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6,95 MB - Ragnitz

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zusteigen. Deshalb mussten wir dann<br />

bei der nächsten Station wiederum<br />

aussteigen um auf die Zurückgebliebenen<br />

zu warten. Weil wir außerdem<br />

noch oft umsteigen mussten, dauerte<br />

es sehr lange bis wir endlich beim<br />

Südbahnhof angekommen waren.<br />

Orleans, ca. 100 km südlich von<br />

Paris, war etwa so groß wie Graz.<br />

Dort kamen wir in der Nacht an und<br />

mussten erst die Kommandozentrale<br />

suchen. Nirgendwo gab es deutsche<br />

Hinweisschilder. Ich hatte Mühe alle<br />

beisammen zu halten. Von da musste<br />

ich dann mit 3 Kameraden weiter nach<br />

Burges, 50 km südlich von Orleans.<br />

Am Flughafen herrschte voller Betrieb.<br />

Ständig starteten die Kampfflugzeuge<br />

in Richtung England. Wir mussten<br />

sofort in den vollen Flughafenbetrieb<br />

einsteigen, obwohl wir noch keine<br />

wirkliche Erfahrung hatten. Unser<br />

Dienstplan war so umfangreich, dass<br />

wir kaum Zeit für Essen und Schlafen<br />

fanden. Der Dienst dauerte von 6 Uhr<br />

bis 13 Uhr, dann von 20 Uhr bis 6 Uhr,<br />

danach wieder von 13 Uhr bis 22 Uhr<br />

usw. Der Fernschreibraum befand<br />

sich unterhalb der Flugleitung. Wir<br />

hatten jeweils zu zweit Dienst. Ein<br />

„alter“ Feldwebel, so an die 40 Jahre,<br />

ehemaliger Buchhalter, versah mit<br />

mir gemeinsam den Dienst. Er wollte<br />

immer nur mich als Dienstpartner<br />

haben, denn er beherrschte das<br />

Zehnfingersystem eben so wenig, wie<br />

er auch nicht blind schreiben konnte.<br />

Er tippte die Texte nach seinem<br />

gewohnten Zweifingersystem. Ich<br />

hingegen hatte damals schon ein sehr<br />

hohes Schreibtempo erreicht, den<br />

Leistungswettbewerb habe ich mit<br />

Auszeichnung bestanden und dafür<br />

auch ein Abzeichen erhalten.<br />

1943 wurde der Flughafen zerstört.<br />

Ein Granatsplitter hatte mir einige<br />

Zähne im Ober- und Unterkiefer<br />

gebrochen. Ich musste nach Nantes<br />

ins Feldlazarett. Zuerst haben sie mir<br />

gleich die im Oberkiefer verbliebenen<br />

Wurzeln gezogen (natürlich ohne<br />

Einspritzen), mit etwas Wasser ausgespült<br />

und danach musste ich gleich<br />

wieder in den Dienst. Nach 2 Tagen<br />

wurden die Wurzeln im Unterkiefer<br />

gezogen. 2 Wochen später erhielt<br />

ich einen Teilzahnersatz, der mit<br />

Drahtklammern an den Eckzähnen<br />

befestigt war.<br />

Wegen der Zerstörung des Flughafens<br />

Burges, wurde ich nach Rouen,<br />

nördlich von Paris, versetzt. Ich kam<br />

zu einer Fernsprechvermittlung mit<br />

300 Anschlüssen. Die Arbeit am Klappenschrank<br />

hatte ich nie gelernt, aber<br />

danach wurde nicht gefragt. Später<br />

ging es nach St. Brieuc und von dort<br />

weiter nach Quimper bei Brest (nahe<br />

der Westküste -Bretagne). Ich war<br />

zur ZBV, das heißt zur besonderen<br />

Verwendung, eingeteilt worden. So<br />

war ich schließlich für ein tragbares<br />

Notstromaggregat und einen dazugehörenden<br />

Einachsanhänger<br />

verantwortlich. Das Notstromgerät<br />

brachte eine hohe Leistung. Weiters<br />

musste ich eventuelle, leichte Schäden<br />

an den Fernschreibmaschinen<br />

reparieren.<br />

Eines Tages sollte das Stromaggregat<br />

mit der Bahn in die Stadt Quimper<br />

gebracht werden. Ich musste das<br />

Gerät begleiten. Der Anhänger kam<br />

auf einen kleinen, desolaten Waggon,<br />

der keine Bordwände besaß. Es war<br />

der letzte Wagen am Lastzug. Am<br />

Waggon sitzend, begleitete ich das<br />

Gerät und hatte darauf zu achten,<br />

dass sich die Sicherungsholzklötze an<br />

den Rädern nicht lockerten. Auf einer<br />

abfallenden Strecke wurde der Zug<br />

immer schneller. Anscheinend versagten<br />

die Bremsen und es hat meinen<br />

Waggon dermaßen geschüttelt,<br />

dass ich schon geglaubt habe, ich<br />

flieg mit dem alten Waggon und dem<br />

Stromaggregat davon.<br />

Am Bahnhof, als der<br />

Zug zum Stehen kam,<br />

glühten die Bremsen<br />

der Waggons genau<br />

so wie ich.<br />

In Quimper war eine<br />

große Fernschreibervermittlung<br />

mit 10 Maschinen.<br />

Später als<br />

auch diese zerstört<br />

waren, kam ich nach<br />

Lyons und danach<br />

nach Salon-de-Provence,<br />

nahe Marseille,<br />

Südfrankreich.<br />

Ich hatte fast alle Jahre das Privileg,<br />

Heimurlaube antreten zu können. So<br />

bekam ich im Herbst einen Ernte-,<br />

oder im Frühjahr einen Anbauurlaub.<br />

Der Vater hat immer nur um solche<br />

Urlaube angesucht. Durch diese<br />

Urlaube erfuhren meine Kameraden<br />

von der Schreibstube erst, dass ich<br />

vom Land bin. Sie wollten es nicht<br />

glauben, dass ich vom Land komme<br />

und der Sohn einfacher Bauersleute<br />

war. Vielmehr argwöhnten sie, mit<br />

welchem Trick ich mir die Urlaube<br />

erschlich.<br />

Wir waren in Baracken ca. 1 km vom<br />

Flughafen entfernt, untergebracht.<br />

Es war im Oktober, als 2 Kameraden<br />

und ich abends noch zum Fliegerhorst<br />

gingen, um dort im Teich zu baden,<br />

weil es in unseren Unterkünften keine<br />

Dusche gab. Der Teich war ca.<br />

30x30 m in der Fläche und ungefähr<br />

3 m tief. Er war mit schrägen Betonwänden<br />

eingefasst und in einer Ecke<br />

führte eine Stiege bis zum Grund des<br />

Teiches. Das Wasser war ziemlich<br />

kalt. Wir schwammen dreimal hin und<br />

her. Ich wollte schon aus den Teich<br />

steigen, da meinten die anderen:<br />

„Einmal noch!“ Na gut, einmal noch.<br />

Beim dritten Mal hin war es schon<br />

ziemlich kalt geworden und beim Zurückschwimmen<br />

verließen mich, etwa<br />

in der Mitte des Teiches, die Kräfte.<br />

Ich versank in den Fluten. Als meine<br />

beiden Kameraden das Ufer erreichten,<br />

liefen sie zu den Kleidern, um sich<br />

anzuziehen. Einer von den beiden<br />

bemerkte, dass ich nicht nachgekommen<br />

war. Er ging zurück und konnte<br />

mich aber nirgends entdecken. Beide<br />

suchten aufgeregt am Ufer. Plötzlich<br />

sahen sie, wie ich langsam am<br />

Geländer der Stiege hochstieg. Sie<br />

packten mich, zogen mich ans Ufer,<br />

drückten mich am Bauch, doch ich

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