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Das Magazin zum Jubiläum - BfU

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75 Jahre bfu<br />

<strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>zum</strong> <strong>Jubiläum</strong>


Moosseedorf, 17.10.1951. Beamte des Bundesamtes für Verkehr, des Bundesamtes für Polizeiwesen und der bfu<br />

besichtigen ein Stoppsignal bei einem Bahnübergang.<br />

Umschlag: Von der Vergangenheit in die Gegenwart auf der Viaduktstrasse in Basel. Der Umschlag ist aus 4 Bildern<br />

zusammengesetzt: <strong>Das</strong> Bild auf der Rückseite wurde am 25.2.1939 aufgenommen, der Mann und das Plakat entstammen<br />

einer Aufnahme von 1958. <strong>Das</strong> E-Bike und die Aufnahme auf der Titelseite sind 2012 entstanden.


GRÜESSECH<br />

Darf ich mich vorstellen? Ich bin<br />

Viviane Lüthi, 17 Jahre alt, und habe im<br />

August 2011 meine Lehre bei der bfu<br />

begonnen. Davor habe ich mich kaum<br />

mit Unfällen auseinandergesetzt. Weder<br />

habe ich selbst je einen erlitten noch<br />

war mein Umfeld bisher von grösseren<br />

Unfällen betroffen. Ausser in meinem<br />

Handballclub, da gab es die eine oder<br />

andere Verletzung. Ich hatte Glück. Bevor<br />

ich zur bfu kam, kannte ich lediglich<br />

den Engel Franky Slow Down. Der<br />

war mir so richtig sympathisch.<br />

Jetzt bin ich mitten drin in der Unfallprävention.<br />

Und ich merke: Da gehts<br />

um weit mehr als um Engel und andere<br />

Kampagnenfiguren. Es fasziniert mich,<br />

was wir alles machen. <strong>Das</strong>s Unfallprävention<br />

auf wissenschaftlichen Ergebnissen<br />

beruht, habe ich mir vorher nie<br />

überlegt. Und wie viele Partner die bfu<br />

unterstützen, wird mir erst jetzt richtig<br />

bewusst. Auch in meiner Gemeinde arbeitet<br />

ein bfu-Sicherheitsdelegierter.<br />

Manchmal muss ich meinen Kolleginnen<br />

und Kollegen erklären, was die<br />

bfu überhaupt macht. Dann sage ich:<br />

«Wir sind dafür da, dass es weniger Unfälle<br />

gibt, und wir sagen, wie das geschehen<br />

soll.» Wir haben eine wirklich<br />

spannende Aufgabe – wer sonst kann<br />

mit seinem Job bewirken, dass Menschen<br />

sicher leben? Dafür sorgen bei<br />

der bfu tolle Mitarbeitende. Ich bin von<br />

Beginn an gut aufgenommen worden<br />

und fühle mich sehr wohl. Hoffentlich<br />

arbeite ich auch in Zukunft an einem<br />

Ort wie der bfu. Und apropos Zukunft:<br />

Ich wünsche der bfu und der Unfallprävention<br />

viel Erfolg für die nächsten<br />

75 Jahre.<br />

VIVIANE LÜTHI<br />

Lehrtochter der bfu, 2. Lehrjahr<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 3


12<br />

Wir machen Menschen sicher! Seit 1938 setzen sich die<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bfu für die Sicherheit<br />

ein – mit Forschung, Beratung, Ausbildung und mit<br />

Kommunikation. Und auch die nächsten 75 Jahre. Steigen<br />

Sie ein in 60 Seiten «75 Jahre mit Voraussicht».<br />

75 ans, et en avant<br />

75 Jahre mit Voraussicht<br />

75 ans, et en avant<br />

Altri 75 anni al tuo fianco<br />

Altri 75 anni al tuo fi anco<br />

4 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

8<br />

22<br />

10<br />

SICHERE ERFOLGE<br />

Immer wieder war die bfu Taktgeberin, wenn es um<br />

Sicherheit ging. Ein Blick zurück. 8<br />

SINNVOLLE PRÄVENTION<br />

Wie bekannte Schweizerinnen und Schweizer<br />

die bfu sehen. 10<br />

UNTER DIREKTOREN<br />

Direktorin Brigitte Buhmann trifft ihren<br />

Vorgänger Peter Hehlen – Erinnerungen,<br />

Momentaufnahmen und Ausblicke. 12


30<br />

44<br />

33<br />

WISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN<br />

Forschung ist Basis erfolgreicher Prävention.<br />

In der bfu wird sie gelegt. 22<br />

PACKENDE AUSSTELLUNG<br />

Warum beträgt die Alkohollimite 0,5 Promille?<br />

Wie lassen sich künftig Badeunfälle verhindern?<br />

Die spannende Präventionsausstellung gibt Antworten. 30<br />

LANGJÄHRIGE PARTNER<br />

48<br />

Sicherheitsdelegierte, Verkehrsinstruktoren<br />

und Sicherheitsbeauftragte in Betrieben –<br />

ein Einblick in ihr Engagement für die Sicherheit. 36<br />

36<br />

33<br />

CLEVERES LUFTKISSEN<br />

Wie Airbags auch im Sport Unfälle<br />

verhindern können. 44<br />

VORAUSSICHT AUF 2038<br />

INHALT<br />

3 Visionäre blicken auf die Herausforderungen<br />

der Unfallprävention in der Zukunft. 48<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 5


Entwicklung der Nichtberufs- und Berufsunfälle<br />

1938–2010<br />

74<br />

Unfallhäufigkeiten der Suva-Versicherten – Unfälle von 1000 Versicherten<br />

<strong>Das</strong> Unfallgeschehen<br />

gestern und heute<br />

ZAHLEN IM WANDEL 1938 wurde die bfu gegründet. Damals gab es in der Schweiz<br />

rund 124 000 Motorfahrzeuge. Heute fahren mehr als 4,2 Millionen Personenwagen auf unseren<br />

Strassen – und trotzdem ereignen sich weniger Verkehrsunfälle als damals. Nicht nur, aber auch<br />

wegen der bfu. Insgesamt haben jedoch die Nichtberufsunfälle als Folge der vermehrten Freizeit<br />

und des immer breiteren Angebots an Aktivitäten deutlich zugenommen. Ein Blick auf einige<br />

interessante Zahlen der letzten 75 Jahre.<br />

6 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

NBU BU<br />

1938<br />

NBU BU<br />

145 145<br />

1986<br />

187<br />

137<br />

99<br />

NBU BU<br />

1968<br />

NBU BU<br />

2010<br />

99<br />

159<br />

Nichtberufsunfälle (NBU) Berufsunfälle (BU)


Personenwagenbestand und bei<br />

Verkehrsunfällen getötete Personen<br />

1938<br />

2011<br />

124 195<br />

320<br />

634<br />

4 200 000<br />

steht für 100 000<br />

Personenwagen<br />

steht für 100 bei Verkehrsunfällen<br />

getötete Personen<br />

NICHTBERUFSUNFÄLLE 1938 verunfallten<br />

74 von 1000 Suva-Versicherten bei<br />

Nichtberufsunfällen. Mitte der 80er-Jahre<br />

waren es erstmals gleich viele Nichtberufsunfälle<br />

wie die bis anhin dominierenden<br />

Berufsunfälle, nämlich rund 266 000. Seither<br />

hat sich der Trend zu mehr Nichtberufsunfällen<br />

bei gleichzeitiger Abnahme der<br />

Berufsunfälle noch verstärkt. Heute entfallen<br />

rund zwei Drittel auf Freizeitunfälle. In<br />

Zahlen: In den letzten Jahren verunfallten<br />

jeweils rund 120 von 1000 Versicherten bei<br />

Nichtberufsunfällen. Berücksichtigt man<br />

zusätzlich Kinder, Senioren und Nichterwerbstätige,<br />

beträgt das Verhältnis von<br />

Nichtberufs- zu Berufsunfällen 8 zu 2! Die<br />

6 aktuellen Schwerpunktprogramme, die<br />

nachfolgend kurz präsentiert werden, enthalten<br />

eine breite Massnahmenpalette, mit<br />

der die bfu und ihre Partner gegen Freizeitunfälle<br />

kämpfen.<br />

AUTOMOBIL 1938 verunfallten – bei einem<br />

Motorfahrzeugbestand von 124 195 –<br />

634 Personen tödlich. Nach einem unrühmlichen<br />

Höhepunkt im Jahr 1971 nahm die<br />

Zahl der Getöteten kontinuierlich ab. 2011<br />

kamen noch 320 Personen bei Verkehrsunfällen<br />

ums Leben – und das bei einem<br />

Personenwagenbestand von mittlerweile<br />

4,2 Millionen! Grösste Problemgruppe sind<br />

die 18- bis 24-jährigen Neulenker.<br />

MOTORRAD Jede dritte bei Verkehrsunfällen<br />

schwer verletzte und jede fünfte<br />

getötete Person verunfallte mit dem Motorrad.<br />

Dies, obwohl nur gerade 2 % der Kilometerleistung<br />

mit Motorrädern zurück-<br />

gelegt werden. Im Vergleich zu PW-Insassen<br />

weisen Motorradfahrende ein 30-fach<br />

höheres Risiko auf, pro gefahrenen Kilometer<br />

schwer zu verunfallen.<br />

FAHRRAD In der Schweiz verunfallten<br />

in den letzten Jahren jeweils rund<br />

40 Radfahrende tödlich. Mit etwas mehr als<br />

2 Getöteten pro 100 Millionen Personen-<br />

kilometer rangiert die Schweiz damit in<br />

Europa auf dem drittbesten Platz, hinter<br />

Dänemark und den Niederlanden. Die<br />

Schlusslichter bilden Spanien und Portugal.<br />

Betroffen sind fast zur Hälfte Personen über<br />

60 Jahre. Zwei Drittel waren in Kollisionen<br />

mit anderen Verkehrsteilnehmenden verwickelt<br />

– mehrheitlich schuldlos.<br />

SCHNEESPORT Beim Ski- und Snowboardfahren<br />

verunfallen jährlich rund<br />

67 000 in der Schweiz wohnhafte Personen.<br />

Zusätzlich verletzen sich hierzulande mehr<br />

als 30 000 ausländische Gäste pro Jahr. Bei<br />

den Skifahrenden ist bei einem Unfall am<br />

häufigsten das Knie betroffen (34 %), bei<br />

den Snowboardfahrenden sind es zu fast der<br />

Hälfte die oberen Extremitäten (Schulter bis<br />

53<br />

Tödliche Sportunfälle<br />

Ø 2005–2009<br />

69<br />

steht für 1 im Bergsport<br />

getötete Person<br />

UNFALLGESCHEHEN<br />

steht für 1 in anderen<br />

Sportarten getötete Person<br />

Hand). Ein Grossteil der Verletzungen ist<br />

die Folge von Stürzen, Kollisionen sind hingegen<br />

mit weniger als 10 % aller Unfälle eher<br />

selten.<br />

BERGSPORT Jeder dritte Schweizer<br />

wandert durchschnittlich 20 Tage im Jahr,<br />

Tendenz steigend. Insgesamt betreibt die<br />

Schweizer Bevölkerung jährlich während<br />

rund 150 Millionen Stunden Bergsport.<br />

Unfälle sind zwar nicht besonders häufig,<br />

die Folgen jedoch oft schwer: Von jährlich<br />

122 Getöteten im Sport entfallen 53 auf den<br />

Bergsport, dazu kommen mehr als 10 000<br />

Verletzte.<br />

STÜRZE 81 % aller im Haus- und Freizeitbereich<br />

tödlich verunfallten Menschen sterben<br />

infolge eines Sturzes. Auffällig ist, dass<br />

90 % dieser jährlich mehr als 1500 Personen<br />

älter sind als 65 Jahre und der Sturz in<br />

70 % der Fälle auf gleicher Ebene geschieht.<br />

Aufgrund der demographischen Entwicklung<br />

mit immer mehr älteren Menschen<br />

werden in Zukunft grosse Anstrengungen<br />

nötig sein, um nur schon den Status quo<br />

halten zu können.<br />

ROLF MONING<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 7


1949: Die Haltepflicht an Stoppschildern wird in<br />

die Signalisationsverordnung aufgenommen, nachdem<br />

die bfu und der Schweizerische Strassenverkehrsverband<br />

die Regelung getestet haben.<br />

1946: Die bfu veröffentlicht<br />

die Wegleitung<br />

für Anlage,<br />

Unterhalt und<br />

Markierung von<br />

Abfahrtspisten<br />

und Skirouten.<br />

<strong>Das</strong> ist die Geburtsstunde<br />

der<br />

blauen, roten<br />

und schwarzen<br />

Pisten!<br />

1938: Erste Produktempfehlung der bfu<br />

im Bereich Haushalt / Landwirtschaft:<br />

ein Sensenschutz,<br />

der das<br />

Unfallrisiko<br />

beim Transport<br />

des Geräts mit<br />

dem Velo verringern<br />

soll!<br />

1949: Um die Qualität<br />

der Pistenpatrouillen<br />

auf Skipisten<br />

zu verbessern, erlassen<br />

die bfu und der<br />

Schweizer Skiverband<br />

ein Reglement:<br />

Ausgebildete Pistenpatrouilleure<br />

werden<br />

mit Ehrenwimpeln<br />

ausgezeichnet.<br />

1950: Die Verkehrsunfälle<br />

nehmen stark zu. Die bfu<br />

beantragt ein Obligatorium,<br />

wonach alle Fahrzeuge mit einem<br />

Geschwindigkeitsmesser<br />

ausgestattet werden müssen.<br />

1950: Erste nationale<br />

Verkehrssicherheitskampagne:<br />

«Vorsicht –<br />

Kinder».<br />

1951: Die bfu<br />

lanciert die<br />

Idee der Schulpatrouilleure.<br />

1959: Nach dem<br />

Vorbild von Schweden,<br />

wo die Anzahl<br />

der Todesopfer bei<br />

Verkehrsunfällen<br />

dank Sicherheitsgurten<br />

um die<br />

Hälfte gesunken<br />

ist, setzt sich die<br />

bfu für das Gurtentragen<br />

in unserem<br />

Land ein.<br />

1961: Die bfu<br />

fördert in den<br />

Sportgeschäften<br />

die Verbreitung<br />

des<br />

ersten Geräts<br />

zur Einstellung<br />

von Skibindungen.<br />

1976: Zusammen mit der EMPA<br />

St. Gallen und dem Gerichtsmedizinischen<br />

Institut (GMI) Zürich stellt die<br />

bfu Mindestanforderungen<br />

für Motorrad­ und Mofa­<br />

Schutzhelme auf. Gestützt<br />

darauf wird ein<br />

Gütezeichen (Qualitätssignet)<br />

geschaffen.<br />

1973: Nach einem englischen<br />

Vorbild schafft die bfu das<br />

Netzwerk der bfu­Sicherheitsdelegierten.<br />

Ende 2012<br />

gibt es rund 1200 dieser<br />

Fachpersonen.<br />

1967: <strong>Das</strong> Interesse an der Verhütung von<br />

Haushaltsunfällen steigt: Die bfu stellt Dias zur<br />

Verfügung, die für die Risiken sensibilisieren.<br />

1938 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975<br />

Erfolge im<br />

Laufe der Zeit<br />

LAUDATIO Sicherheit ist ein eindeutiges Plus für die Lebensqualität in unserem Land.<br />

In den 75 Jahren ihres Bestehens hat die bfu massgeblich dazu beigetragen.<br />

Ob im Bereich der Infrastruktur, Sicherheitseinrichtungen, Produkte oder Bildung – die bfu setzt<br />

sich unermüdlich für die Unfallverhütung ein. Einige geschichtsträchtige Beispiele sind hier aufgeführt.<br />

8 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


1981: <strong>Das</strong> Tragen der Sicherheitsgurten<br />

auf den Vordersitzen wird<br />

obligatorisch. Gleichzeitig wird die<br />

Helmtragpflicht für Motorradfahrer<br />

eingeführt.<br />

1980: Halbjährlich<br />

erhalten Eltern die bfu­<br />

Kinderpost. Diese informiert<br />

über die jeweiligen Unfallgefahren<br />

und entsprechenden Massnahmen<br />

bei Kindern bis 6 Jahre.<br />

Im 2007 wird die Serie bis <strong>zum</strong><br />

8. Lebensjahr erweitert.<br />

1988: Die bfu feiert ihr<br />

50­jähriges <strong>Jubiläum</strong>.<br />

Sie mietet SBB­Waggons<br />

und PTT­Ausstellungswagen,<br />

in denen<br />

sie den Besucherinnen<br />

und Besuchern eine<br />

Ausstellung über ihre<br />

Aktivitäten zeigt.<br />

1991: Die bfu­Skivignette wird eingeführt.<br />

Damit sollen Skifahrerinnen<br />

und Skifahrer<br />

dazu angehalten werden,<br />

ihre Skibindung<br />

vor jeder Skisaison einstellen<br />

zu lassen.<br />

1984: Die Geschwindigkeitsbeschränkung<br />

von 50 km/h innerorts wird<br />

eingeführt. 5 Jahre später werden<br />

80 km/h ausserorts und 120 km/h<br />

auf der Autobahn in einer Volksabstimmung<br />

bestätigt.<br />

2005: Der zulässige Blutalkohol­Grenzwert<br />

beim<br />

Fahren wird von 0,8 auf<br />

0,5 Promille gesenkt. Die<br />

Zweiphasenausbildung<br />

<strong>zum</strong> Erlangen des Führeraus<br />

weises tritt in Kraft.<br />

2002: Zusammen mit 5 anderen<br />

Institutionen präsentiert die bfu<br />

an der Expo.02 die Ausstellung<br />

SIGNALSCHMERZ.<br />

1994: Die Aktion «Ritter der<br />

Strasse» feiert ihr 25­jähriges<br />

Bestehen. Sie ehrt Menschen,<br />

die Mut zeigen und Strassenbenützende<br />

aus Gefahrensituationen<br />

retten. Bis Ende<br />

2012 sind 444 Personen zu<br />

Rittern der Strasse ernannt<br />

worden.<br />

ERFOLGE<br />

2011: 81% der Skifahrerinnen<br />

und Skifahrer tragen einen<br />

Helm, im Gegensatz zu 16 %<br />

im Winter 2002 / 03.<br />

2012: <strong>Das</strong> Parlament<br />

verabschiedet das<br />

Handlungsprogramm<br />

Via sicura, das auf<br />

einem bfu­Grundlagenbericht<br />

basiert.<br />

1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2012<br />

STRASSENVERKEHR Nach dem 2. Welt-<br />

krieg nimmt die Anzahl der Personenwagen<br />

und motorisierten Zweiräder stark<br />

zu. Die Auswirkungen auf das Unfallgeschehen<br />

lassen nicht auf sich warten: 1970<br />

zählt die bfu 1694 Todesopfer auf Schweizer<br />

Strassen. Infolgedessen setzt sie mehr als<br />

die Hälfte ihrer Ressourcen für mehr Sicherheit<br />

im Strassenverkehr ein: gefährliche<br />

Stellen entschärfen, die Signalisation<br />

verbessern, die Verkehrserziehung fördern,<br />

die Tragquote der Sicherheitsgurten erhöhen<br />

und Alkohol am Steuer bekämpfen<br />

sind wichtige Schwerpunkte. Während der<br />

Fahrzeugpark immer grösser wird, sinkt die<br />

Zahl der Unfälle Jahr für Jahr – bis heute.<br />

Seit den 50er-Jahren lanciert die bfu im<br />

Jahresrhythmus Kampagnen. Die Plakate<br />

der bfu gehören mittlerweile <strong>zum</strong> Strassenbild<br />

in der Schweiz.<br />

SPORT Ein wichtiges Thema ist das Skifahren<br />

– und zwar bereits seit der Entwicklung<br />

von Sicherheitsbindungen Mitte der<br />

40er-Jahre. Damit diese auch optimal funktionieren,<br />

gibt es seit Anfang der 60er-Jahre<br />

Geräte, um die Bindungen korrekt einzustellen.<br />

1970 führt die bfu ein Gütezeichen<br />

für Skibindungen ein. 1988 verfügt das Eidgenössische<br />

Departement des Innern (EDI),<br />

dass in der Schweiz nur noch Bindungen<br />

mit diesem Label verkauft werden dürfen.<br />

In den 90er-Jahren treten internationale<br />

und europäische Normen (ISO und CEN)<br />

in Kraft, die die technischen Vorschriften<br />

der bfu ablösen.<br />

Bis etwa in die 80er-Jahre räumt die bfu<br />

den Wassersportarten einen grossen Stellenwert<br />

ein. In den 60er-Jahren informiert<br />

sie zu diesem Thema auch in Italienisch,<br />

um die Einwanderer aus dem Süden für Ertrinkungsunfälle<br />

zu sensibilisieren.<br />

HAUS UND FREIZEIT Mit der gestiegenen<br />

Kaufkraft und der zunehmenden<br />

Freizeitgesellschaft nehmen auch die Freizeitaktivitäten<br />

zu. Die Unfälle zuhause<br />

und in der Freizeit vervielfachen sich – vor<br />

allem Stürze stehen zuoberst in der Statistik.<br />

Dieses Thema ist und bleibt aktuell,<br />

gerade auch wegen der demografischen Alterung<br />

der Bevölkerung.<br />

1976 tritt das Bundesgesetz über die<br />

Sicherheit von technischen Einrichtungen<br />

und Geräten (STEG) in Kraft. Es überträgt<br />

der bfu die Überwachung einer grossen Palette<br />

von Produkten aus dem nichtbetrieblichen<br />

Bereich. Sie hat Produkte, die den Sicherheitsanforderungen<br />

nicht entsprechen,<br />

aus dem Verkehr zu ziehen. Die bfu schafft<br />

ein Qualitätslabel. Dieses wird 1997 durch<br />

das bfu-Sicherheitszeichen abgelöst. Es fördert<br />

Produkte und Geräte, die dem Schutz<br />

und der Sicherheit der Benutzenden dienen.<br />

MAGALI DUBOIS<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 9


Liebe bfu …<br />

PERSÖNLICHKEITEN Ihre Gesichter sind wohlbekannt und sie alle haben einen Bezug zur<br />

Unfallverhütung. Anlässlich des bfu­<strong>Jubiläum</strong>s richten sie ein paar Worte an uns.<br />

Isabelle Chassot<br />

Präsidentin der Schweizerischen Konferenz der kantonalen<br />

Erziehungsdirektoren EDK, Staatsrätin Kanton Freiburg<br />

«Sport, Schulweg, Werkunterricht: <strong>Das</strong> sind nur 3 Beispiele<br />

für die Wichtigkeit der Unfallverhütung in der Schule. Die bfu<br />

leistet mit ihrem breiten Angebot an Unterrichtshilfen einen<br />

unverzichtbaren Beitrag zu einer wirkungsvollen Prävention.<br />

Ich gratuliere ihr herzlich <strong>zum</strong> <strong>Jubiläum</strong>!»<br />

10 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Manuele Bertoli<br />

Regierungsrat des Kantons Tessin<br />

«Unfallverhütung ist vor allem eine Frage der Vernunft. Zudem ist sie ein Zeichen<br />

der Aufmerksamkeit sich selber und anderen gegenüber. Doch eines ist sicher:<br />

Null Risiko wird es nie geben. Oft könnte jedoch schon mit wenig Aufwand viel<br />

Leid verhindert werden. Darüber muss immer wieder vertieft nachgedacht und<br />

entsprechend gehandelt werden. Aus diesem Grund ist die langjährige Arbeit<br />

der bfu sehr wertvoll.»<br />

Maurice Turrettini<br />

Präsident des Genfer Automobilsalons<br />

«Damit die Jungen vom Autofahren unter Alkoholeinfluss<br />

abgehalten werden, sollten sie zu Einsätzen in Spitälern<br />

verpflichtet werden, in denen Opfer von schweren<br />

Strassenverkehrsunfällen behandelt werden. <strong>Das</strong> würde<br />

ihre Einsicht bestimmt fördern. Da die Unfallquote auf<br />

Autobahnen mit Abstand am tiefsten ist, sollten diese<br />

ausgebaut werden. Neue Spuren könnten, angesichts<br />

des Platzmangels in unserem Land, ja auch über den<br />

bestehenden Autobahnen gebaut werden.»


Fabian Cancellara<br />

Mehrfacher Rad­Weltmeister und ­Olympiasieger<br />

Muriel Siki<br />

Journalistin und selbstständige TV­Produzentin<br />

«Top­Leistungen sind nur möglich, wenn das Risiko richtig<br />

eingeschätzt wird. Die Sicherheit steht für mich an oberster<br />

Stelle – beim Velofahren und im Privatleben. Deshalb engagiere<br />

ich mich als Botschafter der bfu­Velohelmkampagne.»<br />

PERSÖNLICHKEITEN<br />

«Es gab schon Momente, in denen ich dachte, die bfu nehme ihre Präventionsaufgabe<br />

etwas zu ernst. Doch die Unfallzahlen zeigen, dass sicheres Verhalten noch<br />

nicht 100­prozentig verankert ist: den Sicherheitsgurt immer tragen, die Kopfstütze<br />

richtig einstellen oder Kinder am Wasser im Auge behalten – alles Dinge, die so<br />

offensichtlich scheinen. Ich bedanke mich deshalb bei der bfu, dass sie uns mit ihren<br />

Kampagnen immer wieder an unseren gesunden Menschenverstand erinnert.»<br />

Bundesrätin Doris Leuthard<br />

Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt,<br />

Verkehr, Energie und Kommunikation<br />

«Unfälle im Strassenverkehr verursachen bei allen Beteiligten Leid und<br />

Schmerz – oft mit weitreichenden Folgen. Die bfu leistet mit ihrer Arbeit<br />

einen wichtigen Beitrag, um Unfällen vorzubeugen. Dafür braucht es die<br />

persönliche Aufmerksamkeit jedes Einzelnen, die Vorsorge von Organi­<br />

sationen wie der bfu sowie das Engagement der Politik. Mit Via sicura<br />

haben Bundesrat und Parlament einen weiteren Schritt zur Verbesserung<br />

der Sicherheit im Strassenverkehr gemacht. In Zukunft wird es zu einer<br />

grossen Herausforderung, die Verantwortlichkeiten zwischen Technik und<br />

Mensch klar festzulegen. Beispielsweise dort, wo Assistenzsysteme in<br />

Autos der Lenkerin oder dem Lenker helfen, einfach und sicher von A nach<br />

B zu kommen. Wer fährt, übernimmt Verantwortung. Wer verantwortungs­<br />

voll fährt, konzentriert sich auf das Fahrzeug, die Strasse und die anderen<br />

Verkehrsteilnehmenden. Ich danke der bfu, dass sie uns dies mit ihren<br />

Kampagnen immer wieder in Erinnerung ruft.»<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 11


«Die Arbeit geht<br />

uns nicht aus»<br />

DIE BFU-DIREKTORIN UND IHR VORGÄNGER Brigitte Buhmann und Peter Hehlen über<br />

Originelles aus der Vergangenheit, Erfreuliches aus der Gegenwart und Überraschendes für die Zukunft.<br />

Frau Buhmann, Herr Hehlen, sind Sie vorsichtige<br />

Menschen?<br />

Brigitte Buhmann: Ich gehe weder privat<br />

noch beruflich gerne unkontrollierte<br />

Risiken ein. Ich würde bei Lawinengefahr<br />

nie die Piste verlassen oder<br />

im Auto nie ohne Sicherheitsgurten fahren.<br />

Herausforderungen mit kalkulier-<br />

baren Risiken nehme ich aber sehr gerne<br />

an, etwa wenn es darum geht, bei der bfu<br />

einen neuen Geschäftsbereich aufzubauen.<br />

Peter Hehlen: Ich bin auch eher ein vorsichtiger,<br />

risikobewusster Mensch. Ich bin aber<br />

kein ängstlicher Mensch – das ist etwas anderes.<br />

Ich glaube, dass mich die bfu im All-<br />

12 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

tag nicht rügen müsste, obwohl ich natürlich<br />

auch schon mal zu schnell gefahren bin<br />

oder falsch parkiert habe. (schmunzelt)<br />

Beeinflusst die Arbeit bei der bfu das persönliche<br />

Verhalten?<br />

Hehlen: Ja. Mitarbeitende haben schliesslich<br />

auch eine gewisse Vorbildfunktion gegenüber<br />

der Familie und der Öffentlichkeit.<br />

Buhmann: Ganz klar. Als Direktorin habe<br />

ich erst recht eine Vorbildfunktion. Bevor<br />

ich 2004 zur bfu kam, habe ich <strong>zum</strong> Beispiel<br />

weder einen Ski- noch einen Velohelm getragen.<br />

Heute bin ich mir der Risiken bewusst<br />

und weiss, wie ich sicher lebe.<br />

Für was, Frau Buhmann, steht die Ära von<br />

Peter Hehlen als bfu-Direktor?<br />

Buhmann: Peter Hehlen hat insbesondere<br />

die Forschung ausgebaut. Mit objektiven<br />

Zahlen wurde aufgezeigt, wo die Unfallprävention<br />

ansetzen muss. Dadurch ist es ihm<br />

gelungen, Sachlichkeit in die Diskussion<br />

um Unfallverhütung im Strassenverkehr zu<br />

bringen. <strong>Das</strong> hat die Glaubwürdigkeit und<br />

Akzeptanz der bfu in Politik und Gesellschaft<br />

stark erhöht und unseren Ruf als anerkannte<br />

Fachstelle begründet. Tipps, Empfehlungen<br />

und politische Forderungen der<br />

bfu sind heute faktenbasiert, damit überzeugend<br />

und weniger angreifbar.


Wie beurteilen Sie, Herr Hehlen, die Arbeit<br />

Ihrer Nachfolgerin?<br />

Hehlen: Ich bin mit der bfu nach wie vor<br />

ziemlich eng verbunden, obwohl ich nun<br />

schon seit 10 Jahren pensioniert bin. Frau<br />

Buhmann hat die bfu strukturell und inhaltlich<br />

konsequent in Richtung eines starken<br />

Kompetenz- und Koordinationszentrums<br />

weiterentwickelt. Sie hat zudem dafür<br />

gesorgt, dass die bfu sehr gut vernetzt ist.<br />

Die bfu hat eine starke Stimme im Schweizer<br />

Präventionssystem, was in der heutigen<br />

Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit<br />

ist.<br />

Gibt es spezielle Erinnerungen oder Anekdoten<br />

<strong>zum</strong> Schmunzeln aus Ihrer Amtszeit,<br />

Herr Hehlen?<br />

Hehlen: Grundsätzlich kann ich sagen, dass<br />

ich immer sehr gerne bei der bfu gearbeitet<br />

habe. Fasziniert hat mich vor allem die<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen<br />

Wissenschaftlern und Technikern.<br />

Dabei mussten wir manchmal auch aussergewöhnliche<br />

Dinge erforschen: Wir gingen<br />

etwa der Frage nach, welche Farbprodukte<br />

für die Markierung von Fussgängerstreifen<br />

eine hohe Gleitsicherheit und Haltbarkeit<br />

aufweisen. Ein anderes Mal mussten wir<br />

uns selber ans Steuer setzen und testen, wie<br />

viel Zeit man gegenüber Schnellfahrern ver-<br />

liert, wenn man sich auf der Autobahn an<br />

die Geschwindigkeitslimiten hält.<br />

Wie haben Sie die bfu wahrgenommen, bevor<br />

Sie deren Direktorin geworden sind,<br />

Frau Buhmann?<br />

Buhmann: Lange vor meiner Zeit als Direktorin<br />

hatte ich ein eindrückliches Erlebnis<br />

mit der bfu. Mein Mann und ich hatten<br />

gerade unser neues Haus bezogen, als uns<br />

der bfu-Sicherheitsdelegierte der Gemeinde<br />

auf Sicherheitsmängel im Haus aufmerksam<br />

machte, die wir natürlich sofort behoben.<br />

Wie damals bin ich auch heute beeindruckt<br />

vom Engagement der rund 1200<br />

bfu-Sicherheitsdelegierten. Ich möchte ihnen<br />

aber noch mehr Wissen und Kompetenzen<br />

geben. Wir sind deshalb daran, ihre<br />

Ausbildung zu erweitern. Ich schätze auch<br />

den persönlichen Kontakt zu ihnen sehr.<br />

Mir ist es wichtig zu erfahren, wo ihre Bedürfnisse<br />

liegen.<br />

Gehört das zu den schönsten Erfahrungen<br />

in Ihrem Job?<br />

Buhmann: Ja, unbedingt. Den Austausch<br />

mit Partnern erachte ich als sehr zentral.<br />

Immer wieder ein Highlight sind aber auch<br />

unsere Kampagnen, wie jene mit «Franky<br />

Slow Down». Der Engel hat es geschafft, zu<br />

einem sympathischen Botschafter für an-<br />

Den Austausch mit Partnern<br />

erachte ich als sehr zentral.<br />

IM GESPRÄCH<br />

Brigitte Buhmann<br />

gepasste Geschwindigkeit im Strassenverkehr<br />

zu werden. Er steht zudem für eine<br />

moderne bfu, die nicht mit erhobenem Zeigefinger<br />

auftritt, sondern Leute zu einem<br />

sicheren Verhalten animieren will. «Slow<br />

down. Take it easy.» ist übrigens auch ein<br />

sehr gutes Motto für weniger Unfälle in anderen<br />

Lebensbereichen.<br />

Was war für Sie das Schönste in Ihrer<br />

Amtszeit, Herr Hehlen?<br />

Hehlen: Die Zusammenarbeit mit den Menschen.<br />

Innerhalb der bfu habe ich immer<br />

versucht, die Kreativität und Eigeninitiative<br />

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

zu fördern, dabei aber die gesamte Strategie<br />

im Auge zu behalten. <strong>Das</strong> war Freude und<br />

Herausforderung zugleich.<br />

Und das Schwierigste?<br />

Hehlen: Im Bereich der Alkohol-Promillegrenze,<br />

des Gurtenobligatoriums oder der<br />

Tempolimiten mussten wir natürlich immer<br />

wieder unpopuläre Forderungen stellen.<br />

Die Proteste dagegen waren nicht immer<br />

ganz einfach auszuhalten, es gab auch<br />

Angriffe unter der Gürtellinie.<br />

Gab es das bei Ihnen auch, Frau Buhmann?<br />

Buhmann: Ja, bisher einmal. Doch kann<br />

ich in politischen Fragen ziemlich gut zwi-<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 13


Brigitte Buhmann<br />

Direktorin bfu<br />

53, dissertierte Wirtschafts­ und Sozialwissenschafterin, arbeitete an der Universität<br />

Basel und am Sozialforschungszentrum in Luxembourg, bevor sie ab 1988 beim<br />

Bundesamt für Statistik tätig war. Dort war sie insbesondere für die Arbeitsmarktstatistik<br />

verantwortlich. Seit 2004 ist sie Direktorin der bfu.<br />

schen Amt und Person trennen. Ich bin mir<br />

bewusst, dass wir es mit Forderungen zur<br />

Unfallprävention nicht allen recht machen<br />

können – mit Widerstand muss ich leben<br />

können. In der Regel suchen wir den Dialog<br />

mit gesprächsbereiten Organisationen<br />

und natürlich der Politik. So haben wir <strong>zum</strong><br />

Beispiel den politischen Prozess von «Via sicura»,<br />

dem Verkehrssicherheitsprogramm<br />

des Bundes, aktiv begleitet. Gewonnen hat<br />

die Unfallprävention.<br />

Neben der Einführung der wissenschaftlichen<br />

Erforschung der Präventionsmassnahmen:<br />

Welches waren weitere Meilensteine<br />

in der 75-jährigen Geschichte der bfu?<br />

Hehlen: Anfang der 70er-Jahre haben wir<br />

das System der Sicherheitsdelegierten in<br />

den Gemeinden nach englischem Vorbild in<br />

der Schweiz eingeführt. Zuerst fasste es in<br />

der Romandie Fuss, dann kam die Deutschschweiz<br />

hinzu. Früher waren die Sicherheitsdelegierten<br />

meist pensionierte Polizisten,<br />

die von der bfu nur rudimentär geschult<br />

werden konnten. Heute ist das System sehr<br />

viel professioneller und die Wirksamkeit<br />

sehr viel höher. Die Sicherheitsdelegierten<br />

sind nun vorab im Baubereich aktiv.<br />

14 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Peter Hehlen<br />

Vorgänger Direktor bfu<br />

Buhmann: Seit 1984 hat die bfu einen gesetzlichen<br />

Auftrag zur Präventionsarbeit<br />

und ist in Form einer Stiftung organisiert.<br />

<strong>Das</strong> war ebenfalls ein wichtiger Meilenstein.<br />

Und im Sommer letzten Jahres verabschiedete<br />

das Parlament das bereits erwähnte<br />

Massnahmenpaket «Via sicura»<br />

nach jahrelangem Ringen. Wir haben dazu<br />

mit dem Konzept «Vision Zero» die wissenschaftlichen<br />

Grundlagen gelegt.<br />

Welches sind die grössten Herausforderungen<br />

und Chancen der Zukunft?<br />

Buhmann: Neue technologische Entwicklungen<br />

werden eine zentrale Rolle in der<br />

Unfallprävention spielen. Autos werden<br />

bald so sicher gebaut und mit zusätzlicher<br />

Elektronik ausgerüstet sein, dass tödliche<br />

Unfälle weitgehend vermieden werden können.<br />

Im Haus- und Sportbereich sehe ich<br />

speziell in der Weiterentwicklung der Airbag-Technologie<br />

ganz neue Möglichkeiten<br />

für uns. Technik spielt auch eine Rolle bei der<br />

Art und Weise, wie wir Präventionswissen<br />

weitergeben. Dazu habe ich ein Projekt gestartet,<br />

das sich mit den künftigen Kommunikationsformen<br />

und -kanälen beschäftigt.<br />

73, Direktor von 1994 bis 2003, liess sich an der ETH Zürich <strong>zum</strong> Bauingenieur ausbilden.<br />

Zudem ist er Verkehrsingenieur SVI. Bei der bfu arbeitete er ab 1966 in verschiedenen<br />

Funktionen, unter anderem in der Abteilung Forschung und Statistik.<br />

Hehlen: Wir werden trotzdem nicht darum<br />

herum kommen, den Menschen weiterhin<br />

ins Zentrum zu stellen. Natürlich können<br />

wir in der «Verhältnisprävention», also<br />

bei der Anpassung von Infrastruktur und<br />

Technik, sehr viel erreichen. Wir dürfen<br />

aber nicht einfach neue Systeme bauen und<br />

davon ausgehen, dass sich die Menschen<br />

diesen anpassen und sich umerziehen lassen.<br />

<strong>Das</strong> wird nicht funktionieren.<br />

Buhmann: Ich gebe Herrn Hehlen recht:<br />

Gerade junge Männer suchen oft gezielt<br />

den Nervenkitzel und überschreiten Sicherheitsgrenzen<br />

bewusst. Auch Sturzunfälle<br />

werden uns noch lange beschäftigen. Weit<br />

mehr als die Hälfte der tödlichen Unfälle<br />

haben heute ihre Ursache in einem Sturz.<br />

Angesichts der Alterung der Gesellschaft<br />

dürfte sich dieses Problem inskünftig noch<br />

verschärfen. Die Arbeit geht uns also nicht<br />

aus.<br />

Hehlen: <strong>Das</strong> denke ich auch. Es werden zudem<br />

neue Gefahren auftauchen, die wir<br />

heute noch gar nicht kennen. Prävention<br />

bleibt eine Daueraufgabe.<br />

PETER BADER


Er lebte für die bfu<br />

Er galt als Naturtalent der Kommunikation<br />

und machte die bfu national<br />

bekannt: Eugen F. Schildknecht,<br />

Mediensprecher der bfu von 1961 bis 1985.<br />

Wortgewandt und mit viel Überzeugungskraft<br />

erklärte er während Jahren in der<br />

Morgensendung des Schweizer Radios,<br />

wie man sich vor Unfällen schützen kann.<br />

Die ganze Deutschschweiz hörte ihm zu.<br />

Sein gepflegtes Baseldeutsch und das gros-<br />

se Fachwissen – er war promovierter Jurist<br />

– kamen an. War er von einer Sache überzeugt,<br />

etwa von den damals umstrittenen<br />

Mittelleitplanken auf Autobahnen, konnte<br />

er gar leidenschaftlich werden. <strong>Das</strong> brachte<br />

ihm den Übernamen «Leitplanken-Geni»<br />

ein.<br />

«Die bfu war sein Leben», erinnert sich<br />

seine damalige Mitarbeiterin Eva Keller.<br />

«Er arbeitete unermüdlich und rief mich<br />

zuweilen auch am Wochenende an, um einen<br />

Text zu diktieren.» Dabei war er stets<br />

ein liebenswürdiger Mensch. Die bfu-Mitarbeitenden<br />

mochten ihn und liessen alles<br />

stehen, wenn es galt, eine der zahlreichen<br />

Expresssendungen zwischen Bern und Basel<br />

– in Basel hatte Schildknecht sein Büro –<br />

auf die Bahn zu bringen. «Es war eine spannende<br />

und schöne Zeit», erinnert sich Eva<br />

Keller.<br />

Neben seiner Anstellung bei der bfu war<br />

Schildknecht bei verschiedenen Tageszeitungen<br />

und Fachzeitschriften als Publizist<br />

tätig. Bestens vernetzt in der Medienszene<br />

war er auch dabei, als in der Schweiz die ersten<br />

Fernsehsendungen produziert wurden.<br />

Mit dem TV-Quiz «Grün-Gelb-Rot» gelang<br />

es ihm in den 70er-Jahren, Verkehrsfragen<br />

einem breiten Publikum auf unterhaltsame<br />

und leicht verständliche Art näherzubringen.<br />

Durch dieses ausserordentliche Engagement<br />

als Mediensprecher und Journalist<br />

– eine Kombination, die heute undenkbar<br />

wäre – verhalf Eugen F. Schildknecht<br />

CHARAKTERFIGUR<br />

EUGEN F. SCHILDKNECHT Der legendäre Mediensprecher brachte die bfu ins Radio und Fernsehen<br />

und damit ins Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung.<br />

Eugen F. Schildknecht (rechts) im Gespräch mit bfu-Direktor Robert Walthert (links)<br />

sowie Peter Hehlen (Direktor 1994 bis 2004) und Peter Remund.<br />

der bfu zu Ansehen und Akzeptanz. Noch<br />

heute bringen viele Personen die Namen<br />

bfu und Schildknecht miteinander in Verbindung.<br />

Privat war er mit der bekannten<br />

Schauspielerin Marianne Hediger verheiratet.<br />

1985 starb Eugen F. Schildknecht überraschend<br />

während den Ferien, ein Jahr vor<br />

seiner Pensionierung.<br />

URSULA MARTI<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 15


16 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

EIN DREIVIERTELJAHRHUNDERT<br />

EINE LANGE ZEIT VOLLER WANDEL<br />

Gestern wie heute wie morgen bleibt das Ziel<br />

der bfu gleich: Menschen sicher zu machen.<br />

Geändert hat die Art und Weise, wie die bfu<br />

sich engagiert. Ein kurzer Blick in die Vergangenheit<br />

der Unfallverhütung.<br />

Verkehrsunterricht an einer Schule, Bümpliz, 30. 06.1950


Prävention<br />

in Bildern …<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 17


Unfall im Kanton Graubünden<br />

Risikoreich<br />

KEINE DISZIPLIN im Strassenverkehr, starre Skibindungen oder Gasunfälle zuhause.<br />

75 Jahre später haben sich die Unfallschwerpunkte teilweise verändert.<br />

<strong>Das</strong> Engagement der bfu für die Sicherheit im Sport, in Haus und Freizeit und im<br />

Strassenverkehr ist geblieben. Denn eines lehrt das Leben immer wieder: Es ist risikoreich.<br />

<strong>Das</strong> Gute daran: Unfälle können verhütet werden.<br />

Bergung eines Schneesportlers,<br />

Quarten, Alp Gamperdon, 05. 03.1946<br />

18 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Bis heute gilt: Nur mit einer Leiter sind beim Frühlingsputz höher gelegene<br />

Stellen sicher erreichbar. Zollikofen, 29. 01.1950


Glaubhaft<br />

PRÄVENTION IN BILDERN<br />

FÜR SKIFAHRER UND SCHNELLFAHRER. Für kleine und grosse Kinder. Mal ganz engelhaft,<br />

mal diabolisch böse. Immer wieder haben sich im Auftrag der bfu reale oder erfundene Botschafter an<br />

die Schweizer Bevölkerung gewandt. Auf dieser Seite lernen Sie einige der Persönlichkeiten kennen.<br />

2<br />

1<br />

4<br />

3 6<br />

1. Ferdi Kübler. 1971 macht «Ferdi national» vor, wie man sich mit einem Dreipunkt­Sicherheitsgurt im Auto schützt.<br />

2. Gefahrenteufel. Als rosaroter Faden zieht er sich durch das 50­Jahr­<strong>Jubiläum</strong> der bfu. Auch Jahre danach weist er auf Gefahren hin.<br />

3. Turbosiesteur. Zeigt seit 2011 vor, dass 15 Minuten Turboschlaf das einzig wirksame Mittel gegen Müdigkeit am Steuer ist.<br />

4. Nella Martinetti. Bringt 1986 am Fernsehen Licht in den Verkehrsdschungel. Zusammen mit Zebras, Elefanten und Nashörnern.<br />

5. Pirmin Zurbriggen. Schweizer Skirennfahrer. 1985 auf der Piste für die richtige Einstellung.<br />

6. Didi. Die Dusche spritzt nachlässige Eltern mit Wasser an. Denn Didi weiss: Kinder gehören am Wasser beaufsichtigt.<br />

7. Ds Hippigschpängschtli und die welsche Katze. Lieder von Peter Reber und Jacky Lagger begleiten 2002 die Kinder im Strassenverkehr.<br />

8. Roger Moore. Der Bond­Darsteller ist 1997 in offizieller Mission unterwegs für die bfu­Skivignette.<br />

9. Stoppli. 1980 bis 2015. Rotschopf mit österreichischer Abstammung. Unterwegs in Kindergärten und Schulen für Sicherheit im Strassenverkehr.<br />

10. Franky Slow Down. Seit 2009 der bfu­Engel auf Schweizer Strassen und in der Hitparade: «Slow down. Take it easy.»<br />

5<br />

7<br />

8<br />

9<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 19<br />

10


Beeinflussen<br />

NACH AUSSEN SICHTBAR waren die vielen Präventionsplakate der bfu.<br />

Einige davon wurden ausgezeichnet, andere verärgerten. Früher reichte Plakatpropaganda,<br />

heute werden mit umfassenden Kampagnen über mehrere Kanäle Verhaltensänderungen<br />

erreicht. Hier nochmals Höhepunkte der Plakatgeschichte.<br />

1955, André Closet<br />

1 Automobil auf 20 Einwohner. Die «hohe» Verkehrsdichte<br />

ruft nach einer Losung für sichere Strassen:<br />

«Beherrschung und Disziplin».<br />

1953, Thöni<br />

Behörden stellen Verkehrsschilder nicht auf,<br />

Bürgerinnen und Bürger erkennen sie nicht. <strong>Das</strong><br />

Sujet ist die Antwort auf diese beiden Probleme.<br />

1964, Hans Hartmann<br />

Von «einmaliger Wurf» bis zu «Volksbeleidigung» –<br />

die Prädikate für das Sujet «Nur Hühner hühnern<br />

über die Strasse» waren damals vielfältig.<br />

20 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

1960, Hans Hartmann<br />

Moderatere Töne schlägt die bfu mit der Geste der<br />

gelüfteten Hüte an: «Achte den andern.» Ob diese noch<br />

verstanden wird, bezweifelt der Jahresbericht von damals.<br />

1966, Hans Hartmann<br />

Radfahrer bereiten Sicherheitsfachleuten grosse Sorge,<br />

insbesondere in Sachen Zeichengebung. Zudem lässt<br />

der Zustand der Fahrräder oft zu wünschen übrig.<br />

1976, Hans Hartmann<br />

Der bfu bereiten die vielen Kopfverletzungen grosse<br />

Sorgen. 1976 ist das Geburtsjahr eines Slogans, der<br />

bis heute in allen Köpfen ist.<br />

1987/1995, unbekannt<br />

Mehr als die Hälfte aller Autofahrer gurtet sich nicht an.<br />

Ein Plakat soll bei den Zielgruppen «Klick» machen. Ein<br />

Jahr nach der Einführung des Gurtenobligatoriums auf<br />

Rücksitzen wird das Sujet 1995 erneut eingesetzt.<br />

1988, unbekannt<br />

Fussgänger und insbesondere Senioren gehören zu den<br />

verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden. Deshalb ruft die<br />

bfu die Lenkenden zu Rücksicht und Vorsicht auf.<br />

1993, Hanspeter Wyss<br />

Die Sichtbarkeit bei Nacht ist besonders im Winterhalbjahr<br />

von Bedeutung. Darauf wird auch heute noch jeweils<br />

Ende November mit dem «Tag des Lichts» hingewiesen.


1969, Edi Hauri. Der Basler Grafiker hat eines der bekanntesten Plakatsujets geschaffen. Zu seiner Ehre lebt es im <strong>Jubiläum</strong>sjahr<br />

der bfu nochmals auf.<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 21


Wie wird sichergestellt, dass die<br />

Präventionsaktivitäten der<br />

bfu auch wirklich am richtigen<br />

Punkt ansetzen? Indem die Sicherheitsarbeit<br />

konsequent auf wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen beruht. Dafür hat die bfu<br />

eine Forschungsabteilung, die in den Bereichen<br />

Strassenverkehr, Sport, Haus und Freizeit<br />

den wesentlichen Fragen auf den Grund<br />

geht: Wie viele Unfälle geschehen? Warum<br />

ereignen sie sich? Wie können sie verhindert<br />

werden? «Unsere Stärke ist das interdisziplinäre<br />

Team», erläutert Forschungsleiter<br />

Roland Allenbach: «Bei uns arbeiten<br />

Ingenieure, Sozial- und Bewegungswissenschaftlerinnen<br />

und -wissenschaftler Hand<br />

in Hand.» Damit können die Ursachen, die<br />

zu Unfällen führen, und die Massnahmen,<br />

22 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Bald werden wir auf neue Art Daten<br />

verknüpfen können, die uns gezielter zeigen,<br />

wo die Prävention ansetzen muss.<br />

<strong>Das</strong> Rückgrat<br />

der Präventionsarbeit<br />

UNFALLFORSCHUNG Sie ist die Basis für die Präventionsarbeit und ein wichtiges<br />

Aushängeschild der bfu: die Forschung. Denn erst wenn die Unfallursachen bekannt sind und<br />

das Präventionspotenzial erwiesen ist, gibt die bfu Sicherheitsempfehlungen ab.<br />

die sie verhindern, aus verschiedenen Blickwinkeln<br />

erforscht werden.<br />

Seit den Anfängen der bfu vor 75 Jahren<br />

hat sich die Unfallforschung stark entwickelt.<br />

So <strong>zum</strong> Beispiel die Beschaffung von<br />

Grundlagen: Während vieler Jahre standen<br />

die bfu-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter<br />

selber am Strassenrand und erfassten<br />

mit einer Strichliste, wie viele Personen<br />

einen Helm trugen oder angegurtet waren.<br />

Danach wurde mit dem Taschenrechner<br />

die Quote eruiert. Auch heute noch wird<br />

gezählt, doch stehen Tablet-PCs mit Eingabemasken<br />

und Programmen zur Verfügung,<br />

die verschiedene Informationen speichern<br />

und miteinander verbinden. Es sind<br />

auch nicht mehr die bfu-Angestellten, die<br />

am Strassenrand oder auf der Skipiste Zäh-<br />

Roland Allenbach<br />

lungen durchführen, sondern speziell geschulte<br />

externe Personen.<br />

«Die gesamte Unfallforschung ist systematischer<br />

und vernetzter geworden», sagt<br />

bfu-Forscher Steffen Niemann. Die bfu arbeitet<br />

eng mit Bundesämtern, Universitäten<br />

und Organisationen zusammen und wirkt<br />

in internationalen Gremien wie der OECD<br />

oder EuroSafe mit. Forschungsergebnisse<br />

werden weltweit ausgetauscht und verglichen.<br />

«Evidenzbasiert» ist dabei ein wichtiges<br />

Schlagwort. Damit ist faktenbasiertes<br />

Arbeiten gemeint. Statt nur Einzelstudien<br />

heranzuziehen, werden aus verschiedenen<br />

mehrjährigen Forschungsprojekten übergeordnete<br />

Ergebnisse ermittelt. «Erst wenn<br />

sich Zusammenhänge immer wieder gleich<br />

zeigen, weiss man, dass es wirklich so ist»,


erklärt Niemann. «Dafür stehen uns heute<br />

auch ganz andere Werkzeuge zur Verfügung.<br />

Früher, als die ersten Computer aufkamen,<br />

hatten bfu-Spezialisten eigene Programme<br />

entwickelt, heute können wir auf<br />

standardisierte Software zurückgreifen.»<br />

Um wirkungsvolle Präventionsprogramme<br />

entwickeln zu können, müssen die<br />

Unfallschwerpunkte bekannt sein. Diese<br />

sind aus der Unfallstatistik ersichtlich. Allerdings<br />

ist das nicht ganz ohne Probleme<br />

möglich: Der Grossteil der Daten stammt<br />

von den Unfallversicherern, die obligatorisch<br />

Erwerbstätige versichern – Kinder und<br />

Pensionierte werden also statistisch nicht<br />

erfasst. Es war deshalb ein Meilenstein in<br />

der bfu-Forschungsgeschichte, als man in<br />

den 90er-Jahren erstmals mit gross angelegten<br />

Studien das Gesamtunfallgeschehen<br />

bei Kindern und Senioren erhob und daraus<br />

Ziele und konkrete Präventionsmassnah-<br />

men ableitete. 2011 führte die bfu erneut<br />

eine Gesamtstudie durch. Als besondere<br />

Herausforderung der Zukunft zeigte sich<br />

die Altersgruppe der Senioren. Es gibt immer<br />

mehr ältere Menschen und diese sind<br />

aufgrund ihrer körperlichen Konstitution<br />

besonders anfällig für Verletzungen.<br />

Ein weiterer Meilenstein in der jüngeren<br />

bfu-Forschungsgeschichte war der Bericht<br />

zur «Vision Zero». Vom Bund in Auftrag gegeben,<br />

zeigt er auf, mit welchen Massnahmen<br />

in den Bereichen Verkehrsinfrastruktur,<br />

Gesetzgebung, Erziehung und Kommunikation<br />

die Anzahl schwer verletzter und getöter<br />

Personen halbiert werden könnte. Der<br />

Bericht bildete die Grundlage für das nationale<br />

Verkehrssicherheitsprogramm «Via<br />

sicura», das 2012 vom Parlament beschlossen<br />

wurde.<br />

Was dürfen wir in den nächsten Jahren<br />

Neues von der Forscherfront erwar-<br />

RÜCKGRAT<br />

ten? Roland Allenbach: «Wir werden vermehrt<br />

angewandte Forschung betreiben,<br />

um auf neue Entwicklungen zu reagieren,<br />

etwa bei der Fahrzeugtechnik, bei Freizeittrends<br />

oder demografischen Veränderungen.»<br />

<strong>Das</strong> ist aber noch nicht alles: «Schon<br />

bald werden wir auf neue Art Daten mit-<br />

einander verknüpfen können, die uns noch<br />

gezielter zeigen, wo die Prävention ansetzen<br />

muss.» Ein konkretes Beispiel ist die<br />

Verbindung von polizeilichen Strassenverkehrsdaten<br />

mit medizinischen Daten der<br />

Spitäler. Dies wird ganz neue Rückschlüsse<br />

ermöglichen, <strong>zum</strong> Beispiel wie sich bestimmte<br />

Fahrgeschwindigkeiten auf die<br />

Verletzungsschwere und den Genesungsverlauf<br />

nach einem Unfall auswirken. Für<br />

Spannung ist in der Unfallforschung also<br />

weiterhin gesorgt.<br />

URSULA MARTI<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 23


Territori<br />

24 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


en<br />

DER KLEINE UNTERSCHIED Unterschiede wecken Neugier –<br />

das gilt auch auf dem Gebiet der Unfallverhütung. Gerade weil sie<br />

mit vielen Vorurteilen behaftet sind, nehmen wir auf den folgen­<br />

den Seiten zwei Themen besonders unter die Lupe: Männer und<br />

Frauen am Steuer einerseits und das Unfallgeschehen nach<br />

Sprachregionen andererseits. Sind Frauen und Romands auf der<br />

Strasse wirklich eine Gefahr?<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 25


Männer, Frauen<br />

und das Risiko<br />

GENDERBLICK Die Statistik zeigt es unmissverständlich: <strong>Das</strong> Risikoverhalten wird<br />

auch durch das Geschlecht beeinflusst. Männer gehen anders mit Gefahren um und schätzen<br />

Risiken anders ein als Frauen – doch wo liegt der Grund für das unterschiedliche Verhalten?<br />

Bei den Verurteilungen nach Strassenverkehrsgesetz<br />

liegt der Anteil<br />

der Männer bei 87 %. Lediglich<br />

13 % der Verurteilten sind Frauen. «Vor allem<br />

jüngere Männer brechen öfter die Regeln<br />

als Frauen. Sie stellen die grösste Risikogruppe<br />

dar», sagt bfu-Direktorin Brigitte<br />

Buhmann. In der Tat: Bei den schwerverletzten<br />

und getöteten PW-Lenkenden pro<br />

1 Milliarde Fahrzeugkilometer sind die<br />

26 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Männer im Alter von 18 bis 24 Jahren überproportional<br />

vertreten. Mit zunehmendem<br />

Alter gleichen sich die Zahlen jedoch an.<br />

Alkoholkonsum und überhöhte Geschwindigkeit<br />

verursachen die schwersten<br />

Unfälle. In beiden Kategorien – besonders<br />

deutlich beim Alkohol – fallen vor allem<br />

die Männer negativ auf. Diverse Studien<br />

belegen, dass Männer mehr riskante Verhaltensweisen<br />

(Rauchen, überhöhter Al-<br />

koholkonsum, Konsum illegaler Drogen,<br />

gefährliche Sportarten und riskantes Autofahren)<br />

an den Tag legen als Frauen. Gross<br />

sind die Unterschiede vor allem beim sogenannten<br />

«Sensation Seeking», der Suche<br />

nach intensiven Sinneseindrücken, die auch<br />

Risikobereitschaft einschliessen.<br />

«Wenn man den Faktor Sensation Seeking<br />

ausblendet, dann verringern sich die<br />

Geschlechterunterschiede bei riskanten


Verhaltensweisen substanziell», sagt Janine<br />

Bosak. Die promovierte Diplom-Psychologin<br />

und Hochschullehrerin an der Dublin<br />

City University in Irland hat genau diese<br />

Genderfrage untersucht. Doch wo liegt der<br />

Grund für das unterschiedliche Verlangen<br />

nach dem Kick? Man vermutet dafür gemäss<br />

Bosak eine biologische Ursache: «Studien<br />

haben einen Zusammenhang zwischen<br />

dem Hormon Testosteron und dem Sensation<br />

Seeking gezeigt. <strong>Das</strong> erklärt, weshalb<br />

Männer stärker zu risikoreichen Verhaltensweisen<br />

neigen als Frauen – und zwar<br />

unabhängig von Sozialisation, Erziehung<br />

und anderen Faktoren.»<br />

<strong>Das</strong> biologische Geheimnis der Reiz-<br />

suche ist indes noch nicht ganz entschlüsselt.<br />

Neuropsychologen vermuten, dass Sensation<br />

Seekers wegen ihres tieferen Dopamin-Spiegels<br />

verstärkt Reize von aussen<br />

brauchen, um Glückshormone zu produzieren.<br />

«Vieles spricht dafür, dass sie bei neuen<br />

Stimulationen mehr Belohnung aus dem<br />

Hormonsystem ziehen», sagt der emeritierte<br />

Psychologieprofessor Falko Rheinberg.<br />

Evolutionsbiologen führen die Aggressivität<br />

und Risikofreude junger Männer<br />

auf den Fortpflanzungswettbewerb unter<br />

männlichen Vorfahren zurück. Männer<br />

könnten so ihren Mut und ihre Stärke demonstrieren,<br />

um in den Augen der Frauen<br />

als attraktive Sexualpartner zu erscheinen.<br />

Soziokulturelle Ansätze betonen hingegen,<br />

dass Geschlechterunterschiede im<br />

Aggressionsverhalten ihren Ursprung in<br />

der Sozialisation haben, wo bei den Männern<br />

Durchsetzungsvermögen und Wettbewerbsorientierung<br />

und bei den Frauen<br />

Fürsorge und Unterwürfigkeit verstärkt<br />

würden. Fakt ist, dass auch die unterschiedliche<br />

Risikoeinschätzung ein Grund für das<br />

riskantere Handeln der Männer ist. Studien<br />

TERRITORIEN<br />

zeigen, dass Männer von risikoreichen Aktivitäten<br />

mehr Nutzen erwarten als Frauen.<br />

Frauen versprechen sich davon weniger<br />

Vergnügen und befürchten eher negative<br />

Konsequenzen als Männer.<br />

Um die Unterschiede im Risikoverhalten<br />

zu erklären, weist Janine Bosak zudem<br />

auf die Geschlechterrollen hin. Darunter<br />

versteht man die gesellschaftlichen Erwartungen,<br />

wie sich ein Mann oder eine<br />

Frau verhalten soll. Heranwachsende lernen<br />

demnach schon früh, dass schnelles<br />

Autofahren, Rauchen und Alkoholkonsum<br />

als männlich gelten. Genau bei diesen<br />

Geschlechterrollen können Interventionen<br />

und Prävention ansetzen. Und tun das<br />

auch, wie bfu-Direktorin Brigitte Buhmann<br />

sagt. «Ein gutes Beispiel für die geschlechtsspezifische<br />

Ansprache ist die interaktive<br />

Facebook-Seite ‹Date Nina› von RoadCross,<br />

bei der junge Männer nur erfolgreich sind,<br />

wenn sie sich verantwortungsbewusst verhalten.<br />

Wichtig ist aber auch, dass man die<br />

jungen Beifahrerinnen in der Meinung bestärkt,<br />

dass Rasen und Alkohol am Steuer<br />

uncool sind.»<br />

THORSTEN KALETSCH<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 27


Andere Landesteile,<br />

andere Sitten<br />

REGIONALE UNTERSCHIEDE Die Verkehrssicherheit ist nicht überall in der Schweiz gleich<br />

hoch. Untersuchungen zeigen grosse regionale Unterschiede im Verhalten der Verkehrsteilnehmenden.<br />

Die bfu muss ihre Präventionstätigkeit folglich den Sprachregionen anpassen.<br />

Gemäss einer bfu-Studie ist die Verkehrssicherheit<br />

nicht schweizweit<br />

gleich: Es zeigen sich grosse Unterschiede<br />

zwischen den Sprachregionen.<br />

Der 2010 veröffentlichte Bericht kommt<br />

<strong>zum</strong> Schluss, dass die Westschweizer und<br />

die Tessiner deutlich häufiger schwere oder<br />

sogar tödliche Verletzungen bei Verkehrsunfällen<br />

erleiden als die Deutschschweizer.<br />

<strong>Das</strong> Risiko eines schweren Unfalls ist<br />

im Tessin sogar doppelt so hoch wie in der<br />

28 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Deutschschweiz. Die Anzahl der Verkehrsopfer<br />

hat in den letzten 10 Jahren zwar<br />

überall abgenommen, der Rückgang ist<br />

in der Deutschschweiz jedoch deutlicher<br />

(-33 %) als in der Westschweiz und im Tessin<br />

(je -23 %).<br />

Geht man diesen Zahlen auf den Grund,<br />

wird schnell klar, dass in jeder Spachregion<br />

eigene Verhaltensweisen vorherrschen. So<br />

zeigt die Statistik, dass Alkohol am Steuer<br />

in der Romandie und im Tessin häufiger<br />

ein Grund für Verkehrsunfälle ist als in<br />

der Deutschschweiz. Die Geschwindigkeit<br />

ist zu beiden Seiten des Röstigrabens eine<br />

gewichtige Unfallursache, spielt jedoch im<br />

Südkanton eine geringere Rolle.<br />

Für den Waadtländer CVP-Nationalrat<br />

Jacques Neirynck sind diese Verhaltensunterschiede<br />

kulturellen Ursprungs. «Die<br />

Kultur der nördlichen Länder und auch der<br />

Deutschschweiz schreibt Selbstverantwortung<br />

gross. Für die Bevölkerung im Nor-


den ist das Gesetz eine Untergrenze, die<br />

nicht unterschritten werden darf. Im Süden<br />

hingegen versteht man das Gesetz als einen<br />

Idealwert, dem man sich annähern sollte.»<br />

Diese kulturellen Unterschiede kann<br />

Christoph Büchi, Korrespondent der Neuen<br />

Zürcher Zeitung in Lausanne, nur bestätigen.<br />

Er stellt fest, dass das Verhältnis <strong>zum</strong><br />

Alkohol in Genf, Zürich und Lugano nicht<br />

dasselbe ist. Er findet aber, dass ein Wandel<br />

hin zu einer Angleichung stattfindet, genauso<br />

wie sich auch international viele Verhaltensweisen<br />

ähnlicher werden. In westeuropäischen<br />

Ländern lassen sich in der<br />

Gesundheitsförderung dieselben Anliegen<br />

erkennen, die <strong>zum</strong> Beispiel im Rauchverbot<br />

an öffentlichen Orten oder im Rückgang<br />

des Alkoholkonsums <strong>zum</strong> Ausdruck<br />

kommen. «Vor dreissig Jahren war es in der<br />

Romandie noch ziemlich unüblich, beim<br />

Aperitif oder am Mittag keinen Alkohol<br />

zu trinken. Heutzutage begnügen sich die<br />

Leute immer häufiger mit Wasser», bemerkt<br />

der Journalist.<br />

Die Präventionskampagnen im Strassenverkehr<br />

begünstigen diese Tendenz zweifelsohne.<br />

Die bfu passt ihre Kommunikation<br />

den verschiedenen Landesteilen an<br />

und fördert damit den Mentalitätswandel.<br />

Ein Beispiel: Noch vor 30 Jahren lehnten die<br />

Westschweiz und das Tessin das Gurten-<br />

obligatorium in einer Volksabstimmung<br />

deutlich ab. Heute liegen Deutschschweiz,<br />

Romandie und Tessin zwar noch auseinander,<br />

aber die ursprünglichen Widerstände<br />

haben sich in einen grossen Anteil Befürwortung<br />

gewandelt: 2010 betrug die Gurtentragquote<br />

bei PW-Lenkenden in der<br />

Deutschschweiz 90 %, in der Romandie<br />

83 % und im Tessin 77 %. Während der Unterschied<br />

in der Tragdisziplin zwischen der<br />

Deutschschweiz und dem Tessin im Jahr<br />

2000 noch 26 Prozentpunkte ausmachte,<br />

waren es 2010 nur noch 13 Prozentpunkte.<br />

Dies veranlasste Renato Gazzola, TCS-Mediensprecher<br />

der Sektion Tessin, vor einigen<br />

Jahren zur Aussage: «Die Tessiner Autofahrer<br />

sind punkto Tempolimiten und Alko-<br />

TERRITORIEN<br />

holgrenzwert vorsichtiger geworden.» Und<br />

auch er erwähnt eine Angleichung des Verhaltens<br />

auf den Strassen an die Deutschschweiz.<br />

Die regionalen Unterschiede schwächen<br />

sich also ab. <strong>Das</strong> macht sich auch<br />

in anderen Bereichen bemerkbar. Noch<br />

vor 10 Jahren waren nur wenige Skifahrende<br />

und Snowboarder mit einem<br />

Schutzhelm ausgerüstet. Seither ist die<br />

Anzahl der Helmtragenden explosionsartig<br />

gestiegen. Doch auch in diesem Bereich<br />

schneidet die Deutschschweiz verglichen<br />

mit dem Rest der Schweiz besser ab.<br />

4 von 5 Deutschschweizer Schneesportfans<br />

schützen ihren Kopf mit einem Helm,<br />

gegenüber 67 % der Westschweizer.<br />

Gerade jetzt, wo die regionalen Unterschiede<br />

am Schwinden sind, sei es notwendig,<br />

noch stärker auf Präventionskampagnen<br />

zu setzen. Denn auch wenn die<br />

Westschweizer den Kampagnen weiterhin<br />

misstrauischer gegenüberstehen als die<br />

Deutschschweizer, seien der Föderalismus<br />

und die kritische Haltung gegenüber Bern<br />

stark abgeflacht, betont Christoph Büchi.<br />

Ein Kulturwandel dauert seine Zeit.<br />

Er muss sowohl in den Schulen als auch<br />

zu Hause vermittelt werden. <strong>Das</strong> in die<br />

Kampagnen investierte Geld werde anderswo<br />

wieder eingespart, schliesst Jacques<br />

Neirynck.<br />

SANDRINE ROVERE<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 29


PRÄVENTIONSAUSSTELLUNG Für ihr <strong>Jubiläum</strong> wagt sich<br />

die bfu in Neuland vor: Eine Ausstellung zeigt Unfallprävention<br />

mithilfe modernster Unterhaltungselektronik. Wie das funktioniert,<br />

erfahren wir von Paul Reichardt, Geschäftsleitungsmitglied und<br />

Ausstellungs­Projektleiter.<br />

30 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 31


Ein Sommermorgen im Juli: Auf einer<br />

Parkbank an einem Teichrand<br />

sitzt ein Mann mit seinem Hund.<br />

Trauerweiden hängen ihre silbergrünen<br />

Zweige ins Wasser und Entenmütter führen<br />

ihren flaumigen Nachwuchs aus. Plötzlich<br />

platzt ein korpulenter Rollschuhfahrer<br />

in die Idylle, stolpert haarscharf an Mann<br />

und Hund vorbei und verschwindet wieder.<br />

«Fass Filou!» Der Hund folgt dem Störenfried<br />

und kommt mit einem Knieschoner<br />

zurück. «Brav» lobt sein Herrchen und<br />

untersucht das Teil mit einem zynischen<br />

Lächeln: «Nicht schlecht … aber schlecht<br />

montiert, sonst hättest du ihn ja nicht erwischt.»<br />

«Und Cut!» Die Film-Crew applaudiert<br />

begeistert. Der «Star» auf dem Set ist Filou,<br />

ein viereinhalbjähriger Rüde, halb Bordercollie,<br />

halb Schäferhund und unverschämt<br />

intelligent. Es ist sein Filmdebüt, aber das<br />

wissen <strong>zum</strong> Glück weder Projektleiter Paul<br />

Reichardt noch der Mann, der sich die Szene<br />

32 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

ausgedacht hat, Creative Director Mike<br />

Krüll. Sie sind nervös genug: «Ein Tierdreh,<br />

da weiss man nie!» Nun schauen sie sich die<br />

Szene erleichtert auf dem Monitor an.<br />

Filou ist nicht der Einzige, der für die<br />

<strong>Jubiläum</strong>sausstellung Neuland betritt. Paul<br />

Reichardt und sein Projektteam haben die<br />

Entdeckungsreise bereits vor zwei Jahren<br />

angetreten. In einer Drehpause blickt er auf<br />

den Projektstart zurück. Schnell sei klar gewesen,<br />

dass man für die <strong>Jubiläum</strong>sausstellung<br />

auf Multimedia und Interaktion setzen<br />

wolle. «Doch Geräte mit Knöpfen und Hebeln<br />

gehen rasch kaputt, das zeigten unsere<br />

Erfahrungen im Verkehrshaus der Schweiz.<br />

Diesen Wartungsaufwand wollten wir unseren<br />

Ausstellungspartnern nicht <strong>zum</strong>uten»,<br />

so der Projektleiter. Doch wie so oft:<br />

Aus der Not wurde eine Tugend – und ein<br />

neuartiges Ausstellungskonzept.<br />

«Gegenstände auf einem Bildschirm bewegen,<br />

ohne diesen zu berühren? Und ohne<br />

Fernsteuerung? <strong>Das</strong> muss gehen!» Paul<br />

Reichardt liess nicht locker und wurde fündig!<br />

Er entdeckte Kinect, ein kleines Gerät<br />

mit Kamera, Infrarotsensor und einer cleveren<br />

Software. Zum Zeitpunkt der Ent-<br />

deckung war die neuartige Steuerung erst<br />

für die Spielkonsole X-Box erhältlich. Doch<br />

der Technik-Freak erkannte sofort: Bis <strong>zum</strong><br />

Jubeljahr wird diese Technik reif sein für<br />

PC-Anwendungen. Damit war die Frage der<br />

Bedienoberfläche geklärt und es brauchte<br />

«nur» noch ein passendes Ausstellungskonzept.<br />

Dieses lieferte die erfahrene Ausstellungsmacherin<br />

Su Jost. Reichardt schmunzelt,<br />

als er an die erste Sitzung denkt. «Ein<br />

bisschen Kopfzerbrechen haben wir Su<br />

wohl schon bereitet, als wir mit unserer langen<br />

Anforderungsliste kamen: Interaktiv<br />

und multimedial sollte die Ausstellung werden.<br />

Dazu kompakt, leicht zu transportieren<br />

und einfach zu bedienen. Aktuelle Präventionsarbeit<br />

sollte sie leisten, aber auch<br />

einen Überblick über 75 Jahre bfu-Arbeit


Kreative unter sich: Paul Reichardt, Mike Krüll und Alexandre Jacquet besprechen die nächste Szene.<br />

Daniel Rohr erhält den letzten Schliff. Der Schauspieler<br />

steht oft vor der Kamera für Fernseh- und Kinofilme.<br />

Raphael Schläppi richtet Kamera und Mikrofon auf den Ort<br />

des Geschehens.<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 33


Die Steuerung der Präventionsausstellung: Durch Handbewegungen navigieren sich die Betrachter durch die spannenden Inhalte.<br />

Paul Reichardt und Metallbauer Christoph Mooser diskutieren<br />

Details am Prototyp der Präventionsausstellung.<br />

34 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Nur wenige Handgriffe braucht es, damit die «Metallkiste»<br />

sicher steht.


Gegenstände auf einem Bildschirm bewegen, ohne diesen<br />

zu berühren? Und ohne Fernsteuerung? <strong>Das</strong> muss gehen!<br />

bieten und ah ja … spannend und interessant<br />

sollte sie natürlich auch werden.» Die<br />

promovierte Ethnologin nahm die Herausforderung<br />

an und entwickelte zusammen<br />

mit dem Projektteam eine Lösung, die alle<br />

Anforderungen auf einen Nenner brachte.<br />

So entstand die «Themeninsel», eine<br />

Metallkiste auf Rollen, die sich mit wenigen<br />

Griffen zur Projektionswand auffalten<br />

lässt. Auf den Bildschirmen werden witzige,<br />

temporeiche Filmszenen zu sechs Präventionsthemen<br />

zu sehen sein. Durch berührungsloses<br />

Verschieben von Objekten auf<br />

den Bildschirmen kann die Besucherin/der<br />

Besucher ins Geschehen eingreifen und die<br />

Themen nach Lust und Interesse vertiefen.<br />

Doch genug der Rückschau, den Projektleiter<br />

zieht es ans Filmset zurück. Dort<br />

läuft alles bestens. Filou ist ein Natur-<br />

talent und die Dreharbeiten gehen zügig<br />

voran. Er schafft sein Pensum locker in der<br />

halben Zeit. Vor dem Mittagessen sind alle<br />

Szenen <strong>zum</strong> Thema «Persönliche Schutzausrüstung»<br />

im Kasten. Die Crew belohnt<br />

sich mit einem Mittagessen. Debütant<br />

Filou schläft bereits, der Morgen war doch<br />

etwas aufregend. Beim Espresso bleibt Zeit<br />

für ein paar allgemeine Überlegungen zur<br />

Paul Reichardt<br />

Präventionsarbeit. Creative Director Mike<br />

Krüll ist seit langem erfolgreich in der Werbung<br />

unterwegs. Was ist denn der Unterschied<br />

zwischen Werbung und Prävention?<br />

Krüll meint: «Keiner. Hand aufs Herz, wer<br />

von uns verhält sich schon immer vernünftig?<br />

Und wer will schon mit dem erhobenen<br />

Mahnfinger darauf aufmerksam gemacht<br />

werden?» Er setzt deshalb auf unerwartete,<br />

witzige Szenen und kantige Figuren. Diese<br />

sollen sich in den Hinterköpfen einprägen,<br />

um dann im entscheidenden Moment ihre<br />

Präventionsarbeit zu tun.<br />

Gegen Abend steht für Paul Reichardt<br />

noch ein Besuch beim Metallbauer an.<br />

Nach wie vor wird an der Themeninsel herumgepröbelt.<br />

Sie soll von einer einzelnen<br />

Person ohne Hilfe aufgebaut werden können!<br />

Reichardt führt die Wunderkiste mit<br />

der neuartigen Bedienoberfläche vor und<br />

alle Anwesenden werden vom Spielfieber<br />

gepackt. Jede und jeder will vor dem Bildschirm<br />

aktiv werden – trotz der drückenden<br />

Hitze in der Werkstatt. Und einmal<br />

mehr an diesem Tag überträgt sich die Begeisterung<br />

des Projektleiters auf sein Umfeld.<br />

Denn auffällig ist es schon: Alle Projektmitarbeiter<br />

sind bereit, für den Erfolg<br />

thEmEninsEl<br />

etwas mehr zu leisten und alle sind freudig<br />

gespannt auf das Ziel der Entdeckungsreise:<br />

die Darsteller, die Ausstellungsmacherin,<br />

der Creative Director, die Filmcrew, der<br />

Metallbauer, das bfu-Projektteam …<br />

Ein intensiver Tag für die <strong>Jubiläum</strong>sausstellung<br />

geht zu Ende. Paul Reichardt faltet<br />

die Projektionsfläche sorgfältig zusammen<br />

und verstaut sie wieder in der Metallkiste.<br />

Er zieht seine Motorradjacke an und verschwindet<br />

in den lauen Sommerabend.<br />

Die bfu-Präventionsausstellung<br />

<strong>zum</strong> 75-Jahr-<strong>Jubiläum</strong><br />

ElisabEth hubEr<br />

Themen<br />

• Persönliche Schutzausrüstung im Sport<br />

• Alkohol und Übermüdung • Auf der Strasse<br />

• Im Auto • Stürze • Bauliche Sicherheit<br />

Termine<br />

• 22. März 2013 im Rahmen der Teilnahme<br />

der bfu an der Berner Museumsnacht<br />

• Ab Frühjahr 2013 im Verkehrshaus in<br />

Luzern, in Städten und Gemeinden,<br />

bei Strassenverkehrsämtern und in<br />

Einkaufszentren in der ganzen Schweiz<br />

Alle Ausstellungsorte auf www.75.bfu.ch<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 35


Ein Leben für<br />

die Sicherheit<br />

SADY ZANNI <strong>Das</strong> Amt als Sicherheitsbeauftragter und<br />

bfu­Sicherheitsdelegierter bezeichnet er als eine seiner<br />

interessantesten Aufgaben in den letzten 30 Jahren. Denn<br />

für Sady Zanni aus Bellinzona war und ist die Sicherheit eine<br />

wahre Lebensphilosophie. Ein Gespräch.<br />

Es scheint, als widmeten Sie Ihr ganzes Leben der Sicherheit.<br />

Sady Zanni: Seit 30 Jahren arbeite ich bei der Gemeinde Bellinzona – ich gehöre<br />

dort zur «Familie». Ungefähr 20 Jahre war ich Polizeioffizier mit Aufgaben<br />

im Aussendienst. Seit etwa 10 Jahren leite ich das Büro für Sicherheit, Strassen-<br />

signale und technische Kontrollen. <strong>Das</strong> Büro kümmert sich um Arbeitssicherheit,<br />

Strassensignale, Lärmmessungen, Brandschutz, öffentliche und private Beratungen<br />

usw.<br />

36 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


EIN TAG IM LEBEN<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 37


Viele Gemeinden besetzen das Amt des<br />

bfu-Sicherheitsdelegierten, weil Sicherheit zu<br />

einem wichtigen Thema geworden ist.<br />

<strong>Das</strong> tönt nach einer abwechslungsreichen<br />

und bereichernden Aufgabe.<br />

Während meiner Zeit als bfu-Sicherheitsdelegierter<br />

der Stadt habe ich auf die Gefahren<br />

in den Gemeindegebäuden und auf<br />

den Strassen aufmerksam gemacht und sowohl<br />

Private als auch andere Gemeindestellen<br />

beraten. Ich wurde also gerufen, wenn<br />

es um Turnhallen, private und öffentliche<br />

Gebäude, um Biotope, Bäder, Schulen usw.<br />

ging. Gemeinden sind nicht verpflichtet,<br />

das Amt des bfu-Sicherheitsdelegierten zu<br />

besetzen, aber viele tun es, weil Sicherheit<br />

zu einem wichtigen Thema geworden ist.<br />

Gefahren werden tendenziell unterschätzt,<br />

deshalb versuchte ich immer genau darzulegen,<br />

welche Risiken eine Person oder die<br />

Verwaltung eingeht, wenn die einschlä-<br />

gigen Normen nicht eingehalten werden.<br />

Erzählen Sie uns von Ihrem kürzlichen<br />

Projekt, das aus der Arbeit mit der bfu<br />

entsprang?<br />

Während eines Weiterbildungskurses der<br />

bfu hat die Architektin Federica Corso Talento,<br />

Betreuerin des kantonalen Projektes<br />

38 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Sady Zanni<br />

«Meglio a piedi» (besser zu Fuss), gezeigt,<br />

was die Gemeinde Caslano für die Sicherheit<br />

der Schulwege leistete. <strong>Das</strong> Projekt interessierte<br />

mich sofort und ich klärte gleich<br />

ab, ob ich in Bellinzona ebenfalls ein solches<br />

starten könnte. Nach einer Vorabklärung<br />

erlaubte mir die Stadtverwaltung, einen<br />

Plan für alle obligatorischen Schulen<br />

auszuarbeiten. Wir teilten die Stadt in Sektoren<br />

auf und mit Hilfe von Schulleitungen,<br />

Lehrpersonen, Eltern, Gemeindepolizei<br />

und Experten hielten wir die bestehenden<br />

Sicherheitsprobleme auf den Schulwegen<br />

fest. Danach erstellten wir ein umfangreiches<br />

Dossier mit allen Verbesserungsvorschlägen.<br />

Diese Analyse gewann übrigens<br />

den kantonalen Preis «Comune innovativo<br />

2011» (innovative Gemeinde).<br />

Erfolgten daraufhin auch tatsächlich<br />

Verbesserungen?<br />

Sicher! Wir haben die Signalisation bei<br />

Fussgängerstreifen verbessert und an verschiedenen<br />

Orten der Stadt «Scendi e Vivi»-<br />

Zonen (steig aus und lebe) eingerichtet.<br />

Diese Zonen in der Nähe von Schulen sind<br />

mit Kinderzeichnungen signalisiert und<br />

stehen den Eltern zur Verfügung, die ihre<br />

Kinder mit dem Auto in die Schule bringen.<br />

Kinder, die in dieser Zone aussteigen, können<br />

die Schule gefahrlos erreichen und die<br />

Autofahrenden verursachen vor dem Schulhaus<br />

keinen Verkehr. Der Verkehrsplan<br />

sieht auch befahrbare Trottoirs vor, auf denen<br />

die Fussgänger jedoch den Vortritt haben.<br />

Zudem sind noch viele weitere Verbesserungen<br />

im Gang.<br />

Welches ist Ihre schönste Erinnerung?<br />

Nebst den vielen Erfahrungen und den<br />

Freundschaften, die ich als bfu-Sicherheitsdelegierter<br />

machen durfte, bleibt mir der<br />

Verkehrsplan für die Schulwege als schönste<br />

Arbeit in Erinnerung. Ich hoffe, dass mein<br />

Nachfolger ihn mit Leidenschaft weiterführen<br />

wird. Denn dieser Plan muss aktiv am<br />

Leben erhalten und ständig geändert und<br />

aktualisiert werden.<br />

ALESSANDRO PESCE


Marcel Giller<br />

Leiter Sicherheitsdienst<br />

Coop Suisse Romande<br />

«2009 organisierte die bfu für die Betriebe<br />

einen Wettbewerb, um die Sicherheit<br />

im Schneesport zu fördern. Ich erinnere<br />

mich bestens daran, denn ich habe<br />

gewonnen! In unserem Unternehmen ist<br />

der Mehrwert, den uns die Präventionsaktivitäten<br />

mit der bfu bringen, offensichtlich:<br />

eine tiefe Absenzenquote und<br />

motivierte Mitarbeitende.»<br />

Armin Näf<br />

Chef Verkehrsinstruktion bei der<br />

Kantonspolizei St.Gallen<br />

«Die Polizei kann immer wieder auf die<br />

wertvolle Unterstützung der bfu zurückgreifen.<br />

Sei dies in den verschiedenen<br />

Arbeitsgruppen, bei der Auslegung und<br />

Instruktion von Verkehrsrechtsfragen oder<br />

durch ihre Informations­ und Lehrmittel.<br />

Besonders in meiner Tätigkeit als Instruktor<br />

hat mir die bfu Sicherheit und Optimierung<br />

gebracht. Für mich sind die Verkehrs­<br />

instruktoren­Tagungen und die Veran­<br />

staltungen mit den Sicherheitsdelegierten<br />

sehr wertvoll.»<br />

EIN TAG IM LEBEN<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 39


Ganz schön sicher<br />

ÄSTHETIK Sie sind kleine und grosse Helfer und machen das Leben leichter. Immer wieder bringen<br />

Anbieter clevere Produkte auf den Markt, die die Sicherheit erhöhen. Und das Beste daran:<br />

Die Produkte sehen auch noch sehr gut aus. Entdecken Sie einige Helden des Alltags – ausgezeichnet<br />

mit dem bfu­Sicherheitszeichen.<br />

Yaktrax Walker<br />

Gibt mehr Halt im Leben<br />

Wenn der Yeti Sie einmal verfolgt, haben Sie die besseren<br />

Krallen. Mit dem Gleitschutz für fast alle Schuhe<br />

finden Sie sicheren Halt auf Schnee und Eis. Für Schuhgrössen<br />

32 bis 48.<br />

Erhältlich im Handel<br />

40 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

KED-Velohelme<br />

Weil auch schöne kluge Köpfe sich schützen<br />

Velohelme von KED überzeugen nicht nur durch ihr<br />

schnittiges Design, sondern auch durch die zusätzliche<br />

Sicherheit dank integrierter Leuchten. Damit Sie in<br />

der Nacht besser gesehen werden.<br />

www.ked­helmsysteme.ch<br />

Reusch Booter<br />

Allerhand Schutz<br />

Der Snowboardhandschuh sorgt zwar nicht für weniger Stürze,<br />

er schützt beim Sturz jedoch zuverlässig Ihr Handgelenk. <strong>Das</strong><br />

Stabilisierungselement verhindert die Überstreckung des Gelenks,<br />

ein Dämpfungselement reduziert die Stosskräfte.<br />

www.dfshop.com


Sicherheitsfolie für Verglasungen<br />

Keine Scherben – <strong>zum</strong> Glück<br />

Klein Kevin hätte sich das mit dem Ball ins Tor auch<br />

anders vorgestellt. Zum Glück war das Glas in Nachbars<br />

Fenster mit einer Folie geschützt. Diese verhindert das<br />

Zersplittern und Auseinanderbrechen und somit Ver­<br />

letzungen durch Scherben.<br />

Verschiedene Anbieter im Glasfachhandel<br />

Towispick ® -2500<br />

Bessere Rundumsicht<br />

Für Lastwagenfahrer und ­fahrerinnen gibt es bessere Aussichten:<br />

Dank des Zusatzspiegels <strong>zum</strong> Nachrüsten kann der bisher nicht<br />

überblickbare Frontbereich des Lastwagens – der sogenannte tote<br />

Winkel – eingesehen werden.<br />

www.blaserwbc.ch<br />

PRODUKTE<br />

Schmidlin Antigliss<br />

Für standfeste Füsse<br />

Feiner Quarzsand sorgt dafür, dass Sie in Bade­ und<br />

Duschwannen nicht ausrutschen. Er wird in die emaillierte<br />

Oberfläche eingebrannt und macht Wannen­<br />

flächen dauerhaft rutschfest.<br />

www.schmidlin.ch<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 41


Regenjacken Rukka<br />

Helle Köpfe sieht man<br />

auch im Dunkeln<br />

Rukka­Jacken schützen vor<br />

Regen und vor Unfällen:<br />

Sie sind rundum mit lichtreflektierendem<br />

Material<br />

ausgestattet. Dadurch<br />

fallen Sie in der Nacht<br />

besonders hell auf.<br />

www.rukka.ch<br />

Handlauf Metalight<br />

Folgen Sie dem Licht<br />

Wie wird ein Handlauf zu einem leuchtenden Richtungsweiser? Durch<br />

integrierte LED­Module in den Farben Kalt­ und Warmweiss. Für innen<br />

und aussen bei Treppen, Rampen und Stegen.<br />

www.metamont.ch<br />

42 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Funke-Schulsäcke<br />

Die Sicherheit im Gepäck<br />

Da macht der Schulweg gleich noch mehr<br />

Freude. Nicht nur das Design, sondern auch<br />

die Rundum­Sichtbarkeit einzelner Modelle<br />

machen die Schulsäcke bei den Kleinen zu<br />

beliebten Begleitern.<br />

www.funke.ch


Teleskop-Langstock<br />

Auffallend praktisch<br />

Der Stock für Sehbehinderte ist zusammenfaltbar und passt<br />

damit in eine Tasche. Er besteht aus 4 oder 5 zusammensteck­<br />

baren Teilen. <strong>Das</strong> lichtreflektierende Material gewährleistet<br />

Sichtbarkeit bei Nacht.<br />

www.szb.ch<br />

Novaroc-Pflastersteine<br />

Ein Meilenstein für die Sicherheit<br />

Farbe für Schweizer Strassen! Die Strassenpflaster­Formsteine<br />

eignen sich für Markierungen und Verkehrssignalisationen auf<br />

gepflästerten Strassen. In 7 Farben.<br />

www.carloag.ch<br />

PRODUKTE<br />

Anzündhilfen<br />

Feuer und Flamme für sicheres Anzünden<br />

Warum sich auch die Finger verbrennen? Die sichere Lösung<br />

für Anfeurer: praktische Anzündhilfen. Sie sind aus<br />

Holz, Holzwolle oder Paraffin und entfachen im Nu Feuer.<br />

Erhältlich im Handel<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 43


Airbags<br />

VIELSEITIGER AIRBAG Der Airbag – von NASA­Ingenieuren<br />

für die bemannte Raumfahrt erfunden – taucht ab 1970 erstmals<br />

in Autos auf. Heute hat er sich in der Automobilbranche<br />

durchgesetzt, doch er eignet sich auch für zahlreiche andere<br />

Anwendungen, <strong>zum</strong> Beispiel <strong>zum</strong> Schutz vor Lawinen.<br />

Es war einmal ein Jäger, der hatte in den Bergen eine Gämse erlegt und trug<br />

sie nun auf seinen Schultern nach Hause. Auf dem Heimweg wurde er<br />

plötzlich von einer Lawine erfasst. Voller Panik klammerte er sich an seiner<br />

Beute fest und war daran, mit seinem Leben abzuschliessen. Doch zu seiner Verblüffung<br />

wurde er nicht unter den Schneemassen begraben, sondern kam auf der<br />

Schneeoberfläche zu liegen. Wie war das nur möglich? Hatte er tatsächlich so ein<br />

Riesenglück gehabt? Oder hatte er einen besonderen Schutzengel?<br />

44 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


AIRBAGS<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 45


Gerät man in eine Lawine, zieht man an einem Griff<br />

und innerhalb weniger Sekunden entfaltet sich der Airbag.<br />

Den hatte er – es war die Gämse auf seinen<br />

Schultern. Hätte er sich nicht daran fest-<br />

gehalten, wäre er höchstwahrscheinlich<br />

nicht so glimpflich davongekommen. Der<br />

Trick dabei war, dass der Jäger durch das<br />

mitgeführte Tier einen viel grösseren Gesamtkörper<br />

bildete als ohne. Aufgrund<br />

eines physikalischen Prinzips steigen nämlich<br />

grössere Teile einer Masse, die sich in<br />

Bewegung befindet, innerhalb einer gewissen<br />

Zeit nach oben. Wir kennen das Phänomen<br />

aus dem Alltag: Schüttelt man <strong>zum</strong><br />

Beispiel eine Müesli-Packung lange genug,<br />

liegen die grossen Stücke oben, zuunterst<br />

sind dann nur noch Krümel. Diesen Sortierungseffekt<br />

nennt man «inverse Segregation».<br />

Weniger Glück als der Jäger haben in<br />

der Schweiz jährlich 20 Schneesportlerinnen<br />

und -sportler, die beim Variantenfahren,<br />

auf Skitouren oder beim Schneeschuh-<br />

laufen durch Lawinen zu Tode kommen.<br />

Nun kann man aus praktischen, aber vor<br />

allem aus ethischen Gründen nicht jedem<br />

Varianten- oder Tourenskifahrer eine tote<br />

Gämse auf die Schultern legen. Nichts-<br />

46 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

destotrotz ist es aber möglich, das Prinzip<br />

der inversen Segregation zu nutzen: mithilfe<br />

des sogenannten Lawinen-Airbags. Es<br />

handelt sich dabei um eine Vorrichtung, die<br />

in einem Rucksack untergebracht ist. Gerät<br />

man in eine Lawine, zieht man an einem<br />

Griff und innerhalb weniger Sekunden<br />

entfaltet sich der Airbag. Auf diese Weise<br />

wird dank des erwähnten Phänomens die<br />

in Bedrängnis geratene Person in Richtung<br />

Oberfläche befördert.<br />

Die Firma Snowpulse – sie gehört seit<br />

Herbst 2011 der Mammut Sports Group –<br />

ist eine der weltweit führenden Anbieterinnen<br />

solcher Airbags. Pierre-Yves Guernier,<br />

der die Firma 2005 gemeinsam mit Yan<br />

Bechtel gründete, führt durch die Produktionshalle<br />

in Martigny. Überall sind die roten<br />

Ballone der Airbags zu sehen, mal schlaff,<br />

mal aufgebläht. «Jeder einzelne Rucksack<br />

durchläuft hier eine Kontrolle, die mindestens<br />

eine halbe Stunde beansprucht», erklärt<br />

Guernier. Qualität wird hochgehalten,<br />

denn: «Wenn Sie in eine Lawine geraten,<br />

sind Sie darauf angewiesen, dass das ganze<br />

System einwandfrei funktioniert.»<br />

Daneben sollten die Systeme auch so beschaffen<br />

sein, dass sie problemlos mitgeführt<br />

werden können. «Was unser System<br />

auszeichnet: Es ist sehr kompakt und sehr<br />

leicht», so Guernier weiter. Tatsächlich beansprucht<br />

die Vorrichtung nur wenig Platz<br />

im Rucksack. Diese Eigenschaft ist gemäss<br />

Guernier entscheidend: «Während die Lawinen-Airbags<br />

bei Freeridern inzwischen<br />

schon fast zur Standardausrüstung gehören,<br />

tun sich Skitourenläufer noch immer<br />

schwer damit, weil sie keine zusätzliche Last<br />

in ihrem Rucksack mitführen wollen.» Dabei,<br />

so Guernier, hat sich das Gewicht der<br />

Airbag-Vorrichtung seit ihrer Erfindung<br />

um 40 % reduziert. Snowpulse ist es ein Anliegen,<br />

dass die Tourenskifahrer ihre Skepsis<br />

gegenüber dem «Lawinenrucksack» ablegen.<br />

Daher bieten sie seit September 2012<br />

auch ultraleichte Rucksäcke speziell für<br />

diese Zielgruppe an. Bei einem Fassungsvermögen<br />

von 30 Litern wiegen diese gerade<br />

noch 2,3 kg. <strong>Das</strong> sind etwa 1,1 kg mehr<br />

als ein traditioneller Rucksack. «Auf dieses<br />

zusätzliche Gewicht kommt man auch,<br />

wenn man noch eine Jacke oder einen Pul-


lover mitführt oder sonstige Dinge», betont<br />

Guernier.<br />

Der Airbag ist so konzipiert, dass er<br />

leichte Kopftraumen verhindern kann.<br />

Aber Vorsicht: Diese Schutzwirkung ist begrenzt,<br />

ein Ersatz für den Schneesporthelm<br />

ist der Lawinenrucksack auf keinen Fall.<br />

Ganz allgemein ist zu bemerken, dass das<br />

Mitführen eines Lawinenrucksacks beim<br />

Freeriden, Skitourenfahren und Schneeschuhlaufen<br />

aus Sicht der Unfallverhütung<br />

empfehlenswert ist. Die Wahl von lawinensicheren<br />

Routen steht aber an erster Stelle,<br />

wenn es darum geht, dass Lawinenrisiko<br />

zu reduzieren. Ohne Kentnisse in Lawinenkunde<br />

und grosse Erfahrung setzt man<br />

Abseits von gesicherten Pisten und Routen<br />

seine Gesundheit aufs Spiel.<br />

Der Lawinenrucksack zeigt exemplarisch<br />

die Bedeutung der Airbag-Technologie zur<br />

Vermeidung von schweren Verletzungen.<br />

Die Entwicklungsarbeit ist in vollem Gang.<br />

So <strong>zum</strong> Beispiel im Strassenverkehr: Es gibt<br />

schon erste Automodelle mit einem sogenannten<br />

Fussgänger-Airbag, der unter der<br />

Motorhaube angebracht ist. Bei einer Kol-<br />

lision mit einem Passanten entfaltet er sich<br />

und schützt vor allem Kopf und Körper<br />

der angefahrenen Person, aber auch Windschutzscheibe<br />

und A-Säulen des Fahrzeugs.<br />

Airbag-Westen für Motorradfahrer sind<br />

schon seit längerem auf dem Markt.<br />

Auch im Wassersport wird die Airbag-<br />

Technologie genutzt: Wer längere Zeit alleine<br />

schwimmt, läuft Gefahr, selbst bei<br />

kleineren Schwächeanfällen zu ertrinken.<br />

Nun haben die Schwimmer die Möglichkeit,<br />

sich einen einfachen Gürtel umzuschnallen,<br />

der im Notfall rasch aufgebläht<br />

werden kann und den Körper am Untergehen<br />

hindert. Es wird auch an einer Weiterentwicklung<br />

gearbeitet, bei der die Auftriebshilfe<br />

vollautomatisch gesteuert wird.<br />

Ist der Körper eine gewisse Zeit regungslos<br />

in einer bestimmten Wassertiefe, aktiviert<br />

sich der Airbag.<br />

Bereits bekannt sind Airbag-Westen beim<br />

Reiten. Zurzeit werden auch Airbags für Skifahrer<br />

getestet, die bei einem Sturz den gesamten<br />

Oberkörper schützen sollen. Diese<br />

Technologie soll bis zu den Olympischen<br />

Winterspielen 2014 in Sotschi ausgereift sein.<br />

Eine japanische Firma hat inzwischen sogar<br />

einen tragbaren Rücken-Airbag entwickelt,<br />

der ältere Menschen vor schweren Sturzverletzungen<br />

schützen soll. Fällt der Träger<br />

hin, blasen sich die Luftkissen auf und bedecken<br />

Hinterkopf und Hüfte – allerdings<br />

nur bei Stürzen auf den Rücken. Ebenfalls<br />

ein Airbag soll schliesslich die Kopfpartie<br />

von Velofahrern schützen. Getragen wird er<br />

wie ein Kragen oder Schal; bei einem Sturz<br />

bläht er sich blitzschnell auf und bildet eine<br />

Art Luftkissen-Helm. Fraglich bleibt allerdings,<br />

ob diese Vorrichtung tatsächlich den<br />

biomechanischen Anforderungen an einen<br />

solchen Schutzartikel zu genügen vermag.<br />

Vorerst wird er den klassischen Velohelm<br />

jedenfalls nicht ersetzen können.<br />

Die nächsten Jahre werden uns noch<br />

viele Tüfteleien, aber auch wirksame Lösungen<br />

bescheren, die der ohnehin lebensnotwendigen<br />

Luft eine zusätzliche Bedeutung<br />

verleihen, wenn es darum geht, uns<br />

vor Verletzungen zu schützen.<br />

DANIEL MENNA<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 47


Vision<br />

Prä<br />

IN 25 JAHREN WIRD DIE BFU 100 JAHRE ALT<br />

Drei Persönlichkeiten schildern uns ihre Zukunftsvisionen.<br />

Begleiten wir sie auf eine Reise bis ins Jahr 2038 …<br />

48 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


vention<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 49


<strong>Das</strong> Haus der Zukunft<br />

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Die Entwicklungen in der Technologie zeigen, dass immer wieder<br />

Schwellen überschritten werden und dabei zuvor Undenkbares möglich wird. Eine weitere Schwelle liegt<br />

vor uns: Noch in diesem Jahrzehnt werden die meisten technischen Geräte mit so viel Rechnerleistung<br />

und Vernetzung ausgestatt sein, dass sie «mitdenken» können.<br />

<strong>Das</strong> «Internet der Dinge» vernetzt<br />

zunehmend Geräte und Systeme<br />

und macht sie damit ein grosses<br />

Stück einfacher und sicherer in der Bedienung<br />

– mit weniger Knöpfen, intuitiv erfassbar<br />

und oft mit simpler (und tatsächlich<br />

funktionierender) Sprach- oder Gestensteuerung.<br />

Der Einsatz von häuslicher Intelligenz<br />

vermindert so u. a. auch den Druck auf<br />

eine alternde Gesellschaft, für die das Hantieren<br />

mit Haushaltsgeräten, Werkzeugen<br />

und Unterhaltungselektronik oft mit Stress<br />

50 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

verbunden ist, und bildet damit einen aktiven<br />

Beitrag zur Unfallprävention im Haus.<br />

Es geht aber noch weiter: Auch unsere Wohnungen<br />

und Häuser werden «schlau», und<br />

zwar in einem Ausmass und in einer Geschwindigkeit,<br />

über die wir staunen werden.<br />

Defekte Haushaltsgeräte melden eine<br />

Störung selbstständig ihrem Besitzer oder<br />

gleich dem Kundendienst. Der Energieverbrauch<br />

sinkt, da sich die Räume und das<br />

Haus automatisch den Bedürfnissen und<br />

Lebensgewohnheiten der Bewohnenden an-<br />

passen und Licht, Heizung und Geräte automatisch<br />

ein- und ausschalten. Viele Geräte<br />

werden wir mit der Stimme oder mit<br />

Gesten steuern. Und wenn wir unterwegs<br />

sind und uns plötzlich fragen, ob der Herd<br />

zuhause wohl ausgeschaltet ist: Ein Blick<br />

auf das Smartphone genügt und wir haben<br />

Klarheit. Zur Not kann auch von unterwegs<br />

eingegriffen werden.<br />

Wir erreichen neue Dimensionen. So wird<br />

die künstliche Intelligenz ungefähr ab dem<br />

Jahr 2017 auch den Einsatz von Haushalts-


obotern ermöglichen. <strong>Das</strong> sind Haushaltsmaschinen<br />

wie alle anderen auch, mit dem<br />

kleinen Unterschied, dass sie gehen können,<br />

Treppen steigen, Fenster putzen, aufräumen<br />

und 200 andere Tätigkeiten rund ums Haus<br />

beherrschen. Diese Geräte werden ab dem<br />

ersten Tag lernen, was in einem bestimmten<br />

Haus gilt. Sollte der Roboter tatsächlich<br />

auf die Idee kommen, einmal morgens um<br />

3 Uhr staubzusaugen, dann genügt ein bö-<br />

ser Blick und ein «mach das nie wieder in<br />

der Nacht» – und er lässt es bleiben.<br />

Bei diesen Aussichten, was uns die Technik<br />

an künstlicher Intelligenz in den nächsten<br />

Jahren bescheren wird, fragen sich jetzt sicher<br />

viele: Wo bleibt der Mensch bei all diesen<br />

Entwicklungen? Werden wir Untertan<br />

der Technik? Werden wir irgendwann die<br />

einfachsten Dinge ohne sie nicht mehr machen<br />

können?<br />

Nun, das liegt letztlich an uns selbst. Denn<br />

Technologie wird erfunden, um dem Menschen<br />

ein sicheres, angenehmeres und wert-<br />

VISION PRÄVENTION<br />

volleres Leben zu ermöglichen. Und um<br />

sich vielleicht auf die Dinge konzentrieren<br />

zu können, denen er einen hohen Wert <strong>zum</strong>isst:<br />

<strong>Das</strong> kann ein freier Tag draussen in<br />

der Natur sein, ein unbeschwertes Treffen<br />

mit Freunden oder das sichere Leben in den<br />

eigenen vier Wänden auch im hohen Alter.<br />

Insofern hat die Technologie der Zukunft<br />

durchaus zwei Gesichter: ein freundliches<br />

und ein bedrohliches. Wir werden als Menschen<br />

darüber entscheiden, welches wir<br />

wollen – und ich bin mir ziemlich sicher,<br />

dass wir das freundliche wählen.<br />

LARS THOMSEN<br />

Der Gründer und Chief Futurist von<br />

future matters, Innovation und<br />

Zukunftsforschung (Zürich), gilt als<br />

einer der einflussreichsten Trend­<br />

und Zukunftsforscher im deutschsprachigen<br />

Raum.<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 51


2038: Ein Jahr, das<br />

die Mobilität verändert<br />

NULLVISION «<strong>Das</strong> Ende eines historischen Traumas – keine Toten mehr auf den Schweizer<br />

Strassen», so lautet am 6. Februar 2039 die Schlagzeile der Neuen Schweizer Presseagentur anlässlich<br />

der Veröffentlichung der Unfallzahlen durch die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung.<br />

D<br />

ie ehemalige bfu-Direktorin und<br />

Ehrenpräsidentin des Stiftungsrats,<br />

Dr. Brigitte Buhmann, bilanziert<br />

dieses eindrucksvolle Resultat von<br />

100 Jahren kontinuierlicher Verkehrssicherheitsarbeit<br />

in der Schweiz wie folgt: «Die<br />

Nullvision ist heute Wirklichkeit geworden!<br />

Aus der ursprünglichen ‘Vision Zero’ und<br />

ihren zahllosen Derivaten auf der ganzen<br />

Welt ist erstmalig ein nationales Strassenverkehrssystem<br />

geboren, das keiner Familie<br />

mehr die Angehörigen nimmt. Die Schweiz<br />

kann stolz darauf sein, den Menschen, die<br />

52 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

sich hier bewegen, eine Mobilität zu bieten,<br />

die nahezu frei von Gefahren für Leib und<br />

Leben ist – und das als allererstes Land dieser<br />

Welt!»<br />

Der Erfolg der Eidgenossen im «Zero<br />

Death Race», der 2021 von der UNO in Genf<br />

gestarteten globalen Kampagne, kommt<br />

nicht von ungefähr. Wie kein anderes Land<br />

schaffte es die Schweiz unter der Federführung<br />

der bfu als nationale «Lead Agency»,<br />

alle zentralen Verkehrsakteure für dieses<br />

Rennen zu mobilisieren. Nur so konnten<br />

die intelligenten und zunehmend elektrisch<br />

betriebenen Fahrzeuge mit ihren aktiven<br />

und passiven Sicherheitssystemen mit den<br />

neuen analogen und digitalen Verkehrs-<br />

infrastrukturen zu einem grosstechnischen<br />

Sicherheitssystem zusammenwachsen. Dieses<br />

bewahrt die Menschen vor den Konsequenzen<br />

ihrer eigenen Fehler und denen<br />

anderer. «Swiss Safety System» ist so zu einem<br />

globalen Brand geworden, der die Verkehrssicherheitsarbeit<br />

und -politik rund<br />

um den Globus revolutioniert – ohne dabei<br />

den Menschen zu entmündigen oder ihn<br />

in seiner Mobilität einzuschränken. Es gilt


als Sinnbild für den eidgenössischen Ansatz<br />

in der Verkehrssicherheitsarbeit: die unbedingte<br />

Rücksichtnahme auf die schwächsten<br />

Verkehrsteilnehmenden. Jede Schweizerin<br />

und jeder Schweizer kennt heute das<br />

«Vulnerabilitätsprinzip», als Pendant <strong>zum</strong><br />

sogenannten «Verursacherprinzip» in der<br />

Umweltpolitik. Über Jahre hinweg bestimmte<br />

der Imperativ «bewege dich so,<br />

dass deine individuelle Mobilität jederzeit<br />

als Grundlage für ein allgemeingül -<br />

tiges, rücksichtsvolles Mobilitätsverhalten<br />

gelten könnte» nahezu jeden Teilaspekt der<br />

Verkehrssicherheit – von der Verkehrspolitik<br />

in den Parlamenten bis hin zur Mobilitätsausbildung<br />

in den Schulen und Betrieben.<br />

<strong>Das</strong> Ergebnis ist heute eine Kultur der<br />

Sicherheit auf den Schweizer Strassen, die<br />

weltweit ihresgleichen sucht. War gegen<br />

Ende des letzten Jahrtausends noch die<br />

Meinung vorherrschend, dass sich Sicherheit<br />

und Mobilität widersprechen, so wird<br />

heute die Sicherheit als Qualität der Mobilität<br />

verstanden – eine unsichere Mobilität<br />

ist keine Mobilität. Unfälle können nach<br />

wie vor passieren, aber sie enden eben nicht<br />

mehr tödlich oder zerstören das Leben von<br />

Beteiligten und Angehörigen.<br />

Am Erfolg der Schweiz wird aber auch<br />

deutlich, wie weit die Strassenverkehrs-<br />

sicherheit im globalen Massstab ausein-<br />

anderklafft. Während in den Industrie-<br />

nationen die vorbehaltlose Umsetzung der<br />

Erkenntnisse aus der Unfallforschung, die<br />

eindeutigen Bekenntnisse der politischen<br />

Entscheidungsträger sowie ein expandierender<br />

Markt an Verkehrssicherheitsprodukten<br />

und -diensten die Anzahl der schweren und<br />

tödlichen Verletzungen immer weiter reduzierte,<br />

fielen mit der Motorisierung in vielen<br />

Schwellen- und Entwicklungsländern immer<br />

mehr Menschen dem wachsenden Verkehr<br />

<strong>zum</strong> Opfer. Noch immer sterben daher<br />

pro Jahr etwa 1 Million Menschen auf den<br />

Strassen unseres Planeten.<br />

Der erste Platz der Schweiz im globalen<br />

Wettrennen ist somit keineswegs ein Grund<br />

für die bfu, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen.<br />

Mit der Poleposition kommt auch<br />

die globale Verantwortung, das Erfolgsrezept<br />

des «Swiss Safety System» dorthin zu<br />

bringen, wo es gebraucht wird. Dr. Brigitte<br />

Buhmann jedenfalls zieht es hinaus in die<br />

Welt; sie freut sich auf die neuen Herausforderungen<br />

und orientiert sich dabei an den<br />

Zweitplatzierten im «Zero Death Race» –<br />

den Schweden: «Auch wenn die Schweden<br />

zuhause die Null noch nicht ganz geschafft<br />

haben, sind sie für uns ein grosses Vorbild.<br />

Durch ihr globales Engagement in den letzten<br />

Jahren haben sie vielleicht mehr Menschen<br />

in China, Vietnam oder Thailand<br />

vor dem Unfalltod gerettet, als jemals auf<br />

den Strassen Schwedens starben. Wir wagen<br />

nun den Schulterschluss mit unserem<br />

grössten ‘Konkurrenten’ und versuchen, in<br />

Asien, Afrika und Südamerika das zu erreichen,<br />

was uns zwischen Genf und Romanshorn<br />

bereits gelungen ist – das Trauma vom<br />

Verkehrstod endgültig und weltweit zu begraben.»<br />

JÖRG BECKMANN<br />

ist Direktor der Mobilitäts­Akademie<br />

des TCS, einem Kompetenzzentrum<br />

für Mobilität. Ausgebildet ist er in<br />

Raumplanung und Verkehrs­<br />

soziologie.<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 53


Risiken lassen<br />

uns lebendig fühlen<br />

MUTPROBEN Der moderne Mensch sucht Hindernisse und will Prüfungen bestehen.<br />

Seine Risikobereitschaft wird immer grösser, denn er will seine Existenz körperlich spüren.<br />

Lust, gegen Regeln zu verstossen, und Ignoranz von Vorschriften werfen die Frage nach<br />

der Selbstverantwortung und Haftung auf.<br />

In unserem Alltagsleben, in Wissenschaft<br />

und Technologie, Wirtschaft und Politik<br />

empfinden wir das Risiko eher als Gefahr.<br />

Wird ein Risiko jedoch freiwillig eingegangen,<br />

so sehen wir es als Chance für<br />

unsere persönliche Entfaltung, als Gelegenheit,<br />

uns in einer aussergewöhnlichen Situation<br />

zu messen, als Mittel, unsere Existenz<br />

neu zu definieren und unsere Selbstkompetenz<br />

unter Beweis zu stellen oder von anderen<br />

anerkannt zu werden. <strong>Das</strong> absichtlich<br />

eingegangene Risiko ist eine Charakterschule.<br />

Es birgt ein intensives Erleben des<br />

eigenen <strong>Das</strong>eins in sich, eine freudige Erwartung.<br />

Es ist ein geeignetes Mittel, um<br />

scheinbar Unveränderliches umzustossen,<br />

Etabliertes in Frage zu stellen und neue<br />

Wege zu eröffnen.<br />

Diese anthropologisch begründete Risikobereitschaft<br />

wird in einer Gesellschaft,<br />

in der der Mensch immer stärker auf sich<br />

selbst als Sinn- und Wertequelle für seine<br />

54 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Existenz gestellt ist, weiter zunehmen. Projiziert<br />

man die heutige gesellschaftliche und<br />

kulturelle Situation ins Jahr 2038, zeigt sich<br />

meiner Meinung nach eine riesige Zunahme<br />

dieses Spiels mit dem Risiko. Einerseits auf<br />

positive Weise als körperliche oder sportliche<br />

Betätigung, andererseits entgegen der<br />

menschlichen Vernunft auf eine Art, wie sie<br />

heute von einem Teil der Jugendlichen gelebt<br />

wird und die gemeinhin als Risikoverhalten<br />

bezeichnet wird.<br />

Die Vervielfachung der physischen und<br />

sportlichen Risikoaktivitäten geht einher<br />

mit einer Gesellschaft, in der es immer<br />

mehr Menschen nicht mehr ausreicht, bloss<br />

zu leben. Man muss spüren, dass man lebt,<br />

und sich beweisen, um diesem Leben einen<br />

Wert zu geben. Solche Aktivitäten, die<br />

in den Achtzigerjahren in Mode gekommen<br />

sind, finden äusserst viele Anhänger:<br />

Langstreckenschwimmen, Autorennen,<br />

Orientierungslauf, Marathon, Ultralang-<br />

streckenläufe, Abenteuersport und andere<br />

Herausforderungen jeder Art.<br />

Der moderne Mensch sucht bewusst<br />

Hindernisse. Indem er sich Prüfungen auferlegt,<br />

gibt er sich die Gelegenheit, Orientierung<br />

zu finden, die er zur Identitätsbildung<br />

benötigt. In seiner physischen Auseinandersetzung<br />

mit der Welt sucht er seine<br />

Identitätsmerkmale und bemüht sich, eine<br />

Existenz festzuhalten, die ihm entgleitet.<br />

Physische Grenzen übernehmen den Platz<br />

von Sinngrenzen, die nicht mehr gegeben<br />

sind. Indem er sich dem Schlimmsten aussetzt,<br />

möchte er das Beste erreichen, seine<br />

Angst und seine Erschöpfung in Charakterstärke<br />

umwandeln. In unseren Gesellschaften,<br />

in denen Orientierung immer schwieriger<br />

wird, bietet der Körper eine Möglichkeit<br />

zu erfahren, wer man ist und was man von<br />

der Welt erwarten kann. Im Schmerz, im<br />

Leid und in der Erschöpfung spürt das Individuum<br />

seine Existenz mit unglaublicher


Intensität. <strong>Das</strong> Spiel mit dem Risiko steigert<br />

die Empfindungen und das Gefühl, seinem<br />

alten Ich zu entgehen und sich einen neuen<br />

Platz in der Welt schaffen zu können.<br />

Schwierig einzuschätzen ist die Entwicklung<br />

der Technologien und deren rasche<br />

Demokratisierung. Die Ausrüstung,<br />

mit der das Meer, die Berge, die Erde, der<br />

Schnee oder sogar die Lüfte im Spiel erobert<br />

werden können, verbessert sich ständig. Die<br />

Lust auf grosse Taten, auf Geschwindigkeit,<br />

auf das Experimentieren sowie der Wille,<br />

mit neuen Mitteln neue Wege zu beschreiten,<br />

dürften in den kommenden Jahrzehnten<br />

zunehmen.<br />

Der Wille, bestimmte Orte oder Aktivitäten<br />

sicher zu machen, wird wohl auf immer<br />

mehr Gleichgültigkeit von Seiten bestimmter<br />

Benutzer stossen, die für sich die<br />

absolute Freiheit in Anspruch nehmen, nach<br />

ihren Vorstellungen zu handeln und ihre<br />

Bedürfnisse zu erfüllen. Hinzu kommt eine<br />

ständig wachsende Unkenntnis der Gesetze<br />

und Empfehlungen. Die Lust, gegen Regeln<br />

zu verstossen, und die Ignoranz von Sicherheitsvorschriften<br />

verbinden sich, <strong>zum</strong>al gefährliche<br />

Aktivitäten auf dem Meer oder im<br />

Hochgebirge nichts Besonderes mehr sind.<br />

<strong>Das</strong> Individuum ist in Bezug auf seine Existenz<br />

und auf die Durchsetzung seines Willens<br />

souverän, gemäss ihm darf sich der<br />

Staat in diese Dinge nicht einmischen.<br />

Ob in freier Natur oder in der Stadt – die<br />

Mutproben, denen sich das Individuum allein<br />

oder in der Gruppe unterzieht, werden<br />

sich vermutlich vervielfachen. Diese sprechen<br />

zuerst die junge Generation an, werden<br />

aber bald auch andere Altersgruppen erreichen.<br />

In diesem Kontext ist zu erwarten,<br />

dass Versicherungen immer vorsichtiger<br />

werden und sich weigern, nach einem Unfall<br />

bei einer solchen Selbstprüfung zu bezahlen.<br />

Diese Frage wird schon seit einigen<br />

Jahren debattiert. Es wird heftig über die<br />

Kosten von Rettungsunternehmen diskutiert<br />

und über die Risiken, die Retter eingehen<br />

müssen, um Extremsportler zu bergen,<br />

die sich oft freiwillig und unter Missachtung<br />

der elementarsten Sicherheitsvorkehrungen<br />

in Gefahr begeben haben. Die<br />

Retter sind nicht selten entsetzt über diese<br />

gleichgültige Haltung, die auch ihr eigenes<br />

Leben in Gefahr bringt. Die allgemeine<br />

Meinung geht in die Richtung, dass wer mit<br />

seinen gefährlichen Abenteuern sein Ansehen<br />

verbessern will, konsequenterweise<br />

selbst die Verantwortung tragen und somit<br />

für die Kosten seiner Rettung haften muss.<br />

Vermehren sich solche oft allein durchgeführten<br />

Mutproben, werden der öffentliche<br />

und private Sektor im Fall einer Rettungsaktion<br />

oder einer Hospitalisierung ein Auge<br />

auf die genauen Umstände werfen.<br />

DAVID LE BRETON<br />

ist Professor für Soziologie an der<br />

Universität Strassburg und Mitglied<br />

des Institut Universitaire de France.<br />

Autor der Bücher «Conduites à<br />

risque» und «La sociologie du<br />

risque».<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 55


Voraussicht auf die<br />

nächsten 25 Jahre<br />

ZUKUNFT BFU Stefan Siegrist, stellvertretender Direktor der bfu, kommentiert die drei von Thomsen,<br />

Beckmann und Le Breton skizzierten Visionen des Unfallgeschehens im Jahr 2038.<br />

Im Jahr 2009 haben Lokführerinnen und<br />

Lokführer in der Schweiz 123 Mal ein<br />

Rotlicht überfahren und dadurch sich<br />

und die Passagiere gefährdet. Im Gegensatz<br />

zu ihnen gehen Sportler, Verkehrsteilnehmer<br />

und Heimwerker – teils ganz gewollt –<br />

deutlich mehr Risiken ein, die sie nicht selten<br />

überfordern.<br />

Daran wird sich in den nächsten 25 Jahren<br />

grundsätzlich nichts ändern. Die Grenzen<br />

menschlicher Beurteilungs- und Leistungsfähigkeit<br />

sind konstant und damit<br />

eine Hauptursache von Unfällen. Zudem<br />

werden der Anteil alter und gebrechlicher<br />

Menschen sowie die Nutzung von Sport-<br />

und anderen Freizeitanlagen zunehmen.<br />

Die Heterogenität der Aktivitäten, Bewegungsformen<br />

und Transportmittel wird<br />

56 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

ansteigen. <strong>Das</strong> Zusammenleben wird herausfordernder.<br />

Folglich wird auch die Herausforderung<br />

wachsen, Unfälle zu verhindern.<br />

Wie kommen Beckmann und<br />

Thomsen also darauf, ein so rosiges Bild zu<br />

zeichnen?<br />

Welche Fortschritte wir im Jahr 2038<br />

genau gemacht haben werden, wissen wir<br />

noch nicht. Ich teile indessen die Ansicht<br />

der beiden Autoren, dass dank technischer<br />

Innovationen und dem Streben nach mehr<br />

Lebensqualität bedeutend weniger Menschen<br />

schwere oder tödliche Verletzungen<br />

erleiden werden.<br />

Ein Blick zurück zeigt, wie diese Entwicklung<br />

beschleunigt werden kann: Prävention<br />

ist dann erfolgreich, wenn sie sich<br />

aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ab-<br />

leitet, interdisziplinär betrieben und konsequent<br />

auf die Vermeidung oder <strong>zum</strong>indest<br />

Verminderung von schweren Verletzungen<br />

gerichtet ist.<br />

<strong>Das</strong> zukunftsträchtige Beispiel der Fahrerassistenzsysteme<br />

zeigt sehr schön, dass<br />

Ingenieure und Verhaltenswissenschaftler<br />

in der Lage sind, wirksame technische<br />

Innovationen zu entwickeln, die als Hilfe<br />

und nicht als Beschneidung des Freiheits-<br />

und Mobilitätsbedürfnisses wahrgenommen<br />

werden.<br />

Oder macht uns doch die von Le Breton<br />

postulierte Zunahme des Wunsches nach<br />

Risiko einen Strich durch die Rechnung,<br />

<strong>zum</strong>indest im Sport? Werden technische,<br />

organisatorische und informative Präventionsbemühungen<br />

als Eingriff in die Au-


tonomie wahrgenommen und abgewiesen?<br />

Ich denke nicht. Für den zunehmenden Erlebnis-<br />

und Bewegungsdrang gibt es noch<br />

andere Gründe als nur die Suche nach dem<br />

vermeintlich verloren gegangenen Sinn<br />

im Leben. Zudem definiert die breite Bevölkerung<br />

Freiheit nicht als Möglichkeit,<br />

sich selber und die Solidargemeinschaft in<br />

Schwierigkeiten zu bringen, sondern das sicher<br />

tun zu können, was ihr Spass macht.<br />

Eine grosse Aufgabe der Unfallprävention<br />

ist es deshalb, insbesondere Entscheidungs-<br />

trägern klar zu machen, dass gute Rahmenbedingungen<br />

nicht eine Beeinträchtigung<br />

der Freiheit nach sich ziehen, sondern diese<br />

geradezu ermöglichen.<br />

STEFAN SIEGRIST<br />

Dr. Stefan Siegrist studierte Psycho­<br />

logie und Strafrecht an der Universität<br />

Bern und bildete sich in Public<br />

Health und Betriebswirtschaftslehre<br />

weiter. Er ist u. a. Mitglied des<br />

European Forum of Road Safety<br />

Research Institute FERSI.<br />

KORNEL STADLER<br />

Nach dem Abschluss der Grafikfachklasse<br />

und einem Master of Arts in<br />

Design im Bereich Illustration arbeitet<br />

der 26­Jährige als freischaffender<br />

Illustrator und leitet Kurse in «Character<br />

Design» und «Skizzieren».<br />

VISION PRÄVENTION<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 57


SCHLUSSWORT<br />

Geschätzte Leserin,<br />

geschätzter Leser<br />

Jedes Jahr verunfallen in der Schweiz<br />

rund 1 Million Menschen im Haus,<br />

bei Sport- und Freizeitaktivitäten sowie<br />

im Strassenverkehr. Dies, obwohl Umfragen<br />

den Schweizerinnen und Schweizern<br />

ein hohes Problembewusstsein bescheinigen:<br />

Sie nehmen die Unfallgefahr als grössere<br />

Bedrohung wahr als Krankheit oder<br />

Arbeitslosigkeit. Und sie befürworten<br />

Massnahmen zur Vermeidung von Unfällen<br />

oft auch dann, wenn diese mit repressiven<br />

Folgen verbunden sind.<br />

Die Unfallstatistik zeigt: Die subjektive<br />

Wahrnehmung und eine generelle Sensibilität<br />

für die Unfallproblematik garantieren<br />

noch nicht, dass sich die Menschen jederzeit<br />

risikobewusst verhalten. Allzu oft überschätzen<br />

wir unsere eigenen Fähigkeiten,<br />

eine gefährliche Situation zu meistern und<br />

einen Unfall zu vermeiden. Gleichzeitig unterschätzen<br />

wir die Risiken, denen wir uns<br />

unbewusst oder mit Absicht aussetzen. Die<br />

Folgen: grosses menschliches Leid und hohe<br />

Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

Die Aufgabe der bfu ist es, den Menschen<br />

zu zeigen, wie sie durch verantwortungs-<br />

58 75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

volles Verhalten Risiken vermeiden und gefährlichen<br />

Situationen aus dem Weg gehen<br />

können. Natürlich hat diese «Verhaltensprävention»<br />

Grenzen. Nachhaltig wirkungsvoll<br />

ist Prävention in der Regel erst, wenn neben<br />

dem Verhalten auch die Verhältnisse,<br />

also technische und rechtliche Rahmen-<br />

bedingungen, einbezogen werden. Der<br />

Fachbegriff dafür heisst «Verhältnis-<br />

prävention». Deshalb nimmt die bfu auf die<br />

relevanten Normen und Gesetze Einfluss<br />

– immer im Wissen, dass Prävention auch<br />

Einfluss auf die individuelle Freiheit hat.<br />

In der Beratung geben bfu-Verkehrs- und<br />

Sicherheitsingenieure ihr Wissen gezielt für<br />

die Verbesserung der Infrastruktur weiter.<br />

<strong>Das</strong> heisst nun aber nicht, dass die bfu<br />

in Zukunft auf Appelle an die individuelle<br />

Verantwortung und auf Aufklärungskampagnen<br />

verzichtet. Diese bleiben wichtige<br />

Instrumente zur Vermittlung von Wissen<br />

um die Risiken im Haus, beim Sport und in<br />

der Freizeit. Wer die Risiken kennt, ist eher<br />

bereit, Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit<br />

zu akzeptieren und sich entsprechend<br />

zu verhalten.<br />

Es erstaunt nicht, dass die bfu wie keine<br />

andere Institution in diesem Tätigkeitsfeld<br />

als unabhängiges Kompetenzzentrum<br />

ein hohes Ansehen geniesst. <strong>Das</strong> Vertrauen<br />

hat sie sich hart erarbeitet, indem sich ihre<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit nunmehr<br />

75 Jahren unablässig und mit grossem<br />

Sachverstand für die Unfallprävention<br />

engagieren.<br />

Es erfüllt mich mit Stolz, als Stiftungsratspräsident<br />

einen bescheidenen Beitrag<br />

leisten zu dürfen, dass die bfu ihre wichtige<br />

Mission auch in Zukunft erfüllen<br />

kann. Denn obwohl sie das Leben der Menschen<br />

in unserem Land in den vergangenen<br />

75 Jahren ein beachtliches Stück sicherer<br />

gemacht hat, wird ihr die Arbeit nicht so<br />

schnell ausgehen.<br />

ULRICH FRICKER<br />

Präsident des bfu­Stiftungsrats


75 Jahre bfu<br />

<strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>zum</strong> <strong>Jubiläum</strong><br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeberin: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung,<br />

Hodlerstrasse 5a, CH-3011 Bern,<br />

info@bfu.ch, www.bfu.ch, Tel. + 41 31 390 22 22<br />

Redaktionsleitung: Magali Dubois und Tom Glanzmann (bfu)<br />

Layout: Vera Studer (bfu)<br />

Mit Engagement von: Peter Bader (Textatelier.ch)<br />

Urs Bader (misterprint.ch)<br />

Jörg Beckmann<br />

Lionel Felchlin (bfu)<br />

Ulrich Fricker (Stiftungsratspräsident bfu)<br />

Barbara Hahn (Von B und C)<br />

Elisabeth Huber<br />

Thorsten Kaletsch (Textatelier.ch)<br />

David Le Breton<br />

Viviane Lüthi (bfu)<br />

Ursula Marti (wortreich gmbh)<br />

Daniel Menna (bfu)<br />

Rolf Moning (bfu)<br />

Alessandro Pesce<br />

Loredana Pettannice<br />

Sandrine Rovere<br />

Hedy Rudolf (bfu)<br />

Stefan Siegrist (bfu)<br />

Kornel Stadler<br />

Lars Thomsen<br />

Nicole Wulf (Wulf Übersetzungen)<br />

Bildretouchen: Lithwork Phoenix AG<br />

Bildnachweise: bfu;<br />

Umschlag und S. 23: Andrea Campiche;<br />

S. 3: Iris Andermatt;<br />

S. 10, 11, 37, 39: Ruben Wyttenbach;<br />

S. 10 Bild Isabelle Chassot: © La Liberté;<br />

S. 11 Bild Doris Leuthard: © Keystone;<br />

S. 11 Bild Fabian Cancellara:<br />

Steffen Müssiggang (Radsportphoto.net);<br />

S. 30 bis 34, 46/47: Simone Wälti;<br />

S. 40 bis 43: Hans Minder (Lithwork);<br />

S. 44: © Sunday Photos<br />

Druck: UD Print AG, Luzern, klimaneutral gedruckt<br />

Auflage: 40 000 Exemplare in Deutsch, Französisch und Italienisch<br />

<strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> erscheint einmalig.<br />

ISSN 2235-8846 (Print) / ISSN 2235-8854 (PDF)<br />

© Wiedergabe von Artikeln nur mit Genehmigung<br />

der Redaktion und unter vollständiger Quellenangabe<br />

Mehr <strong>zum</strong> 75-Jahr-<strong>Jubiläum</strong> der bfu:<br />

www.75.bfu.ch<br />

75 Jahre bfu – <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 59


1.018.01 – 01.2013

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