Ausgabe 1/2010 - Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
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Dumpinghonorare<br />
für freie Dozenten an der VHS Köln<br />
von Mehmet Aytar, Jürgen<br />
Freise, Jost Scherrer<br />
Die Einkommenssituation muss<br />
schon dermaßen bedrückend<br />
sein, wenn eine sonst aus Einzelkämpfern<br />
bestehende gesellschaftliche<br />
Gruppe sich aufrafft<br />
<strong>und</strong> organisiert, um für eine<br />
Würdigung ihrer Arbeit durch<br />
angemessene Bezahlung zu<br />
kämpfen. Die Dozenten an der<br />
VHS Köln sind diesen Schritt<br />
gegangen <strong>und</strong> möchten neben<br />
den direkten Ansprechpartnern<br />
vor allem der Öffentlichkeit die<br />
Kluft zwischen der Anerkennung<br />
ihrer Arbeit für das Gemeinwohl<br />
<strong>und</strong> dem miserablen<br />
Verdienst ins Bewusstsein rufen.<br />
An der VHS Köln sind zur Zeit<br />
knapp 1000 Dozenten freiberuflich<br />
tätig. Ein großer Teil<br />
von ihnen übt die Lehrtätigkeit<br />
nebenberuflich aus, z.B. als Zuverdienst<br />
zu einer festen Stelle.<br />
Daneben gibt es eine beträchtliche<br />
Zahl von Dozenten, die<br />
hauptberuflich dieser Tätigkeit<br />
nachgehen. Um die geht es in erster<br />
Linie. Also um Lehrer, die 20<br />
St<strong>und</strong>en oder mehr ausschließlich<br />
für die VHS arbeiten, so<br />
gesehen Scheinselbständige sind.<br />
Was verdient ein hauptberuflich<br />
tätiger Lehrer an der VHS Köln,<br />
<strong>und</strong> was hat er netto am Ende<br />
in der Tasche? Nimmt man 20<br />
Unterrichtsst<strong>und</strong>en pro Woche<br />
als Maßstab, würde er bei einem<br />
durchschnittlichen St<strong>und</strong>enhonorar<br />
von 19 Euro (derzeitige<br />
Honorarordnung der VHS Köln)<br />
VHS<br />
auf 1.520,00 Euro brutto<br />
im Monat kommen.<br />
Davon gehen alle<br />
Sozialversicherungen<br />
ab, so dass er am Ende<br />
einen Nettobetrag von<br />
ca. 700,00 Euro im<br />
Monat zur Verfügung hat. (Mit<br />
einbezogen sind Urlaubszeiten,<br />
an denen die Dozenten nichts<br />
verdienen sowie der Zeitaufwand<br />
für Vor- <strong>und</strong> Nachbereitung<br />
des Unterrichts.) Wie soll<br />
ein Lehrer an der VHS Köln vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Zahlen<br />
seinen Lebensunterhalt bestreiten?<br />
Wenn er Hartz IV beantragen<br />
würde, stünde er finanziell<br />
wahrscheinlich besser da. Die<br />
Dozenten wollen aber dem Staat<br />
nicht zur Last fallen <strong>und</strong> ihrer<br />
Qualifikation gemäß berufstätig<br />
sein. Sie tun ihren Job aus Leidenschaft,<br />
haben alle einen akademischen<br />
Abschluss <strong>und</strong> liefern<br />
qualitativ hochwertige Arbeit ab.<br />
An sie werden bezüglich ihrer<br />
Qualifikation zu Recht hohe<br />
Anforderungen gestellt, aber<br />
sie werden mit „Hungerlöhnen“<br />
abgespeist. Die VHS Köln hat<br />
die Honorare seit nunmehr 16<br />
Jahren nicht mehr angehoben.<br />
Demgegenüber sind im selben<br />
Zeitraum die Lebenshaltungskosten<br />
um fast 30 % gestiegen, die<br />
Gehälter im Öffentlichen Dienst<br />
sind entsprechend angepasst<br />
worden. Spricht man die Leitung<br />
der VHS auf diese Diskrepanz<br />
an <strong>und</strong> fordert eine angemessene<br />
Honorierung, so erhält man stets<br />
die gleichlautende Antwort, dass<br />
SEITE 20<br />
die Stadt kein Geld hat. Die Stadt<br />
Köln stellt für den Umbau des<br />
Studienhauses am Neumarkt<br />
Geld bereit. Aber für die Lehrenden,<br />
die nach Aussage der<br />
Leiterin der VHS Köln „ganz<br />
wesentlich die Erfüllung unseres<br />
Bildungsauftrages sicherstellen“,<br />
ist kein Geld vorhanden. Die<br />
gesellschaftspolitische Relevanz<br />
der VHS Köln ist unbestritten<br />
<strong>und</strong> wird von allen Seiten<br />
immer wieder unterstrichen.<br />
Die Leitung sollte sich nicht auf<br />
unsere Kosten mit dem hohen<br />
Bildungsangebot profilieren. Die<br />
K<strong>und</strong>enzahlen belegen, wie sehr<br />
die Kölner Bürger das Angebot<br />
der VHS schätzen <strong>und</strong> was die<br />
VHS für sie leistet. Die Bürger<br />
(<strong>und</strong> damit auch ihre Vertreter<br />
im Rat) müssen aber auch die<br />
Frage beantworten, was ihnen<br />
diese Leistungen wert sind.<br />
Politiker werden nicht müde zu<br />
betonen, wie wichtig Bildung<br />
für eine moderne Gesellschaft<br />
ist. Bildung bekommt man aber<br />
nicht zum Nulltarif. Die Lehrenden<br />
an der VHS Köln fordern<br />
vom Stadtrat eine angemessene<br />
Vergütung ihrer Arbeit, so dass<br />
wir soziale Vorsorge für unsere<br />
Renten selbst treffen können.<br />
Denkbar wäre eine Anpassung<br />
der Honorare an die Gehälter im<br />
Öffentlichen Dienst.