6E6C>H8 - Supershit
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Kuriosum, ist mit gerade mal 238 Metern<br />
über Normal Null die höchstgelegene Ortschaft<br />
Irlands. Ich schnüre die Wanderstiefel<br />
und nehme den Wicklow Way, einen<br />
Wanderweg, der von Dublin kommend an<br />
den Ruinen von Glendalough vorbeiführt.<br />
In Laragh, dem letzten Dorf vor der Klosterstadt,<br />
stoße ich wieder auf die Hauptstraße.<br />
Hier kommt mir ein Reisebus nach<br />
dem anderen entgegen. Als ich am späten<br />
Nachmittag den großen Parkplatz erreiche,<br />
stelle ich erfreut fest, dass die meisten Besucher<br />
schon wieder abgereist sind.<br />
Auch das Wetter zeigt sich jetzt freundlicher.<br />
Die Wolkendecke hat sich geöffnet.<br />
Die Nachmittagssonne überzieht das ganze<br />
Tal mit einem warmen Glanz. Die verwitterten<br />
Grabsteine, die neben den Ruinen<br />
stehen, die Wachholdersträucher, die Kiefern<br />
und das eigentümliche Licht zaubern<br />
eine Atmosphäre der Ruhe, der Besinnlichkeit.<br />
Nicht der leiseste Windhauch stört die<br />
Stimmung im Tal. Die wenigen Touristen,<br />
die in den benachbarten Dörfern, im Glendalough<br />
Hotel oder der Jugendherberge<br />
eine Bleibe für die Nacht gefunden haben,<br />
verteilen sich auf dem ausgedehnten Gelände.<br />
Ich stoße immer wieder auf Ruinen:<br />
einsam im Wald liegende Überreste einer<br />
romanischen Kirche, am Hang die steinige<br />
Kammer des Klostergründers Kevin. Und<br />
in der Mitte des engen Tales, am Ufer des<br />
unteren Sees gelegen, stehen die Ruinen<br />
mit dem markanten Rundturm und den<br />
Überresten der Kathedrale. Dort schlug<br />
vom 10. Jahrhundert an das Herz des mittelalterlichen<br />
Klosters – bis 1398. Dann kamen<br />
englische Truppen und zerstörten bei<br />
ihrem Kreuzzug gegen alles Irische die Anlage<br />
fast vollständig. Zwar bemühten sich<br />
einige Gläubige in der Folgezeit, die Abtei<br />
wieder zum Leben zu erwecken. Doch im<br />
Zuge einer erneuten Unterdrückungskampagne<br />
der Engländer wurde das Kloster im<br />
17. Jahrhundert endgültig aufgegeben.<br />
Wer die Ruinen besichtigen möchte,<br />
sollte mehrere Stunden einkalkulieren.<br />
Denn viele Sehenswürdigkeiten liegen etwas<br />
versteckt und erschließen sich nicht<br />
auf Anhieb. Außerdem sind die frühchristlichen<br />
Ruinen am oberen See und die Überreste<br />
der mittelalterlichen Klosterstadt am<br />
unteren See knapp zwei Kilometer voneinander<br />
entfernt.<br />
Etwas weiter unten im Tal, etwa eine<br />
Viertelstunde vom ehemaligen Zentrum<br />
entfernt, liegt St Saviour’s Church. Auf<br />
dem Weg dorthin begegnet mir ein junger<br />
Mann in einer Mönchskutte. Ich frage mich,<br />
ob der Geistliche zu einer der Klausen gehört,<br />
die im Reiseführer als Unterkünfte<br />
für Pilger beschrieben sind: kleine Hütten<br />
für Alleinreisende, ohne Strom und nur mit<br />
Warmwasserboiler ausgestattet.<br />
Ein Schild weist den Weg zu der ehemaligen<br />
Kirche. Von dem Waldweg geht es<br />
links ab, mitten durch einen dichten Tannenforst.<br />
Der Pfad verliert sich auf dem<br />
dunklen Boden. Nur ein paar Fußspuren<br />
den Hang hinunter lassen<br />
erahnen, dass die Richtung<br />
stimmt. Unvermutet öffnet<br />
sich der Forst zu einer kleinen<br />
Lichtung. Hier liegen, vor der<br />
Außenwelt versteckt, die Ruinen<br />
von St Saviour’s Church.<br />
Der Rundbogen eines Portal<br />
sowie mehrere Fensteröffnungen<br />
sind noch erhalten. Auf<br />
einer Seite wurden die Steine<br />
allerdings so weit abgetragen,<br />
dass man bequem über die<br />
ehemalige Außenwand klettern<br />
kann. Ein paar Meter weiter<br />
fließt der Bach vorbei, der<br />
aus dem unteren See fließt. Das Gluckern<br />
und Rauschen sowie der dichte Tannenwald<br />
schlucken alle Geräusche, selbst die Laute,<br />
die von der Straße am gegenüberliegenden<br />
Hang herrühren. Ein Gefühl der inneren<br />
Ruhe stellt sich ein. Ich setze mich auf eine<br />
Mauer und lasse meine Gedanken fliegen.<br />
Wie mag hier das Leben vor und 1000 Jahren<br />
gewesen sein? Das Tal liegt schon tief<br />
im Schatten der Berge, als ich wieder in die<br />
Gegenwart zurückkehre. Zügig mache ich<br />
mich auf den Rückweg und verabschiede<br />
mich von diesem Ort der Geborgenheit.<br />
unterwegs<br />
Von hier von dort und anderen guten Dingen 5