Kescher - Abraham Geiger Kolleg
Kescher - Abraham Geiger Kolleg
Kescher - Abraham Geiger Kolleg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ausgezeichnet<br />
Avital Ben-Chorin, die 1923 in Eisenach geboren<br />
wurde und sich 1936 nach Palästina retten konnte,<br />
wurde am 11. August die Ehrenbürgerschaft<br />
ihrer Geburtsstadt verliehen. „Sie haben sich<br />
ihren traurigsten Erinnerungen gestellt und uns<br />
die Hand ausgestreckt“, würdigt Oberbürgermeis -<br />
terin Katja Wolf (Linke) die Ehrenbürgerin. Avital<br />
Ben-Chorin stehe für den Dialog zwischen<br />
Christen und Juden, Deutschen und Israelis. Sie<br />
sei ein Vorbild, wie man Hass und Rassismus mit<br />
Menschlichkeit entgegen treten könne.<br />
„Mit mir stehen alle Eisenacher Juden hier, die<br />
Geschundenen und Gemordeten“, sagte Avital<br />
<strong>Kescher</strong><br />
ben-Chorin. Ihr Großvater, Dr. Julius Fackenheim,<br />
hätte die Auszeichnung eher verdient. Der Arzt<br />
hat sich sehr für die Stadt verdient gemacht.<br />
„Aber der Lohn war ein anderer“, erinnert die<br />
gebürtige Erika Fackenheim, die 1958 zusammen<br />
mit ihrem verstorbenen Ehemann Schalom Ben-<br />
Chorin zu den Begründern der ersten Reformge -<br />
meinde in Israel, der Har El-Synagoge in Jerusa -<br />
lem, gehörte und sich nach wie vor für ein lebendiges<br />
und pluralistischen Judentum engagiert.<br />
„Diese Ehrenbürgerschaft ehrt die Stadt Eise -<br />
nach“, sagte Bodo Ramelow. Der Fraktions -<br />
vorsitzende der Linken im Thüringer Landtag<br />
Rabbiner Walter Homolka predigte am<br />
Israel-Sonntag erstmals im Berliner Dom<br />
Judentum und Christentum sind eng miteinander<br />
verwoben - und doch trennt sie geschichtliche<br />
Erfahrung ebenso, wie Lehrunterschiede. Am 12.<br />
August hielt der Rektor des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />
<strong>Kolleg</strong>s, Rabbiner Walter Homolka, erstmals eine<br />
Predigt im Berliner Dom. Sein Thema: Von einander<br />
Glauben lernen, im Bewusstsein des religiösen<br />
Eigenwerts.<br />
Anlass war der Israel-Sonntag, der das Verhältnis<br />
zwischen Judentum und Christentum thematisieren<br />
soll. Als Martin Luther 1523 seine Schrift<br />
„Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei“ herausbrachte,<br />
war das für jüdische Leser zunächst<br />
eine gute Nachricht: Hier kommt jemand und<br />
verweist auf den Ursprung des Christentums im<br />
Judentum und bietet sogar Anknüpfungspunkte<br />
für gegenseitiges Verständnis. Es ist die Ent -<br />
täuschung darüber, dass Juden seiner reformatorischen<br />
Botschaft nicht gefolgt sind, die Luther<br />
schließlich zu einem Feind des Judentums werden<br />
lässt. Er schreibt stark polemische Schriften<br />
wie „Von den Juden und ihren Lügen“, ruft sogar<br />
31<br />
lernte Avital Ben-Chorin 2008 kennen, als er bei<br />
seiner ersten Israel-Reise Einrichtungen der World<br />
Union for Progressive Judaism besuchte. Vor zwei<br />
Jahren trafen sich die beiden in Erfurt wieder. An<br />
der Feierstunde im Eisenacher „Rauten kranz“, zu<br />
der Avital Ben-Chorin von ihrer Tochter Ariela<br />
Kimchi begleitet wurde, nahmen auch der Rektor<br />
des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s, Rabbiner Prof. Dr.<br />
Walter Homolka, der Vorsitzen de der Jüdischen<br />
Landesgemeinde Thüringen, Wolfgang Nossen,<br />
und sein Stellvertreter Prof. Dr. Reinhard<br />
Schramm sowie der Erfurter Rabbiner Konstantin<br />
Pal teil. Foto: Stadt Eisenach<br />
zum Niederbrennen von Synagogen auf. Luthers<br />
Ausfälle gegen Juden boten schließlich willkommene<br />
Argumentationshilfen für Antisemiten, insbesondere<br />
im ausgehenden 19. und im 20. Jahr -<br />
hunderts.<br />
Einer unserer Rabbinerstudenten sprach ebenfalls<br />
zum Israelsonntag. Nils Ederberg war von<br />
der Laurentiuskirche der Evangelischen Wein -<br />
bergkirchengemeinde Berlin dazu eingeladen<br />
worden, zum Jahresthema „Niemand wird dich<br />
noch ‘Verlassene’ nennen...“ (Jesaja 62,4) zu<br />
predigen. Aus aktuellem Anlass hatte sich<br />
Ederberg aber kurzfristig dazu entschieden, über<br />
das Kölner Beschneidungsurteil und seine Folgen<br />
zu sprechen. Die Resonanz darauf war groß und<br />
durchweg positiv: „Es war hilfreich, dass er dieses<br />
wichtige Thema aus jüdischer Sicht vortrug.<br />
Auch nach dem Gottesdienst wurde es in Einzel -<br />
gesprächen weiter diskutiert. Es bleibt große<br />
Betroffenheit, dass dieses Urteil in Deutschland<br />
gesprochen werden konnte“. Foto: Tobias Barniske