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»Das Theater –jadie Kunst an sich –lebt<br />
vom Geheimnis, lebt von der Intransparenz«,<br />
betont Miville. Das Programm der<br />
neuen Spielzeit soll entsprechend neugierig<br />
machen auf Theater, ohne dass es an Magie<br />
verliert und sein Geheimnis preisgibt. Die<br />
Zuschauer können sich imGroßen Haus<br />
nicht nur auf den eifersüchtigen Othello<br />
und seine Desdemona freuen, sondern in<br />
Yasmina Rezas »Ihre Version des Spiels«<br />
der Frage nachspüren, was Literatur und<br />
Sprache vermögen, Menschen mit verlorenen<br />
Idealen und falschen Sicherheiten in<br />
Maxim Gorkis »Kinder der Sonne« erleben<br />
und –der einstige <strong>Gießener</strong> Student Georg<br />
Büchner lässt in seinem Jubiläumsjahr<br />
grüßen –»Die Verfolgung und Ermordung<br />
Jean Paul Marats« von Peter Weiss als absurde<br />
Höllenfahrt im Hospiz zu Charenton<br />
erfahren. Christoph Nußbaumeders zeitgenössische<br />
Familientragödie und Geschichtspanorama<br />
»Eisenstein« schließt dann den<br />
Reigen der Schauspielproduktionen im<br />
Großen Haus.<br />
Im TiLgibt es neben dem berührenden<br />
Schicksal des Elternpaares in »Gift« auch<br />
Begegnungen mit überforderten Jugendamtssozialarbeiterinnen<br />
mit »Björn-Out-<br />
Syndrom« (»Kaspar Häuser Meer« von<br />
Felicia Zeller), einer legendären Giftmischerin<br />
und Kindermörderin (»Medea.Stimmen«<br />
von Christa Wolf) und als Uraufführung<br />
»Lenz-Fragmente«, ein Schauspiel von Katharina<br />
Gericke über den Büchner-Zeitgenossen<br />
Jakob Michael Reinhold Lenz.<br />
»Die Welt ist nicht genug« –ummal wieder<br />
James Bond zu zitieren –könnte auch<br />
Michael Hofstetter sagen, der als Generalmusikdirektor<br />
an das Stadttheater zurückkehrt.<br />
Er ist ein gefragter Dirigent mit internationalem<br />
Ruf, Experte für authentische<br />
Aufführungspraxis des 18.und 19.Jahrhunderts<br />
und renommierter Barockspezialist –<br />
und offenbar Gießen-Fan. Denn nachdem<br />
er bereits von 1997 bis 1999 am hiesigen<br />
Haus als Generalmusikdirektor tätig war,<br />
zieht es ihn, nach Einsätzen in Ludwigsburg<br />
und Stuttgart, wieder an die frühere Wirkungsstätte<br />
zurück. Er und seine Gastkollegen<br />
am Dirigentenpult –mit Florian Ziemen<br />
als stellvertretender GMD und erster<br />
Kapellmeister –werden den Taktstock zu<br />
Carl Maria vonWebers Oper »Der Freischütz«,<br />
Paul Abrahams Operette »Viktoria<br />
und ihr Husar«, Verdis Oper<br />
»Oberto« (konzertant), »Fosca«<br />
vonAntonio Carlos Gomes,<br />
Händels »Agrippina« und als<br />
Deutsche Erstaufführung<br />
»Kommilitonen« von Peter<br />
Maxwell Davies schwingen.<br />
Musicals gibt es in dieser<br />
Spielzeit gleich zwei: »Judy« vonTerry<br />
Wale und als Wiederaufnahme »Cabaret«.<br />
Bei sonntäglichen »Gesprächen über Musik«<br />
stellen sich übrigens die Dirigenten<br />
und Gastsolisten im Gespräch mit dem<br />
Publikum immer mal wieder vor und erläutern<br />
die Stücke der zehn Sinfoniekonzerte<br />
und vier Kammerkonzerte –auch die Musik<br />
ist eben nicht durchsichtig, sondern mit ein<br />
bisschen Erläuterungen und Hintergrundinformationen<br />
noch besser zu verstehen<br />
und zu genießen.<br />
Das Tanztheater, das sich unter Tarek Assams<br />
Leitung zum renommierten Aushängeschild<br />
des Stadttheaters entwickelt<br />
hat, trägt mit Produktionen wie »Dornröschen«,<br />
»Hemingways Party« oder »Hypnotic<br />
Poison« sein Scherflein zur Spielzeit<br />
bei. Das Kinder- und Jugendtheater wird<br />
mit dem Weihnachtsstück »Peer und Gynt«<br />
die ganz kleinen Zuschauer anlocken –und<br />
entsprechend dem Spielzeitmotto geheimnisvoll<br />
unterhalten. Für Jugendliche gehört<br />
»Die Verwirrungen des Zöglings Törless«<br />
von Robert Musil quasi schon zum<br />
Pflichtprogramm.<br />
Eindeutig Kür und nicht Pflicht sind –für<br />
Schauspielensemble und Zuschauer gleichermaßen<br />
–die »Nachtschattengewächse«<br />
im TiL, die auch inder neuen Spielzeit zu<br />
später Stunde im Theaterstudio erblühen.<br />
Die frech-skurrilen Performances sind ein<br />
echtes Erlebnis und eindrucksvolles Beispiel<br />
für das Motto der Saison »Die Welt ist nicht<br />
durchsichtig« –aber eben verdammt geheimnisvoll<br />
und spannend.<br />
Wer ein paar Theatergeheimnisse lüften<br />
möchte und den Blick hinter die Kulissen<br />
werfen will, der hat dazu beim »Tag der<br />
offenen Tür« und auch bei der »Langen<br />
Theaternacht« am 24.Oktober reichlich<br />
Gelegenheit. Beides ist eben ein Theatererlebnis<br />
der besonderen Art.<br />
Ein bisschen wirkt die aktuelle Spielzeit wie<br />
ein großes Luftholen für das, was imJuni<br />
nächsten Jahres auf Cathérine Miville und<br />
ihre Truppe zukommt: Am 8. Juni 2013 wird<br />
als Hommage an Georg Büchner, dessen<br />
Geburtstag sich imkommenden Jahr zum<br />
200. Mal jährt, das Mehrspartenprojekt<br />
»Buch Bühne Büchner –ein TRaumA«<br />
uraufgeführt, für das Thomas Goritzki den<br />
inhaltlichen und textlichen Verlauf konzipiert.<br />
Vom 13. bis 21. Juni 2013 ist Gießen<br />
Gastgeber der Hessischen Theatertage<br />
und direkt im Anschluss daran findet vom<br />
22. bis 30. Juni 2013 das Internationale<br />
Büchner-Theaterfestival statt –eine echte<br />
logistische Herausforderung für Geheimdienst-Chefin<br />
»M« alias Intendantin Miville<br />
und ihre Agenten im Dienste der Musen.<br />
Karola Schepp<br />
BLickpunkt<br />
Premieren im<br />
Theater<br />
Gift<br />
Schauspiel von Lot Vekemans<br />
Premiere: 31.August, 20 Uhr,TiL<br />
Zehn Jahre ist es her, seit sie sich das<br />
letzte Mal sahen. Er verließ sie wortlos.<br />
Nun warten sie in einer Friedhofshalle.<br />
Auf diesem Friedhof liegt ihr Sohn begraben.<br />
Ihr Kind soll umgebettet werden,<br />
nachdem in dem Friedhofsboden Gift<br />
festgestellt wurde. Die Trauer hat eine<br />
tiefe Kluft zwischen sie gerissen. Nun<br />
hat er ein neues Leben; sie ist geblieben<br />
und hat versucht weiterzumachen wie<br />
bisher. Eine zaghafte Annäherung beginnt,<br />
voller Vorwürfe und Zuneigung.<br />
Othello<br />
Schauspiel von William Shakespeare<br />
Premiere: 1. September, 19.30 Uhr<br />
Othello, General der venezianischen<br />
Armee, heiratet heimlich und gegen den<br />
Willen ihres Vaters die schöne Desdemona.<br />
Jago, Othellos Fähnrich und<br />
Freund, verrät dies nicht nur ihrem Vater,<br />
sondern spinnt aus Rache eine Intrige.<br />
Enttäuscht darüber, dass er nicht zum<br />
Leutnant befördert worden ist, macht er<br />
Othello glauben, dass Desdemona ihn<br />
betrügt.<br />
DerFreischütz<br />
Oper von Carl M.von Weber<br />
Premiere: 15.September, 19.30 Uhr<br />
Das Schicksal von Jäger Max hängt von<br />
einem einzigen Probeschuss ab –nur<br />
bei Bestehen darf er seine Freundin<br />
heiraten. AusAngst verschreibt er sich<br />
okkulten Mächten: Sein Freund Kaspar<br />
verführt ihn dazu, sich sieben Freikugeln<br />
zu verschaffen. Die ersten sechs verfehlen<br />
nie das Ziel, über die siebte kann<br />
nur der Teufel bestimmen. Als der Probeschuss<br />
fällig wird, hat Max nur noch<br />
diese eine Kugel in der Tasche…<br />
Dornröschen<br />
Tanzstück vonTarek Assam<br />
Premiere: 28. September, 19.30 Uhr<br />
Dornröschen wird von einer bösen Hexe<br />
verzaubert: Sie und der Hof fallen in<br />
einen 100-jährigen Schlaf, bis ein tapferer<br />
Prinz sie wachküsst. Wie würde die<br />
Geschichte enden, wenn der Prinz nicht<br />
käme? Die Tanzcompagnie holt das Märchen<br />
in die Gegenwart und verleiht ihm<br />
einen fröhlichen und zeitlosen Glanz.<br />
9/2012 streifzug 5