Gehstock, um Unfälle<br />
zu vermeiden. Oder gehen Sie<br />
im Hallenbad schwimmen.<br />
Viel trinken<br />
Gelenke können bei Wassermangel<br />
austrocknen, deshalb ist es<br />
wichtig, viel zu trinken. Wasser<br />
schmiert die Gelenke und versorgt<br />
das Gewebe und die Organe<br />
mit Flüssigkeit.<br />
Das Richtige essen<br />
Auf ausgewogene Ernährung<br />
achten. Gerade Arthrosekranke<br />
können Schmerzen vermeiden,<br />
wenn sie tierische Fette, aber<br />
auch Zucker reduzieren. Und<br />
trotz all der Leckereien in der<br />
Weihnachtszeit an das Gewicht<br />
denken. Jedes überflüssige Kilo<br />
belastet die Gelenke.<br />
Kein Stress<br />
Gerade zu Weihnachten und Silvester<br />
nimmt man sich oft zu viel<br />
vor. Besorgungen, Einladungen –<br />
je mehr Hektik, desto schlechter<br />
für die Gelenke. Suchen Sie nach<br />
Wegen, um sich nicht zu überfordern.<br />
Sie müssen nicht alles<br />
selbst erledigen, gönnen Sie sich<br />
Pausen.<br />
Ein Gehstock entlastet<br />
Benutzen Sie einen Stock, wenn<br />
Sie an fortgeschrittener Arthrose<br />
leiden. Er macht das Laufen bei<br />
Eis und Schnee sicherer. Sie gehen<br />
entspannter und vermeiden<br />
Verkrampfungen der Muskulatur.<br />
Außerdem entlasten Gehhilfen<br />
die Gelenke, weil sie einen Teil<br />
des Gewichts tragen. Nicht umsonst<br />
benutzen Wanderer in den<br />
Bergen Stöcke.<br />
Tanken Sie Frischluft<br />
Wenn es draußen kalt und grau<br />
ist, müssen die Lebensgeister geweckt<br />
werden. Licht und Wärme<br />
sind da genau das richtige Gegenmittel.<br />
Nutzen Sie die wenigen<br />
Sonnenstunden im Freien. Anschließend<br />
lohnt sich ein Abstecher<br />
in die Sauna: Der Wechsel<br />
zwischen kalt und warm mobilisiert<br />
antientzündliche und<br />
schmerzlindernde Stoffe, die auch<br />
bei Gelenkbeschwerden helfen.<br />
Aktiv gegen den Schmerz<br />
Schmerzen muss man nicht ertragen.<br />
Resignation hilft nicht,<br />
man wird nur empfindlicher. Gehen<br />
Sie zum Arzt, wenn Wärme<br />
und Bewegung nicht ausreichen<br />
um die Schmerzen zu mildern, es<br />
gibt wirksame und magenfreundliche<br />
Schmerzmittel.<br />
Moderater Sport ist für<br />
Arthrosekranke sehr<br />
wichtig. Sanfte Bewegungen<br />
erhalten die<br />
Funktion der Gelenke.<br />
Service 23
Starke-Knochen-Diagnose<br />
Wollen Sie wissen, wie stark Ihre Knochen sind? Dann wenden Sie sich an Ihre Radiologische Praxis. Sie<br />
hat ein spezielles Vorsorge-Angebot für Frauen über 50 zur Ermittlung des Osteoporose-Risikos.